Formelle Verfassungsmäßigkeit: Verfahren Flashcards

1
Q

Problem: Ist es möglich, dass die Bundesregierung eine Gesetzesinitiative über die Bundestagsfraktion einbringt, Art. 76 I 1 oder II ?

A

Darin könnte eine Umgehung der Beteiligung des Bundesrates gesehen werden.
Materiell ist es tatsächlich Initiative der Bundesregierung, formal des Bundestages. Es besteht jedoch kein Verbot, dass sich Fraktion Vorlage zu eigen macht.
Mit Gesetzeswortlaut im Einklang; Gesetz sieht diese Möglichkeit gerade vor und hat sie auch gesehen und akzeptiert; außerdem wird Bundesrat zu einem späteren Zeitpunkt noch beteiligt, sodass keine Umgehung in einem gravierenden Sinne vorliegt.

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2
Q

Problem: Ist das Gesetz verfassungswidrig, wenn keine drei Lesungen vorgenommen wurden?

Gleiches Problem, wenn keine Ausschussberatung im Bundesrat stattgefunden hat.

A
  • GG sieht ausdrücklich keine Anzahl an Lesungen vor: kein Verstoß gegen GG
  • lediglich in §§ 78 ff. GOBT sind drei Lesungen vorgesehen : Verstoß +
  • GOBT ist lediglich Binnenrecht, bindet nur Organ Bundestag und hat keine Außenwirkung; führt als solches nicht zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes
  • nur anzunehmen, wenn in kurzem Verfahren ein Verstoß gegen das GG zu sehen ist
  • -> Verstoß gegen Beteiligungsrechte der Abgeordneten aus Art. 20 II, 38 I 2 GG: auf Beratung ? vllt lassen manche die erste Lesung aus, um in zweiter Lesung dabei zu sein : gibt aber kein geschütztes Vertrauen auf zweite Lesung, s. § 80 II GOBT
  • -> daher auch kein schutzwürdiges Vertrauen
  • zudem findet die hauptsächliche Diskussion in den Ausschüssen statt, vor der Abstimmung im Plenum

außerdem lag allgemeine Zustimmung vor, niemand hat gerügt, daher Verzicht auf eigene Rechte, kein Verstoß

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3
Q

Reicht ein Vertreter im Bundesrat zur Stimmabgabe?

A

–> Art. 51 III: einheitliche Stimmabgabe, dh ein Vertreter reicht aus; dieser ist meist der Stimmführer, der alle Stimmen abgeben soll (ist gegenüber der LReg weisungsgebunden)

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4
Q

Wann ist Bundesrat beschlussfähig?

A

§ 28 I GOBR: wenn Mehrheit der Stimmen vertreten ist (das bedeutet nicht: Mehrheit der Bundesländer, Wortlaut!)
–> dh es reicht, wenn ein Vertreter der LReg anwesend ist, um alle Stimmen abzugeben; dann sind Stimmen des Landes anwesend.

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5
Q

Ist Gesetzesentwurf zulässig, der Lücken enthält? (bei Art. 76 I GG prüfen) oder wird dadurch Initiativrecht verschoben?

A

hL: es bedarf einer vollständigen, verständlichen, schriftlichen und ausformulierten, also beschlussreifen Vorlage, weil Bundestag nur Befassungs- und kein Ergänzungsrecht hat –> Faktische Verschreibung des Initiativrechts unzulässig!

aA: Lückenhaftigkeit steht Verfassungskonformität nicht entgegen, jedenfalls unbeachtlicher Verstoß gegen Ordnungsvorschrift, Parlament steht ohnehin im Zentrum des Gesetzgebungsverfahrens und Bundesregierung hat nur dienende Funktion

vermittelnde Ansicht: Vorlage muss grundsätzlichen Inhalt und Reichweite definieren; inhaltliche Konkretisierung durch Bundestag zulässig, nur völlige Neuausrichtung unzulässig

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6
Q

Problem:
Was ist, wenn der Bundespräsident das Gesetz vor Ablauf der drei-Wochen-Frist nach Art. 77 II ausfertigt?
Liegt dann ein “nach den Vorschriften dieses GG zustande gekommenes Gesetz” vor, Art. 78 GG?

A

Wenn Bundesrat jedoch vor Ablauf der drei Wochen verkündet, keinen Einspruch einzulegen, verzichtet er auf das Einberufungsrecht des Vermittlungsausschusses. Mit Verzicht steht das Zustandekommen des Einspruchsgesetzes fest.

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7
Q

Vorgehensweise bei der Prüfung des Gesetzgebungsverfahrens:

A

Am besten gedanklich chronologisch die einzelnen Schritte durchgehen, um keinen Schritt zu übersehen und um kein Problem (gibt auch versteckte) zu übersehen.

Dann immer prüfen, ob ein Verstoß vorliegt; erst im Anschluss prüfen, ob dieser Verstoß auch die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes zur Folge hat.

