Asylpolitik Österreichs Flashcards

(69 cards)

1
Q

Was äußert sich in der genannte „Grenzrevolution“ in Europa?

A

Veränderungen in der Asyl- und Migrationspolitik sowie die Diskussion über humane Grenzen und Einwanderungskontrolle.

Knaus diskutiert die Unterschiede zwischen humanen Grenzen und dem Konzept von keinen Grenzen.

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2
Q

Was meint Knaus mit ‘humane borders’?

A

‘Humane borders’ bezieht sich auf die Idee von Grenzen, die menschliche Werte und Rechte respektieren, im Gegensatz zu ‘no borders’, die keine staatliche Kontrolle über Migration implizieren.

Knaus argumentiert, dass humane Grenzen notwendig sind, um die Rechte von Migranten zu schützen.

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3
Q

Was ist der Sinn von Asyl?

A

Der Sinn von Asyl ist es, Personen Schutz vor Verfolgung und Gefahren in ihrem Herkunftsland zu bieten.

Knaus spricht Probleme in Bezug auf Asylverfahren an, wie lange Wartezeiten und unzureichende Unterstützung.

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4
Q

Was ist Volkssouveränität?

A

Volkssouveränität ist die politische Gemeinschaft als Quelle von Autorität ohne Einmischung anderer Staaten.

Dies wird als legitime Rechtfertigung für Einwanderungskontrolle betrachtet.

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5
Q

Was bedeutet ‘peoplehood’ im Kontext von Kollektiver Selbstbestimmung?

A

‘Peoplehood’ beschreibt eine Gemeinschaft, die durch kulturelle Werte und Identität definiert ist, im Gegensatz zu ‘nationhood’, das sich auf nationale Grenzen bezieht.

Kollektive Selbstbestimmung wird als Grundlage für die Einwanderungskontrolle betrachtet.

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6
Q

Welche Probleme sieht Knaus in der österreichischen Asylpraxis?

A

Er verweist auf ungewünschte Verpflichtungen, die gegenüber Migranten eingegangen werden müssen, und auf den Umgehungsprozess, der das Kollektiv als selbstbestimmt begründet.

Diese Probleme betreffen die Effizienz und Gerechtigkeit der Asylverfahren.

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7
Q

Was ist die Hauptthese von Joseph H. Carens bezüglich offener Grenzen?

A

Carens argumentiert, dass das Menschsein einen moralischen Anspruch auf gleiche Lebenschancen für alle begründet, unabhängig von Staatsbürgerschaft.

Er schlägt vor, dass Bewegungsfreiheit als eigener Wert betrachtet werden sollte.

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8
Q

Was ist das ‘Schleier des Nichtwissens’ von John Rawls?

A

Das ‘Schleier des Nichtwissens’ ist ein Konzept, das besagt, dass wir bei der Gestaltung von Gesellschaftsstrukturen nicht wissen, welchem Staat wir angehören, und daher Bewegungsfreiheit wählen würden.

Es ist eine Methode zur Förderung von Chancengleichheit.

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9
Q

Was ist die Sichtweise von Michael Walzer zur politischen Mitgliedschaft?

A

Walzer sieht politische Mitgliedschaft als das höchste öffentliche Gut, dessen Legitimation durch die bereits bestehenden Mitglieder entschieden wird.

Er unterscheidet zwischen verschiedenen Assoziationsformen, um Migrationskontrolle zu legitimieren.

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10
Q

Was ist der breitere Flüchtlingsbegriff von Andrew Shacknove?

A

Shacknove definiert Flüchtlinge als ‘Personen, deren grundlegende Bedürfnisse von ihrem Herkunftsland nicht geschützt sind.’

Dies impliziert einen gebrochenen Gesellschaftsvertrag.

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11
Q

Was besagt das Lokalitätsprinzip in der Verantwortungsteilung zwischen Staaten?

A

Das Lokalitätsprinzip ist ungerecht bezüglich der Vulnerabilität und Lastenverteilung unter Staaten.

