M1 F4 Flashcards

1
Q

Welche Wurzeln hat die moderne empirisch-analytische Wissenschaftsauffassung?

A

Historisch gesehen hat sich die moderne empirisch-analytische Wissenschaftsauffassung in den Sozialwissenschaften aus dem Empirismus bzw. Positivismus entwickelt. Häufig wird sie daher auch als „Neopositivismus“ bezeichnet.

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2
Q

Auf wen geht der ältere Empirismus (als Vorläufer des Neopositivismus) zurück?

A

Der ältere Empirismus geht wesentlich auf den englischen Aufklärer David Hume (1711-1776) und den französischen Philosophen Auguste Comte (1798-1857) zurück.

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3
Q

Was forderte Comte?

A

Comte forderte, von dem Gegegebenen, vom Tatsächlichen, eben vom „Positiven“, auszugehen und hielt die Frage nach den hinter den Erscheinungen stehenden Ursachen für philosophisch unfruchtbar.

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4
Q

Erkläre Comtes „Dreistadiengesetz“!

A

Die Entwicklung der Menschheit verläuft hiernach in drei verschiedenen Zuständen (Stadien), dem theologischen bzw. fiktiven Zustand, dem metaphysischen bzw. abstrakten Zustand und dem wissenschaftlichen bzw. positivistischen Zustand.
Erst im positivistischen Stadium hat die Menschheit den religiösen und den metaphysischen Aberglauben überwunden und das wissenschaftliche Denken erreicht. Nach Comte gilt das Dreistadiengesetz für die Entwicklung der Wissenschaft, für jeden ihrer Zweige, aber auch für die Entwicklung des Individuums.

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5
Q

Wer hat die Thesen von Comte ausgebaut?

A

Die Thesen von Comte wurden von John Steward Mill (1806-1873) und Herbert Spencer (1820-1903) aufgegriffen und ausgebaut (englischer Positivismus). Die Position des englischen Positivismus wird als „naiver Empirismus“ bezeichnet.

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6
Q

Beschreibe den naiven Empirismus!

A

Für den naiven Empiristen lassen sich mit Hilfe der Wissenschaft „wahre“ Erkenntnisse über die Natur gewinnen. Über Beobachtung und Experiment werden Daten gesammelt, aus denen dann über Generalisierungen, Abstraktionen usw. Gesetzmäßigkeiten abgeleitet werden. Diese Gesetzmäßigkeiten stellen im Idealfall „Naturgesetze“ dar, die der Forscher nur „entdecken“ muss.

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7
Q

Wie plausibel ist der naive Empirismus?

A

So plausibel und deswegen immer noch weit verbreitet diese Sichtweise ist, so falsch ist sie leider auch. Wenn die naiven Empiristen recht hätten, wäre Wissenschaft sehr viel einfacher als sie tatsächlich ist. So wird diese Position heute auch von keinem Wissenschaftstheoretiker mehr vertreten.

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8
Q

Von wem wurden die wichtigsten Argumente gegen den naiven Empirismus entwickelt?

A

Sie wurden von Vertretern des sog. „logischen Empirismus“ des „Wiener Kreises“ entwickelt.

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9
Q

Wer war wesentlich an der Entwicklung des logischen Empirismus beteiligt?

A

Rudolf Carnap (1891-1970), der zusammen mit Moritz Schlick (1882-1936) als Begründer des Wiener Kreises gilt. Starken Einfluss auf die Entwicklung des logischen Empirismus übte auch Ludwig Wittgenstein (1889-1951) mit seinem „Tractatus logico-philosophicus“ (1921) aus.

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10
Q

Was ist die Haupterkenntnis der logischen Empiristen?

A

Die logischen Empiristen erkannten, dass einem die Natur nicht sagen kann, was man an ihr beobachten soll. Der Forscher muss also schon vorher wissen, was er beobachten will. Er muss Kriterien haben, nach denen er aus der unendlichen Menge von „Beobachtbarem“ auswählen kann. Mit anderen Worten:
Wissenschaft beginnt nicht mit der Erfahrung, sondern mit theoretischen Konzeptionen.

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11
Q

Woraus besteht dem logischen Emp. zufolge Wissenschaft?

A

Für den logischen Empiristen besteht Wissenschaft aus einem System von Sätzen, die zueinander nicht in Widerspruch stehen dürfen.

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12
Q

Wie können Satzsysteme im logischen Empirismus mit der Realität in Beziehung gebracht werden?

A

Die Lösung dieses Problems besteht für den logischen Empirismus in den sog. Protokollsätzen.
Protokollsätze sind singuläre Sätze, die sich unmittelbar auf Beobachtungsdaten beziehen, die die Realität also „direkt“ beschreiben sollen.

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13
Q

Was wird im logischen Empirismus als wissenschaftliche Sätze akzeptiert?

A

Nun lassen sich natürlich nicht alle Sätze durch Protokollsätze an die Realität „anbinden“. Daher wird im logischen Empirismus eine ziemlich radikale Einschränkung in Bezug auf wissenschaftlich sinnvolle Sätze getroffen: nur solche Sätze, die entweder selbst Protokollsätze sind oder aus denen sich Protokollsätze eindeutig ableiten lassen, werden als „wissenschaftliche“ Sätze akzeptiert.
(Der Unterschied zwischen wissenschaftlichen und unwissenschaftlichen Sätzen liegt nicht etwa darin, dass erstere „richtig“ und letztere „falsch“ wären, sondern darin, dass sich wissenschaftliche Aussagen an der Realität – also „empirisch“ – überprüfen lassen und unwissenschaftliche Sätze einer solchen Prüfung nicht zugänglich sind. Empirisch nicht prüfbare Sätze sind für den logischen Empiristen genauso sinnlos wie semantisch falsch gebildete („Helmut Kohl ist eine Primzahl“).)

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14
Q

Wie verläuft im logischen Empirismus der Prozess der empirischen Überprüfung?

A

Hierzu bedient sich der logische Empirismus – wie schon der naive Empirismus – der Methode der „Induktion“. Im logischen Empirismus wird die Induktion gegenüber dem naiven Empirismus allerdings beträchtlich eingeschränkt. Es wird nicht mehr aus der Beobachtung von Einzelfällen auf Naturgesetze geschlossen, sondern es geht darum, den Geltungsanspruch hypothetischer Vorhersagen aufgrund von früher gewonnenen Beobachtungen zu begründen. Hypothesen sollen empirisch „verifiziert“ werden. Je häufiger dies gelingt, sich eine Hypothese also empirisch bestätigen lässt, desto höher soll ihr Vorhersagewert für zukünftige Ereignisse sein.

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15
Q

Was kann gegen das Verifikationsprinzip des logischen Empirismus vorgebracht werden?

