Rettungsablauf am Unfallort Flashcards
(29 cards)
Vorgehen am Unfallort - Wacher Patient
Treat first what kills first! Hierbei hat sich ein Vorgehen nach dem ABCDE-Schema etabliert.
Trauma-Check bei wachem Patient!
Orientierende Untersuchung, insb. bei wachen Patienten.
Kurze Anamnese.
Kopf: Untersuchung des Kopfes (z.B. Pupillenreaktion, offensichtliche Verletzungen, Monokel- oder Brillenhämatom, Blutung aus Ohren, Nase oder Mund).
Hals: Schmerzen? (Trauma der Halswirbelsäule).
Thorax: Palpation, Auskultation und Perkussion (z.B. zum Ausschluss eines Pneumothorax oder von Frakturen).
Abdomen: Inspektion und Palpation (z.B. zum Ausschluss penetrierender, stumpfer oder innerer Verletzungen)
Becken: Prüfung der Beckenstabilität.
Wirbelsäule: Schmerzen der Wirbelsäule, neurologische Ausfälle.
Extremitäten: Fehlstellungen, Verletzungen, Durchblutung, Motorik, Sensibilität (kurz „DMS“).
Kreislaufmonitoring: Blutdruckmessung, Herzfrequenz und -rhythmus, Kontrolle der Atmung, Pulsoxymetrie, EKG-Ableitung, Blutzuckerbestimmung.
Vorgehen am Unfallort - Polytrauma
ABCDE-Schema: Polytrauma
Bei polytraumatisierten Patienten Vorgehen nach dem ABCDE-Schema :
A (“Airways”): Sicherung der Atemwege und Stabilisierung der Halswirbelsäule.
B (“Breathing”): Untersuchung und Aufrechterhaltung der Atmung/Belüftung, sofern nötig: Beatmung.
C (“Circulation”): Untersuchung und Aufrechterhaltung des Kreislaufs (Blutungskontrolle und Flüssigkeitszufuhr).
D (“Disability”): Erhebung des neurologischen Zustandes.
E (“Exposure”/”Environmental control”): Entkleiden zur Untersuchung, Vermeidung einer Unterkühlung (Durchführung i.d.R. nicht am Unfallort, sondern erst in der klinischen Versorgung).
Polytrauma - Therapie am Unfallort
Sicherung der Atmung:
Sauerstoffgabe per Nasensonde,
Intubation, wenn notwendig.
Koniotomie: Ultima Ratio bei abfallender Sättigung oder frustranen Intubationsversuchen!
Definition: Durchtrennung des Lig. conicum (= Lig. cricothyroideum medianum) zwischen Cartilago thyroidea und Cartilago cricoidea, ggf. Thoraxdrainage.
Sicherer Gefäßzugang: Legen von ein bis zwei großlumigen venösen Zugängen (z.B. am Handrücken) zur raschen Medikamentenapplikation und ggf. Volumensubstitution.
Medikamente:
Analgesie: Bspw. i.v. Fentanyl-Gabe bei starken Schmerzen,
weitere Medikation (z.B. Volumensubstitution).
Wundversorgung: Blutstillung (z.B. Druckverband), sterile Abdeckung von Wunden, initiale Frakturversorgung: Reposition (insb. bei starker Dislokation bzw. Luxation) und Retention in Schiene o.ä. Lagerung.
Stabile Lagerung (Vakuummatratze),
Immobilisierung (Extremitäten, Wirbelsäule, bei V.a. ein HWS-Trauma Anlage eines Immobilisationskragens bspw. Stifneck®),
Schutz vor Auskühlung.
Transport: Nach Möglichkeit Transport des Patienten in ein Krankenhaus mit den benötigten Fachdisziplinen und Kompetenzen.
Polytrauma
Definition Polytrauma:
Gleichzeitig entstandene Verletzungen mehrerer Körperregionen, bei denen mindestens eine oder die Kombination mehrerer Verletzungen lebensbedrohlich ist.
Diagnostik:
Entkleiden,
Bodycheck (inkl. Drehen zur Betrachtung der Körperrückseite)!
Bildgebung:
Sonographie (FAST),
Polytrauma-CT („Traumaspirale“, Ganzkörper-CT).
Sollte auch bei unauffälligem Ergebnis der FAST-Untersuchung durchgeführt werden).
Konventionelles Röntgen.
