1/6 (Grundlagen, Tatbestand) Flashcards
(31 cards)
Kausalität (Äquivalenztheorie)
Kausal ist jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele
Handlung (im strafrechtlichen Sinne)
= vom menschlichen Willen beherrschte oder beherrschbare Verhaltensweise, die soziale Erheblichkeit besitzt
Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung
Kausal für den Erfolg ist eine Handlung dann,
wenn sie nach den uns bekannten Naturgesetzen
mit ihm notwendig verbunden ist.
Objektive Zurechenbarkeit
Der Erfolg ist objektiv zurechenbar, wenn der Täter durch sein Handeln eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen (oder erhöht hat), die sich in dem Erfolg konkret niedergeschlagen hat
Fallgruppen zum Ausschluss der objektiven Zurechenbarkeit: Fehlendes rechtlich relevantes Risiko
- Schadenseintritt außerhalb des menschlichen Beherrschungsvermögens
- Sozialadäquates Verhalten (ausdrücklich gestattetes Verhalten, Unerheblichkeit des des Schadens, geringe Schadenwahrscheinlichkeit)
- Risikoverringerung (eines ansonsten schwereren Schadens, ohne dass der Täter eine neue Gefahr geschaffen hätte)
- > eA: keine rechtliche Missbilligung, wenn RGVerletzungen abgeschwächt werden sollen
- > aA: auf Rechtswidrigkeitsebene zu lösen
pro: Möglichkeit des Betroffenen, der Umlenkung des Kausalverlaufs zu widersprechen
- > bei bloßer Risikoersetzung besteht objektive Zurechenbarkeit
Fallgruppen zum Ausschluss der objektiven Zurechenbarkeit: Fehlender Risikozusammenhang
- Verwirklichung eines an sich neutralen Risikos (allgemeines Lebensrisiko, erlaubtes Verhalten Dritter)
- atypischer Kausalverlauf (außerhalb aller Lebenserfahrung, sodass damit vernünftigerweise nicht gerechnet werden muss)
- Risikoverwirklichung außerhalb des Schutzbereichs der verletzten Verhaltensnorm (bspw. soll Geschwindigkeitsbegrenzung nach StVO nicht davor schützen, dass Fahrer zu einer bestimmten Zeit nicht an einem bestimmten Ort sind)
- Schaffung einer völlig neuen Gefahr
- eigenverantwortliche Selbstgefährdung (nicht strafbar, wenn sich das mit der Selbstgefährdung bewusst eingegangene Risiko realisiert; strafbar bei besserer Risikoeinschätzung durch überlegenes Wissen)
- > Eigenverantwortlichkeit (P)
- > “Tatherrschaft” über Selbstschädigung - Verdrängung des Erstrisikos durch ein neues Zweitrisiko durch dieselbe Person
- Eigenverantwortliches Dazwischentreten Dritter (aber Grundsatz: Auftrennen nach Verantwortungsbereichen)
Kumulative Kausalität
Mehrere Täter setzen unabhängig voneinander Bedingungen, die erst in ihrem Zusammenwirken für den Erfolg kausal sind
Alternative Kausalität
Modifizierte csqn-Formel: von mehreren Bedingungen, die zwar alternativ, aber nicht kumulativ hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele, ist jede für den Erfolg ursächlich
Vorsatzformen
- Absicht (dolus directus I. Grades)
- Wissentlichkeit (dolus directus II. Grades)
- Eventualvorsatz (dolus eventualis)
Absicht (dolus directus I. Grades)
Absicht ist gegeben, wenn es dem Täter gerade darauf ankommt, den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges herbeizuführen oder den Umstand zu verwirklichen, für den das Gesetz absichtliches Handeln voraussetzt
Wissentlichkeit (dolus directus II. Grades)
Wissentlichkeit liegt vor, wenn der Täter weiß oder als sicher voraussieht, dass er den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht
Bedingter Vorsatz
Dolus eventualis liegt vor, wenn der Täter den Erfolgseintritt als möglich erkannt und diesen billigend in Kauf genommen hat
Kognitive Theorien (dolus eventualis)
- Möglichkeitstheorie: Handeln trotz Erkennens der konkreten Möglichkeit der Rechtsgutsverletzung
- Wahrscheinlichkeitstheorie: Handeln trotz Haltens der Rechtsgutsverletzung für wahrscheinlich (nicht nur für bloß möglich)
- Vermeidetheorie: Handeln ohne ernsthafte Vermeidebemühungen
Voluntative Theorien (dolus eventualis)
