Modelle der Klinischen Psychologie Flashcards
FLB01 - Kapitel 1 + 2 (46 cards)
Somatisch
Kernbegriffe
“soma” = Körper
Definition: Den Körper betreffend; körperlich bedingt oder körperlich verursacht.
Beispiel: Somatische Erkrankungen sind z. B. Krebs, Diabetes, Multiple Sklerose.
Kontext: Die Klinische Psychologie berücksichtigt auch psychische Aspekte somatischer Erkrankungen.
Diagnostik
Kernbegriffe
Definition: Systematische Erfassung und Bewertung psychischer Merkmale und Störungen durch wissenschaftlich fundierte Verfahren.
Methoden: z. B. Interviews, Fragebögen, Tests, Verhaltensbeobachtung.
Ziele: Beschreibung, Klassifikation, Verlaufskontrolle, Therapieplanung.
Epidemiologie
Kernbegriffe
Definition: Wissenschaft von der Häufigkeit, Verteilung und Ursachen psychischer Störungen in der Bevölkerung.
Kennzahlen: Prävalenz, Inzidenz, Komorbidität.
Beispiel: Die 12-Monatsprävalenz für Angststörungen liegt in Deutschland bei ca. 15 %.
Intervention
Kernbegriffe
Definition: Gezielte Maßnahmen zur Behandlung, Linderung oder Prävention psychischer Störungen.
Beispiele: Psychotherapie, Psychoedukation, Beratung, Pharmakotherapie, Selbsthilfe.
Unterscheidung: Primär-, Sekundär-, Tertiärprävention.
Ätiologie
Kernbegriffe
Definition: Lehre von den Ursachen psychischer Störungen (biologisch, psychologisch, sozial).
Beispiel: Depression kann genetische, kognitive und soziale Ursachen haben.
Verwandte Begriffe: Pathogenese (Entstehungsprozess), Ätiopathogenese (beides zusammen).
Klassifikation
Kernbegriffe
Definition: Systematische Einordnung psychischer Störungen in definierte Diagnosesysteme (z. B. ICD-11, DSM-5).
Ziel: Einheitliche Sprache, zuverlässige Diagnosen, Vergleichbarkeit in Forschung & Praxis.
Beispiel: „F32.1“ steht im ICD-11 für eine mittelgradige depressive Episode.
Psychopathologie / Störungslehre
Modelle der klinischen Psychologie
Grundlagenbereich der Klinischen Psychologie, das sich mit der Beschreibung, Erklärung und Systematik psychischer Störungen befasst.
Synonym: engl. Abnormal Psychology
Ziel: Verständnis psychischer Auffälligkeiten, Diagnosestellung, Klassifikation und Theoriebildung.
Anwendungsbereiche der Klinischen Psychologie
- Definition: Die drei zentralen Arbeitsfelder der Klinischen Psychologie in Theorie und Praxis.
- Bestandteile:
-
Diagnostik
→ Systematische Erhebung psychischer Merkmale zur Feststellung, Klassifikation und Therapieplanung. -
Beratung
→ Psychologische Unterstützung bei belastenden Lebenssituationen – auch ohne Diagnose. -
Psychotherapie
→ Wissenschaftlich fundierte Behandlung psychischer Störungen mit psychologischen Mitteln.
-
Diagnostik
- Abgrenzung:
– Diagnostik ist die Basis.
– Beratung ist präventiv/stabilisierend.
– Therapie ist indikationsgebunden und störungsspezifisch. - Beispiel:
Ein:e Psycholog:in führt eine Diagnostik durch, berät bei einem akuten Lebensereignis und leitet bei Bedarf eine Psychotherapie ein.
Klinisch-psychologische Diagnostik
- Definition: Wissenschaftlich fundierte Erhebung psychischer Merkmale, Symptome und Funktionsniveaus.
- Ziel: Klassifikation, Therapieplanung, Verlaufskontrolle, Evaluation.
- Beispiel: Einsatz standardisierter Tests, Interviews, Beobachtungen.
Klinisch-psychologische Beratung
- Definition: Psychologisch fundierte Unterstützung in Krisen oder bei psychischen Belastungen unterhalb der Störungsschwelle.
- Ziel: Hilfe zur Selbsthilfe, Prävention, Stabilisierung.
- Abgrenzung: Keine „Therapie“, da kein Störungsbegriff vorausgesetzt wird.