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8
Q

Ist für die Stellungnahme des Bundesrates nach Art. 76 II 2 die Mehrheit seiner Stimmen notwendig, wie es in § 30 GOBR niedergelegt ist?

A

wegen fehlender Rechtserheblichkeit der Stellungnahme ist nach früherer Praxis, die nun vom BVerfG bestätigt wurde, keine Mehrheit der Stimmen erforderlich (wie bei Anrufung des Vermittlungsausschusses; oder bei Einhegung des Einspruchs oder der Zustimmung).

Daher ist Verstoß gegen § 30 GOBR kein Verstoß gegen die Verfassung.

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9
Q

Liegt ein formeller Verfassungsverstoß vor, wenn dem Bundesrat die Gesetzesinitiative nicht nach Art. 76 II GG zugeleitet wurde? (oder BT und Brat gleichzeitig, wie in Tutfall 1)

A
  • Verstoß +
  • Fehlerfolge?
  • -> Fraglich ist, wie sich dieser Verstoß auf die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes auswirkt. Grundsätzlich liegt ein Verstoß nunmal vor, gibt keine Vorschriften wie in §§ 46 ff. VwVfG, die formelle Verstöße heilen. Wenn unbeachtlich, dann muss diese Durchbrechen begründet werden!

Unter Betonung der dienenden Funktion des Verfahrensrechts könnte Art. 76 II für die Verfassungsmäßigkeit ohne Belang sein, wenn ersichtlich ist, dass Verstoß auf Inhalt des Gesetzes keine Auswirkungen hatte. (uneinheitliche Terminologie: Ordnungsvorschrift; nicht darauf beruhen)

Wortlaut, Systematik (ist nach Abs. 2 immer Brat zuzuleiten, manchmal eiliger, aber trotzdem!) sprechen für Nichtigkeit.

andererseits bindet Stellungnahme des Bundestag nicht; Brat muss keine Stellungnahme abgeben; bei Initiativen aus der Mitte des Bundestages ist Verfahren nicht vorgesehen; Mitwirkung später aber noch durch Vermittlungsausschuss und Einspruch möglich
(AA aber dann wird Recht entwertet und Bundesrat kann sich halt insgesamt weniger dazu äußern!)

–> insgesamt spricht mehr dafür, dass Verstoß nicht schon zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes führt.

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10
Q

Wann ist BT beschlussfähig?

A
  • GG sieht nichts vor
  • GOBT sieht in § 45 vor, dass die Hälfte der Mitglieder da sein muss; Verstoß aber nur beachtlich, wenn es gerügt wird (also oft -)
  • dennoch könnte Verstoß gegen GG vorliegen, wenn gegen Prinzip der repräsentativen Demokratie verstoßen wird: wenn nur wenige Abgeordnete da sind, könnte sich der Wille des Volkes nicht adäquat abbilden.
    Jedoch haben sich in der Realität Mechanismen herausgebildet (Arbeit in Ausschüssen; Pairing; Wille fließt über Fraktionen ein), sodass nicht immer alle Abgeordneten anwesend sein müssen: Praktikabilitätsgründe (soft law).
    Daher spricht eine Vermutung für Beschlussfähigkeit; va wenn allgemeine Zustimmung herrscht und niemand rügt.

In Ausnahmefällen muss aber absolute Beschlussunfähigkeit vorliegen können.

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11
Q

Führt Verletzung von Art. 77 I 2 (unverzüglich Weiterleitung an Bundesrat) zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes?

A
  • Verstoß +
  • Fehlerfolge? nur Verfassungswidrigkeit, wenn keine bloße Ordnungsvorschrift, wenn also für Inhalt des Gesetzes von Bedeutung.

Hier dient Vorschrift aber primär der Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens; dem BRat werden keine Mitwirkungsrechte genommen, hat immer noch drei Wochen ab Eingang des Gesetzesbeschlusses; daher keine Auswirkungen auf Inhalt ersichtlich.

daher bloße Ordnungsvorschrift

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12
Q

Zu Zustimmungsgesetzen :

A
  • Normalfall ist Einspruchsgesetz
  • enumerationsbedürftiger Spezialfall ist das Zustimmungsgesetz
  • Zustimmungsbedürfnis kann sich aus Änderungsgesetz selbst oder aus geändertem Gesetz ergeben
  • Gesetz ist nach hM zustimmungsbedürftig als Gesamtheit, wenn es einzelne zustimmungsbedürftige Regelungsmaterien enthält (Arg: Rechtsklarheit, Rechtssicherheit, Wortlaut Art. 78 GG);
    = BVerfG: gesetzgebungstechnische Einheit

–> möglich ist aber, das Gesetz in zwei Initiativen aufzuspalten, um einmal das Zustimmungserfordernis des Bundesrates zu umgehen; von BVerfG aber nur dann gebilligt, wenn es nicht vollkommen willkürlich in zwei unselbstständige Einheiten getrennt wird.= rechtsmissbräuchlich

  • bei Änderungsgesetz gilt: Es ist zustimmungsbedürftig, wenn es (1) selbst zustimmungsbedürftig ist; (2) konkret zustimmungsbedürftige Regelungen ändert
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13
Q

Uneinheitliche Stimmabgabe im Bundesrat?

so darlegen ! strukturiert und methodisch !!!