Labor:
Blutbild, Blutgasanalyse, Gerinnungsstatus, Blutgruppe, Elektrolyte, Harnstoff, Kreatinin, Blutzucker, LDH, CK, γGT, GOT, GPT.
Therapie:
Schockraumphase:
Vermeiden einer Trauma-induzierten Koagulopathie: Rahmenbedingungen der Gerinnung aufrechterhalten.
Normothermie: Einsatz von erwärmten Infusionslösungen, Wärmematten und Heißluftgebläse mit dem Ziel der Normothermie.
Normalisierung des pH-Wertes: Ggf. Azidoseausgleich.
Normokalzämie: Calciumsubstitution bei Hypokalzämie.
Gerinnung aufrechterhalten: Substitution gerinnungsaktiver Präparate, ggf. Transfusion von Thrombozyten, Erythrozyten und/oder Plasma.
Permissive Hypotension: Bei Patienten mit unkontrollierbaren Blutungen können niedrige systolische Blutdruckwerte bis 90 mmHg akzeptiert werden.
Operative Phase I:
(Temporäre) Versorgung der akut lebensbedrohlichen Verletzungen, ggf. simultan (z.B. Notfalllaparotomie, Notfallthorakotomie, Notfallkraniotomie, Beckenzwinge),
ggf. noch im Schockraum.
Stabilisierungsphase: Stabilisierung der Vitalfunktionen auf Intensivstation, vor definitiver operativer Versorgung.
Operative Phase II:
Operationen weiterführender Verletzungen wie offene Frakturen, Kompartmentsyndrom, Rückenmarkskompression, Verletzungen des Urogenitaltraktes etc.
Weitere operative Phasen: Nach fortlaufender Stabilisierung können weitere chirurgische Eingriffe vorgenommen werden.
Basismaßnahmen/Basic-Life-Support (BLS)
Ansprache, Testen der Reaktion,
Prüfen der Atmung,
Notruf absetzen (lassen): 112 und AED holen lassen,
Herzdruckmassage und Beatmung (30:2),
sofern AED verfügbar: Alle 2min Rhythmuskontrolle, ggf. Defibrillation,
Fortführen der kardiopulmonalen Reanimation bis professionelle Hilfe eintrifft, der Patient reagiert oder der Ersthelfer erschöpft ist.
Erweiterte Maßnahmen/Advanced-Life-Support (ALS)
Beginn der Reanimation wie bei BLS, währenddessen zusätzlich:
Erfahrene Mitarbeiter dürfen für max. zehn Sekunden lang versuchen, den Karotispuls zu tasten, während zeitgleich auf Lebenszeichen geachtet wird.
Adäquate Sauerstoffversorgung gewährleisten, Kapnographie und Sicherung der Atemwege (Beatmung mit 100%igem Sauerstoff, ggf. mittels Beatmungsbeutel, Guedeltubus, endotrachealer Intubation).
Gefäßzugänge (venös oder intraossär).
Medikamente:
Defibrillierbarer Rhythmus:
Adrenalin (1 mg) nach der 3. erfolglosen Defibrillation, danach alle 3–5 Minuten (ERC-Leitlinie, 2015),
Amiodaron (300 mg) ebenfalls nach der 3. erfolglosen Defibrillation (danach evtl. nochmals 150 mg).
Nicht-defibrillierbarer Rhythmus:
Adrenalin (1 mg) sobald Gefäßzugang vorhanden ist, anschließend alle 3–5 Minuten.
Natriumbikarbonat nur bei Hyperkaliämie oder Überdosierung von trizyklischen Antidepressiva.
Patienten, die nach einem Herzstillstand infolge Kammerflimmern erfolgreich reanimiert wurden, sollen nach aktueller Studienlage eine milde Hypothermiebehandlung für 12–24 Stunden erhalten (32–34 °C Körperkerntemperatur)!
Reanimation - reversible Ursachen
Reversible Ursachen ausfindig machen und behandeln:
4 „H’s“: Hypoxie, Hypovolämie, Hypo-/Hyperkaliämie, Hypothermie.
4 „T’s“: Tamponade, Toxine, Thrombose (der Lungenarterien oder Herzkranzgefäße), Tension (=(Spannungs‑)Pneumothorax).
Bei hochgradigem Verdacht auf Lungenembolie kann eine Lysetherapie erwogen werden!