- Gleichgültigkeitstheorie: Täter hat keine innerliche Einstellung zum Erfolg, da dieser ihm gleichgültig ist
- Ernstnahmetheorie: Täter hat die konkrete drohende Rechtsgutsverletzung erkannt, ernst genommen und sich mit ihr abgefunden
- Billigungstheorie: Täter hat den Erfolg als möglich und nicht ganz fernliegend erkannt und ihn gebilligt (bzw. billigend Einkauf genommen - kein Gutheißen, sondern ein Sich-Abfinden)
Bewusste Fahrlässigkeit
Liegt vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft - nicht nur vage - darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten
P: Dolus alternativus
Vorsatzkombination in Bezug auf zwei oder mehrere Tatbestände, die sich gegenseitig ausschließen
- eA: allein Vorsatz des schwereren Delikts findet Berücksichtigung (aber: unbillig, wenn nur geringeres Delikt vollendet)
- aA: allein Vorsatz des vollendeten Delikts (kein Vorsatz bezüglich Versuch, “verbraucht”)
con: mitunter schweres Versuchsunrecht wird vernachlässigt - hM: Vorsatz für das objektiv verwirklichte Delikt; Versuch für das unvollendete
pro: Tätervorsatz (als dolus eventualis) kann sich auch auf mehrere Varianten erstrecken
-> zu diskutieren nach dem vollendeten Delikt zu Beginn der Versuchsprüfung
Dolus cumulativus
Vorsatz bezüglich mehrerer, voneinander unabhängiger Deliktsverwirklichungen
P: Objektive Zurechnung, wenn der Täter glaubt, der Erfolg sei bereits mit dem ersten Akt eingetreten, dieser jedoch erst mit dem zweiten Akt (Verdeckungshandlung) eintritt? (Vorkonstellation des dolus generalis!)
“Objektiv zurechenbar ist ein Erfolg, wenn der Täter eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen hat, die sich im tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert.”
Ansicht 1: Obj. Zur. (-)
Eine Ansicht verneint in diesem Falle die objektive Zurechnung (= Versuch + Fahrl.). Der Ersthandlung hafte nicht das spezifische Risiko des Erfolgseintritts an.
Ansicht 2: Obj. Zur. (+/-)
Zum Teil wird die objektive Zurechnung dann bejaht, wenn der Täter von vornherein vorhat, die Leiche zu beseitigen.
Ansicht 3: Obj. Zur. (+)
Die h.M. verweist auf die Voraussehbarkeit. Im Zweitakt realisiert sich noch die durch die Ersthandlung geschaffene Gefahr, da der verspätete Erfolgseintritt durch die Zweithandlung noch im Rahmen der allg. Lebenserfahrung liege. Es handelt sich um ein spezifisches Risiko, dass durch die Ersthandlung geschaffen wurde.
P: Handelt der Täter vorsätzlich, wenn er glaubt, der Erfolg sei bereits mit dem ersten Akt eingetreten, dieser jedoch erst mit dem zweiten Akt eintritt? Muss sich der Vorsatz auf den Erfolg auch auf die Zweithandlung beziehen?
Ansicht 1: Lehre vom “dolus generalis”
Hiernach ist der Täter aus dem vollendeten Vorsatzdelikt zu bestrafen. Beide Teilakte stellen ein einheitliches, von einem einzigen generellen Vorsatz getragenes Handlungsgeschehen dar, weshalb der Täter auch beim Zweitakt vorsätzlich handle.
(-), denn der Täter hat hier keine generelle, sondern meist eine ganz genaue, aber falsche Vorstellung vom Kausalverlauf
Ansicht 2: Zwei selbstständige Teilakte
Hier würde der Täter wegen versuchter Tat in Tatmehrheit (!) mit fahrlässigem Delikt bestraft.
Die Teilakte stellen zwei selbstständige, von unterschiedlichen Vorsätzen getragene Handlungen dar.
(-), denn eine isolierte Betrachtung der Zweithandlung (vorausgesetzt zur Anwendung -> Tatmehrheit!) wird dem Geschehen nicht gerecht.
Ansicht 3: Irrtum über den Kausalverlauf (h.M. Rspr.)
In Anknüpfung an die Ersthandlung entfällt der Vorsatz gem. § 16 I 1, wenn sich der Täter in rechtlich erheblicher Weise über den Kausalverlauf geirrt hat. Unerheblich ist der Irrtum dann, wenn sich der Tathergang noch innerhalb allg. Lebenserfahrung hält und auch die subj. Tätervorstellung keine andere Bewertung rechtfertigt.
(+), der unterschiedliche Erfolgseintritt rechtfertigt keine völlig andere Bewertung.