A

Wir können uns einer Allaussage also nie sicher sein, da sie sich auch auf zukünftige Ereignisse bezieht, die wir natürlich empirisch nicht vorher erfassen können. Das Verifikations-Konzept des logischen Empirismus hat sich also als nicht haltbar herausgestellt, wobei die Kritik vor allem auf den Philosophen Sir Karl Raimund Popper (1902-1994) zurückgeht.

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16
Q

Warum läßt sich das Verifikationskonzept auch durch die Einführung statistischer Sätze in Form von Wahrscheinlichkeitsaussagen nach Popper nicht halten?

A

Um dies zu erläutern, greifen wir noch einmal auf das Schwan-Beispiel zurück. Wenn wir nicht behaupten, dass alle Schwäne weiß sind, sondern nur, dass die meisten Schwäne weiß sind, brauchen wir vor der Entdeckung eines schwarzen Schwans keine Angst mehr zu haben. Natürlich lässt sich der Ausdruck „die meisten“ auch präzisieren: Wir beobachten z.B. eine größere Menge von Schwänen und stellen fest, dass von 1.000 Schwänen 950 weiß und 50 schwarz sind. Jetzt können wir einen anderen induktiv gewonnenen Satz aufstellen „95% aller Schwäne sind weiß, 5% aller Schwäne sind schwarz“ (vgl. Seifert 1970, S. 164ff.). Diese Aussage lässt sich weder durch das Auffinden eines weißen noch durch die Beobachtung eines einzelnen schwarzen Schwanes widerlegen – jedoch durch die Entdeckung von roten oder blauen Schwänen. Auch könnte sich durch die Beobachtung weiterer Schwäne ergeben, dass wir das Prozentverhältnis korrigieren müssen.

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17
Q

Wann wurde das Experiment in die Psychologie eingeführt?

A

Das Experiment als Methode ist in den Naturwissenschaften entwickelt worden und in die Psychologie ca. 1880 von William James an der Harvard Universität und von Wilhelm Wundt an der Universität Leipzig eingeführt worden jeweils durch die Gründung eines psychologischen Labors (Bringmann, Voss & Ungerer 1997).

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18
Q

Was ist das Ziel von Experimenten?

A

Ziel eines Experiments ist es, die Auswirkungen der unabhängigen Variablen auf die abhängige Variable zu untersuchen, um zu klären, inwieweit die vom Versuchsleiter herbeigeführte Änderung bzw. Manipulation der unabhängigen Variable als Ursache für Änderungen in der abhängigen Variable aufgefasst werden können.

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19
Q

Was ist nicht nur in den klassischen Naturwissenschaften, sondern auch in der Psychologie die Standardmethode zur Untersuchung kausaler Zusammenhänge?

A

Das Experiment.

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20
Q

Was bedeutet, “ein Experiment” zu machen?

A

„ein Experiment machen“ bedeutet, etwas auszuprobieren und ist mit gezielten Handlungen (z.B. Veränderungen eines Objekts) der Akteure verbunden.

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21
Q

Durch welche Bedingungen ist nach Huber (2005, S.69) ein Experiment vor allem charakterisiert?

A

(1) „Der Experimentator variiert systematisch mindestens eine Variable (die sog. unabhängige Variable) und registriert, welchen Effekt diese aktive Veränderung bewirkt (in einer oder mehreren Experimentalgruppe(n) im Vergleich zu einer Kontrollgruppe in Bezug auf die abhängige Variable).
(2) Gleichzeitig schaltet er die Wirkung von anderen Variablen aus (mit einer der Techniken zur Kontrolle von Störvariablen).“

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22
Q

Welche drei zentralen Anforderungen an experimentelle Designs gibt es? (Die können z.T. aus dem üblichen Konzept von Kausalität abgeleitet werden.)

A

a) die Rahmenbedingungen bzw. Untersuchungssettings müssen in der Versuchsund Kontrollgruppe identisch sein;
b) die Versuchspersonen als Teil dieser Settings müssen in der Versuchsund Kontrollgruppe aus derselben Grundgesamtheit stammen und exakt vergleichbar sein (analog zum Untersuchungsmaterial in den Naturwissenschaften);
c) Versuchs- und Kontrollgruppe unterscheiden sich nur durch das Treatment, das in der Versuchsgruppe realisiert wird.

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23
Q

Wie werden die unabhängigen Variablen noch bezeichnet?

A

Die unabhängige(n) Variable(n) werden auch als sogenannte(s) Treatment(s) bezeichnet.

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24
Q

Welche Arten von Treatments gibt es?

A

Der Begriff „Treatment“ ist dabei weit gefasst; es kann sich dabei um die (a) Variation bestimmter situativer Bedingungen, z.B. akustischer oder optischer Reize bei Wahrnehmungsexperimenten, Anwesenheit bzw. Verhalten von Personen bei sozialpsychologischen Experimenten handeln oder um (b) Interventionen, z.B. Lernund Trainingsprogramme, Formen von Psychotherapie.

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25
Q

Nenne die 7 Vorteile der Datenerhebung im Internet!

A
Asynchronizität und Alokalität
Flexibilität
Automatisierbarkeit
Objektivität
Dokumentierbarkeit als medieninhärentes Merkmal
Ökonomie
Repräsentativität und Diversität
26
Q

Zur Datenerhebung im Internet: Was ist Asynchronizität und Alokalität?

A

Internetbasierte Daten können unabhängig von Zeit und Raum erhoben werden. Die Probanden müssen nicht zu einer bestimmten Zeit an einen bestimmten Ort kommen, um an einer Studie teilnehmen zu können, sondern können zu jeder Zeit und an jedem Ort, an dem ein Computer mit Internetanschluss zur Verfügung steht, partizipieren.

27
Q

Zur Datenerhebung im Internet: Was ist Flexibilität?

A

Zur Datenerhebung im Internet können multimediale Elemente eingesetzt werden, z.B. Bilder, Fotos, Töne oder kurze Animationen und Filme. Zudem lassen sich im Internet wegen der computerunterstützten Automatisierbarkeit auch sogenannte adaptive Tests durchführen, bei denen nachfolgende Items oder Aufgaben in Abhängigkeit von den Antworten eines Probanden auf bereits bearbeitete Items/Aufgaben vorgegeben werden. Genauere Informationen zum adaptiven Testen erhalten Sie im Modul 7.

28
Q

Zur Datenerhebung im Internet: Was ist Automatisierbarkeit?

A

Sowohl die Durchführung und bis zu einem gewissen Grad auch die Auswertung eines Online Fragebogens kann automatisiert werden. Ein Versuchsleiter, der das Ausfüllen eines Fragebogens oder die Durchführung eines Experiments anleitet, ist im Internet nicht notwendig. Einfache Statistiken (Häufigkeiten, Mittelwerte, Standardabweichungen etc.) können ebenfalls automatisch erzeugt werden.

29
Q

Zur Datenerhebung im Internet: Was ist Objektivität?