Defibrillation - Ablauf
Technik der Defibrillation:
Voraussetzung zur Defibrillation: Defibrillierbarer Rhythmus
Ablauf (Kammerflimmern, pulslose ventrikuläre Tachykardie).
Herzdruckmassage → Klebeelektroden aufbringen → „Hands-Off“ zur Notfall-EKG-Diagnostik → Herzdruckmassage wieder aufnehmen → Aufladen → „Hands-Off“ → 1× Schockabgabe → sofortige Fortsetzung der Herzdruckmassage.
Bei beobachtetem Auftreten von Kammerflimmern: Präkordialer Faustschlag und ggf. sofortige Defibrillation ohne vorangehende Herzdruckmassage bis zu 3× (3er-Salve).
Position der Elektroden:
Sternal-apikal oder anterior-posterior:
Eine Elektrode rechts parasternal unterhalb der Clavicula und eine links lateral der Herzspitze bzw. eine Elektrode zental auf dem Sternum und eine Elektrode auf gleicher Höhe paravertebral am Rücken.
Bei Patienten mit Herzschrittmacher: Mindestens 8 cm Abstand zum Aggregat einhalten!
Energiemenge:
Monophasisch: 360 Joule bei allen Schockabgaben.
Biphasisch: 150–200 Joule bei der ersten Schockabgabe, 150–360 bei allen weiteren Schockabgaben.
Bei Kindern: Mono- und biphasisch: 4 Joule/kgKG.
Reanimation bei Kindern
Bei Kindern und Neugeborenen steht die Beatmung stärker im Vordergrund als bei Erwachsenen!
Neugeborene:
Initial fünf Beatmungen, erneute Überprüfung der Atmung, ggf. erneut fünf Beatmungen, erst anschließend Thoraxkompressionen (Kompressionsfrequenz 100–120/min).
Verhältnis Thoraxkompressionen zu Beatmung → 3:1.
Technik der Herzdruckmassage: Zweifingertechnik (Einzelhelfer) oder thoraxumschließende Zweidaumentechnik (≥ zwei Helfer).
Kinder ab dem 1. Lebensjahr:
Initial fünf Beatmungen, erst anschließend Thoraxkompressionen (Kompressionsfrequenz 100–120/min).
Verhältnis Thoraxkompressionen zu Beatmung
Laienhelfer → 30:2.
Professionelle Helfer → 15:2.
Das weitere Vorgehen ist ähnlich dem bei Erwachsenen.
Schock
Der Begriff „Schock“ bezeichnet – unabhängig von der Ursache – ein Missverhältnis zwischen Herzminutenvolumen und erforderlicher Gewebedurchblutung mit daraus folgender unzureichender Sauerstoffversorgung. Es kommt zu einer verminderten Kapillardurchblutung und einer Gewebehypoxie mit lebensbedrohlicher Störung des Stoffwechsels und der Zellfunktion.
Arten des Schocks:
Hypovolämischer Schock (Volumenmangel-Schock): Hypovolämischer Schock und hämorrhagischer Schock.
Stadium I: Blässe, Kaltschweißigkeit.
Stadium II: Hypotonie (RR systolisch <100 mmHg), Tachykardie (>100/min), Oligurie, kollabierte Halsvenen im Liegen, ZVD↓.
Stadium III: Hypotonie (RR systolisch <60 mmHg), Puls kaum palpabel, schnelle und flache Atmung, Anurie, Eintrübung.
Kardiogener Schock:
Ausgehend vom Herzen oder gestörte extrakardiale Blutzirkulation: Lungenembolie, Spannungspneumothorax, Vena-cava-Kompressionssyndrom, kompressives Mediastinalemphysem.
Schock durch Verteilungsstörung (distributiver Schock): Anaphylaktischer Schock: Allergische Erkrankungen: Larynxödem, Bronchospasmus mit bedrohlicher Dyspnoe, Bewusstseinstrübung, kardiopulmonales Versagen.
Septischer Schock: SIRS/Sepsis:
Insb. in der Frühphase:
Haut warm, rosig und trocken, RR und ZVD normal bis leicht verringert.
In der Spätphase:
Ähnlich dem Volumenmangelschock mit Kaltschweißigkeit, Blässe, Hypotonie, ZVD↓, Oligurie, Tachykardie.
Neurogener Schock:
Schädel-Hirn-Trauma, Trauma von Hirnstamm oder Rückenmark, Blutung, Intoxikation, Schmerz.
