7 Störungslehre KJP Zwangsstörungen 2 Flashcards
(32 cards)
Wie ist die Behandlungsintensität bei Zwangsstörungen?
Die meisten im Folgenden vorgestellten Studien untersuchen Behandlungszeiträume von
12-14 Wochen → In der Realität dauern Therapien deutlich länger, gerade dann, wenn
komorbide Störungen mitbehandelt werden!
Die Behandlungskomponenten bei Zwangsstörungen:
Die Auswahl / Betonung verschiedener evidenzbasierter Behandlungskomponenten (z.B.
kognitiv-therapeutische Maßnahmen) muss sich am Entwicklungsstand des Kindes orientieren!
Was sind die Inhalte der Psychoedukation bei Zwangsstörungen?
Von Kindern / Jugendlichen und
Bezugspersonen
Inhalte:
▪ Symptomatik (Vielschichtigkeit,
Zwangsgedanken und –handlungen,
sachliche Beschreibung der Inhalte)
▪ Reflektion der Entstehungsgeschichte
(auslösende und aufrechterhaltende
Faktoren)
▪ Korrektur von Fehlannahmen
(→ Entlastung)
▪ Vermittlung von Behandelbarkeit der
Erkrankung
Aufbau von Veränderungs- und
Therapiemotivation
Es gibt einerseits den Wunsch, die Zwänge loszuwerden, andererseits die Folgen, wenn nicht nach den „Gesetzen“ des Zwangs gehandelt wird (Waage)
Wie werden beispielsweise in der VT die Therapiemotivation geklärt?
Nach Aufklärung über
Behandlungsablauf: Erarbeitung von
Vor- und Nachteilen einer Therapie
-> Vier-Felder-Tafel ähnlich wie bei Sucht: Kurz-und Langfristige Vor- und Nachteile wenn man eine Therapie macht
Verhaltensänderung aufbauen
Arbeitsblatt „stell dir vor deine Zwänge wären ganz weg- was würdest du tun?“
Beispiel VT Entwicklung eines individuellen Erklärungsmodells: warum hat gerade nick Zwänge bekommen?
- Familie? Papa hatte als Kind auch Zwänge
- Ich? (Persönliche Ebene) ich mache mir immer viele Sorgen
- Besondere Ereignisse? (Auslösende Ereignisse) Tod der Großmutter
- Stress? (Stressoren die aufrechterhaltend sind) Ärger in der Schule, Schlechte Noten
- Sonst noch was? Manchmal muss ich wegen der Zwänge nicht in die Schule (negative Verstärkung)
Beispiele VT: Etikettierung des Zwangs als Erkrankung
„It‘s not me! It‘s my OCD“
Zwangsgedanken werden im
Sinne externalisiert:
→ Zwang als Wesen (Mensch, Tier,
Fabelgestalt), Namen geben
→ fördert innere Distanzierung
vom Zwang
→ “Dieser Gedanke ist Teil meiner
Zwangsstörung“
- Personalisierung - Distanzierung zum Zwang , Namensgebung: erleichtert darüber zu sprechen
ZB Name: Puck, Aussehen: dünn,klein, etc, Eigenschaften: redet dauern und ständig dazwischen, mischt sich inalles ein, meint alles besser zu wissen…, Foto: …
Was sind Komorbiditäten zur Zwangsstörung nach Leitlinie?
Sind bei Zwangserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen eher die Regel!
▪ Keine gesicherte Evidenz, welche Störung zuerst behandelt werden sollte, daher
individuelle Entscheidung anhand
▪ Schweregrad der einzelnen Störung
▪ Präferenz und Leidensdruck der Kinder / Jugendlichen
▪ Psychischen Zustandsbild des Kindes
▪ Psychosoziale Belastung der Familie
Ausnahme: bei ausgeprägter Depression ist diese primär zu behandeln!
-> was ist am akutesten, was ist am gefährlichsten (eigen- und Fremdgefährdung)
Was ist die Methode erster Wahl zur Behandlung von ZWangsstörungen im KJP Bereich nach Leitlinie?
Aufgrund der Wirksamkeit (auch verglichen mit Pharmakotherapie):
Psychotherapie ist Methode der ersten Wahl!
Innerhalb der Psychotherapieverfahren: Kognitive Verhaltenstherapie mit Exposition und
Reaktionsmanagement als Methode der ersten Wahl!
Aufgrund fehlender Evidenz keine Empfehlung für
▪ Akzeptanz- und Commitment-Therapie
▪ Schematherapie
▪ Analytische oder tiefenpsychologische Therapie
▪ Weitere Verfahren wie z.B. EMDR, Neurofeedback
Systemische Therapie derzeit in Prüfung für Kinder- und Jugendbereich durch G-BA
Wie sieht die KVT zur BEhandlung von Zwängen nach Leitlinie aus?