Klinisch-psychologische Psychotherapie
- Definition: Systematische, wissenschaftlich begründete Behandlung psychischer Störungen mit psychologischen Mitteln.
- Verfahren: Verhaltenstherapie, psychodynamische Verfahren, systemische Therapie etc.
- Ziel: Reduktion von Symptomen, Verbesserung von Lebensqualität, Veränderung dysfunktionaler Muster.
Psychiatrie
- Definition: Medizinisches Fachgebiet zur Diagnose und Behandlung psychischer Störungen – mit besonderem Fokus auf biologische Grundlagen und medikamentöse Therapie.
- Zugang: Psychiater:innen sind approbierte Ärzte mit Facharztausbildung.
Medizinische Psychologie
- Definition: Psychologisches Teilgebiet innerhalb der Medizin – untersucht psychische Aspekte körperlicher Erkrankungen.
- Anwendung: Stressbewältigung bei Krankheit, Arzt-Patient-Kommunikation, Gesundheitsverhalten.
- Zielgruppe: Medizinstudierende; Grundlage für Psychosomatik und Gesundheitsförderung.
Verhaltensmedizin
- Definition: Interdisziplinär psychologisch-medizinisches Forschungs- und Anwendungsfeld, das sich mit der Wechselwirkung zwischen psychischen und körperlichen Prozessen bei Störungen und Erkrankungen beschäftigt
- Herkunft: Entstanden aus der Psychosomatik und Verhaltenstherapie.
- Ziel: Prävention, Diagnostik und Behandlung von Erkrankungen mit biopsychosozialem Hintergrund (z. B. Herz-Kreislauf, Schmerz, Diabetes).
Psychische Störung
- Definition:
Ein psychologisches Konstrukt, das psychische Beeinträchtigungen, abweichendes Verhalten und subjektiven Leidensdruck umfasst – nicht eindeutig festlegbar, sondern abhängig von Normen, Zeitgeist, kulturellem Kontext und Expertenkonsens. - Fachlicher Hinweis:
Psychische Störungen sind keine naturwissenschaftlich objektiv messbaren Entitäten, sondern sozial und klinisch ausgehandelte Konzepte. - Beispiel:
Stimmenhören kann je nach Kultur religiöse Erfahrung oder Schizophrenie bedeuten.
Psychische Störungen sind Konstrukte!
- Definition:
Psychische Störungen sind theoretische Konstrukte, über die sich Gesellschaft und Fachwelt auf Grundlage von Normen, Forschung und klinischer Erfahrung konsensual verständigen. - Konsequenz:
Die Abgrenzung zwischen normal und gestört ist nicht objektiv, sondern verhandelbar und historisch wandelbar (z. B. Homosexualität: früher Störung, heute nicht mehr). - Beispiel:
Politisch Andersdenkende wurden in Diktaturen pathologisiert (z. B. UdSSR: Schizophrenie als Vorwurf).
Abgrenzung zwischen „krank“ und „gesund“ / „gestört“ und „normal“
- Definition:
Die Grenze zwischen psychischer Gesundheit und Störung verläuft nicht scharf, sondern ist kontinuierlich und abhängig von Normbezug, Funktionalität und subjektivem Erleben. - Schwierigkeit:
Es gibt keine absolute Trennlinie, sondern nur Annäherungen über Kriterien und Normen. - Beispiel:
Eine Person mit extremem Gerechtigkeitssinn kann als Aktivist gefeiert oder als Querulant pathologisiert werden – je nach Kontext.
TYPEN VON NORMEN
Subjektive Norm:
Abweichen von der eigenen Befindlichkeit.
Beispiel: „Ich leide unter meiner Angst.“
Statistische Norm:
Abweichung von der Häufigkeitsverteilung.
Beispiel: Sehr hoher oder sehr niedriger IQ.
Ideal- oder Funktionsnorm:
Abweichen von einem idealen psychischen Funktionieren.
Beispiel: Homosexualität wäre nach rein biologischer Fortpflanzungsidee „funktionsgestört“, heute aber als normal anerkannt.
Soziale Norm:
Abweichung von gesellschaftlichen Konventionen oder Regeln.
Beispiel: Stimmenhören = Schizophrenie im Westen, göttliche Botschaft in indigenen Kulturen.
Hinweis: Alle Normen sind relativ, keine ist für sich allein hinreichend.
Wann liegt eine psychische Störung vor?