Allgemeine Pathophysiologie des Schocks
Sympathikusaktivierung: Tachykardie, Vasokonstriktion, Tachypnoe.
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Zentralisation (Makrozirkulationsstörung): Anaerober Stoffwechsel -> Laktat und andere Stoffwechselprodukte, Gluconeogenese und Glykogenolyse -> Azidose.
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Mikrozirkulationsstörungen: Präkapilläre Dilatation und postkapilläre Konstriktion der Blutgefäße → Ansammeln des Blutes im Kapillarbett → verstärkte Hypovolämie.
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Endothelstörungen und Glykokalyxstörungen: Erhöhte Permeabilität der Gefäße, Gerinnungsstörung („endogene Heparinisierung“), Inflammation.
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Gerinnungsstörung: Bildung von Mikrothromben in den Kapillaren (bis zur Verbrauchskoagulopathie), Fibrinolyse, Thrombozytendysfunktion (u.a. durch Hypothermie und Azidose).
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„Schockspirale“ (Circulus vitiosus des Schocks):
Hypovolämie → Herzzeitvolumen↓ → Hypoxie mit resultierender Gewebsazidose → Erhöhung der Kapillarpermeabilität mit resultierender Zunahme der Hypovolämie.
Besonderheit: Neurogener Schock:
Traumatische oder pharmakologische Blockade des sympathischen Nervensystems → Ausfall der zentralen Kreislaufregulation → Regulationsstörung der peripheren Vasomotion → generalisierte, ausgedehnte Vasodilatation (relative Hypovolämie) → plötzlich einsetzende Hypotonie → Schockspirale.
Das gleichzeitige Vorliegen von Koagulopathie, Azidose und Hypothermie wird sogar als „Lethal Triad“ (tödliche Triade) bezeichnet!
Schock - Diagnostik
Klinische Untersuchung:
Ansprechbarkeit prüfen,
Atemfrequenz und Pulsoxymetrie,
Herzfrequenz- und Blutdruckmessung,
Schockindex (nach Allgöwer) = Puls/systolischer RR:
Ist dieser Quotient > 1, ist der Schockindex positiv und deutet auf einen Schock hin.
Beurteilung der Pupillenreaktion,
Hautkolorit: Blässe, ggf. gräuliche Blässe, ggf. marmorierte Haut, Rekapillarisationszeit, Temperaturmessung.
Labordiagnostik bei Schock:
Blutbild: Hämoglobin, Hämatokrit.
Bei V.a. Blutverlust: Abnahme von Kreuzblut (mit Anforderung von Erythrozytenkonzentraten),
Gerinnungsparameter: Thrombozytenzahl, aPTT, Prothrombinzeit, Fibrinogen.
Infektparameter (CRP, PCT).
Elektrolyte (Natrium, Kalium, Calcium, Phosphat, Albumin),
Transaminasen und Cholestase-Parameter,
Bilirubin, Blutzucker, Harnstoff und Serumkreatinin.
Arterielle Blutgasanalyse (Laktat),
Blutkulturen (bei V.a. septischen Schock).
Bei V.a. Myokardinfarkt: Troponin und CK-MB, EKG bei Myokardinfarkt.
Basismonitoring:
EKG-Monitoring zusätzlich initiales 12-Kanal-EKG, bei Myokardinfarkt auch wiederholt im Verlauf.
Monitoring der Herz- und Atemfrequenz, Pulsoxymetrie.
Invasive Blutdruckmessung,
Blasenverweilkatheter (Monitoring Ein- und Ausfuhr).
Weitere: ZVD-Messung, Röntgen-Thorax, Sonografie, Echokardiografie, Rechtsherzuntersuchung.
Schock - Allgemeine Therapie
Lagerung:
Insb. bei hypovolämischem Schock: Schocklagerung mit angehobenen Beinen um etwa 15°.
Ausnahme: Bei kardiogenem Schock wird die Oberkörperhochlagerung empfohlen!
Oxygenierung: Je nach Schweregrad über Nasensonde oder Maske, ggf. Intubation.
Normothermie: Schutz vor Auskühlung.
Überwachung: Vitalparameter, EKG, Diurese, Pulsoxymetrie, BGA.
Legen mehrerer großlumiger venöser Zugänge: Volumen- und ggf. Blutsubstitution (außer beim kardiogenen Schock).