P: Wie ist mit einer Erfolgsherbeiführung durch einen ganz atypischen Kausalverlauf umzugehen?
- eA: Obj. Zur. (-) (h.L.), wenn es niemandem in der sozialen Rolle des Täters möglich gewesen wäre, den Erfolg in sener konkreten Gestalt vorherzusehen -> nicht mehr “sein Werk”, sondern das des Zufalls
- aA: Subj. TB (-) (Rspr.) - (wie beim dolus generalis) Irrtum über den Kausalverlauf gem. § 16 I 1; dies gilt jedoch nicht, wenn der weitere Geschehensablauf noch voraussehbar war
Bsp.: - Blutverlust -> Bewusstlosigkeit -> Erbrechen in Bewusstlosigkeit -> Ersticken am Erbrochenen.
- Todeseintritt aufgrund von Wundinfektion nach Messerstichen.
- Streitentscheid: irrelevant, da h.L. und Rspr. grds. übereinstimmen
P: Abgrenzung bewusste Fahrlässigkeit / dolus eventualis?
- eA: “Möglichkeitstheorie”: Täter hat die konkrete Möglichkeit des Erfolgseintritts erkannt und gleichwohl gehandelt
pro: Wer trotzdem handelt, akzeptiert auch den Erfolgseintritt
con: zu nahe an der bew. Fahrl. Bei dieser hält der Täter den Erfolg auch für möglich. Das voluntative Element wird außer Acht gelassen - aA: “Wahrscheinlichkeitstheorie”: Täter hält den Erfolg für überwiegend wahrscheinlich
pro: “Wahrscheinlich” ist mehr als “möglich”. Das Für-Wahrscheinlich-Halten indiziert die Billigung.
con: unklare Abgrenzung zur Möglichkeit
con: zu nahe an der bew. Fahrl. Bei dieser hält der Täter den Erfolg auch für möglich. Das voluntative Element wird außer Acht gelassen - wA: “Gleichgültigkeitstheorie”: Täter steht einer Verletzung des geschützten Rechtsguts gleichgültig gegenüber
pro: Da Vorsatz iVgl zur Fahrl. die schwerere Schuldform ist, bedarf dieser eines besonderen “Gesinnungsunwerts”.
con: Beschränkung auf die Wollensebene wird der Komplexität des Vorgangs nicht gerecht
con: Vorsatz wird von Emotionen abhängig gemacht
con: bei unerwünschten Folgen liegt eine Ablehnung des Vorsatzes nahe, da angesichts des Nachweises der Gleichgültigkeit eine Ablehnung des Erfolges wahrscheinlicher ist - hM: “Ernstnahme -/ Billigungstheorie” (h.L. /Rspr.): Täter hat den Erfolgseintritt als möglich erkannt und diesen billigend inkauf genommen hat (vs. bewusst fahrlässig handelt, wer den Erfolg zwar als möglich erachtet, jedoch ernsthaft (und nicht nur vage) auf dessen Ausbleiben vertraut)
pro: Unterschied zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit liegt in der bewussten Entscheidung (oder: “willentlichen Stellungnahme”) für eine mögliche Tatbestandsverwirklichung
pro: Wissens- und Wollenskomponenten werden in Ausgleich gebracht -> zusätzlicher Wertungsspielraum; restriktives Potential (keine Ausdehnung wie bei rein kognitiven Theorien)
P: Strafanwendungsrecht: Tatort im Internet bei abstrakten bzw. potentiellen Gefährdungsdelikten (bspw. § 130)
- eA: kein tatbestandlicher Erfolg bei diesen Delikten, an die § 9 Var. 3 StGB anknüpfen könnte
- aA (BGH): Erfolg tritt dort ein, wo die konkrete Tat ihre Gefährlichkeit im Hinblick auf das im TB umschriebene RG entfalten könne
pro: Erfolgsbegriff des § 13 erstreckt sich auch auf abstrakte Gefährdungsdelikte
Ausschluss der Handlungsqualität
- vis absoluta
- Bewegungsvorgänge ohne Mitwirkung der Geisteskräfte (Schlaf, Ohnmacht)
- Reflexbewegungen
- > jedoch (+) bei bloß automatisierten Verhaltensweisen (Reaktion bleibt dem regulierenden Zugriff des steuernden Bewusstsein offen)
P: Kausalität bei Gremienentscheidungen
I. Eine Stimme Mehrheit
- Kausalität aller Gremienmitglieder (+), die mit Ja gestimmt haben (kumulative Kausalität)
II. Mehr als eine Stimme Mehrheit
- eA: conditio-sine-qua-non-Formel wäre (-), da nur die entstehenden Mehrheit (ungeachtet der konkreten Zusammensetzung) entscheidend ist
pro: Der Erfolg in seiner konkreten Gestalt beruht auf dem tatsächlich gefassten Beschluss mit der konkreten positiven Stimmenanzahl. Jede Stimme ist Teil des ganzen Beschlusses und hat insoweit eine gesetzmäßige Bedingung für seine Wirksamkeit gesetzt. Also fließen alle Ja-Stimmen in die positive Entscheidung ein und haben sie demgemäß auch verursacht.