A

Sowohl die Durchführung, als auch die automatisierte Auswertung sind von möglichen Verzerrungen und Fehlern, die durch Versuchsleiter entstehen können, unabhängig und damit objektiv im Sinne der Definition der klassischen Testtheorie.

30
Q

Zur Datenerhebung im Internet: Was ist Dokumentierbarkeit als medieninhärentes Merkmal?

A

Über das Internet erhobene Daten können bei entsprechender Programmierung der Software nicht nur gespeichert, sondern auch im Hinblick auf Teilnahmezeitpunkt, Teilnahmedauer und andere Variablen dokumentiert werden.

31
Q

Zur Datenerhebung im Internet: Was ist Ökonomie?

A

Kosten für den Druck oder Kopien von Fragebogen im PapierBleistift-Format, Kosten für die u.U. postalische Versendung der Fragebogen und auch der Aufwand für die Lagerung der ausgefüllten Fragebogen entfallen bei einem Online-Fragebogen. Der anfallende finanzielle Aufwand für die Erstellung und Speicherung eines Online-Fragebogens ist dagegen vergleichsweise gering. Bei der Datenerhebung im Internet treten zudem keine „Medienbrüche“ auf. Die Angaben in einem Fragebogen, der als Papier-Bleistift-Version vorgegeben wurde, müssen erst vom Medium Schrift (d.h. in der Regel Kreuzchen auf den jeweiligen Einschätzungsskalen) in das Medium Computer übertragen, d.h. in ein geeignetes Statistikprogramm eingegeben werden. Diese Dateneingabe ist bei längeren Fragebögen und größeren Stichproben außerordentlich aufwändig, mit finanziellem Aufwand verbunden und zudem fehleranfällig. Werden Daten dagegen im Internet erhoben, findet die Speicherung von vorneherein auch in dem Medium statt, in dem auch die weitere Verarbeitung und Auswertung der Daten erfolgt. Entsprechende Plattformen und Software zur Erstellung von OnlineFragebogen bieten den Datenexport mittlerweile in unterschiedlichen Formaten an, u.a. auch als SPSS-Datei (SPSS = Statistical Package for Social Scientists, vgl. den entsprechenden Kurs im Modul 2). Die ökonomischen Vorteile einer internetgestützten Datenerhebung sind insbesondere bei großangelegten interkulturellen Studien mit mehreren tausend Teilnehmerinnen und Teilnehmern deutlich; solche Studien können über das Internet mit relativ geringem finanziellem Aufwand durchgeführt werden.

32
Q

Zur Datenerhebung im Internet: Was ist Höhere Repräsentativität und Diversität?

A

Als die ersten internetbasierten Studien durchgeführt wurden, ist gebetsmühlenartig kritisiert worden, dass damit ja nur eine sehr selektive Stichprobe von Personen erreicht wird, nämlich solche mit Internetzugang, die zudem motiviert sein müssen, an der Studie teilzunehmen. Mit der zunehmenden Verbreitung des Internet, die zumindest in den Industrienationen alle soziodemographischen Gruppen betrifft, verliert dieses Argument immer mehr an Bedeutung und es hat sich mittlerweile empirisch gezeigt, dass eher das Gegenteil der Fall ist: Internet-Stichproben sind im Hinblick auf soziodemographische Variablen, wie Alter, Geschlecht und Berufsstand wesentlich diverser, umfangreicher und damit tendenziell auch repräsentativer als die in der Psychologie üblichen Studierenden-Stichproben (vgl. Gosling, Vazire, Srivastava & John, 2004). Natürlich sind Internetstichproben nicht repräsentativ für eine gesamte Population (z.B. die Population aller volljährigen Deutschen), aber eben doch etwas repräsentativer als die typischen Stichproben, die lediglich PsychologieStudierende im Alter von etwa 20-25 Jahren und größtenteils Frauen umfassen. Es hat sich zudem herausgestellt, dass Ergebnisse, die auf Internetstudien basieren, mit Ergebnissen vergleichbar sind, die auf traditionellen Methoden basieren. Anders ausgedrückt: Im Vergleich zu traditionellen Fragebögen bedingen Fragebögen im Medium Internet keine anderen Ergebnisse dadurch, dass sie im Internet durchgeführt wurden.

33
Q

Was sind die Probleme und Nachteile der Datenerhebung im Internet?

A

Trotz der Begeisterung und positiven Einschätzung der Datenerhebung im Internet, müssen auch einige Probleme und Nachteile deutlich gemacht werden. Internetstudien sind im Vergleich zu traditionell durchgeführten Untersuchungen mit höheren Abbruchquoten verbunden. Dieser Befund ist noch nicht so problematisch, da z.B. nur vollständig ausgefüllte Fragebögen oder bis zum Ende durchgeführte Web-Experimente in die Auswertung einbezogen werden können.
Bei nur partiell ausgefüllten Online-Fragebögen stellt sich allerdings die Frage, inwieweit diese nicht doch in die Auswertung einbezogen werden können, wenn sie z.B. bis zu einem gewissen Prozentsatz oder bis zu einem bestimmten Abschnitt des Fragebogens bearbeitet wurden. Deutlich problematischer ist dagegen die Möglichkeit der wiederholten Teilnahme durch einund dieselbe Person. Zur Identifikation solcher Personen im Datensatz sind mittlerweile einige Methoden vorgeschlagen worden (Johnson, 2005).

34
Q

Was ist ein Quasi-Experiment?

A

Untersuchungsanordnungen, die wie Experimente darauf abzielen, die Wirkung einer UV auf eine AV zu ermitteln, in denen aber keine Randomisierung erfolgt, werden als quasi-experimentelle Designs bezeichnet. Diese Anordnungen werden insbesondere in der Evaluationsforschung angewendet und können durch folgende Merkmale charakterisiert und von anderen Designtypen weiter abgegrenzt werden: 1. Die Probanden werden nicht randomisiert festgelegt. 2. Das Treatment ist komplex. 3. Die Einflußfaktoren können nur eingeschränkt kontrolliert werden.

35
Q

Warum werden im Quasi-Experiment die Probanden nicht randomisiert festgelegt?