Faustregel: Bei drei vergeblichen Versuchen einen peripheren venösen Zugang zu legen → Anlage eines intraossären Zugangs am Tibiakopf (meistens beim Kind, seltener beim Erwachsenen)!
Der Ersatz von Blutvolumen soll als balancierte Transfusion mit einer Kombination aus Erythrozytenkonzentrat (EK) + Fresh Frozen Plasma (FFP) + Thrombozytenkonzentrat erfolgen (sog. „Haemostatic Resuscitation Bundles“)!
Schock - Spezielle Therapie
Volumenmangel-Schock (hämorrhagischer Schock):
Akute Blutstillung: Präklinisch z.B. Verband, Tourniquet, in der Klinik bspw. Notfalloperation bzw. Notfallendoskopie +
Volumensubstitution: Kristalloide Lösungen, z.B. Ringerlösung.
Blutprodukte: Transfusion von Erythrozytenkonzentraten, ggf. zusätzlich Fresh Frozen Plasma (FFP) und Thrombozytenkonzentrate.
Rahmenbedingungen der Gerinnung aufrecht erhalten: Normothermie, Normokalzämie, normaler pH, ggf. Ersatz von Gerinnungsfaktoren.
Definitive Versorgung: OP, Endoskopie.
Kardiogener Schock:
Je nach Ursache spezifische Therapie, z.B.
Myokardinfarkt: Reperfusion anstreben (PTCA, Lyse) etc.
Lagerung: Hochlagerung des Oberkörpers + Sauerstoffgabe.
Medikamentöse Therapie: Dobutamin-Perfusor, bei unzureichendem Effekt Noradrenalin-Perfusor, vorsichtige Volumengabe möglich.
Anaphylaxie-Notfalltherapie:
Kreislaufstabilisierung: Adrenalin i.m., immer flankiert durch Volumengabe (Vollelektrolytlösung).
Durchbrechung der allergischen Reaktion: Glucocorticoid hochdosiert, z.B. Methylprednisolon.
Alternativ: H1-Antihistaminikum z.B. Dimetinden, H2-Antihistaminikum z.B. Ranitidin.
Neurogener Schock: Schmerztherapie, Tonisierung der Gefäße mittels vasopressiver Substanzen wie Noradrenalin, Adrenalin, Dobutamin und Dopamin i.v., Volumensubstitution, Atemwegssicherung, Maßnahmen zur Hirndrucksenkung.
Komplikation: Disseminierte intravasale Gerinnung
Pathophysiologie:
Intravasale Aktivierung des Gerinnungssystems → Mikrothromben → Durchblutungsstörungen und Nekrosen.
Gleichzeitig kommt es durch den Verbrauch von Gerinnungsfaktoren zu Blutungen.
Gründe der Hyperkoagulabilität:
Mikrozirkulationsstörungen: Bspw. im Rahmen eines Schockgeschehens,
Bakterientoxine: Bspw. im Rahmen einer Sepsis (v.a. bei gramnegativen Erregern),
Freisetzung von Prothrombinaktivatoren: Prostata, Plazenta, Pulmo, Pankreas, aber auch Hämolyse und Tumorzerfall.
Blutkontakt zu körperfremden Oberflächen: Extrakorporale Verfahren.
Labor:
Blutbild: Thrombozyten↓, früher sensitiver Parameter!
Gerinnungsparameter:
Fibrinogen↓, AT-III↓,
D-Dimere: Zunächst negativ, im Verlauf durch die reaktive Hyperfibrinolyse positiv!
Fibrinmonomere↑,
aPTT verlängert, INR erhöht.
Therapie:
Frühphase und nach DIC: Heparingabe, bei manifester DIC jedoch keine Heparingabe!
Manifeste DIC: Gabe von Frischplasma (FFP), AT-III-Substitution,
ggf. Gabe von Thrombozytenkonzentraten,
ggf. Substitution von Fibrinogen.
Allergische Erkrankungen - Typ 1
Typ I: IgE-vermittelte Reaktion:
Sensibilisierung (nach Erstkontakt):
Mechanismus: Bindung eines Allergens im Gewebe an B-Zell-Rezeptor → Aufnahme des Allergens in die B-Zelle → Übertragung von Allergenteilen (Antigen) auf MHC-Moleküle → Präsentation an der B-Zell-Oberfläche → Bindung einer T-Helferzelle an diesen Komplex → Aktivierung der T-Helferzelle (TH2-Zellen) → Ausschüttung von Zytokinen → Aktivierung von B-Zellen → Reifung zu B-Gedächtniszellen oder Plasmazellen → Bildung und Freisetzung von spezifischen IgE-Antikörpern → Bindung an Oberflächenrezeptoren von Mastzellen → bei erneutem Allergenkontakt: Sofortreaktion.