▪ Kann ambulant, teilstationär und stationär durchgeführt werden
▪ Gruppentherapie nur als Unterstützung der Einzelbehandlung
▪ Anzahl der Therapiestunden relevant
▪ Nach Intensivphase von Exposition mit Reaktionsmanagement sollten Kinder /
Jugendliche alle psychosozialen Anforderungen (z.B. Schulbesuch) wieder erfüllen
können (Reintegration ins soziale Umfeld)
▪ Einbezug der Eltern: bei den meisten Patient*innen sinnvoll, aber vom Alter und der
Symptomatik abhängig
Was sind Elemente der KVT zur Behandlung von Zwängen und was ist das Reaktionsmanagement?
Kombination verschiedener Verfahren, Kernelemente:
▪ Kognitive Interventionen (z.B. kognitive
Umstrukturierung)
▪ Expositionstherapie mit Reaktionsmanagement
Grundprinzip: Exposition mit Reaktionsmanagement
1. Patient konfrontiert sich mit den zwangsauslösenden Situationen, ohne Zwangshandlungen auszuführen oder die Situation zu verlassen.
- Die durch die Konfrontation ausgelösten unangenehmen
Gedanken, Gefühle oder Körperempfindungen lässt er so lange bewusst zu, bis diese sich von selbst abschwächen. (-> Habituation) Klausurfrage !!! - Auf diese Weise erfährt und lernt der Patient, dass er unangenehmes inneres Erleben aushalten („managen“)
kann, ohne etwas dagegen tun zu müssen
Wie ist das Therapieprogramm der VT zu Zwang aufgebaut? Module 1-7
Modul: I Diagnostik (Anamnese, psychopathologischer Befund (1Sitzung), (Störungsspezifische Diagnostik, ausführliche Exploration (1 Sitzung), Intelligenzdiagnostik (1 Sitzung), Diagnostik von Persönlichkeit und Befindlichkeit (1Sitzung)
Modul II: Psychoedukation (- Erklärung des Störungsbildes, - Erklärungsmodelle zur Entstehung und Aufrechterhaltung; 2-3 Sitzungen)
Modul III: Erste Interventionen zur Eingrenzung der Zwänge (- Eingrenzung der ZWänge, - Eingrenzung der Einbindung der Eltern in die Zwänge (2 Sitzungen)
Modul IV: Kognitive Therapie (- Identifikation und Neubewertung dysfunktionaler Strategien zum Umgang mit Zwangsgedanken, -Erarbeitung funktionaler Strategien) (2-4 Sitzungen)
Modul V: Expositionstherapie ( PLanung und Durchführung von Expositionen (2+x Sitzungen)
Modul VI: Psychopharmakologie (Indikation, Aufklärungen (und Durchführung) (2 Sitzungen)
Modul VII: Nachsorge (- Stabilisierung des Therapieerfolgs, - Rückfallprophylaxe) (1+x Sitzungen)
Was sind erste Maßnahmen zur Eingrenzung der Zwänge in VT? Ergänzende Maßnahmen und Interventionen…
Ergänzende Maßnahmen zur Psychotherapie / Pharmakotherapie:
▪ Alleine oder mit Unterstützung anderer Personen führt der Patient Zwänge weniger
intensiv und weniger häufig aus oder gibt dem Drang zur Ausführung von
Zwangshandlungen nicht sofort nach.
▪ Eltern, die in die Ausführung von Zwangshandlungen eingebunden sind, werden
angeleitet, sich sukzessive aus der Einbindung zurückzuziehen.
Interventionen:
▪ Eingrenzung mit Unterstützung anderer Personen
▪ Eingrenzung durch den Patienten
▪ Reduktion der Einbindung der Eltern in Zwangshandlungen
Kein Ersatz für Expositionstherapie!
Wie läuft deiEingrenzung mit Unterstützung anderer Personen ab? VT Zwänge
Mit Einverständnis der Kinder /
Jugendlichen!
▪ Im (teil-)stationären Setting
z.B. durch Mitarbeiter*innen
des Pflegedienstes
▪ Im häuslichen Setting durch
Eltern
→ In Abstimmung mit allen
Beteiligten Festlegung der Art und
Intensität der Eingrenzung
→ Verstärkerplan festlegen
(Siehe Abb, Tokensystem)
Wie läuft die Eingrenzung durch die Aptient*innen in der VT bei Zwängen ab?
Fördert das Erleben von
Selbstwirksamkeit und
Therapiemotivation!