Es wird diskutiert, ob Flüchtlinge die Möglichkeit haben sollten, sich ‘freizukaufen’.

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12
Q

Was wird unter ‘Territorialität’ im Kontext von Migration verstanden?

A

Territorialität bezieht sich auf den sozialen, politischen und rechtlichen Raum eines Staates und ist nicht nur geographisch zu verstehen.

Georg Jellinek beschreibt dies in seiner ‘Drei-Elemente-Lehre’ vom Staat.

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13
Q

Was ist die Rolle von Österreich in der Asylpolitik?

A

Österreich wird als Schutzmacht betrachtet, die einen bedeutenden Anteil an positiven Asylentscheidungen in der EU hat.

Zwischen 2014 und 2023 machten Österreich und Deutschland mehr als die Hälfte aller positiven Entscheidungen aus.

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14
Q

Definiere “displaced Persons” und erläutere den Umgang mit ihnen in den Nachkriegsjahren.

A

= verschleppte/entortete Personen, die sich außerhalb ihrer Heimatländer befanden

Heterogene Zusammensetzung, zunächst nach Nationalität gegliedert und untergebracht

Zunächst UNRRA Betreuung, ab 1950 BMI; Repatriierung als oberstes Ziel

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15
Q

Was versteht man unter Volksdeuztschen ab 1945 ?

A

= deutschsprachige Bevölkerungsgruppen, die in Europa außerhalb von Staaten mit deutscher Bevölkerungsmehrheit lebten (z.B. Donauschwaben)  fliehen nach AT/DE

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16
Q

Welche Bedingungen galten für Displaced Persons in Österreich ab 1945?

A

Es herrschte eine weitgehende Arbeitspflicht, Essensrationen von etwa 2000 kcal, eine dreimonatige Aufenthaltsbewilligung sowie bei Daueraufenthalt der Verzicht auf Sozialleistungen.

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17
Q

Wie entwickelte sich die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und welche Bedeutung hat sie heute?

A
  • Erste Ansätze: Nansen-Pass (Völkerbund, 1922)
  • UNO-Gründung 1945, Menschenrechtserklärung 1948
  • Verhandlungen ab 1950
  • Verabschiedung der GFK: 1951
  • Inkrafttreten: 1954, in Österreich ratifiziert
  • Zusatzprotokoll 1967: zeitliche Begrenzung aufgehoben
  • Heute: universelle Gültigkeit, Verfassungsrang in Österreich
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18
Q

Was ist der Grundsatz des „Non-Refoulement“ gemäß GFK?

A

Er bezeichnet das völkerrechtliche Verbot, Flüchtlinge in ein Land zurückzuschicken, in dem ihnen Verfolgung droht (Artikel 33 GFK).

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19
Q

Wie definierte die GFK 1951 den Begriff „Flüchtling“?

A

Ein Flüchtling ist eine Person mit begründeter Furcht vor Verfolgung wegen Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung, die deshalb vor dem 1. Januar 1951 ihr Herkunftsland verlassen musste.

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20
Q

Was geschah im Zuge der Ungarnkrise 1956 und wie reagierte Österreich?

A
  • Ungarnaufstand ab Okt. 1956 gegen sowjettreue Regierung
  • Niederschlagung durch Sowjetarmee am 15. Nov. 1956
  • Ca. 180.000 Flüchtlinge kamen bis 1957 nach Österreich
  • Österreich = Erstasylland, ca. 10 % blieben dauerhaft
  • Einrichtung von Traiskirchen & über 250 weiteren Lagern
  • Okt. 1956: Innenminister gewährt pauschal Asyl
  • Große Solidarität, Spenden & positive Medienberichte
  • Ab 1957 Stimmungsumschwung: Belastungsdiskurs
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21
Q

Was versteht man unter dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS)?

