John Rawls - Eine Theorie der Gerechtigkeit Flashcards
(29 cards)
Grundidee und Zielsetzung
Entwicklung einer allgemeinen Gerechtigkeitstheorie, die als Basis für eine gerechte Gesellschaftsordnung, Institutionen und staat. Grundsätze dient
Merkmale:
- Liberalismus und Kontraktualismus
- Institutionen, die Kooperationen und konkurrierende Ansprüche regeln
- Prinzipien, die rational zusuimmungsfähig und als fair gelten sollen
Wesentliche Begriffe
Gerechtigkeit als Fairness:
- Der Begriff “fair” steht Zentrum der Theorie
- Gerechtigkeit muss so formuliert sein, dass vernünftige, rationale und moralisch vermögende Personen sie als verbinlich und gerecht anerkennen
Kontraktualismus:
- Gesellschaftliche Grundsätze werden als Ergebnis eines (fiktiven) Vertrags oder einer Übereinkunft verstanden
Der Urzustand - Ausgangssituation:
Definition
Hypothetische Entscheidungssituation, in der Menschen zur Wahl gesell. Grundsätze zusammenkommen
Der Urzustand - Ausgangssituation:
Ziel
- Ausschluss bestehender Vorentscheidungen und pers. Privilegien
- Schaffung einer Ausgangslage, in der faire und unparteiische Prinzipien ausgewählt werden können
Der Urzustand - Ausgangssituation:
Voraussetzung für teilnehmende Personen
- Vernunft und Rationalität (Interesse an Gütern)
- Moralisches Vermögen (Interesse an gerechter Lösung, Anerkennung Wahlergebnis)
- Neidfreiheit
Der Schleier des Nichtwissens - Konzept und Funktion:
Definition
Ein hypothetischer “Schleier”, der bewirkt, dass die Wählenden nichts über ihre konkrete zukünftige Position in der Gesell. wissen
Der Schleier des Nichtwissens - Konzept und Funktion:
Wesentliche Aspekte
Unwissenheit über pers. Merkmale:
- Rolle in der Gesell., Geschlecht, soz. Herkunft, Talente
- Eigene psych. Eigenschaften (risikoavers vs. risikofreudig)
- Pers. ethische Vorstellungen (was gutes Leben ist)
Allgemeines Wissen bleibt erhalten:
- Grundlegende Tatsachen über Wirt., Gesell. und allg. Psych.
Funktion:
- Verhindert, dass Individuen ihre speziellen Vor- oder Nachteile in die Entscheidung einbringen
- Sichert Unparteilichkeit und Fairness bei der Wahl der Grundsätze
Fairness im Wahlverfahren
Grundprinzip:
Gleiche Ausgangslage für alle Wählenden
Folgen des Schleiers:
- Ausschaltung aller zufäligen, unverdienten Eigenschaften
- Theoretisch optimale, rationale Entscheidung, die jedes Subjekt gleich berücksichtigt
(Methodischer Hinweis: Der Urzustand muss “Auf weithin anerkannte Weise” charakterisiert werden können)
Utilitarismus im Naturzustand
Utilitarismus:
Maximierung des Gesamtnutzens, auch auf Kosten einzelner Gruppen
Rawls´ These:
- Niemand würde in einer fairen Entscheidungssituation (unter dem Schleier) ein System wählen, in dem er dauerhaft benachteiligt wird
- Das Nutzenprinzip setzt Altruismus voraus
–> Diese Annahme lehnt Rawls ab
- Aus Gleichheitsüberlegungen wird daher der Utilitarismus nicht akzeptiert
Der Urzustand als Gedankenexperiment:
Funktion
- Dient zur Ableitung von Gerechtigkeitsvorstellungen, die “vernünftig” und rational bewertbar sind
- Die Resultate des Urzustamdes zeigem, welche Grundsätze als gerecht empfunden werden
Der Urzustand als Gedankenexperiment:
Wichtige Voraussetzungen im Urzustand
- Allgemein akzeptierte, möglichst neutrale und triviale Bedingung
- Jeder Mensch Besitz:
- Eine Vorstellung von seinem Wohl
- Gerechtigkeitssinn
- Verständnis von Grundsätzen
- Bereitschaft, nach festgelegten Grundsätzen zu handeln
Begründung durch “gegenseitige Stützung”
Kernpunkt:
Die ausgewählten Grundsätze müssen in einem Überlegungsgleichgewicht stehen.