A

Sind Stimmen wirksam abgegeben worden und daher gültig?

  • nach Art. 51 III 2 GG können Stimmen nur einheitlich abgegeben werden
  • die uneinheitlich Stimmabgabe könnte noch nicht als Stimmabgabe gewertet werden, sodass Nachfrage möglich ist
  • -> aber auch dann lag ausdrücklicher und nicht zurückgenommener Widerspruch des Stellvertreters vor
  • andererseits könnte die Stimmabgabe nach uneinheitlicher Abgabe bereits abgeschlossen sein; dann wäre es da schon ungültig
  • ist dann vielleicht die Stimme des Ministerpräsidenten ausschlaggebend, wenn uneinheitlich abgegeben wird? Heilung?
  • -> zwar ist Abmachung einer Stimmführerschaft möglich und üblich, auch oft vom Ministerpräsidenten wahrgenommen, jedoch kann Ministerpräsident von seiner Weisungsbefugnis innerhalb der Landesregierung im Bundesrat keinen Gebrauch machen; hat im Außenverhältnis keine Verbindlichkeit, wenn Stimmführerschaft ausgemacht wird = daher keine “Heilung”
  • auch enthält Art. 51 keine Kollisionsregelung und spricht daher eher für Ungültigkeit der Stimmen

DAHER Ungültigkeit der Stimmen

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14
Q

Wie wirken Enthaltungen und ungültige Stimmen im Bundesrat?

A

Wegen des Erfordernisses der Mitgliedermehrheit wirken Enthaltungen und ungültige Stimmen als Nein-Stimmen

(in Abgrenzung zur Abstimmungsmehrheit im BT, wo Enthaltungen halt nicht mitgezählt werden)

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15
Q

Kann die Nichtzustimmung des Bundesrates in einen Einspruch / in Anrufung des Vermittlungsausschusses umgedeutet werden?

A

Dann möglich, wenn der Einspruch als Minus in verweigerter Zustimmung enthalten wäre:

schon deshalb nicht, weil Verfahren von Einspruch und Zustimmung so unterschiedlich sind; Einspruch kann nur eingelegt werden, wenn zuvor Vermittlungsausschuss hinzugezogen wurde

daher ist Einspruch aliud und kein Minus.

_________

  • Zustimmung hat Stellungnahme zum Gesetz zum Inhalt; Anrufung des Vermittlungsausschusses ist die Auslotung eines Kompromisses: wieder aliud
  • dagegen auch Postulat der Formenstrenge im Verfahrensrecht: muss klar hervorgehen, was Bundesrat will (§ 30 GOBR!)

–> daher ist gescheiterte Zustimmung rechtliches nullum und verstößt nicht gegen Art. 78 GG

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16
Q

Wie ist es zu beurteilen, wenn Streit zwischen den Bundesministern besteht, wer Gesetz gegenzeichnet, und dann der Bundeskanzler übernimmt?

A
  • Art. 58 S. 1 GG sieht Alternativität vor: entweder Bundeskanzler oder Bundesminister kann
  • § 29 GOBReg sieht Kumulativität vor, idR sollen Bundesminister zeichnen: hat aber wiederum nur Binnenwirkung und daher kein Verstoß gegen GG
  • Art. 58 S. 1 GG sieht also einfach beide Möglichkeiten vor, dagegen ist es kein Verstoß: BReg soll die politische (materielle) Verantwortung übernehmen, daher ist Gegenzeichnung durch ein Mitglied der BReg notwendig, und das sind BuKa und BMin, Art. 62 GG
  • vielmehr eine Frage des Art. 65 GG: Bundeskanzler für Richtlinien zuständig, für jeweiliges Ressort die Bundesminister; bei Uneinigkeit entscheidet nach Art. 65 S. 3 GG die Bundesregierung, eigentlich aber nicht der Bundeskanzler! er wird aber Streitentscheidungskompetenz haben, S. 3 als reine Notzuständigkeit (s. § 17 GOBReg); es muss nicht BReg, es kann auch BuKa innerhalb seiner Richtlinienkompetenz den Konflikt lösen, daher möglich +
17
Q

Sinn der Gegenzeichnung, Art. 58 GG ?

A
  • Einheitlichkeit der Staatsleitung; Bundespräsident soll nichts Gegensätzliches zur Politik machen
  • daher muss ein Vertreter der Bundesregierung die Amtshandlung politisch/materiell/inhaltlich absegnen
  • zugleich mittelbare Kontrolle des Parlaments, weil Bundesregierung durch Parlament gebildet wird = Wahl des Bundeskanzlers, der dann BReg bildet