2/3 (Gemeindeverfassung, Aufgabenkreis, Satzungsrecht) Flashcards
(28 cards)
Abgrenzung: Organe - Organwalter - Organteile
- Organe = rechtliche geschaffene Einrichtungen eines Verwaltungsträgers, die dessen Zuständigkeit wahrnehmen (keine (eigene) Rechtsfähigkeit)
- > Gemeinderat als Verwaltungsorgan (§ 23 GemO) Teil der Exekutive
- Organwalter = Menschen, die tatsächlich für das Organ handeln
- Organteile = Teile des Organs mit eigenen Rechten
- > Ausschüsse
- > einzelne Gemeinderatsmitglieder
- > Fraktionen
Begriff und Rechtscharakter: Kommunalverfassung
= Bestimmung der kommunalen Organe, ihrer Zuständigkeiten und Kompetenzen
- > Normen der GemO (§§ 23 ff.)
- > Hauptsatzung (als Verfassungsstatut der Kommune)
- -> Satzung im rein formellen Sinn (keine Außenwirkung)
Wahlrechtsgrundsätze (§ 26 GemO): Gleichheit der Wahl: 5 %-Hürde auf kommunaler Ebene
- BVerfG früher: Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt eines störungsfreien Funktionierens der Selbstverwaltung (Verhinderung von Splitterparteien)
- BVerfG heute: Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der kommunalen Vertretungsorgane muss mit einiger Wahrscheinlichkeit erwartet werden können
Wahlrechtsgrundsätze (§ 26 GemO): Freiheit der Wahl: Neutralitätspflicht des Bürgermeisters
- Differenzierung zwischen
- > Tätigsein als Amtsperson: strikte Neutralitätspflicht
- > Tätigsein als Privatperson: Grundrecht auf freie Meinungsäußerung
Gemeinderat: Organteilrechte (und Grundrechte)
- Recht auf Mitwirkung, § 32 III GemO (wehrfähige Innenrechtsposition iSd Organstreits)
- Fragen- und Kontrollrechte
- Antragsrecht zur Tagesordnung, § 34 I 4, 5 GemO
- Grundrechtsberechtigung von Ratsmitgliedern
- > in ihrer Ausübung der Ratsmitgliedschaft (-)
pro: Ratsmitglied nimmt (innenrechtliche) organschaftliche Befugnisse wahr, die ihm als Teil des Gemeindeorgans zustehen, und steht nicht als Bürger im Verhältnis zum Staat (BVerwG) - > bei bloßer Tätigkeit bei Gelegenheit der Ausübung der Ratsmitgliedschaft (+) (bspw. Tragen von politischen Plaketten während der Sitzung)
- -> aber: Ordnungsgewalt des Bürgermeisters (§ 36 I 2 GemO) als allgemeines Gesetz iSd Art. 5 II GG
Gemeinderat: Fraktionen: Stellung der Fraktionen (§ 32a GemO)
- Innenrecht: Organteil mit Organteilrechten
- im Außenrecht: idR nichtrechtsfähiger Verein
- Voraussetzung
1. Mindestens zwei Gemeinderäte (höhere Mindestzahl abhängig von Geschäftsordnung)
2. Mindestmaß an politischer Übereinstimmung (ungeschrieben, OVG NRW)
Gemeinderat: Fraktionen: Rechtmäßigkeit eines Fraktionsausschlusses
- EGL: ungeschriebene Anforderungen, die sich aus der Bindung an demokratische und rechtsstaatliche Grundsätze iSd § 32a II 3 GemO und i.Ü. aus dem Spannungsverhältnis zw. dem Mitwirkungsrecht des auszuschließenden Fraktionsmitglieds einerseits und andererseits den Mitwirkungsrechten der übrigen Fraktionmitglieder und der Funktionsfähigkeit der Fraktion ergeben)
- Formelle Rm
a. Anhörung des Betroffenen
b. Qualifizierte Mehrheit - Materielle Rm
a. Tatbestand: wichtiger Grund
b. Rechtsfolgen: Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
Gemeinderat: Fraktionen: Rechtsstellung des fraktionslosen Abgeordneten
- eA: Anspruch auf vollwertigen Sitz in einem Ausschuss (inklusive Rede-, Antrags- und Stimmrecht)
pro: zu starke Beeinträchtigung des organschaftlichen Mitwirkungsrechts - aA: keinerlei Anspruch
pro: Mitwirkungsrecht im Rat ist nicht eingeschränkt; Ausschusssitzung kann als Zuhörer verfolgt werden
pro: Prinzip der Spiegelbildlichkeit von Ausschussbesetzung zur Sitzverteilung im Rat wäre verletzt - wA: Anspruch auf Sitz mit Rede- und Antragsrecht, aber ohne Stimmrecht
Gemeinderat: Geschäftsordnung (§ 36 II GemO): Rechtscharakter (P)
- Verwaltungsvorschrift oder Satzung (ohne Außenwirkung)
- > Begründen (zusätzlicher) Organteilrechte für Organteile
- > möglicher Gegenstand einer NK nach § 47 I Nr. 2 VwGO
- P: Auswirkung von Verstößen gegen die GO auf die Außenwirkung eines Gemeinderatsbeschlusses?
