5/8 (§ 223, 224, 226, 227; 225; 231; 229; 228; §§ 331-336) Flashcards
Einfache Körperverletzung (§ 223); Gefährliche Körperverletzung (§ 224); Schwere Körperverletzung (§ 226); Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227); Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225); Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231); Fahrlässige Körperverletzung (§ 229); Einwilligung des Verletzten und § 228; Bestechungsdelikte (§§ 331–336); Körperverletzung im Amt (§ 340) (37 cards)
§ 223: körperlicher Misshandlung
= üble, unangemessene Behandlung, durch die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird
-> (-) bei bloßen Befindlichkeitsstörungen und Störungen des seelischen Wohlbefindens, soweit sie sich nicht körperlich niederschlagen
§ 223: Gesundheitsschädigung
= das Hervorrufen oder Steigern eines – nicht nur unerheblichen – krankhaften (= pathologischen) Zustande
- > krankhaft = der vom Normalzustand der körperlichen Funktionen des Opfers nachteilig abweichende Zustand
- -> auch: bloße Infektionen (insb. HIV / Corona)
§ 223: P: ärztlicher Heileingriff als Körperverletzung
- frühere hM: nicht tatbestandsmäßig
- > Erfolgstheorie: bei Heilung ist tatbestandlich das Gegenteil einer Verletzung eingetreten
pro: Wertungsgesichtspunkte angesichts des sozialen Sinngehalts der Tat - > Lex-artis-Theorie: soweit nach Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt
pro: keine objektive Zurechnung - heute hM (BGH): tatbestandsmäßig, ggf. aber gerechtfertigt
pro: anhand von expliziter - mutmaßlicher - hypothetischer (str.) Einwilligung kann Patientenautonomie am besten gewahrt werden
pro: Schutz vor kunstgerechten, aber “aufgedrängten” Zusatzbehandlungen, die sich während der OP ergeben (Eileiter-Fall) - > Art. 2 I, Art. 1 I iVm Art. 2 II umfasst auch Entscheidung, sich unvernünftig bezgl. eigener körperlicher Unversehrtheit zu verhalten
pro: Aufklärungsgespräche würden entbehrlich
pro: §§ 630d, 630e konkretisieren Rechtmäßigkeit der Heilbehandlung iSd Einheit der Rechtsordnung - dennoch auch hM: § 224 I Nr. 2 wird durch Verwenden von medizinischen Instrumenten nicht verwirklicht
pro: werden weder zu Angriffs- noch zu Verteidigungszwecken eingesetzt (subjektive Verwendungsabsicht fehlt)
§ 223: P: ärztlicher Heileingriff als Körperverletzung: Rechtfertigung
- Allgemeiner Maßstab der ärztlichen Aufklärungspflicht: -> Patient muss in der gebotenen Weise über den Eingriff, seinen Verlauf, seine Erfolgsaussichten, Risiken und mögliche Behandlungsalternativen aufgeklärt worden sein
- str.: neben expliziter und mutmaßlicher Einwilligung noch hypothetische Einwilligung möglich
= wenn der Rechtsgutsinhaber auch dann seine Einwilligung erklärt hätte, wenn er pflichtgemäß aufgeklärt worden wäre
-> eA (BGH): Rechtfertigungswirkung, da kein Unrecht verwirklicht wird
pro: § 630h II 2 BGB (zivilrechtliche Anerkunnung der hypothetischen Einwilligung im Arzthaftungsrecht)
pro: Risikoerhöhung ist allein nicht ausreichend; es braucht einen Niederschlag im konkreten Erfolg (keine “Kausalität der Pflichtwidrigkeit”)
-> aA (hL): nicht möglich
pro: Aufgedrängte Operation möglich; Aushöhlung des Aufklärungserfordernisses
pro: Aufweichung der Kriterien für (explizite/mutmaßliche) Einwilligung
pro: im Ergebnis sonst im Strafrecht unzulässige Genehmigung durch Befragung des Patienten nach der OP (ex tunc-Wirkung)
§ 224: Nr. 1: Gift oder gesundheitschädigender Stoff
= jeder organische oder anorganische Stoff, der durch chemische oder chemisch-physikalische Wirkung (in konkreter Art seiner Verwendung) die Gesundheit erheblich schädigen kann