A

Wie beim Experiment soll die Wirkung eines bestimmten Treatments untersucht werden. Die Zielgruppe des Treatments wird in vielen Fällen von der auftraggebenden Institution festgelegt; der Versuchsleiter entwickelt (nur) das weitere Untersuchungsdesign zusammen mit der Institution: bei welchen ausgewählten Adressatengruppen das Treatment durchgeführt werden soll, welche Personen als Kontrollgruppe verwendet werden können (bzw. welches alternative Treatment in einer Kontrollgruppe durchgeführt wird) und welche Messinstrumente zur Erfassung der Effekte der Treatments sowie zur Erhebung bestimmter Kontrollvariablen eingesetzt werden.
Wenn nicht randomisiert werden kann, dann können mögliche Störvariablen auch nicht gleich verteilt werden. Kausale Schlussfolgerungen sind dann weniger eindeutig und zwingend möglich. Die sogenannte interne Validität (vgl. Abschnitt 7.2.3), die die Gültigkeit betrifft, mit der experimentelle Effekte auf die Variation der unabhängigen Variable(n) kausal zurückgeführt werden können, ist geringer. In diesem Fall gilt es, die erwarteten kausalen Effekte einer Intervention durch Replikationen zu plausibilisieren bzw. abzusichern und/oder störvariablenbedingte Alternativerklärungen der Effekte zu entkräften.

36
Q

Warum ist im Quasi-Experiment das Treatment meist komplexer?

A
  1. Im Unterschied zu den meisten Experimenten ist das Treatment in quasiexperimentellen Untersuchungen meistens komplexer, z.B. aus mehreren Komponenten bestehend und eine längere Zeitspanne dauernd (z.B. ein Ausbildungskurs einer Schule oder Hochschule; eine Neuorganisation bestimmter Bereiche eines Ausbildungsoder Produktionsbetriebes; eine Interventionsmaßnahme in Betrieben oder Institutionen zur Steigerung der Produktqualität; eine neue Behandlungsmethode in einem medizinischen oder psychiatrischen Krankenhaus).
37
Q

Warum ist im Quasiexperiment keine Kontrolle aller Einflußfaktoren möglich?

A
  1. Im Unterschied zu Laborexperimenten werden die Untersuchungen stets im „Feld“ durchgeführt (d.h. in natürlichen Settings wie Betrieben, Organisationen, Bildungseinrichtungen etc.); dabei ist meistens keine Randomisierung und keine Kontrolle aller möglichen Einflussfaktoren auf die abhängige Variable möglich. So ist z.B. keine Zufallsanordnung von Beschäftigten zu Einführungsseminare in neue Organisationsstrukturen möglich, da stets ganze Abteilungen betroffen sind. Bei mehrwöchigen Schulungsmaßnahmen ist ferner nicht genau kontrollierbar, durch welche anderweitigen Aktivitäten, Informationen im Untersuchungzeitraum Fachwissen und Einstellungen der Probanden zum Gegenstand der Schulung beeinflusst werden.
    Das Hauptunterscheidungsmerkmal zwischen einem echten Experiment und einem sogenannten Quasi-Experiment ist die zuletzt betonte randomisierte Zuweisung der Probanden zur EG und zur KG. Insbesondere in der Evaluationsforschung, in der die Wirksamkeit von Interventionsmaßnahmen zur Veränderung bestimmter Variablen untersucht wird, ist eine zufällige Zuweisung von Personen zur EG und KG häufig nicht möglich. Das liegt daran, dass die Evaluation von Interventionsmaßnahmen in vielen Fällen unter Feldbedingungen stattfindet, die nur eingeschränkt oder gar nicht manipulierbzw. kontrollierbar sind.
38
Q

Was ist eine Evaluation?

A

Eine Evaluation ist jede systematische Beurteilung eines Objektes oder Vorgangs, insbesondere jede Qualitätsbeurteilung sei es im technischen Bereich die Prüfung der Abgaswerte bei Autos oder Heizungen, im sozialen Bereich eine Umfrage zur Kundenzufriedenheit in einem Hotel, Krankenhaus oder Urlaubsort, im wirtschaftlichen Bereich z.B. die Bilanz der jährlichen Umsätze und Neukunden von Handelsvertretern. Hierbei handelt es sich jeweils um Momentaufnahmen, die – bei Beurteilungen im sozialwissenschaftlichen Bereich mit Marktbzw. Meinungsforschung vergleichbar sind, die z.B. im Rahmen von Qualitätssicherung bzw. -management durchgeführt wird (vgl. Wottawa & Thierau, 2003, S. 43 ff.).

39
Q

Was ist Evaluationsforschung?

A

Evaluationsforschung dagegen untersucht Zusammenhänge zwischen bestimmten Maßnahmen und erwarteten Effekten. Sie setzt also voraus, dass Maßnahmen durchgeführt worden sind, die zur Veränderung von Organisationsstrukturen oder -abläufen, zur Schulung oder anderweitigen Beeinflussung von Personen (in Betrieben, Organisationen, Bildungseinrichtungen) oder zur Einführung neuer technischer Systeme im Alltag dienen sollen (z.B. neue PC-Software).
Typische Fragestellungen psychologischer Evaluationsforschung sind z.B.:
• Welche generellen und welche differentiellen Effekte hat die Maßnahme X bei den teilnehmenden Personen bzw. Gruppen?
• Welche Effekte hat die Maßnahme X für den Betrieb bzw. die Institution, in der die Untersuchung durchgeführt wird?
• Welche Personen nehmen freiwillig an der Maßnahme X teil? (Dieser Aspekt der Selbstzuordnung ist besonders bei der Evaluation von Innovationen wichtig: welche Personen nutzen ein neues Angebot, welche nicht, und welche Nutzer/innen haben mit der Innovation bestimmte Probleme der Handhabung etc.)

40
Q

Durch welches Design kann im Einzelfall eine valide Prüfung kausaler Effekte der Interventionsmaßnahme erfolgen?

A

Zur Beantwortung dieser Frage sei auf die Systematik der Störfaktoren verwiesen, die bei der Diskussion experimenteller Designs erläutert wurde (vgl. Abschnitt 7.2.4). Insbesondere diejenigen Faktoren, die möglicherweise mit dem Treatment konfundiert sind, spielen in den quasi-experimentellen Untersuchungsdesigns eine besondere Rolle, da zwischen den – meistens natürlichen Untersuchungsgruppen systematische Unterschiede bei Beginn des Treatments bestehen können.

Eine Kontrollliste von Gültigkeitskriterien ermöglicht aber, dem Versuchsleiter die noch verbleibenden Unvollkommenheiten seiner Versuchsanordnung bewusster zu machen. ….. Das Hauptziel dieses Kapitels ist es, die Stärken und Schwächen ….. von quasi-experimentellen Anordnungen zu untersuchen, von denen jede der Verwendung für Wert erachtet wird, wenn bessere Versuchsanordnungen nicht durchführbar sind. (Campbell & Stanley, 1970, S. 531)

41
Q

Was gilt als Grundsatz in der Evaluationsforschung?

A

Als Grundsatz gilt also, dass die mangelnde Kontrolle von Störfaktoren nicht dazu führen sollte, keine Evaluationsstudie durchzuführen, sondern dazu, möglichst viele potentielle Störfaktoren zu kontrollieren und bei der Interpretation der Ergebnisse nur entsprechend begrenzt kausale Schlussfolgerungen zu ziehen.

42
Q

Beschreibe die Debatte zwischen Campbell und Cronbach!