A

GEAS ist das europäische Regelwerk zur Asylpolitik und umfasst:

  • Qualifikationsrichtlinie: Asyl oder subsidiärer Schutz.
  • Verfahrensrichtlinie: z.B. Anspruch auf Rechtsberatung
  • Aufnahmerichtlinie: z.B. Unterbringung, Sach-/Geldleistungen, Arbeitsmarktzugang für AsylwerberInnen
  • Dublin III Verordnung + EURODAC Verordnung
  • Rückführungsrichtlinie: Abschiebungen
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22
Q

Was ist der Unterschied zwischen EU-Verordnungen und EU-Richtlinien?

A
  • Verordnungen: gelten unmittelbar in allen Mitgliedstaaten, ohne nationale Umsetzung
  • Richtlinien: geben Ziele vor, Umsetzung in nationales Recht innerhalb i.d.R. 2 Jahren erforderlich
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23
Q

Was bedeutet „policy rhetorics-outcome gap“?

A

Ein Unterschied zwischen politischer Rhetorik (z.B. gemeinsame EU-Asylpolitik) und den tatsächlichen Ergebnissen bzw. der Umsetzung in der Praxis.

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24
Q

Was war der Ausgangspunkt für die Entwicklung eines gemeinsamen EU-Asylsystems?