Wichtig:
- Grundsätze gelten nicht als absolute logische Wahrheiten oder evident, sondern als rational zu rechtfertigende Übereinkünfte
- Abgleich mit bestehenden Gerechtigkeitsvorstellungen spielt zentrale Rolle
Urzustand als technisches Hilfsmittel und Leitidee
Dualität des Urzustandes:
- Einerseits ein methodisches Instrument zur Explikation von “Gerechtigkeit”
- Andererseits eine Leitidee, die z.B. aussagt: Gerecht ist, wer nicht den eigenen Vorteil auf Kosten anderer sucht
Folge:
—> Faire Regeln für die gesell. Zusammenarbeit werden ausgewählt
Überblick über die Grundsätze
Rawls formuliert zwei zentrale Grundsätze, die in einer lexikographischen Reihenfolge stehen:
- Erster Grundsatz:
Gleiche Freiheiten und Rechte - Zweiter Grundsatz:
Differenzprinzip
(nur zugelassen, wenn es den amschlechtesten Gestellten zugutekommt)
Erster Gerechtigkeitsgrundsatz - Freiheit:
Inhalt
- Pol. Freiheiten: Wahlrecht, Möglichkeit Ämter zu bekleiden, Redefreiheit, Versammlungsfreiheit, Gewissens- und Gedankenfreiheit
- Per. Freiheiten: Schutz vor Unterdrückung und Misshandlung, Unverletzlichkeit der Person
- Eigentumsrechte: Recht auf pers. Eigentum
- Gesetzesherrschaft: Schutz vor willkürlicher Verhaftung
Erster Gerechtigkeitsgrundsatz - Freiheit:
Menschenrechtskonzept
Die Freiheiten werden als Teil eines lieberalen Menschenrechtskatalogs verstanden (im Vergleich zu den UN-Katalogen, aber im liberalen nicht marxistischen Sinne)
Zweiter Gerechtigkeitsgrundsatz - Differenzprinzip:
Inhalt
Soz. und wirt. Ungleichheiten (bei Chancen, Einkommen und Vermögen) sind nur dann gerechtfertigt, wenn sie den am schlechtesten Gestellten maximal zugutekommen
Zweiter Gerechtigkeitsgrundsatz - Differenzprinzip:
Maximin-Regel
Definition:
Wähle die Option, deren schlechtestes mögliches Ergebnis im Vergleich zu Alternativen am besten ist
Ziel:
Verbesserung der Situation derjenigen, die in keiner anderen Verteilung besser gestellt wären
Lexikale Vorordnung
Wichtig:
- Der erste Grundsatz hat Vorrang vor dem Differenzprinzip
Also —>
Grundlegende Freiheiten dürfen niemals für die wirt. oder soz. Vorteile geopfert werden
Vom Urzustand zur Verfassung und Rechtsordnung
Schrittweise Aufhebung des Schleiers:
- Zunächst wird er genutzt, um die beiden allgemeinsten Grundsätze zu wählen
- Anschließend wird schrittweise angehoben, um:
1. Eine Verfassung zu erarbeiten (die im Rahmen der Grundsätze variieren kann)
2. Eine konkrete Rechtsordnung zu etablieren (mit feiner differenzierten Regelungen)
3. Eine Verwaltung einzurichten, die die Umsetzung übernimmt
Diskussions- und Kritikpunkte im Urzustand
Fragen zur Zusammensetzung der Wählenden:
- Sollten alle Menschen oder nur bestimmte Gruppen (z.B. vernünftige, moralisch handelnde Personen) wählen?
- Reichen allgemeine Wissensvoraussetzungen aus? (Kritik aus kommunitaristischen Ansätzen)
Rechte im Urzustand:
- Wären andere oder zusätzliche Rechte (z.B: das Recht auf Gesundheitsversorgung) gewählt worden?
- Wie verhält es sich mit verpflichtenden vs. freiwilligen Rechten? (Kritik des Libertarismus)
Diskussion der Maximinregel
Kernfrage:
Würde in der Entscheidungssituation tatsächlich die Maximin-Regel gewählt werden?
Alternativen:
Konzepte wie Grundsicherung, bedingungsloses Grundeinkommen oder eine untere Schwelle als alternative Verteilungsmechanismen
Verteilungsszenarien:
Verteilungen, die nach der Maximinregel gerechnet gewählt würden, scheinen nicht immer als gerechter empfunden zu werden
Rezeption und Einfluss von Rawls´ Theorie
Einflus:
Rawls´ Theorie hat die pol. Phil. und Soz.phil. maßgeblich geprägt
Reaktionen und Gegenentwürfe:
- Andere liberale Konzeptionen
(z.B. Glücksegalitarismus, Ansätze bei Dworkin)
- Capabilities Approach/Befähigungsansatz:
(Sen, Nussbaum)
- Libertaristische Konzeptionen:
(z.B. Nozick)
- Kommunitaristische Ansätze:
(Sandel, Walzer)
- Inegalitarismus/Non-Egalitarismus:
(Frankfurt, Raz) Unterschiedliche Bewertungen von Ungleichheiten
- Kritik von links:
(z.B. Gerald Cohen)
Kritik aus kommunitaristischer Perspektive
Vernachlässigung der Gesell.
- Rawls´ Modell basiert auf Vorstellung einzelner, abstrahierter, rationaler Subjekte
–> Tatsächlicher Einfluss von
Gemeinschaft, Tradition und soz. Iden.
außer Acht gelassen
Unzureichende Berücksichtigung von soz. Bindungen
- Enge Verbindung zw. Ind. und Gesell. wird nicht abgebildet
–> Für Kommunit. gemeinsame Werte und Zugehörigkeitsgefühle zentral