Soforttyp-Reaktion (bei erneuter Allergenexposition)!
Beginn: Sekunden bis Minuten nach Exposition!
Obligate Reaktion: IgE-vermittelte Reaktion.
Mechanismus: Bindung des Allergens an spezifische IgE-Antikörper auf einer Mastzelle oder einem eosinophilen Granulozyten → Quervernetzung benachbarter IgE-Antikörper (cross-linking) → Aktivierung der Mastzelle bzw. des eosinophilen Granulozyten → Degranulation → Freisetzung von Entzündungsmediatoren aus Vesikeln der Zelle (insb. Histamin, Prostaglandin D2 und Heparin) → Allergische/anaphylaktische Reaktion.
Spätphase:
Beginn: 6–24 h nach Exposition.
Fakultative Reaktion (bei biphasischem Verlauf): Zytokinvermittelte zelluläre Reaktion.
Therapie: Nasale Antihistaminika und Steroide bei Rhinokonjunktivitis. Antiallergische Augentropfen. Systemische Antihistaminika. Glucocorticoide bei Anaphylaxie. Adrenalin-Autoinjektor bei Anaphylaxie. Salbutamol-Spray bei Atemnot.
Spezifische Immuntherapie (SIT):
Prinzip: Applikation des spezifischen Antigens in subklinischer Dosierung, langsame Dosissteigerung im Verlauf.
Ziel: Wechsel von Immunglobulinklasse IgE zu IgG.
Applikationsformen: Subkutane Immuntherapie (SCIT) oder sublinguale Immuntherapie (SLIT).
Behandlungsdauer: Mind. 3 Jahre.
Allergische Erkrankungen - Typ 2
Typ II: Zytotoxische Reaktion:
Schnelle Reaktion: Minuten nach Exposition.
Mechanismus:
Bildung von Antikörpern (insb. IgG oder IgM) gegen Antigene auf Zelloberflächen oder Teilen des Bindegewebes → Auslösen einer Reaktionskaskade → Aktivierung von komplementvermittelten und komplementunabhängigen Mechanismen durch Bindung von Antikörpern → Zelllyse, Phagozytose oder Apoptose.
Klinik mit akuter Trias bei Agranulozytose (<500/µl):
Stomatitis aphthosa,
Halsschmerzen (Angina agranulocytotica),
Hohes Fieber.
Therapie:
Bei medikamenteninduzierter Agranulozytose
Absetzen des Medikaments:
Immunoglobuline hochdosiert i.v.,
Antibiotikatherapie entsprechend der opportunistischen Infektion,
ggf. systemische Glucocorticosteroide,
ggf. G-CSF i.v.
Allergische Erkrankungen - Typ 3
Typ III: Immunkomplex-Reaktion:
Spätreaktion: Ca. 3–8 h nach Exposition.
Mechanismus: Immunkomplexbildung zwischen zirkulierenden Antigenen und spezifischen Antikörpern (insb. IgG) → Aktivierung der Komplementkaskade → lokale Infiltration mit neutrophilen Granulozyten → Freisetzung lysosomaler Enzyme → insb. perivaskuläre Gewebsschädigung und Entzündung.
Bsp: Immunkomplex-Vaskulitis, Exogen-allergische Alveolitis.
Therapie:
Sofortige Expositionskarenz,
symptomatische Therapie,
in schweren Fällen systemische Glucocorticoide,
Antihistaminika, bspw. Dimetinden oder Ranitidin.
Ggf. Immunsuppressiva, bspw. Cyclophosphamid
Plasmapherese: Ggf. bei Serumkrankheit.
Allergische Erkrankungen - Typ 4
Typ IV: Zelluläre Immunreaktion:
Die Typ-IV-Reaktion ist als einzige antikörperunabhängig und führt zu einer verzögerten Entzündungsreaktion.
Sensibilisierung (nach Erstkontakt).