A

Campbell und Cook (1979) stellen in ihrem Buch „Quasi-Experimentation“ ausführlich Kausalitätskonzepte und geeignete Designs zur Prüfung kausaler Hypothesen dar, und differenzieren anschließend das Konzept der Validität einer Untersuchung: neben der bereits von Campbell und Stanley (1970) eingeführten Unterscheidung zwischen interner und externer Validität werden die Begriffe der „Konstruktvalidität“ einer Untersuchung und der „Validität der statistischen Schlussfolgerungen“ eingeführt und eine Vielzahl von Designs und statistischen Methoden zur Kontrolle von Störfaktoren erläutert.
Eine stärker praxisorientierte und weniger kausal als deskriptiv ausgerichtete Konzeption vertrat dagegen Lee Cronbach (1989), der sich selbst zwischen einem experimentell orientierten „scientistic ideal“ und einem qualitativ orientierten „humanistic ideal“ positionierte (S. 24 ff.). Er problematisierte die Definition einer einzelnen Bedingung (innerhalb einer Konstellation von mehreren Faktoren) als Ursache und stellte die Reproduzierbarkeit (d.h. Wiederholbarkeit der Untersuchungen) als Kriterium für Evaluationsforschung in den Vordergrund, um zunächst einmal die Regelhaftigkeit von Zusammenhängen als Thema und ersten Schritt von Evaluationsforschung hervorzuheben.

43
Q

Gibt es ein Leib-Seele-Problem bei Aristoteles?

A

Bei Aristoteles war die Seele das, was den Körper lebendig macht - und der Leib ist der lebendige Körper. Es gab also nicht Leib ohne Seele (das wäre ein Widerspruch in sich). Trotzdem gab es den Unterschied zwischen dem schöpferischen Geist (nous poietikos) und dem „leidenden Geist“ (nous pathetikos) - erstere ist im Gegensatz zum zweiten unsterblich. Auch das wirft - wie bei dem Kontrast zwischen physischem und mentalem - die Frage auf, wie beides zusammenwirken kann.

44
Q

Wie verarbeitete Descartes Aristoteles Theorie über Körper und Geist?

A

Descartes setzte die sterblichen Seelenteile mit dem Körper gleich und fasste sie ontologisch unter die Materie, die er als res extensa kennzeichnete. Die Denkseele dagegen bestimmte er als Immaterielles, als res cogitans. Bedeutsam ist, dass Descartes konsequent für eine mechanische, materialistische Physiologie eintrat und den Körper als Automaten auffasste.

45
Q

Wie entstanden aus Decartes’ Theorie die Grundlagen für das Leib-Seele-Problem?

A

Diese Entseelung der Physiologie hatte dahingehend Konsequenzen, dass nun das Problem auftauchte, wie etwas Unkörperliches, Immaterielles auf etwas Materielles einwirken kann, wie Immaterielles als Ursache Materielles verändern kann. Dieses Leib-Seele Problem wurde noch dadurch verschärft, dass die Naturphilosophie Newtons sich zur Physik als naturwissenschaftlicher Leitwissenschaft entwickelte, vor allem wegen des Erfolges der Mechanik. Die physikalische Ursache–Wirkungsbeziehung wurde zu einem allgemeinen Naturgesetz erhoben, ohne das keine Veränderung als erklärbar angesehen wurde.

46
Q

Nenne die 10 Datenquellen der Klassifikation von Kurt Pawlik (2006).

A
  1. Biographische und Aktuardaten
  2. Verhaltensspuren
  3. Verhaltensbeobachtung
  4. Verhaltensbeurteilung
  5. Ausdrucksverhalten
  6. Interview
  7. Projektive Tests
  8. Objektive Tests
  9. Fragebogen
  10. Psychophysiologische Diagnostik.
47
Q

Nach welchen drei Kriterien erfolgt die Klassifikation der Datenquellen bei Pawlik?

A

(a) der Datenmodalität, (b) der erfassbaren Varianz und (c) der Reaktionsobjektivität.

48
Q

Beschreibe das Kriterium der Datenmodalität

A

Nach dem Kriterium der Datenmodalität wird unterschieden, ob es sich bei den Daten lediglich um mentale Repräsentationen des Erlebens und Verhaltens einer Person, um direkt beobachtbares Verhalten oder um psychophysiologisch erfassbare Variablen handelt.

49
Q

Beschreibe das Kriterium der erfassbaren Varianz

A

Unter erfassbarer Varianz wird klassifiziert, ob die Datenquelle im Labor und/oder im Feld erhoben werden kann.

50
Q

Beschreibe das Kriterium der Reaktionsobjektivität

A

Die Reaktionsobjektivität betrifft dagegen das Ausmaß, in dem eine Datenquelle durch Ziele, Werte und Einstellungen eines Probanden beeinflusst oder sogar verfälscht werden kann.

51
Q

Was ist eine multi-methodale Erfassung?

A

Bei der werden verschiedene Datenerhebungsmethoden kombiniert, um die Vorteile der jeweils einzelnen Methoden nutzen und die Nachteile ausgleichen zu können.

52
Q

Sage etwas zur Datenquelle 1. Biographische und Aktuardaten

A

Die umfassen sozio-demographische Daten, wie Alter, Geschlecht, Familienstand und Beruf einer Person, die reaktionsobjektiv erfasst werden können. Auch andere objektive Daten zur Lebensgeschichte, der Schulund Berufsbildung oder auch die Krankengeschichte zählen zu dieser Datenquelle. Biographische und Aktuardaten können mit speziellen biographischen Fragebogen, in einem sogenannten anamnestischen Interview oder durch Rückgriff auf bestehende Aktenquellen erhoben werden. Pawlik (2006) ordnet biographische und Aktuardaten der Modalität „Verhalten“ zu. Verhalten ist hier in einem weiten Wortsinn zu verstehen, was z.B. für den Familienstand, die Schulund Berufsbildung noch nachvollziehbar ist, da mit diesen Informationen bestimmte Verhaltensweisen einhergehen. Das Alter und das Geschlecht lassen sich zwar schwer als „Verhalten“ auffassen, jedoch können diese Informationen bestimmte alters- und geschlechtstypischen Verhaltensweisen indizieren – allerdings nur sehr allgemein und grob.

