Definitionen Flashcards
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Willenserklärung
Eine Willenserklärung ist die Willensäußerung einer Person, die auf die Herbeiführung einer bestimmten Rechtsfolge gerichtet ist.
Tatbestände einer Willenserklärung
Eine Willenserklärung liegt vor, wenn der äußere und der innere Erklärungstatbestand erfüllt ist.
Der äußere Erklärungstatbestand einer Willenserklärung ist erfüllt, wenn sich das Verhalten des Erklärenden für einen objektiven Beobachter in der Rolle des Erklärungsempfängers als Äußerung eines Rechtsbindungswillens darstellt.
Der innere Erklärungstatbestand einer Willenserklärung ist erfüllt, wenn der Erklärende Handlungswillen, Erklärungsbewusstsein und Geschäftswillen hat.
Handlungswille ist der Wille, eine Erklärung abzugeben.
Erklärungsbewusstsein ist das Bewusstsein, etwas rechtlich Erhebliches zu erklären.
Geschäftswille ist der Wille, eine ganz bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen.
Die Bedeutung fehlenden Erklärungsbewusstseins nach der Willenstheorie
Nach der Willenstheorie ist Erklärungsbewusstsein notwendiger Bestandteil einer Willenserklärung. Fehlt das Erklärungsbewusstsein, liegt auch keine Willenserklärung vor.
Rechtsfolgen bei fehlendem Erklärungsbewusstsein nach Willenstheorie:
- Die Willenserklärung ist analog § 118 BGB nichtig
- Der Erklärungsempfänger hat analog § 122 BGB Schadensersatzanspruch (Ersatz des Vertrauensschadens).
Die Bedeutung fehlenden Erklärungsbewusstseins nach der Erklärunstheorie
Nach der Erklärungstheorie ist Erklärungsbewusstsein kein notwendiger Bestandteil einer Willenserklärung. Fehlt das Erklärungsbewusstsein, liegt trotzdem eine Willenserklärung vor, falls a) und b) gilt:
a) Der Erklärende hätte wissen müssen, dass seine Erklärung als Willenserklärung aufgefasst werden kann (Verantwortungsprinzip).
b) Der Erklärungsempfänger ist schutzwürdig, d.h. er hat darauf vertrauen dürfen, dass der Erklärende etwas rechtlich Erhebliches erklären wollte (Vertrauensprinzip).
Ob a) und b) erfüllt sind, ist durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln, wobei ein objektiver Empfängerhorizont zugrunde gelegt wird.
Rechtsolgen bei fehlendem Erklärungsbewusstsein nach Erklärungstheorie:
- Falls a) und b) erfüllt sind: Es liegt eine Willenserklärung vor und der Erklärende kann anfechten analog der Irrtumstatbestände in § 119 I BGB. Nach wirksamer Anfechtung hat der Erklärungsempfänger analog § 122 BGB Schadensersatzanspruch (Ersatz des Vertrauensschadens).
- Falls a) oder b) ist nicht erfüllt: Es liegt keine Willenserklärung vor. Der Erklärungsempfänger hat anders als bei der Willenstheorie keinen Schadensersatzanspruch analog § 122 BGB.
Formen der Kundgabe einer Willenserklärung
Die Kundgabe einer Willenserklärung kann ausdrücklich, konkludent oder ausnahmsweise durch Schweigen erfolgen.
Die Kundgabe ist ausdrücklich, wenn die beabsichtigten Rechtsfolgen durch gesprochene oder geschriebene Wörter geäußert werden.
Die Kundgabe ist konkludent, wenn die beabsichtigten Rechtsfolgen durch schlüssiges Verhalten (z.B. Kopfnicken) geäußert werden.
Ausnahmsweise hat auch Schweigen einen Erklärungswert. Das ist dann der Fall, wenn es vereinbart wurde (“Beredtes Schweigen”), vom Gesetz so bestimmt ist (“Normiertes Schweigen”) oder gewohnheitsrechtlich anerkannt ist (z.B. beim “kaufmännischem Bestätigungsschreiben”).
Eine Willenserklärung kann verkörpert oder unverkörpert sein. Sie ist verkörpert, wenn sie in einer Form vorliegt, in der sie dauerhaft gespeichert und abrufbar ist (z.B. Brief, CD, Tonband). Ansonsten ist sie unverkörpert (z.B. das gesprochene und nicht aufgezeichnete Wort, konkludentes Handeln).