A

Abschaffung der Binnengrenzen durch Schengen

1999: Vertrag von Amsterdam → Migrationspolitik in erste EU-Säule verlagert

1999: Gipfel von Tampere = Startschuss für GEAS

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25
Was ist Frontex und welche Aufgaben hat die Agentur?
- Frontex ist die EU-Agentur für Grenz- und Küstenwache. Aufgaben: - Risikoanalysen - Ausbildung nationaler Beamter - Koordination von Rückführungen - Zusammenarbeit mit MS, EU-Agenturen und Drittstaaten
26
Was sind zentrale Stationen der Integrationsgeschichte der EU im Kontext der Asyl- und Migrationspolitik?
-1957: Römische Verträge – Beginn der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft -1974: Gipfeltreffen – Idee der Passunion und Bewegungsfreiheit -1984/85: Schengen-Prozess – Abbau von Binnengrenzen -1990: Dublin-Übereinkommen – Zuständigkeit für Asylverfahren -1992/93: Vertrag von Maastricht – Asyl/Migration noch in dritter Säule -1999: Vertrag von Amsterdam – Verlagerung in erste Säule, Einbindung von Schengen -1999: Gipfel von Tampere – Startschuss für das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS)
27
Was sind zentrale Strukturmerkmale einer liberalen Demokratie?
Demokratie: Macht durch Wahlen, Mehrheitsprinzip, Repräsentation Liberalismus: Machtbeschränkung durch Rechtsstaat, individuelle Rechte, Kontrolle der Exekutive
28
Was ist mit dem „liberalen Dilemma“ in der Asylpolitik gemeint?
Das Spannungsverhältnis zwischen demokratischem Mehrheitswillen (z. B. restriktive Migrationspolitik) und liberal-rechtsstaatlichen Prinzipien (z. B. Schutz von Grundrechten).
29
Was bedeutet „Politics of Closure“?
-Fokus auf nationale Souveränität und Zugehörigkeit (race/ethnicity) -Einfluss öffentlicher Meinung bei polarisierenden Themen -Parteien & Medien wirken meinungsbildend -Nationalstaat als zentrale Einheit
30
Was bedeutet „Politics of Openness“?
-Betonung des Rechtsstaats und internationaler Normen -Selbstbegrenzung liberaler Staaten (Joppke, 1998) -Schutz von Menschenrechten durch Gerichte -Interesse an Arbeitsmigration aus ökonomischen Gründen
31
Was erklärt laut Lipset & Rokkan (1967) die Parteienlandschaft? (Cleavage Theory)
Historische Konflikte entlang von vier Konfliktlinien: -Zentrum vs. Peripherie -Religiös vs. säkular -Stadt vs. Land -Arbeit vs. Kapital (klassisch links-rechts)
32
Wie hat Hanspeter Kriesi die Cleavage-Theorie weiterentwickelt?
Cleavages basieren auf kollektiven Identitäten, die politisch artikuliert werden. Parteien geben Deutungsrahmen vor und beeinflussen, welche Konfliktlinien öffentlich salient sind.
33
Was beschreibt der Transnationalism-Cleavage?
-Cosmopolitan (GAL): Diversität, internationale/EU-Governance, Grenzabbau Communitarian (TAN): nationale Identität, Autoritarismus, Traditionalismus, nationale Abschottung
34
Was sind typische Merkmale rechtspopulistischer Parteien laut Rydgren (2017)?
-Betonung von Ethnonationalismus -Rückgriff auf Mythen und traditionelle Werte -Anti-Elitismus, Populismus -Horizontale (ethnisch) & vertikale (volk vs. Elite) Abgrenzung
35
Wie lässt sich der Wandel der ÖVP zur Anti-Immigrationspartei erklären?
-Wahlstrategische Überlegungen -Veränderungen in der internen Machtstruktur -Analyse der Wahlprogramme seit 1994 zeigt zunehmende Schwerpunktsetzung auf Migrationskontrolle
36
Warum ist Migration/Asyl ein Konfliktthema für die SPÖ?
- Interne Parteidynamiken entscheidender als Wähler*innenmeinungen - Einfluss von territorialer Dezentralisierung - Erschwerte Einigung auf restriktivere Positionen innerhalb der Partei
37
Welche Schutzformen sind auf internationaler und nationaler Ebene relevant für das Asylverfahren?
- International: GFK, EU-Grundrechtecharta - EU-Recht: Dublin III - National: AsylG, FPG, NAG, GVG-B, AuslBG, StBG, BFA-G, BFA-VG, AVG, BVwGG, VwGVG
38
Was sind zentrale Elemente des Rechts auf Asyl?
- Non-refoulement-Gebot - Zugang zu einem fairen Asylverfahren - Menschenrechtskonforme Aufnahme