- > eA: Verfahrensfehler
pro: sofern es sich nicht um eine reine Ordnungsvorschrift, sondern um einen wesentlichen Verfahrensfehler handelt, der für den Beschluss kausal ist -> formelle Rw - > aA: keine Auswirkung
pro: GO als reines Innenrecht - -> nur relevant, wenn zugleich gesetzliche Vorgabe mitverletzt wird
Gemeinderat: Antragsrecht zur Tagesordnung, § 34 I 4, 5 GemO
- AGL: § 34 I 4 GemO
- Formelle Voraussetzungen
a. Antrag an Bürgermeister als zuständige Stelle
b. Fraktion oder Mindestquorum
c. Keine Sperrfrist, § 34 I 6 GemO - Materielle Voraussetzungen, § 34 I 5 GemO
- > Gegenstand in der
a. Verbandskompetenz der Gemeinde
b. Organkompetenz des Gemeinderates
Bürgermeister: Prüfungsrecht von Anträgen zur Tagesordnung, § 34 GemO
- Formelles Prüfungsrecht (+)
- Materielles Prüfungsrecht
a. Hinsichtlich Verbands- und Organkompetenz (Anforderungen aus § 34 I 5 GemO) (+)
b. Sonstige Rechtmäßigkeit (-)
pro: nicht von § 34 I 5 GemO erfordert
pro: Systematik: rechtswidrige Ratsbeschlüsse muss der Bürgermeister nach § 43 II GemO zurückweisen (nur repressives Prüfungsrecht ist materiell umfassend)
Bürgermeister: P: Abgrenzung von Ordnungsgewalt und Hausrecht, § 36 I 2 GemO
- hL: Differenzierung nach Adressat der Maßnahme
- > Ratsintern: Ordnungsgewalt (-> keine Außenwirkung)
- > Ratsextern: Hausrecht (-> VA)
- eA: Differenzierung nach Zeitpunkten
- > präventiv: Störungsbeseitigung: Hausrecht
- > repressiv: Störungssanktion: Ordnungsgewalt
- aA: Ordnungsgewalt (-> im Rahmen von Sitzungen) als Spezialfall des Hausrechts
Bürgermeister: Rechtmäßigkeit einer Maßnahme betreffend Ordnungsgewalt und Hausrecht, § 36 I 2 GemO
I. EGL, § 36 I 2
II. Formelle Rm
- Zuständigkeit
- Verfahren (wenn VA: § 28 LVwVfG; kein VA: Anhörungsgebot ggf. aus allgemeinem Rechtsstaatlichkeitsgrundsatz)
- Formlos
III. Materielle Rm
- TB
a. Gefahr/Störung der Sitzungsordnung
b. ggf. weitere Voraussetzungen nach § 36 III GemO
c. Verantwortlichkeit des Adressaten - Ermessen
a. Verhältnismäßigkeit
- > Abwägung zwischen Sicherung der Funktionsfähigkeit des Rates vs. Organteilrechte bzw. Grundrechte (bei Art. 5 GG: § 36 I 2 GemO als allgemeines Gesetz)
Bürgermeister: Allgemeines vs. spezielles Hausrecht
- speziell: während Sitzungen, § 36 I 2 GemO
- allgemein: Bürgermeister als Leiter der Gemeindeverwaltung (über Verwaltungsgebäude)
- > P: Rechtsnatur etc. s. Allgemeines Verwaltungsrecht
Bürgermeister: Geschäfte der laufenden Verwaltung, § 44 II GemO
= Geschäfte, die
- > keine grundsätzliche Bedeutung haben (insb. keine erhebliche finanzielle Bedeutung) und
- > mehr oder weniger regelmäßig wiederkehren
- idR (-) bei Straßenumbenennungen, Auswahlkriterien für Teilnehmer eines kommunalen Marktes, Aufstellung von Benutzungsregeln und Zulassungskriterien für die Nutzung kommunaler Einrichtungen
Bürgermeister: Verpflichtungsgeschäfte, § 54 GemO
- Auswirkung von Formfehlern (fehlende Schriftform)
- > öffentlich-rechtlicher Vertrag: Nichtig gem. § 59 I LVwVfG iVm § 125 BGB
- > zivilrechtlicher Vertrag: Nicht nach § 125 I BGB nichtig, da mangels Kompetenz (Art. 74 I Nr. 1 GG) der Landesgesetzgeber (GemO) kein Gesetz iSd § 125 BGB verabschieden kann, das eine zivilrechtliche Nichtigkeitsfolge beinhaltet
- -> hM: § 177 BGB analog (§ 54 GemO konkretisiert die Vertretungsbefugnis aus § 42 I 2 GemO -> bei Formfehler ist Bürgermeister nicht mehr vertretungsbefugt)
- Genehmigung?