Eine psychische Störung liegt vor, wenn…
- Psychisches Leid („Leidensdruck“) auf Seiten der Betroffenen besteht.
- Erhebliche psychische Fehlanpassung im Erleben oder Verhalten vorliegt, wobei der Kontakt zur Realität oder Selbstkontrolle über längere Zeit verloren geht.
- Die Veränderung nicht nur eine normale Reaktion auf ein Ereignis ist (z. B. Trauer nach Verlust).
- Ein definiertes Störungskonzept laut ICD/DSM erfüllt ist (zur Missbrauchsprävention).
Merksatz
Eine psychische Störung ist kein eindeutig messbares Ding, sondern ein multikriterielles Urteil mit hoher Verantwortung.
Psychische Gesundheit
Definition:
Zustand des geistigen, seelischen und sozialen Wohlbefindens – nicht nur die Abwesenheit psychischer Störungen.
WHO-Definition (1948):
„Ein Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit oder Gebrechen.“
WHO-Erweiterung (1986):
„Gesundheit ist eine Ressource für das tägliche Leben, nicht das Ziel des Lebens. Sie betont soziale und persönliche Ressourcen sowie körperliche Fähigkeiten.“
Psychologische Ergänzung:
Psychische Gesundheit umfasst z. B. Selbstachtung, Liebesfähigkeit, Freiheit, Resilienz, Verbundenheit (Seligman, 2002).
Ressourcen
- Definition:
Potenziale, Fähigkeiten und äußere Bedingungen, die das psychische Wohlbefinden fördern – unabhängig davon, ob eine Störung vorliegt. - Arten von Ressourcen:
Innere Ressourcen: Fähigkeiten, Erfahrungen, Talente, Neigungen, Stärken
Äußere Ressourcen: Freunde, Familie, Finanzen, Wohnraum, kulturelles Kapital - Besonderheit:
Ressourcen sind oft latent vorhanden, aber nicht immer bewusst zugänglich. - Funktion:
Ressourcen erklären, warum Menschen trotz Störung leistungsfähig sein oder Lebensfreude empfinden können – z. B. Künstler mit Depression (van Gogh, Monroe, Clapton).
Psychische Stärken (Peterson & Seligman, 2004)
- Definition:
Psychische Stärken (Ressourcen), die das psychische Wohlbefinden fördern – empirisch erforscht und systematisiert im Rahmen der Positiven Psychologie. - Ziel:
Ergänzung der defizitorientierten Perspektive durch förderliche psychische Qualitäten, die als individuelle Schutzfaktoren wirken können. - Die 6 Stärkengruppen: 3MGTW
- Mut: Zivilcourage, Beharrlichkeit, Vitalität
- Menschlichkeit: Liebe, Freundlichkeit, soziale Intelligenz
- Mäßigung: Ausgeglichenheit, Bescheidenheit, Vergebung, Selbstkontrolle
- Gerechtigkeit: Fairness, Autorität, Solidarität
- Transzendenz: Schönheitssinn, Bewunderungsfähigkeit, Dankbarkeit, Hoffnung, Humor, Spiritualität
- Weisheit und Wissen: Kreativität, Neugier, Offenheit, Freude am Lernen
- Anwendung:
In der Therapie zur Stärkensensibilisierung, Resilienzförderung und zur präventiven Arbeit mit Klienten.
Endokrinologisch
- Definition:
Das Hormonsystem betreffend – Teil des biologischen Erklärungsmodells - Relevante Hormone: Cortisol, Adrenalin, Östrogen, Testosteron, Insulin etc.
- Bezug zur Psychologie:
Stressreaktionen (Cortisol), Depression (z. B. nach Geburt durch Östrogenabfall), Verhaltenssteuerung (z. B. Testosteron, Oxytocin)
Hirnpathologisches Modell
- Definition:
Psychische Störungen sind Folge von organischer Hirnschädigungen (z. B. Läsionen, Degeneration, strukturelle Veränderungen) “Geisteskrankheiten sind Hirnkrankheiten” - Vertreter: Griesinger („Geisteskrankheiten sind Gehirnkrankheiten“), Kraepelin (Begründer der nosologischen Psychiatrie)
- Beispiel: Korsakow-Syndrom: Gedächtnisdefizite, Retro-/Anterograde Amnesie durch Vitamin-B1-Mangel (meist alkoholbedingt)
- Relevanz: Grundlage der heutigen neurobiologischen Psychiatrie