-> auch Alkohol oder Salz, wenn die Dosierung erheblich ist
= Stoff, der als solcher unter den konkreten Bedingungen geeignet ist, die Gesundheit erheblich zu schädigen
-> thermisch, mechanisch, biologisch (auch: Krankheitserreger)
-> Erheblichkeit ist erforderlich, um Abgrenzung zu Bagatellhochstufungen von § 223 I zu vermeiden (hM)
§ 224: Nr. 1: Beibringen
= wenn der Stoff so mit dem Körper in Verbindung gebracht wird, dass er seine gesundheitsschädliche Wirkung entfalten kann
- eA (mM): nur wenn im Körperinneren wirkt
pro: trennscharfe Abgrenzung zwischen Nr. 1 und Nr. 2 (Waffe -> Außenwirkung) - aA (hM): irrelevant, wo Stoff wirkt
pro: Wortlaut differenziert nicht
pro: kein Unterschied in der Gefährlichkeit
§ 224: Nr. 2: Gefährliches Werkzeug
= jeder Gegenstand, der (als Angriffs- oder Verteidigungsmittel) nach seiner objektiven Beschaffenheit und der Art seiner Benutzung im konkreten Fall erhebliche Verletzungen hervorrufen kann
-> auch: chemische oder thermische Mittel
-> Schuh: kommt auf die Art und die Verwendungsweise des Schuhs an
- > Körperteile: (-)
pro: Wortlaut, Art. 103 II GG - > Unbewegbare Gegenstände
con: Wortlaut
pro: Zufälligkeit, ob Sache fest montiert oder bewegbar
pro: Täter bewerkstelligt Tat mit diesem Mittel
pro: ohnehin weiter Werkzeugbegriff - > “mittels”
- -> Rspr: konkreter Niederschlag bzgl. körperlicher Einwirkung erforderlich
pro: restriktive Auslegung der Nr.n - -> aA: Verletzungsgefahren, die sich in kausaler und objektiv zurechenbarer Weise auf Mittel zurückführen lassen
§ 224: Nr. 3: Hinterlistiger Überfall
- Überfall = überraschender Angriff auf das Opfer, das sich eines Angriffes nicht versieht
- Hinterlistig = wenn der Täter planmäßig in einer auf Verdeckung seiner wahren Absicht berechneten Weise vorgeht, um die Abwehr des nicht erwarteten Angriffs zu erschweren
- > Ausnutzen des reinen Überraschungsmoments genügt nicht
§ 224: Nr. 4: gemeinschaftlich
= wenn mindestens zwei Personen einverständlich zusammenwirken und dem Opfer im Tatortbereich unmittelbar gegenüberstehen
- > Gefährlichkeit unmittelbar dem Opfer gegenüber entscheidend
- > auch bei Teilnehmer gegeben (für Gefährlichkeit (Abwehrbereitschaft) des Opfers nicht entscheidend, ob Mittäter oder Teilnehmer)
§ 224: P: Nr. 5: lebensgefährdende Behandlung
- hM: Begehungsweise, die nach den Umständen des konkreten Falles wie der Art, Dauer und Stärke der Einwirkung objektiv generell geeignet ist, das Opfer in Lebensgefahr zu bringen
- mM: konkrete Lebensgefahr erforderlich
pro: zu nah an §§ 212, 22
pro: Unrechtsgehalt entfernt sich zu weit von anderen Nr.n des § 224 - Vorsatz
- > Rspr.: Kenntnis derjenigen konkreten Umstände genügt, aus denen sich die allgemeine Gefährlichkeit der Behandlung für das Leben des Opfers ergibt
- > Rengier: Parallelwertung id Laiensphäre als allgemeine Grundsatz muss sich auch auf Lebensgefährlichkeit selbst beziehen
§ 226: Prüfung
- Verweis auf das strafbare Grunddelikt (§ 223)
- Prüfung aller potentiell einschlägigen qualifizierenden Erfolge (§ 226 I Nr. 1–3) und ihrer Verursachung im Sinne der Bedingungstheorie
- Objektive Sorgfaltspflichtverletzung (folgt aus Punkt 1)
- > Entfällt bei vorsätzlicher Herbeiführung des qualifizierenden Erfolges (vgl. 6 b, c) - Objektive Zurechnung
- Spezifischer Gefahrverwirklichungszusammenhang zwischen Grunddelikt (§ 223) und qualifizierendem Erfolg (ggf. insbesondere Auseinandersetzung mit der Letalitätslehre)