Wirksamkeit einer Willenserklärung
Eine Willenserklärung ist wirksam, wenn sie vom Erklärenden abgegeben wurde und soweit sie empfangsbedürftig ist, dem Erklärungsempfänger zugegangen (§ 130 I 1), sowie vom Erklärenden nicht wirksam widerrufen worden ist (§ 130 I 2) und es keine sonstigen Nichtigkeitsgründe gibt.
Widerruf einer Willenserklärung nach § 130 I 2
Der Widerruf einer Willenserklärung nach § 130 I 2 ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, welches das Wirksamwerden einer anderen Willenserklärung verhindern soll.
Der Widerruf ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, in der der Erklärende erklärt, die Rechtsfolgen der widerrufenden Willenserklärung nun doch nicht eintreten lassen zu wollen.
Der Widerruf ist wirksam und verhindert das Wirksamwerden der widerrufenden Willenserklärung, wenn er dem Erklärungsempfänger spätestens zeitgleich mit der widerrufenden Willenserklärung zugeht.
Willensmangel einer Willenserklärung
Eine Willenserklärung hat einen Willensmangel, wenn der innere Wille des Erklärenden und der objektive Inhalt seiner Erklärung nicht übereinstimmen.
Willenserklärungen ohne Erklärungsbewusstsein oder Geschäftswillen haben einen Willensmangel.
Bei einem bewussten Willensmangel, erklärt der Erklärende absichtlich etwas anderes als er will. Bei einem unbewussten Willensmangel fehlt diese Absicht.
Gesetzlich geregelte Fälle bewusster Willensmängel sind der geheime Vorbehalt (§ 116), die Scheinerklärung (§ 117) und die Scherzerklärung (§ 118) als Nichtigkeitsgrund sowie die widerrechtliche Drohung (§ 123) als Anfechtungsgrund einer Willenserklärung.
Ein unbewusster Willensmangel wird auch als Irrtum bezeichnet. Gesetzlich geregelte Fälle unbewusster Willensmängel sind die Irrtumstatbestände in §§ 119, 120 und die arglistige Täuschung in § 123 als Anfechtungsgrund einer Willenserklärung.
Empfangsbedürftige Willenserklärung
Eine Willenserklärung ist empfangsbedürftig, wenn sie gegenüber einem anderen abgegeben werden muss, d.h. zu ihrer Wirksamkeit einem anderen zugehen muss (§ 130 I 1).
Nicht empfangsbedürftige Willenserklärung
Eine Willenserklärung ist nicht empfangsbedürftig, wenn sie keinen Erklärungsempfänger hat. Sie wird bereits in dem Moment ihrer Abgabe wirksam, d.h. zu ihrer Wirksamkeit muss sie keinem anderen zugehen (§ 130 gilt nicht).
Abgabe einer Willenserklärung
Eine Willenserklärung ist abgegeben, wenn sie mit Wissen und Wollen des Erklärenden in einer Weise für andere wahrnehmbar gemacht wurde, dass an der Endgültigkeit der Äußerung kein vernünftiger Zweifel mehr bestehen kann.
Abgabe einer nicht empfangsbedürftigen Willenserklärung
Eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung ist abgegeben, wenn der Erklärende seinen Willen erkennbar endgültig geäußert hat.
Abgabe einer empfangsbedürftigen Willenserklärung
Eine empfangsbedürftige Willenserklärung ist abgegeben, wenn sie mit Wissen und Wollen des Erklärenden aus dessen Machtbereich gelangt ist und in Richtung Erklärungsempfänger in Bewegung gesetzt wurde.
Abgabe einer empfangsbedürftigen unverkörperten (z.B. mündlichen) Willenserklärung unter Anwesenden
Eine unverkörperte (z.B. mündliche) Willenserklärung unter Anwesenden ist abgegeben, wenn sie so geäußert wird, dass ein objektiver Dritter in der Rolle des Erklärungsempfängers in der Lage ist, sie zu vernehmen (z.B. akustisch zu verstehen).
Abgabe einer empfangsbedürftigen verkörperten (z.B. schriftlichen) Willenserklärung unter Anwesenden
Eine verkörperte (z.B. schriftliche) Willenserklärung unter Anwesenden ist abgegeben, wenn sie dem Erklärungsempfänger zur Entgegennahme überreicht wurde.