- > hM: Gemeinderat
- > mM: Neuabschluss nötig
- Haftungsansprüche?
- > § 179 BGB (-)
pro: Grundsatz der Staatshaftung, Art. 34 S. 1 GG - > Amtshaftungsanspruch (-)
pro: § 54 GemO dient nur dem Schutz der Gemeinde - > Anspruch gegen die Gemeinde gem. §§ 280 I, 241 II, 311 II Nr. 1 BGB
Gemeinderatssitzung: Grundsatz der Öffentlichkeit, § 35 GemO
= wenn es für Zuhörer keine Zugangshindernisse zur Sitzung gibt,
- > die dem Bürgermeister oder dem Gemeinderat bekannt (bzw. fahrlässig unbekannt) sind
pro: Telos (Frage der Zurechenbarkeit der Nichtöffentlichkeit, bei deren Vorhandensein erst ein böser Anschein entstehen kann) - Telos: bereits der böse Anschein soll vermieden werden, dass „hinter verschlossenen Türen“ unsachliche Motive für die Entscheidung maßgebend gewesen sein könnten
- SÖR (Anspruch auf Öffentlichkeit) für Jedermann
- Organrecht des Gemeinderatsmitglieds auf Öffentlichkeit
- kein Recht auf Bild- und Tonaufnahmen (muss gem. § 36 I 1 GemO genehmigt werden)
- Beschluss über Nichtöffentlichkeit als VA
- > EGL: § 35 I 2 GemO
- > Formelle Rm: zuständig bei Festlegung der TO ist der Bürgermeister, ab Sitzungsbeginn der Gemeinderat (§ 35 I 3 GemO)
- > Materielle Rm: öffentliches Wohl / berechtigte Interessen sowie Erforderlichkeit (Verhältnismäßigkeit)
Gemeinderatssitzung: Grundsatz der Öffentlichkeit, § 35 GemO: Rechtsschutz und Fehlerfolgen
- Rechtsschutz
- > Jedermann: AK / FFK
- > Organteil: Kommunalverfassungsstreit
- Fehlerfolgen
- > Verstoß gegen Spezialvorschrift des § 35 I 4 allein führt nicht zur Rechtswidrigkeit (bloße Ordnungsvorschrift)
- > Verstoß gegen § 35 I 1, 2 GemO: Satzung ist rw und damit nichtig (keine Heilung), VA ist (nur) rw
Gemeinderatssitzung: Befangenheit, § 18 GemO: Unmittelbarkeit (des Vorteils bzw. Nachteils)
- eA: der Beschluss als solcher muss den Vor- oder Nachteil bringen
con: Beschluss erfordert idR Vollzug durch Bürgermeister (§ 43 I GemO), sodass die Vorschrift leer liefe - hL: bei Bestehen eines individuellen Sonderinteresses, das möglicherweise zu einer Interessenskollision führt und die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt
pro: Wortlaut “bringen kann”: böser Schein genügt
Gemeinderatssitzung: Befangenheit, § 18 GemO: Beschäftigung iSd § 18 II Nr. 1 GemO
- maßgeblich ist die wirtschaftliche Abhängigkeit, sodass auch ein (formal) Selbstständiger beschäftigt sein kann
- Ausräumung der Besorgnis möglich (restriktiv)
- > bspw. Lehrerin ist formal Landesbeamtin, wird aber als Gemeinderatsmitglied in aller Regeln keinen Interessenskonflikt haben, wenn Gemeinde über Zusammenarbeit mit Land beschließt
Gemeinderatssitzung: Befangenheit, § 18 GemO: Ausnahmen nach § 18 III GemO (gemeinsame Interessen einer Berufs- oder Bevölkerungsgruppe)
- es gehört zu einer repräsentativen Demokratie, dass die Gemeinderatsmitglieder in ihrer Person auch Gruppeninteressen vertreten
- maßgeblich ist die Individualisierungsmöglichkeit der Gruppe
- Bspw.