53
Q

Sage etwas zur Datenquelle 2. Verhaltensspuren

A

Die sind direkt beobachtbare Nachwirkungen (Produkte) menschlichen Verhaltens. Solche Nachwirkungen sind zum Einen am äußeren Erscheinungsbild einer Person direkt beobachtbar: An einer Person, die mit Turnschuhen bekleidet, verschwitzt und außer Atem aus dem Wald kommt, sind Spuren des Verhaltens „Laufen“ sichtbar. Zweitens fallen intentionale Verhaltensprodukte, wie z.B. Zeichnungen oder andere im weitesten Sinne künstlerische Werke in diese Datenquelle. Verhaltensspuren entstehen oft aber auch mehr oder weniger zufällig, so z.B. wenn man sich den Zustand eines Kinderzimmers nach einer Geburtstagsparty oder den Arbeitsplatz eines Studierenden ansieht. Psychologisch interessant ist, dass Verhaltensspuren mit Persönlichkeitsmerkmalen assoziiert sein können. So ist es plausibel anzunehmen, dass das Verhalten einer hoch gewissenhaften Person Spuren in ihrem Arbeitsbereich hinterlassen wird, z.B. einen aufgeräumten und ordentlichen Schreibtisch. Ein solcher Schreibtisch kann für andere Personen wiederum als Hinweis für die Gewissenhaftigkeit des Besitzers dienen. Verhaltensspuren werden in der Klassifikation von Pawlik der Datenmodalität Verhalten zugeordnet; Verhaltensspuren sind zudem feldbezogen und können in der Regel reaktionsobjektiv erhoben werden.

54
Q

Sage etwas zur Datenquelle 3.Verhaltensbeobachtung

A

Wissenschaftliche Verhaltensbeobachtung ist im Gegensatz zur Alltagsbeobachtung methodisch kontrolliert und systematisiert, muss sich an bestimmten Gütekriterien messen lassen und ist zumeist mit einer weiterführenden quantitativ-statistischen Analyse der protokollierten Verhaltensdaten verbunden. Das zu beobachtende Verhalten umfasst alle visuell und akustisch wahrnehmbaren Aktivitäten und Veränderungen des Zustands einer Person, z.B. Körperbewegungen, Laut- und Sprachäußerungen, aber auch physiologische Reaktionen, z.B. Erröten oder Schwitzen. Verhalten kann von einer Person selbst oder von einer anderen, „fremden“ Person beobachtet werden. Im ersten Fall spricht man von Selbstbeobachtung, im zweiten Fall von Fremdbeobachtung. Wissenschaftliche Verhaltensbeobachtungen sind in der Regel sogenannte reduktive Deskriptionen (vgl. Mees, 1977), die sich auf bestimmte, theoretisch relevante Beobachtungseinheiten (Kategorien, Verhaltensklassen) beschränken. Mehrere solcher Beobachtungseinheiten oder Kategorien bilden ein sogenanntes Zeichensystem, wenn nur bestimmte, aber nicht alle Verhaltensweisen interessieren und beobachtet werden. Ein Kategoriensystem zielt dagegen darauf ab, jede Verhaltensweise innerhalb einer gegebenen Verhaltensstichprobe durch Beobachtung zu erfassen. Die Handhabung und Anwendung eines Kategoriensystems muss innerhalb eines Beobachtertrainings eingeübt werden. Beobachtung im Sinne reduktiver Deskription bedeutet dann, durch das Zeichen- oder Kategoriensystem definierte Verhaltensweisen zu identifizieren und den unterschiedlichen Kategorien des Beobachtungssystems zuzuordnen. Dabei muss genau und eindeutig definiert sein, welche Verhaltensweisen zu welcher Beobachtungskategorie gehören.
Verhaltensbeobachtung ist sowohl im Labor als auch im Feld möglich. Die Reaktionsobjektivität ist insbesondere dann gegeben, wenn eine Person nicht weiß, dass sie beobachtet wird (sogenannte verdeckte Beobachtung, bei der allerdings ethische Probleme auftreten können). Dagegen kann das Bewusstsein, beobachtet zu werden zu einer mehr oder weniger starken Veränderung des Verhaltens einer beobachteten Person führen. Entsprechend wäre die Reaktionsobjektivität mehr oder weniger stark eingeschränkt.

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Sage etwas zur Datenquelle 4.Verhaltensbeurteilung

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Diese betrifft mehr oder weniger subjektive und summarische Einschätzungen und Bewertungen der Häufigkeit, Intensität und Ausprägungsform des eigenen Verhaltens oder des Verhaltens anderer Personen. Wenn eine Person ihr eigenes Verhalten einschätzt, dann tut sie dies auf der Basis mentaler Repräsentationen des zumeist bereits vergangenen Verhaltens. Aber auch die Beurteilung des Verhaltens anderer Personen basiert auf mentalen Repräsentationen, da das Verhalten nicht im Hinblick auf einzelne Mikroaspekte registriert und in diesem Sinne gemessen, sondern summarisch eingeschätzt wird, nachdem das Verhalten einer fremden Person u. U. über längere Zeiträume hinweg wahrgenommen wurde. Verhaltensbeurteilungen geben im Gegensatz zu Verhaltensbeobachtungen nicht oder zumindest nicht so genau vor, auf welche Mikroaspekte des Verhaltens die Aufmerksamkeit fokussiert werden soll. Verhaltensbeurteilungen lassen sich von Verhaltensbeobachtungen abgrenzen, je mehr subjektive Wertungen und Interpretationen in die Verhaltensbeurteilung eingehen (vgl. Ellgring, 1996). Letzteres ist z.B. immer dann der Fall, wenn die Abstufungen einer Ratingskala nicht quantitativ definiert sind (wie häufig ist „häufig“ oder „manchmal“, wie lange ist „kurzdauernd“) und wenn wenig verhaltensnahe Beurteilungseinheiten zugrunde liegen: Anstelle der oben genannten Kategorien „Blickkontakt“ und „Versprecher“ könnte das Verhalten bei einer öffentlichen Rede z.B. auch im Hinblick auf „Unsicherheit“ oder „Souveränität“ eingeschätzt werden, z.B. auf einer numerisch und verbal verankerten Skala: 0 = gar nicht – 1 = etwas – 2 = ziemlich – 3 = sehr unsicher (bzw. mit derselben Skala, aber in einem eigenen Item: 0 = gar nicht – 1 = etwas – 2 = ziemlich – 3 = sehr souverän). Verhaltensbeurteilungen basieren häufig auf solchen abstrakten und auch komplexeren Merkmalen. Die notwendigen subjektiven Interpretationen bei der Einschätzung komplexer Merkmale nutzen – positiv gewendet – die menschliche Fähigkeit, Verhaltensindikatoren zu „verschmelzen“ und integrierend zu interpretieren (vgl. Langer & Schulz v. Thun, 1974). Verhaltensbeurteilungen werden von Pawlik der Datenmodalität „Mentale Repräsentation“ zugeordnet; für die erfassbare Varianz und die Reaktionsobjektivität gilt dasselbe Klassifikationsprofil wie für Verhaltensbeobachtungen.