Abgabe einer empfangsbedürftigen unverkörperten (z.B. mündlichen) Willenserklärung unter Abwesenden
Eine unverkörperte (z.B. mündliche) Willenserklärung unter Abwesenden ist (unter Einschaltung eines Erklärungsboten) abgegeben, wenn der Erklärende die Erklärung gegenüber dem Erklärungsboten vollendet und diesem die Weisung gegeben hat, diese Erklärung dem Erklärungsempfänger zu übermitteln.
Abgabe einer empfangsbedürftigen verkörperten (z.B. schriftlichen) Willenserklärung unter Abwesenden
Eine verkörperte (z.B. schriftliche) Willenserklärung unter Abwesenden ist abgegeben, wenn das vollendete Schriftstück mit Wissen und Wollen des Erklärenden in Richtung Erklärungsempfänger in Bewegung gesetzt wurde, so dass bei Annahme normaler Umstände mit dem Zugang beim Erklärungsempfänger gerechnet werden kann.
Zugang einer (empfangsbedürftigen) Willenserklärung
Eine (empfangsbedürftige) Willenserklärung ist zugegangen, wenn die Erklärung so in den (räumlichen und zeitlichen) Machtbereich des Erklärungsempfängers gelangt ist, dass er bei Annahme normaler Umstände die Möglichkeit hat, von ihr Kenntnis zu nehmen.
Zugang einer (empfangsbedürftigen) unverkörperten (z.B. mündliche) Willenserklärung unter Anwesenden
Nach der sog. „reinen Vernehmungstheorie“ ist eine unverkörperte (z.B. mündliche) Willenserklärung unter Anwesenden zugegangen, wenn der Erklärungsempfänger die Erklärung inhaltlich zutreffend verstanden hat.\n\nNach der sog. „eingeschränkten Vernehmungstheorie“ ist eine unverkörperte (z.B. mündliche) Willenserklärung unter Anwesenden zugegangen, wenn der Erklärende damit rechnen konnte und durfte, dass der Erklärungsempfänger seine Erklärung inhaltlich zutreffend verstanden hat.
Zugang einer (empfangsbedürftigen) verkörperten (z.B. schriftlichen) Willenserklärung unter Anwesenden
Eine verkörperte (z.B. schriftliche) Willenserklärung unter Anwesenden ist zugegangen, wenn sie dem Erklärungsempfänger ausgehändigt wurde und damit in den Machtbereich des Erklärungsempfängers gelangt ist.
Zugang einer (empfangsbedürftigen) Willenserklärung unter Abwesenden
Eine Willenserklärung unter Abwesenden ist zugegangen, wenn die Erklärung so in den Machtbereich des Erklärungsempfängers gelangt ist, dass er bei Annahme normaler Umstände die Möglichkeit hat, von ihr Kenntnis zu nehmen.
Einschaltung von Mittelspersonen bei Abgabe und Zugang einer Willenserklärung
Bei Abgabe oder Zugang einer Willenserklärung kann ein Empfangsvertreter, ein Empfangsbote oder ein Erklärungsbote als Mittelsperson zwischen Erklärendem und Erklärungsempfänger auftreten.\n\nEmpfangsvertreter ist, wer vom Erklärungsempfänger als dessen Vertreter eingesetzt wurde (§ 164 III).\n\nEmpfangsbote ist, wer vom Erklärungsempfänger zur Annahme von Erklärungen ausdrücklich oder konkludent ermächtigt wurde oder wer nach der Verkehrsanschauung als ermächtigt gilt und hierzu bereit und geeignet ist.\n\nErklärungsbote ist, wer vom Erklärenden mit der Übermittlung der Erklärung an den Erklärungsempfänger beauftragt wurde.
Rechtsgeschäft
Ein Rechtsgeschäft besteht aus einer oder mehreren Willenserklärungen, die alleine oder in Verbindung mit anderen Tatbestandmerkmalen Rechtsfolgen herbeiführen, weil sie gewollt sind.
Rechtsgeschäftliche Auslegung
Rechtsgeschäftliche Auslegung ist der Vorgang, die Bedeutung rechtsgeschäftlichen Handelns, d.h. von Willenserklärungen und den mit ihnen zustande gebrachten Rechtsgeschäften, zu ermitteln. Der Allgemeine Teil des BGB enthält mit §§ 133, 157 nur zwei grundlegende Regelungen zur rechtsgeschäftlichen Auslegung.