- Innere Tatseite hinsichtlich des qualifizierenden Erfolges und des Gefahrverwirklichungszusammenhangs
a) Subjektive Fahrlässigkeit: § 226 I i. V. m. § 18
b) Dolus eventualis: § 226 I i. V. m. § 18
c) Absicht oder Wissentlichkeit: Qualifikation gemäß § 226 II
§ 226: Glied
- eA: nur äußerliche Körperteile, die eine in sich abgeschlossene Existenz mit besonderer Funktion im Gesamtorganismus haben und mit dem Körper durch ein Gelenk verbunden sind
- aA: verzichtet auf Gelenkverbindung
- wA: auch innere Körperteile (Organe)
con: Wortlaut
con: Systematik: Nr. 1 erfasst bereits abschließend organische Funktionen
pro: Schädigung/Entnahme innerer Organe kann Verlust in anderen Nr.n genauso gleichkommen (Telos)
§ 226: Wichtigkeit (des Gliedes)
- eA: nur die generelle Bedeutung für jeden menschlichen Körper maßgebend
- aA: auch individuelle körperliche Merkmale (Linkshändigkeit)
- wA: neben individuellen körperlichen Merkmale auch berufliche Anforderungen (Pianist, der auch kleinen Finger benötigt)
§ 226: Nr. 3 (Dauerende Entstellung; Siechtum; Lähmung)
- Entstellung: wenn die äußere Gesamterscheinung in unästhetischer Weise erheblich verunstaltet wird
- Siechtum: chronischer Krankheitszustand, der den Gesamtorganismus in Mitleidenschaft zieht und allgemeine Hinfälligkeit zur Folge hat
- Lähmung: eine solche erhebliche Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Bewegungsfähigkeit eines Körperteils, die den ganzen Körper in Mitleidenschaft zieht
§ 227: Prüfung
I. § 212 (bei fernliegendem Tötungsvorsatz weglassen)
II. § 223 (ggf. i. V. m. § 224)
III. § 227
- Verweis auf das strafbare Grunddelikt (§ 223)
- Objektiv fahrlässige Tötung
a) Eintritt und Verursachung des Todeserfolges im Sinne der Bedingungstheorie
b) Objektive Sorgfaltspflichtverletzung
c) Objektive Zurechnung - Spezifischer Gefahrverwirklichungszusammenhang zwischen Grunddelikt (§ 223) und Todeserfolg (ggf. insbesondere Auseinandersetzung mit der Letalitätslehre)
- Subjektive Fahrlässigkeit gemäß § 18 hinsichtlich des Todeserfolgs und Gefahrverwirklichungszusammenhangs
IV. § 222
§ 227: P: spezifischer Gefahrverwirklichungszusammenhang
= im tödlichen Erfolg muss sich gerade die dem Grundtatbestand (§ 223) anhaftende eigentümliche („tatbestandsspezifische‟) Gefahr niederschlagen
- > Einschränkung der objektiven Zurechenbarkeit (hM)
- > Vorhersehbarkeits-Komponente der Fahrlässigkeit
- -> BGH: ausreichend, wenn Erfolg vorhersehbar
- -> Lit: auch hinsichtlich der wesentlichen Elemente des Kausalverlaufs muss Vorhersehbarkeit bestehen
- eA: Letatlitätstheorie: Körperverletzungserfolg muss sich in Tötungserfolg konkret niederschlagen
pro: restriktive Interpretation - aA (hM): ausreichend, dass sich Körperverletzungshandlung niederschlägt
pro: Systematik: § 223 umfasst in seinen Varianten gerade auch den Handlungsakt
pro: Handlung kann genauso gefährlich sein wie der Erfolg
pro: Klammerzusatz bezieht auch Versuchsstrafbarkeit mit ein, wo kein Erfolg vorliegt
§ 227: P: spezifischer Gefahrverwirklichungszusammenhang: Opfer- und Drittverhalten
- Frage, ob der Zurechnungszusammenhang zwischen Körperverletzungshandlung und Tötungserfolg unterbrochen ist
- > bei (nachvollziehbaren) “unfreien” Flucht- oder Panikreaktionen (-)
- -> (+) aber bei grob fahrlässigem Verschulden gegen sich selbst (unvernünftige Ablehnung einer Heilbehandlung)
- > Drittverhalten idR (+)
- > Dolus-generalis Fälle: idR kein Anknüpfen an Körperverletzungsgefahr
§ 227: P: erfolgsqualifizierter Versuch
- nur möglich, wenn Letalitätstheorie abgelehnt wird