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Sage etwas zur Datenquelle 5. Ausdrucksverhalten

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Das wird von Pawlik (2006) als eigene Datenquelle gelistet, obwohl es auch der Verhaltensbeobachtung oder –beurteilung hätte zugeordnet werden können. Ausdrucksverhalten umfasst solche Variationen der Mimik (Gesichtsausdruck), der Stimme und Sprechweise sowie der Ganzkörpermotorik, in denen sich Gefühle, Stimmungen und Affekte äußern. Auch die Handschrift als Verhaltensspur zählt zum Ausdrucksverhalten. Rückschlüsse auf die Persönlichkeit können aus (bestimmten Merkmalen) der Handschrift jedoch nicht abgeleitet werden; wohl aber verändert sich die Handschrift in der Regel unter Stress und spiegelt damit eine bestimmte aktuelle Befindlichkeit wider. Ein international verbreitetes Beobachtungssystem zur Registrierung der mimischen Muskelbewegungen ist das Facial Action Coding System (FACS), das 1976 von Ekman und Friesen erstmals vorgelegt und seitdem kontinuierlich weiterentwickelt wurde. Im FACS sind mehrere sogenannte Action Units (AUs) definiert. Es handelt sich dabei um kleinste, gerade noch sichtbare mimische Veränderungen bzw. Bewegungseinheiten, z.B. Heben der Augenbraue innen (AU1), Zusammenpressen der Lippen (AU23) oder Runzeln der Kinnhaut (AU17). Wichtig ist, dass diese Action Units zunächst ohne Bewertung objektiv erfasst werden. Erst in einem zweiten Schritt werden die Action Units dann mit Hilfe eines Auswertungsprogramms bestimmten Emotionen zugeordnet. Grundlage für diese Zuordnung ist Ekmans Annahme, nach der die Ausdrucksformen bestimmter Primäremotionen wie Angst, Wut und Ekel biologisch determiniert sind und damit universell gelten. Diese Annahme ist nicht unumstritten. Ekman und Friesen selbst konnten aber in einer Reihe von Studien zeigen, dass zumindest bestimmte Primäremotionen, z.B. Angst, Wut und Ekel kulturübergreifend erkannt und richtig interpretiert werden. Weitere Informationen zum FACS, dessen Handhabung sehr aufwändig ist und ein langes Training erfordert, finden Sie in einem E-Learning-Kurs der Universität des Saarlandes unter: http://www.uni-saarland.de/fak5/orga/Kurs/home.htm.

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Sage etwas zur Datenquelle 6. Interview

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Neben der standardisierten Beobachtung gilt das Interview als zweiter traditioneller Königsweg zumindest innerhalb der psychologischen Diagnostik. Das Interview ist in der psychologischen Berufspraxis das am häufigsten eingesetzte diagnostische Instrument (vgl. Kici & Westhoff, 2000). Es ist eine zielgerichtete mündliche Kommunikation zwischen einem oder mehreren Befragern und einem oder mehreren Befragten, wobei eine Informationssammlung über das Verhalten und Erleben der zu befragenden Person(en) im Vordergrund steht (Kessler, 1999). Interviews können im Hinblick auf den Wortlaut, die Anzahl und Abfolge der Fragen mehr oder weniger standardisiert sein. Dasselbe gilt für die Antwortmöglichkeiten des Probanden, das Verhalten des Interviewers und die Auswertung. Je nach dem Grad der Standardisierung werden verschiedene Interviewformen unterschieden. Bei einer freien Exploration sind in der Regel nur einige wenige Fragen bzw. „Aufträge“ festgelegt (z.B. „Erzählen Sie mir ihr Leben!“), mögliche Nachfragen hängen vom Verlauf der Exploration ab. In einem halbstrukturierten Interview sind dagegen einzelne Bereiche und Fragen festgelegt, die auf jeden Fall abgehandelt werden müssen, zusätzliche Nachfragen sind natürlich erlaubt. Standardisierte Interviews werden z.B. in der Diagnostik psychischer Störungen eingesetzt. Hier sind die Fragen und deren Abfolge genau festgelegt und der Interviewer hat u.U. auch die Aufgabe die Antworten zu kodieren, um z.B. den Schweregrad eines Symptoms zu quantifizieren. Dass das Interview eine derart beliebte Methode in der Praxis und auch schon bei Studierenden ist, liegt vermutlich auch an der vermeintlichen Einfachheit dieser diagnostischen Methode. Fragen stellen kann schließlich jeder. Ein Interview zu konstruieren, durchzuführen und auszuwerten, so dass valide Daten resultieren, ist aber viel komplexer und schwieriger als einen Fragebogen vorzulegen und auszuwerten. In einer Interviewsituation laufen Prozesse auf mehreren Ebenen ab. Der Interviewte und der Interviewer nehmen sich gegenseitig wahr, stellen Hypothesen auf und nehmen implizit Beurteilungen vor. Dabei spielen die wahrgenommene(n) Macht, Kompetenz und Absichten des Interviewers und auch des Interviewten eine Rolle. Sozialpsychologisch gesehen können Prozesse der Ersteindrucksbildung und Stereotype wirken, etwa wenn eine noch relativ junge Interviewerin eine ältere Person interviewt. Motivationspsychologisch können Bedürfnisse nach Kontrolle und Komplexitätsreduktion, Selbstdarstellungstendenzen, aber auch Interesse relevant sein. Emotionale Gestimmtheiten wie Angst, Sympathie, Argwohn u.a., aber auch habituelle Tendenzen, also Persönlichkeitsmerkmale wie z.B. soziale Ängstlichkeit, Selbstwertschätzung oder soziale Kompetenzen können Einfluss auf die Interviewsituation nehmen. Konkret wird der Interviewte mehr oder weniger über folgende Fragen nachdenken: Was geht hier vor? Was will man von mir? Wie soll ich mich am besten verhalten? Warum will der Interviewer bestimmte Dinge wissen?

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Sage etwas zur Datenquelle 7. Projektive Tests