Mechanismus: Antigenexposition → Aufnahme durch Langerhanszelle → Migration in Lymphknoten → Bildung von allergenspezifischen T-Lymphozyten → Persistenz als T-Gedächtniszellen in Milz und Lymphknoten.
Verzögerte Reaktion (bei erneuter Allergenexposition): Ca. 24–48(–72) h nach Exposition.
Mechanismus: Antigenexposition → rasche Aktivierung und Vermehrung der spezifischen Lymphozyten → Immunreaktion durch T-Helferzellen → Freisetzung proinflammatorischer Zytokine → Interaktion mit zytotoxischen T-Zellen → Lyse der Zielzellen → Entzündungsreaktion im Gewebe.
Bsp: Allergisches Kontaktekzem, makulopapulöses Arzneimittelexanthem.
Diagnostik bei Hautmanifestationen
Epikutantest:
Durchführung: Aufbringen von in Vaseline eingearbeiteten Testsubstanzen, Überkleben mit Pflaster.
Auswertung: Nach 48 h und 72 h.
Positiver Befund: Eindeutige Ekzemreaktionen mit Papelbildung.
Therapie
Sofortige Expositionskarenz.
Symptomatische Therapie bei Hautmanifestationen:
Topische Glucocorticoide,
bei akuten, nässenden Kontaktekzemen: Fett-feuchte Verbände.
Ggf. beruhigende und juckreizhemmende Umschläge und Sitzbäder (bspw. mit synthetischen Gerbstoffen.
In schweren Fällen systemische Glucocorticoide.
Anaphylaxie - anaphylaktischer Schock
Anaphylaxie: Akute systemische Reaktion vom Soforttyp, die potentiell lebensbedrohlich sein kann.
Anaphylaktischer Schock:
Maximalvariante einer anaphylaktischen Reaktion mit Schocksymptomatik bis zum Kreislaufstillstand.
Pathophysiologie:
Akute Degranulation von Mastzellen und basophilen Granulozyten → Freisetzung verschiedener Botenstoffe (Bspw. Histamin, Leukotriene, Prostaglandine, Tryptase, plättchenaktivierender Faktor, Zytokine und Chemokine).
Meist: IgE-abhängige anaphylaktische Reaktion.
Selten: IgE-unabhängige anaphylaktische Reaktion: IgG-vermittelte Immunkomplex-Anaphylaxie → Bildung zirkulierender Immunkomplexe (bspw. auf Dextran) → Komplementaktivierung.
Prodromalsymptome:
Juckreiz bzw. Brennen palmar, plantar und/oder genital,
Angstgefühl, Desorientierung.
Metallischer Geschmack im Mund, Kopfschmerzen.
Charakteristische Symptome:
Haut und Schleimhaut:
Symptome mit systemischer Ausbreitung: Juckreiz, Erythem („Flush“), Urtikaria, (Angio‑)Ödeme.
Gastrointestinaltrakt:
Krampfartige Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Meteorismus.
Obere Atemwege:
Kribbeln, Brennen und/oder Juckreiz von Zunge oder Gaumen. Schwellung von Uvula oder Zunge, kloßige Sprache, Schluckbeschwerden, Speicheln, inspiratorischer Stridor, Larynxödem bis zum Erstickungstod.
Untere Atemwege:
Bronchiale Obstruktion mit Giemen, verlängertem Exspirium und Tachydyspnoe. Permeabilitätsstörung → Lungenödem. Vasokonstriktion mit starker Erhöhung des pulmonalen vaskulären Widerstandes bis Rechtsherzbelastung.
Herz-Kreislauf-System:
Vasodilatation und Permeabilitätsstörung → Flüssigkeitsverlust ins Gewebe → Hämokonzentration und Hypovolämie → arterielle Hypotonie und Tachykardie.
Arrhythmie und/oder Bradykardie, Schock, kardiovaskuläres Versagen.
Zentrales Nervensystem:
Verhaltensänderung: Unruhe oder Rückzugsverhalten.
Bei Erwachsenen: „Gefühl drohenden Unheils“.
Bei Kindern: Häufig Ängstlichkeit, ggf. aggressives Verhalten.
Kopfschmerzen, Bewusstseinsstörung bis zur Bewusstlosigkeit, Krampfanfall.
Letaler Verlauf möglich:
Meist durch Atemwegsobstruktion und/oder kardiovaskuläres Versagen.
Selten durch DIC oder Adrenalinüberdosierung.