Patient*in bestimmt
▪ Situation, in denen Intensität
oder Häufigkeit der
Zwangshandlungen eingegrenzt
werden soll.
▪ Zeiten, in denen das Denken
von Zwangsgedanken auf
andere Uhrzeiten verschoben
werden soll („Besuchszeit“)
→ Protokoll führen
(Siehe Abb, Guided Discovery, Sorgenstuhl)
Wie funktioniert die Reduktion der Einbindung der Eltern in der VT ab bei Zwängen?
▪ Eltern werden angeleitet, sich
schrittweise aus der Einbindung
zurückzuziehen
▪ Gestuftes Vorgehen zur
Vermeidung von
Überforderung der Kinder /
Jugendlichen und zur
Vermeidung von Zunahmen
von Konflikten im familiären
Umfeld
▪ Gemeinsame Absprache mit
allen Beteiligten (inkl.
Konkreter Verhaltensweisen)
schriftlich festhalten
(Zu frühes Entkoppeln -> hohes Rückfallrisiko)
Was sind Kriterien und Vorraussetzungen für die Exposition mit Reaktionsverhinderung in der VT bei Zwängen? Wichtig !!! KF
Kriterien für „gute“ ER (Kordon et al., 2014):
- Initial Therapeutenbegleitung
- Exposition im Selbstmanagement
- Exposition vor Ort
Voraussetzungen:
▪ Gewisse Einsicht in Unsinnigkeit / Übertriebenheit der Zwänge
▪ „Verschiebung der Problemdefinition“ (Problem = übertriebener Gedanke)
→ bei Kindern typischerweise graduiertes Vorgehen
Reaktionsverhinderung:
(ER-Exposition mit Reaktionsverhinderung)
Person lernt, dass die Befürchtete Katastrophe nicht eintritt, indem sie abgehalten wird die Zwänge auszuführen, bzw zb nur einmal den Herd zu kontrollieren -> bricht aus dem Teufelskreis der Angst aus, langfristig Reduktion der Zwänge
Beschreibe die Erklärung/Einführung des Rationals anhand der Spannungskurve bei Ausführung des Zwangsrituals (Behandlungselemente ER)
Über die Zeit hinweg steigen unangenehme Gefühle wie etwa Angst und Anspannung, Zwangsgedanken erhöhen diese.Ausführen von Zwangshandlungen wirken beruhigend und somit sinkt die Anspannung wieder. Dies passiert mehrmals über die Zeit hinweg und somit fungieren die Zwangshandlungen als negative Verstärker.
Was sind Behandlungselemente der ER bei Zwängen? + Beispiel
- Erklärung / Einführung des Rationals
- Klärung der Therapiemotivation
- Sammlung zwangsauslösender Situationen
- Zwangshierarchie
- Vorbereitung einzelner ERs (genaue Festlegung, Patient*in behält Kontrolle)
Beispiel: Waschzwang, der durch Verschmutzungsängste ausgelöst wird.
▪ angstauslösenden Gegenstand zunächst nur anfassen
▪ dann mit der „kontaminierten“ Hand die Hose anzufassen
▪ anschließend auch noch die Haare oder das Gesicht
Bei ausschließlichen Zwangsgedanken:
▪ Konfrontation mit einer Zwangsgedanken auslösenden Situation
▪ Konfrontation in sensu
▪ Die Kombination beider Möglichkeiten, d. h. der Patient konfrontiert sich mit den Zwangsgedanken, während er sich in einer gefürchteten Situation befindet
Was sind Empfehlungen zur Psychopharmakologie nach Leitlinie bei Zwängen ? Wichtig! KF!
Falls eine KVT nicht ausreichend wirksam ist, soll eine Kombinationsbehandlung von KVT
und SSRI oder eine Monotherapie mit SSRI eingesetzt werden.
Sonderfälle:
▪ Bei schwerer Symptomausprägung und Einschränkung des psychosozialen
Funktionsniveaus → initiale Kombinationsbehandlung
▪ Falls KVT nicht verfügbar ist und eine schwere psychosoziale
Funktionsbeeinträchtigung besteht → Medikation mit SSRI
▪ Bei Erkrankung weiterer Familienmitglieder an Zwangsstörungen → frühzeitiger Einsatz
von Medikation
!Die initiale Verordnung und das initiale Behandlungs-Monitoring sollen durch einen
Facharzt/ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie erfolgen. Das
weitere Behandlungs-Management kann in Kooperation mit dem behandelnden Facharzt
für Kinder- und Jugendmedizin / Facharzt für Allgemeinmedizin erfolgen.!