39
Wie läuft ein Asylverfahren in Österreich ab?
- Zulassungsverfahren: Prüfung der Zuständigkeit (Dublin III) Inhaltliches Verfahren: - Erste Instanz: Interview + Entscheidung durch BFA - Zweite Instanz bei Beschwerde :BVwG (Beschwerde), VwGH/VfGH (Revision)
40
Wann wird laut §3 AsylG der Status "Asylberechtigte*r" zuerkannt?
Bei glaubhafter (keine Beweispflicht) Verfolgung wegen: -Rasse -Religion - Nationalität - Politischer Gesinnung - Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe
41
Was unterscheidet subsidiär Schutzberechtigte von Asylberechtigten?
-Kein Schutz nach GFK, sondern nach EMRK (Art. 2 & 3) -Gefahr von Folter, Todesstrafe oder unmenschlicher Behandlung im Herkunftsland -Zuerkennung erfolgt nach §8 AsylG
42
Was ist neu im digitalen Asylverfahren?
Digitale Evidenz: z. B. Handyauswertungen zur Prüfung der Angaben von Asylsuchenden
43
Seit wann gibt es die Grundversorgungsvereinbarung in Österreich und worauf basiert sie?
Seit 2004; sie basiert auf Artikel 15a B-VG, also einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern.
44
Was bedeutet das „Durchgriffsrecht“ des Bundes bei der Unterbringung?
Seit 1. Oktober 2015 kann der Bund mit einem befristeten Bundesverfassungsgesetz eigenständig Quartiere schaffen, wenn Länder/Gemeinden ihrer Unterbringungspflicht nicht nachkommen.
45
Welche Aufgaben übernimmt die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) seit 2022?
-Betrieb von Bundesbetreuungseinrichtungen -Durchführung der Grundversorgung -Rückkehrberatung -Rechtsberatung (§§ 49–52 BFA-VG) -Bereitstellung von Dolmetscherinnen und Menschenrechtsbeobachterinnen
46
Was sind Kritikpunkte an der organisierten Unterbringung?
-Organisierte Desintegration (z. B. Bezahlkarte) -Ausschluss vom Arbeitsmarkt -Isolation, Wohnsitzauflagen -Permanente Unsicherheit (zeitliche Mechanismen)
47
Welchen Zugang haben Asylwerber*innen zum Arbeitsmarkt?
-In den ersten 3 Monaten: kein Zugang -Danach: de facto kaum möglich – Arbeitgeber müssen einzeln Beschäftigungsbewilligung beim AMS beantragen -Bis 2021 nur Saisonarbeit möglich -Kein Zugang zu ÖIF-Integrationskursen
48
Welchen Zugang haben Asylberechtigte zum Arbeitsmarkt?
-Rechtlich uneingeschränkter Zugang -Teilnahme an Sprachkursen und Werte- & Orientierungskursen des ÖIF -In der Praxis: viele Hürden (Sprachniveau, regionale Kursangebote, Nostrifizierung, Diskriminierung)
49
Was ist mit „Nostrifizierung“ gemeint und welche Probleme entstehen daraus?
Anerkennung von Bildungs- und Berufsabschlüssen Oft langwierig, teuer, bürokratisch Folge: Entwertung von Qualifikationen, z. B. keine Anerkennung juristischer Abschlüsse
50
Wie definiert Givens (2007) Integration aus sozialwissenschaftlicher Sicht?
Integration ist ein sozialer Prozess der Niederlassung und Anpassung von Zugewanderten und Einheimischen mit dem Ziel erhöhter sozialer Zugehörigkeit der Eingewanderten.
51
Was ist laut Scharpf (1997) für das Verhalten von Individuen im Integrationsprozess entscheidend?
-Institutionelle Anreize und Gelegenheitsstrukturen -Individuelle Bestrebungen (Aspirationen) -Fähigkeiten und Kapazitäten
52
Was versteht man unter dem „progressive’s dilemma“?
Das Spannungsverhältnis zwischen Solidarität im Wohlfahrtsstaat und Diversität durch Migration. Frage: Wie viel Vielfalt kann Solidarität vertragen?
53
Was bedeutet „Wohlfahrtschauvinismus“ laut Kymlicka (2015)?
-Solidarität ohne Inklusion -Beibehaltung oder Ausbau des Wohlfahrtsstaates Aber: Ausschluss von Zugewanderten von Sozialleistungen (Verdientheitslogik)
54
Was ist „neoliberaler Multikulturalismus“ laut Kymlicka (2015)?
-Inklusion ohne Solidarität -Marktintegration statt sozialer Absicherung -Reduktion der Sozialhilfe für alle als Anreiz zur Arbeitsaufnahme
55
Welche Lösung schlägt Kymlicka zur Überwindung von „Deservingness“-Diskursen vor?