Anaphylaxie - Diagnosekriterien und Notfalltherapie
Diagnosekriterien: Mind. ein Kriterium muss erfüllt sein:
- Plötzlich auftretende Symptome an ≥2 Organsystemen nach Exposition mit wahrscheinlichem Allergen.
- Plötzlich auftretende Hautsymptome nach Exposition mit wahrscheinlichem Allergen PLUS
Respiratorische Symptome ODER
Hypotonie bzw. deren Folgesymptome. - Hypotonie nach Exposition mit bekanntem Allergen.
Anaphylaxie-Notfallset (Adrenalin-Autoinjektor, Antihistaminikum und Glucocorticoid, ggf. Bronchodilatator-Dosieraerosol).
Ketoazidotisches Koma
Pathophysiologie:
Insulinmangel führt zu einer Hyperglykämie sowie einer gesteigerten Lipolyse. Beide Mechanismen gehen mit einem progressiven Volumenverlust einher. Die Lipolyse mit Bildung von Ketonkörpern aus den freigesetzten Fettsäuren führt außerdem zur Ausbildung einer metabolischen Azidose.
Insulinmangel → Hyperglykämie → Hyperosmolarität → osmotische Diurese und Elektrolytverlust → Hypovolämie.
Insulinmangel → Lipolyse↑ → hepatische Ketonkörperbildung → Ketose → metabolische Azidose (→ Erbrechen → Hypovolämie).
Besondere Symptome des ketoazidotischen Komas:
Zügiger Beginn (< 24h) im Vergleich zum hyperosmolaren Koma!
Bauchschmerzen (Pseudoperitonitis diabetica/Pseudappendizitis diabetica) durch Reizung des Peritoneums,
nach Azeton riechender Atem.
Kußmaul-Atmung: Atmungsmuster, das durch tiefe Atemzüge (Hyperventilation) bei normaler Frequenz charakterisiert ist, wodurch eine respiratorische Kompensation der (metabolischen) Ketoazidose bewirkt wird.
Differentialdiagnose:
Azetonämisches Erbrechen bei Kindern.
Diabetisches Koma - Diagnostik
Labordiagnostisches Programm:
Blutglucosebestimmung: Akute Messung aus Kapillarblut, im Verlauf stets durch Bestimmung im venösen Blut ergänzen:
Blutgasanalyse + venöse Blutentnahme + Elektrolyte + Entzündungszeichen + Diabetesdiagnostik: HbA1c, ggf. β-Hydroxybutyrat.
Weitere Laborwerte:
Troponin bei Verdacht auf Myokardinfarkt,
Lipase bei Verdacht auf Pankreatitis.
Urinuntersuchung: Insb. Ketone und Glucose im Urinstatus prüfen: Ketone: Positiv, Glucose: Positiv.
Blutglucose:
Orientierende Faustregel:
< 700 mg/dL (<38,9 mmol/l): Ketoazidotisches Koma,
> 700 mg/dL (>38,9 mmol/l): Hyperosmolares Koma.
Die Ketoazidose ist durch die charakteristische Trias aus Hyperglykämie, Ketonnachweis und metabolischer Azidose mit positiver Anionenlücke charakterisiert!
Durch die Kaliumverschiebung vom Intra- in den Extrazellulärraum und den damit einhergehenden normwertig oder gar erhöht erscheinenden Serumkaliumspiegel kann ein Kaliummangel maskiert werden!
Diabetisches Koma - Therapie
Säulen der Therapie:
Intensivmedizinische Therapie!
Flüssigkeitssubstitution (unter Kontrolle der Flüssigkeitsbilanz):
NaCl-Lösung: 1000 ml NaCl 0,9 % in der 1. Stunde,
danach in Abhängigkeit von ZVD oder Urinausscheidung unter Beachtung des Serumnatriums im Verlauf!
Insulingabe (unter engmaschigen Blutzuckerkontrollen):
Low-Dose-Schema mit Normalinsulin: Der Blutzucker sollte pro Stunde maximal um ca. 50 mg/dl (2,8 mmol/l) gesenkt werden und vorerst nicht unter 250 mg/dl (13,9 mmol/l) fallen.
Engmaschige Elektrolytkontrolle ggf. -ausgleich,
Bikarbonatgabe (unter Kontrolle des Säure-Basen-Status): In Ausnahmesituationen bei pH-Werten < 6,9.