Wie erfolgt die Entscheidung über Medikation bei Zwängen nach Leitlinie? Wichtig
▪ Effektivität von SSRI gegenüber Placebo überzeugend nachgewiesen
▪ SSRI nebenwirkungsärmer als andere wirksame Medikamente (z.B. Clomipramin)
→ Wenn Medikation indiziert, dann SSRI
Verschiedene SSRI denkbar:
▪ Unterschiedlicher Zulassungsstatus für Altersgruppen (z.B. Behandlung von
Zwangsstörungen bei Kindern ab 6 Jahre → Sertralin; ab 8 Jahre → Fluvoxamin)
▪ Unterschiedliche Nebenwirkungsprofile
▪ Unterschiedliche Wirksamkeit für evtl. komorbide Störungen
→ Unter Berücksichtigung dieser Faktoren: typischerweise
1. Sertralin
2. Fluvoxamin
3. Fluoxetin (allerdings zu bevorzugen, wenn komorbide Depression)
Was sagt die Leitlinie genau zu SSRIs bei Zwängen? Wichtig
▪ Vorsichtige Eindosierung, dann aber bis zu maximal empfohlener Dosis
▪ Ausschleichendes Absetzen (Absetzsymptome)
▪ Bei Ansprechen: Fortsetzen der Behandlung um mind. 6-12 Monate und Indikation für
Fortsetzung überprüfen, für Rückfallprophylaxe 12-24 Monate fortsetzen
Bei Nichtansprechen:
1. Adhärenz? (Prüfung der Therapietreue)
2. Anderes SSRI?
3. Nach 2 erfolglosen SSRI: Clomipramin?
4. Nach erfolglosem Clomipramin: Kombinationsbehandlung Clomipramin + SSRI?
!Es gibt keine Evidenz und Empfehlung für andere Medikation (Venlafaxin, Mirtazapin, Riluzol,
Anxiolytika, Benzodiazepine, D-Cycloserin)
Ausnahme: bei unzureichender Wirksamkeit Augmentation mit Antipsychotika
(Aripiprazol, Risperidon) in niedriger Dosis!
Wie hoch ist die Wirksamkeit verschiedener Verfahren zur Behandlung von Zwängen?
KVT mit Exposition mit Reaktionsmanagement erzielt hohe Effektstärken
(auch bei komorbider Tic-Störung ist KVT Methode der Wahl)
→ wird aber zu selten eingesetzt (USA: 1/3 der Behandlungen, Geller et al., 2012)!
Wirksamkeit von KVT und Medikation in verschiedenen Meta-Analysen und Reviews
zusammengefasst
Sanchez-Meca et al., (2014): k=18
▪ Kombinierte Behandlung: d=1,7
▪ KVT: d=1,2
▪ Medikation: d=0,7
→ KVT bessert auch Angst, Depression und psychosoziale Funktionsbeeinträchtigungen
Was besagt die Pediatric Obsessive-Compulsive Disorder Treatment Study?
112 Kinder und Jugendliche zwischen 7 und 17 Jahren (CY-BOCS Wert > 16) werden
randomisiert zugeteilt auf
▪ KVT
▪ Medikation (Sertralin)
▪ Kombination von KVT und Medikation
▪ Kontrollgruppe (Medikamentenplacebo).
Behandlungsdauer: 12 Wochen
Klinische Remission:
▪ KVT: 39,3%
▪ Medikation (Sertralin): 21,4%
▪ Kombination von KVT und Medikation: 53,6% !!
▪ Kontrollgruppe (Medikamentenplacebo): 3,6% (deutlich niedriger als bei echter Medikation)
Wie sollten PANS und PANDAS nach Leitlinie behandelt werden?
PANS und PANDAS: Zusammenhang zwischen immunologischen Reaktionen auf
Infektionen und dem Auftreten von Zwangsstörungen und Ticstörungen
Meta-Analyse von Burchi und Pallanti (2018): Behandlung von PANDAS mit Antibiotika und
immunmodulatorischen Therapien (1994-2017), k=4 (!)
▪ Inkonsistente Befunde
▪ Bei aktueller Infektion Antibiotikabehandlung und selten immunmodulatorische
Behandlung möglicherweise hilfreich
▪ Hinweise auf Untergruppe von Patienten, die unabhängig von Infektion auf die Behandlung ansprechen
!Bei Kindern und Jugendlichen mit Verdacht auf PANDAS/PANS soll eine Therapie mit KVT
und/oder SSRIs erfolgen. Für eine Antibiotikatherapie außerhalb der akuten Infektion und für eine immunologische Therapie kann aufgrund der Evidenzlage keine Empfehlung
ausgesprochen werden.!