-Universelle statt bedarfsorientierte Leistungen -Fokus auf Pre-distribution: Mindestlöhne, öffentliche Infrastruktur -Hybride Identitäten fördern („stolze Deutsch-Türkin“ etc.)
56
Was versteht man unter Territorialität im Kontext von Staat und Grenze?
Territorialität beschreibt nicht nur einen geographischen Raum, sondern umfasst auch soziale, politische und rechtliche Dimensionen. Sie ist mit staatlicher Autorität und Staatsbürgerschaft verknüpft (vgl. Jellineks Drei-Elemente-Lehre).
57
Was ist mit dem Begriff „Remote Control“ in der Migrationspolitik gemeint?
Remote Control bezeichnet Strategien der Fernsteuerung von Migration durch Filterung, Vorabselektion und Prävention, oft über Visa oder Zusammenarbeit mit anderen Staaten. Ziel ist es, unerwünschte Migration schon vor Erreichen des Staatsgebiets zu verhindern.
58
Welche drei Maßnahmen werden unter Remote Control nach FitzGerald (2020) analytisch unterschieden?
1.Akten (Files) – Verwaltungstechniken 2.Käfige (Cages) – räumliche Einschließung 3.Kuppeln (Domes) – Überwachung und Informationskontrolle Weitere räumliche Metaphern: Pufferzonen, Wassergräben, Vorwerke.
59
Was meint der Begriff „Deportation Gap“?
Die Lücke zwischen der Anzahl an Rückkehrentscheidungen und tatsächlich durchgeführten Abschiebungen (inkl. freiwilliger Rückkehr). Gründe: rechtliche Hürden (z. B. Familienleben, Folterverbot) und faktische Hürden (z. B. fehlende Papiere).
60
Wann wurde die EU-Massenzustromrichtlinie (2001/55/EG) aktiviert und warum?
Die Richtlinie wurde am 3. März 2022 infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine durch Ratsbeschluss mit qualifizierter Mehrheit aktiviert. Ziel war es, vorübergehenden Schutz für Vertriebene zu gewähren.
61
Was sind die zentralen Ziele der EU-Massenzustromrichtlinie laut 2001/55/EG?
-Temporärer Aufenthaltsstatus und soziale Mindeststandards für Schutzbedürftige -Solidaritätsmechanismus zur ausgewogenen Verteilung und Finanzierung zwischen EU-Mitgliedstaaten.
62
Was sind zentrale Unterschiede zwischen dem temporären Schutzstatus und dem Asylverfahren?
-Temporärer Schutz: kollektive Zuerkennung, befristeter Aufenthalt, Grundversorgung, freier Arbeitsmarktzugang -Asylverfahren: individuelle Prüfung, ggf. unbefristeter Aufenthalt, Zugang zu Sozialhilfe
63
Welche Gruppen sind vom temporären Schutz nicht zwingend umfasst?
Drittstaatsangehörige, die sich aus Arbeits- oder Studiengründen in der Ukraine aufhielten, sind nicht automatisch vom Schutz erfasst.
64
Warum ist eine verpflichtende EU-Verteilungspolitik umstritten?
Weil sie Schutzsuchenden Entscheidungsfreiheit einschränkt und für Mitgliedstaaten eine verpflichtende Aufnahme bedeuten würde. Derzeit überwiegen ad hoc-Lösungen ohne verbindliche Quoten.
65
Was bedeutet laut Kasparek & Hess die „autonomy of migration“?
Der Begriff beschreibt die Handlungsmacht von Migrant_innen, die aktiv Grenzen herausfordern und somit das Grenzregime mitgestalten. Migration wird nicht nur als Reaktion, sondern als aktives Handeln verstanden.
66
Welche vier Dimensionen umfasst das EU-Grenzregime laut Kasparek & Hess?
1.Externalisierung 2.Befestigte Außengrenzen 3.Inneres Immobilisierungsregime (z. B. Dublin) 4.Humanitarisierung
67
Was war ein Effekt der laxen Registrierungspraxis im Dublin-Regime?
Einige südliche Mitgliedstaaten verweigerten Registrierungen, was zu Rechtsklagen von Migrant_innen (z. B. vor dem EGMR) führte. In der Folge wurde Griechenland zeitweise aus dem Dublin-System ausgeschlossen.
68
Wie wurde die Operation Mare Nostrum im Kontext der Humanitarisierung gerahmt?
Nach dem Schiffsunglück vor Lampedusa 2013 wurde die Grenzpolitik erstmals als Menschenrettung statt als Grenzschutz dargestellt.
69
Was sieht der Asylpakt 2024 vor?
-Reform des Dublin-Systems mit freiwilligem Solidaritätsmechanismus -Ausweitung der „Sicherer Drittstaat“-Klausel -Einführung von Screening- und Schnellverfahren an Außengrenzen -Möglichkeit zur temporären Aussetzung des Asylrechts bei Krisen