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Projektive Verfahren geben mehrdeutiges Reizmaterial vor (z.B., abstrakte Klecksbilder; mehrdeutige Bilder von Personen, frei gestaltbares Spielmaterial u.a.), die von Probanden bearbeitet, d.h. interpretiert, ergänzt oder gestaltet werden sollen. Projektive Verfahren sind im Kontext der Psychoanalyse bzw. Tiefenpsychologie entstanden und sollen helfen, sogenannte Abwehrmechanismen (vgl. psychoanalytisches Paradigma, Kurs 03400) zu umgehen und Zugang zu wichtigen psychologischen Informationen (z.B. Konflikte, Impulse) ermöglichen, die den Probanden nicht bewusst sind. Der Wert projektiver Verfahren ist ziemlich umstritten und wird in den meisten Lehrbüchern als eher niedrig eingeschätzt. In der Tat sind die klassischen Gütekriterien, also Objektivität, Reliabilität und Validität bei vielen projektiven Verfahren nicht gegeben. Weil projektive Verfahren in der Praxis aber nach wie vor zum Einsatz kommen, muss sich jeder Psychologie-Studierende mit dieser Datenerhebungsmethode auseinandersetzen, um im konkreten Fall Argumente anführen zu können, warum ein bestimmtes projektives Verfahren nicht verwendet wird oder aber doch. Denn es wäre falsch, projektive Verfahren als vollkommen unbrauchbar zu bewerten, da sie in der Praxis gerade in der Arbeit mit Kindern eine nützliche Hilfe zur Exploration oder Kontaktund Beziehungsanbahnung sein können. So enthält z.B. der Sceno-Test Spielmaterial (Puppen, Bausteine etc.), das gerade für Kinder einen hohen Aufforderungscharakter bietet und einen indirekten Weg darstellt, über das Spiel Hypothesen über mögliche Probleme zu generieren, die dann freilich mit anderen diagnostischen Methoden genauer untersucht, erhärtet und möglicherweise auch wieder verworfen werden müssen. Zudem spielen projektive Verfahren, insbesondere der Thematische Apperzeptionstest, in der Forschung zur impliziten Machtmotivation eine wichtige Rolle (Winter, 1973; Schultheiss & Pang, 2007). Implizite Motive sind im Gegensatz zu expliziten Motiven nicht bewusst repräsentiert (McClelland, Koester & Weinberger, 1989) und können deshalb auch nicht mit Hilfe von Verfahren erfasst werden, die einen solchen bewussten Zugang voraussetzen (z.B. Fragebogen).

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Sage etwas zur Datenquelle 8.Objektive Tests

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Pawlik (2006) bezeichnet objektive Tests als an Testgütekriterien überprüfte Stichproben z.B. von Leistungsaufgaben, über die eine Verhaltensstichprobe der untersuchten Person im interessierenden Merkmal erhoben und ausgewertet wird. In diesem Sinne wäre ein Intelligenztest ein objektiver Test und manchmal werden auch diagnostische Verfahren, die Persönlichkeitsmerkmale mit Hilfe von Fragebogen erheben, als objektive Tests bezeichnet (vgl. z.B. Brähler, Holling, Leutner & Petermann, 2002). Es gibt aber noch eine andere Variante von objektiven Tests, die auf Raymond B. Cattell zurückgeht und solche Verfahren meint, deren Messintention für den Probanden nicht per Augenschein erschließbar ist, die also “undurchschaubar” sind. Der Test soll damit “unverfälschbar” z.B. im Sinne sozialer Erwünschtheit sein. Wenn in einem Fragebogen ein Item vorgelegt wird, wie z.B. „Ich empfinde häufig Furcht und Angst“, dann ist ziemlich offensichtlich, welches Merkmal damit erfasst werden soll und der Proband kann seine Antwort in diejenige Richtung verzerren, die er für günstig hält. Ein Beispiel für einen objektiven Test sensu Cattell ist der Subtest “Flächengrößen Vergleichen” aus der Testbatterie Arbeitshaltungen von Kubinger und Ebenhöh (1996). Es handelt sich dabei um einen Test, der computergestützt administriert wird und mit dem ein kognitiver Stil, nämlich “Impulsivität vs. Reflexivität”, undurchschaubar erfasst werden soll. Impulsivität vs. Reflexivität ist die Tendenz, in Problemsituationen entweder schnell und fehlerreich bzw. langsam und fehlerarm zu arbeiten. 20 Items mit jeweils zwei Flächen müssen in 30 Sekunden verglichen werden. Reflexive bearbeiten in dieser kurzen Zeit zwar nur wenige Items, aber machen dabei wenige Fehler. Impulsive bearbeiten dagegen viele oder sogar alle Items und machen dabei vergleichsweise viele Fehler. In den letzten Jahren hat es in der Forschung eine Renaissance der Entwicklung und des Einsatzes von solchen objektiven Tests gegeben (vgl. Ortner et al., 2007).

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Sage etwas zur Datenquelle 9. Fragebogen

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Nach Mummendey (2003) ist ein Fragebogen ein Erhebungsinstrument, bei dem festgelegte Antwortmöglichkeiten auf klar vorgegebene Fragen oder Feststellungen angekreuzt werden. Zu Beginn eines Fragebogens wird eine kurze Instruktion gegeben, in der das Ausfüllen erläutert wird, und manchmal auch ein Beispiel-Item (vgl. die nachfolgende Textbox).
In einem Fragebogen ist also keine offene Beantwortung vorgesehen wie in einem Interview. Zudem werden die Antworten auf einzelne Fragen in der Regel nicht für sich ausgewertet und interpretiert, sondern es werden stets die Antworten auf eine größere Zahl von Fragen oder Feststellungen nach bestimmten statistischen Prinzipien in einem einzigen Messwert zusammengefasst. Fragebogen sind die am häufigsten eingesetzte und bevorzugte Methode zur Erfassung von Persönlichkeitsmerkmalen sowie Motivationsund Interessensvariablen. Sie werden im Modul 6 und im Modul 7 noch im Detail erfahren, wie man Fragebogen konstruiert, durchführt, auswertet und interpretiert. Die einem Fragebogen zugrunde liegende Datenquelle ist in den meisten Fällen die Selbsteinschätzung der eigenen Persönlichkeitsmerkmale. Fragebögen können aber auch herangezogen werden, um die Persönlichkeitsmerkmale von anderen Personen einschätzen zu lassen. In diesem Fall sind Fremdeinschätzungen die Datenquelle.
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Sage etwas zur Datenquelle 10. Psychophysiologische Diagnostik.

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VeränderungendesErlebensundV erhaltens kovariieren mit organismischen Variablen, z.B. mit dem Blutdruck, der Herzfrequenz, der Ausschüttung bestimmter Hormone und der Aktivität in bestimmen Hirnarealen. Wer zum ersten Mal vor einer größeren Gruppe von fremden und statushöheren Personen eine Rede halten soll, der wird die dabei in der Regel auftretende Aufregung auch körperlich spüren, wobei nicht alle organismischen Veränderungen bewusst werden. Psychophysiologische Daten betreffen solche im weiten Sinne körperlich-organismischen Veränderungen und werden mit Hilfe elektrophysiologischer Registriermethoden (elektrodermale Aktivität; HerzKreislauf-Aktivität; Muskelaktivität; Hirnaktivität) oder über biochemische Messgrößen (Hormonspiegel im Blut, immunbiologische Analyse des Speichels, Messung der regionalen zerebralen Durchblutung oder des regionalen zerebralen Stoffwechsels) erfasst. In den letzten Jahren haben solche psychophysiologischen Maße und Erfassungsmethoden innerhalb des kognitionsund neuropsychologischen Paradigmas zentrale Bedeutung gewonnen. Psychophysiologische Daten sind reaktionsobjektiv und können sowohl im Labor und – dank der technischen Entwicklung – mittlerweile auch im Feld erhoben werden.