=> kumulative / alternative Kausalität
-eA*: kumulative Kausalität: jede Stimme des Gremiums, obgleich sie unabhängig von den anderen Stimmen keine wirksame (Einzel-)Ursache darstellte, ist erst mit den anderen Stimmen zusammen wirksam daher kausal
con: jede einzelne Stimme führt gerade nicht mit den anderen Stimmen zusammen den Erfolgseintritt herbei (Mehrheit - 1 wäre immer noch Mehrheit) - eA: alternativen Kausalität: mehrere unabhängig voneinander gesetzte Bedingungen, welche zwar alternativ, nicht aber kumulativ hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg in der konkreten Gestalt entfiele
con: auch die Gegenstimmen und Enthaltungen wären kausale Bedingungen, postulierte man nicht vorher, dass diese keine für den Erfolg relevanten Bedingungen darstellen. Denn bei alternativer hypothetischer Eliminierung jeder einzelnen Stimme entfällt der Erfolg nicht. Bei der alternativen Kausalität wirkt jede der Bedingungen alternativ, d.h. bei Wegdenken der anderen Bedingungen selbst zum Erfolg führen könnte-> die Bedingungen sind für den Erfolgseintritt nicht voneinander völlig unabhängig
eA*: Kombination aus kumulativer und alternativer Kausalität
(+) Um dem obigen Einwand, wonach hier die
einzelne Ja-Stimme den Beschluss nicht bewirkt, entgegen zu treten, muss hier zunächst der Aspekt der kumulativen Kausalität fruchtbar gemacht werden: Jede Ja-Stimme bewirkt zwar nicht allein den Beschluss, aber jeweils kumulativ mit so vielen anderen Ja-Stimmen wie für eine Mehrheit erforderlich. Da nun wegen des Überhangs zustimmender Voten mehrere Möglichkeiten existieren, wie die erforderliche Mehrheit gebildet wird, liegt zwischen der entscheidenden mehrheitsbegründenden Stimme – als welche jede JaStimme für sich angesehen werden kann – und den überzähligen Ja-Stimmen ein Fall der alternativen Kausalität vor. Diese können zwar jeweils einzeln, nicht aber kumulativ hinweggedacht werden, ohne dass der konkrete Erfolg entfiele. - aA: Risikoerhöhungslehre: alle Stimmen, die einen Erfolg ermöglichten, sind kausal
pro: aus einer ex-ante-Perspektive vergrößerte jede dieser Stimmen die Gefahr bzw. das Risiko einer Schädigung des Rechtsguts selbst dann, wenn sich eine Ja-Stimme ex-post als “überzählig” erweist
con: die Risikoerhöhungslehre deutet contra legem Verletzungsdelikte in Gefährdungsdelikte um
con: diese Lehre verzichtet auf eine nachweisbare Verknüpfung von erhöhtem Risiko und Erfolg und verstößt damit gegen den in-dubio-pro-reo-Grundsatz. - wA (Rspr., Rengier): Mittäterschaft: alle Gremiumsmitglieder haben die gemeinsame Pflicht, einen Beschluss i.S.d. Rechtsordnung zu treffen; jeder Einzelne hätte alles ihm Mögliche und Zumutbare zur Herbeiführung eines solchen Beschlusses tun müssen
pro: keine Kausalitätsprobleme, weil dann alle Stimmen gegenseitig zugerechnet werden und damit das Gewicht der einzelnen Stimme keine Rolle spielt
con: Zirkelschluss, da eine mittäterschaftliche Tatbegehung Kausalität des Beitrags zumindest eines Mittäters für den Erfolg voraussetzt
con: Tatbeherrschung eines einzelnen Mitglieds über das Gremium lässt sich nicht begründen - neA: Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung: das unterbliebene “richtige” Abstimmen durch jedes einzelne Gremiumsmitglied war notwendiger Bestandteil einer hinreichenden Mindestbedingung für den mehrheitlichen Beschluss
con: diese Lehre gibt allgemein keinen konkreten Maßstab vor, wann eine “gesetzmäßige Bedingung” genau vorliegt