- > Erhöhung des Hebesatzes für die Gewerbesteuer betrifft alle Gewerbetreibenden
- > BPlan betrifft nur Planbetroffene, keine Bevölkerungsgruppe
Prüfung: Kommunalverfassungsstreit
A. Zulässigkeit
I. Verwaltungsrechtsweg (P)
II. Statthafte RSF (P)
III. Klagebefugnis, § 42 II analog
-> (P)
IV. ggf. Feststellungsinteresse
-> jedes Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art
V. Richtiger Klagegegner
- > Rechtsträgerprinzip idR (-): es geht gerade um einen Streit innerhalb des Rechtsträgers - unklar wäre dann, wie dieser konkret dem Urteil nachkommen sollte
- > Funktionsträgerprinzip: das Organ, dem gegenüber die behauptete Innenrechtsposition bestehen soll
VI. Beteiligten- und Prozessfähigkeit (P)
VII. Allgemeines RSB
- > Antrag an Kommunalaufsichtsbehörde: idR kein Anspruch auf Einschreiten (steht im Ermessen der Aufsichtsbehörde)
- > Inzidentkontrolle: keine erga-omnes-Wirkung
B. Begründetheit
OS: abhängig von statthafter Klageart - wenn Handeln/Unterlassen des Klagegegners rechtswidrig war und der Kläger dadurch in seinen organschaftlichen Rechten verletzt wurde
Prüfung: Rechtmäßigkeit einer kommunalen Satzung
I. EGL
[Art. 80 I GG, Art. 61 LV gelten nicht]
1. Allgemeine Satzungshoheit aus Art. 28 II GG, Art. 71 I LV, § 4 I GemO
2. bei Grundrechtseingriffen: Parlamentsgesetzliche Grundlage (Vorbehalt des Gesetzes, Wesentlichkeitstheorie)
II. Formelle Rm
- Zuständigkeit
a. Verbandskompetenz der Gemeinde, Art. 28 II GG, Art. 71 I LV, § 2 I, II GemO
b. Organkompetenz - Verfahren
a. Allgemeine Verfahrenvorschriften der GemO (§§ 34 ff., 18 GemO)
b. ggf. spezialgesetzliche Verfahrensvorschriften (bspw. BPlan) - Form, § 4 III GemO
III. Materielle Rm
- TB der EGL
a. bei Art. 28 II GG, Art. 71 I LV, § 2 I, II GemO: Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft (Verweis auf Prüfung unter II. 1. a.)
b. ggf. Zusatzvoraussetzung anderer EGL - Rechtsfolge: Satzungsermessen (v.a. keine sachfremden oder außerhalb der Norm liegenden Motive) - Begrenzung ggf. durch
a. Unionsrecht
b. Grundrechte
c. Rechtsstaatliche Prinzipien (Bestimmtheit)
d. Sonstiges höherrangiges Recht inklusive Planungen
IV. Fehlerfolgen
- Grds. Nichtigkeit
- Heilung möglich (§ 4 IV GemO, spezialgesetzlich, bspw. §§ 214f. BauGB)
- Teilnichtigkeit
a. Abtrennbarkeit des rechtswidrigen Teils
b. Sinnhaftigkeit des übrigen, rechtmäßigen Teils
P: Kommunalverfassungsstreit: Eröffnung des Verwaltungsrechtsweg
- Rechtsstreitigkeit
- > eA: Impermeabilitätstheorie (Laband) - Insichprozess
pro: Rechtsverhältnis kann nur zwischen Außenrechtsträgern bestehen (Beziehung zwischen selbstständigen Rechtsträgern)
- > aA: Rechtsstaatlichkeitstheorie
pro: Art. 20 III GG lässt keine rechtsfreien Räume zu
pro: staatliches Organisationsrecht wird auch als verbindlich betrachtet (wofür der Rechtscharakter gegeben sein muss) - Öffentlich-rechtlich
- > idR unproblematisch (+)
- > innerhalb einer Gemeinderatsfraktion: Bildung einer Fraktion liegt idR Vertrag über die Organteilrechte zugrunde, sodass der Vertrag öffentlich-rechtlichen Charakter hat - Nichtverfassungsrechtlicher Art
- > keine Verfassungsorgane, sondern Organe gem. § 23 GemO
- > idR kein Streit über Normen, die unmittelbar in der Verfassung wurzeln