- > wenn der Körperverletzungserfolg ausbleibt, kann gar kein Gefahrverwirklichungszusammenhang entstehen
§ 227: Täterschaft, Teilnahme, Unterlassen
- Vorsatzdelikt aus § 11 II
- > genaue Prüfung des Vorsatzes
- > genaue Prüfung der Zurechenbarkeit
- > § 25 II: Mittäterexzess prüfen
- -> BGH: trotz Exzess trotzdem §§ 227 (+), wenn Mittäter Gefahr für Eskalation geschaffen hat und diese für ihn vorhersehbar war
- Unterlassen
- > Vorsatz muss sich auch auf Körperverletzungen beziehen, die die Todesgefahr beinhalten
§ 225: Tathandlungen
- Quälen = Verursachung länger dauernder oder sich wiederholender erheblicher Schmerzen oder Leiden körperlicher oder seelischer Art
- Rohe Misshandlung = wenn der Täter das körperliche Wohlbefinden des Opfers (über § 223 hinausgehend) erheblich beeinträchtigt und aus einer gefühllosen Gesinnung handelt
- > eine solche liegt vor, wenn der Täter das Gefühl für das Leiden des Misshandelten verloren hat
- > tatbezogenes Merkmal
- Schädigung der Gesundheit durch böswillige Vernachlässigung der Sorgepflicht (echtes Unterlassungsdelikt) = böswillig handelt, wer die Sorgepflicht aus einem besonders verwerflichen Motiv (z. B. Bosheit, Sadismus, Hass, Geiz, Eigensucht), nicht aber aus Gleichgültigkeit oder Schwäche verletzt
- > täterbezogenes Merkmal
§ 231: Prüfung und Charakteristik
- abstraktes Gefährdungsdelikt, das die Allgemeinheit schützt (nicht einwilligungsfähig)
I. Tatbestandsmäßigkeit
- Objektiver Tatbestand
a) Vorliegen einer Schlägerei (oder: eines von mehreren verübten Angriffs), an der (dem)
b) der Täter sich beteiligt - Subjektiver Tatbestand: Vorsatz
II. Tatbestandsannex: Objektive Bedingung der Strafbarkeit
- Verursachung einer schweren Folge (Tod oder eine Folge des § 226 I), und zwar
- durch die Schlägerei (den Angriff) = Realisierung der Gefährlichkeit der Schlägerei (des Angriffs) im schweren Erfolg
III. Rechtswidrigkeit (beachte § 231 II)
IV. Schuld (beachte § 231 II)
§ 231: Tatbestand
- Schlägerei = eine mit gegenseitigen Körperverletzungen verbundene tätliche Auseinandersetzung, an der mindestens drei Personen aktiv körperlich mitwirken
- -> (-), wenn sich vor der erfolgsverursachenden Handlung die Zahl der Beteiligten auf 2 reduziert
- Beteiligte: Personen, die aktiv an der tätlichen Auseinandersetzung mitwirken
- > nach hM auch psychisch Mitwirkende, wenn ansonsten mind. drei physisch Mitwirkende gegeben sind
- Von mehreren verübter Angriff: die feindselige, unmittelbar auf den Körper eines anderen abzielende Einwirkung von mindestens zwei Personen
- > Einheitlichkeit des Angriffs, des Angriffsgegenstandes und des Angriffswillens bei Angreifenden
§ 231: Folgen der Einordnung des Erfolges als objektive Bedingung der Strafbarkeit
- Vorsatz unerheblich
- Grundsätze der objektiven Zurechnung anzuwenden (“durch”)
- hM: auch Täter, bei dem der Erfolg eintritt, aus § 231 zu bestrafen
- > con: Straflosigkeit der Selbstschädigung
- Zeitpunkt der Beteiligung
- > (+) bei dem, der zum Zeitpunkt der erfolgsverursachenden Handlung nicht mehr beteiligt ist (abstraktes Gefährdungsdelikt)
- > (-) bei dem, der erst nach diesem Zeitpunkt sich beteiligt (Lit - Rspr. aber (+))
pro: § 231 sanktioniert abstrakte Gefahr und soll Beweisschwierigkeiten abmildern; nicht einschlägig, wenn jemand nichts zur Begründung, Steigerung oder Realisierung der abstrakten Gefahr beigetragen haben kann
§ 231 II: Vorwerfbarkeit der Beteiligung
- nicht gegeben, wenn Beteiligter hinsichtlich des gesamten Geschehens gerechtfertigt oder entschuldigt ist