Beweisverbote Flashcards
Zielkonflikt
Pflicht zur Wahrheitserforschung (§ 244 II StPO) ↔ Grund- und Verfahrensrechte der Beteiligten
⮑ keine Wahrheitserforschung um jeden Preis
⮑ besondere Voraussetzungen für Beweiserhebungen, die mit Grundrechtrechtseingriffen verbunden sind
Beweisthemaverbot
§§ 100d, 160a I 1 StPO
Verbot der Aufklärung bestimmter Sachverhalte
z. B. getilgte Vorstrafe, § 51 BZRG
Beweismittelverbot
§§ 52 ff., 250 ff. StPO
Verbot der Nutzung bestimmter Beweismittel
Beweismethodenverbot
§§ 136 I 2, 136a StPO
Verbot bestimmter Methoden zur Beweisgewinnung
selbständige Beweisverwertungsverbote
Verwertungsverbot trotz rechtmäßiger Beweiserhebung
Bsp.: §§ 477 II 2; 252 StPO; Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung
unselbständige Beweisverwertungsverbote
resultieren aus Verstoß gegen Beweiserhebungsverbot
§§ 136 I 2, 136a III 1 StPO
Funktion Beweisverwertungsverbote
- Sicherung der Integrität des Strafverfahrens
- Sicherung der Wahrheitsfindung
- Disziplinierung der Strafverfolger
- Kompensation des Betroffenen
Unter welchen Voraussetzungen führt ein Verstoß bei der Beweiserhebung zu einem Beweisverwertungsverbot?
- für einige Fälle ausdrückliche gesetzliche Regelung, aber keine umfassende Theorie der Beweisverwertungsverbote
→ Rspr. + h. L.: Abwägungslehre
str.: welche Kriterien, Gewichtung - hängt davon ab, welche Funktion man Beweisverwertungsverboten zuweist
abwägungsfeste Beschuldigtenrechte
- Verstoß gegen Selbstbelastungsfreiheit
- Eingriff in Kernbereich
Kritik an Abwägungslehre
- Unvorhersehbarkeit, Unsicherheit für Beschuldigten
- Abwägung bereits vom Gesetzgeber vorgenommen, indem er bestimmte Arten der Beweiserhebung verboten hat
Wirkungen Beweisverwertungsverbote
→ inkriminiertes Beweismittel darf nicht dem Urteil zugrunde gelegt werden, gilt auch für Beweissurrogate
Gilt Verwertungsverbot auch für entlastende Beweismittel?
h. M.: (+), komplette Sperrung
→ VV sichert justizförmiges Verfahren
a. A.: (-), ausschließlich Belastungsverbot, greift nicht bei entlastender Wirkung
→ soll Interessen des Angeklagten schützen
a. A.: VV grundsätzlich disponibel: Angeklagter kann entscheiden, ob Beweis verwertet werden soll
→ VV dient Schutz des Angeklagten w
Verwertungsverbot als “Denkverbot”
→ Richter muss versuchen, Beweisinhalt bei Urteilsfindung aus seinem Bewusstsein auszublenden
(-) psychologisch kaum möglich
(-) revisionsgerichtlich letztlich nicht überprüfbar
Verwertungsverbot als Begründungsverbot
→ in Urteilsbegründung ist der SV, auf dem Urteil beruht, darzulegen; ebenso ist zu begründen, aufgrund welcher Annahmen und Beweise dieser SV zugrunde gelegt wird → unverwertbare Beweise können nicht Teil dieser Begründung sein
Entstehen und Eingreifen von VV
h. L.
- BeweisVV entstehen zeitgleich mit Verstoß bei Beweiserhebung
- vom Gericht wg. § 244 II StPO von Amts wegen zu berücksichtigen
Rspr.: Widerpruchslösung
- VV greift bei einem verteidigten Angeklagten nur ein, wenn er oder der Verteidiger der Verwertung ausdrücklich widerspricht. Beim nichtverteidigten Angeklagten ist ein Widerspruch erforderlich, wenn Angeklagter hierüber belehrt wurde.
- Widerspruch muss in HV erfolgen und genau angeben, woraus die Unverwertbarkeit resultieren soll (spezifizierter Widerspruch)
Widerspruchslösung gilt nicht für:
- gesetzlich angeordnete Verwertungsverbote, § 136a III 1 StPO
- VV, die dem Schutz Dritter dienen, § 252 StPO
Begründung Widerspruchslösung
- BGH: unverwertbarer Beweis kann auch entlastende Wirkung für Angeklagten haben, daher sollte Unverwertbarkeit nicht automatisch eintreten
- Widerspruch als Unterfall der Rügeobliegenheit
Kritik an Widerspruchslösung
- kein Anhaltspunkt im Gesetz
- § 244 II StPO, Fair-Trial und Fürsorgepflicht des Gerichts sprechen für Berücksichtigung von Amts wegen
- unzulässige Verantwortungsverschiebung von Gericht auf Verteidiger
- Disponibilität des VV wird Zustimmungslösung besser gerecht
Reichweite von Verfahrensverstößen
- Heilung von Verfahrensverstößen durch neuerliche Beweiserhebung grundsätzlich möglich
- ursprüngliches VV kann auch auf neue Beweiserhebung fortwirken, wenn Auswirkungen noch spürbar sind
⇨ Fortwirkung kann nur durch qualifizierte Begehung über Unverwertbarkeit des früheren Beweismittels beseitigt werden
Haben Beweisverwertungsverbote eine Fernwirkung dahingehend, dass nicht nur das unmittelbar erlangte, sondern auch nur mittelbar durch den Verstoß erlangte Beweismittel nicht verwertet werden dürfen?
BGH: grundsätzlich keine Fernwirkung
→ einzelner Verfahrensverstoß soll nicht gesamtes Verfahren lahmlegen
→ BVV dienen nicht Disziplinierung der Strafverfolgungsbehörden, sondern Sicherung eines rechtsstaatlichen Verfahrens
a. A.: grundsätzlich FW (+) - “Fruit of the poisonous tree doctrine”
→ Ermittlungsbehörden sollen keine mittelbaren Vorteile aus Verfahrensverstößen ziehen können
→ Sinn und Zweck BVV unterlaufen
h. L.: Abwägung im Einzelfall
→ regelmäßig Drittwirkung bei gravierenden Verstößen
→ hyp. rechtmäßiger Ermittlungsverlauf
Verwendungsverbote
- entfalten Fernwirkung kraft Gesetzes
- Nutzung des Beweismittels zur Gewinnung weiterer mittelbarer Beweise ausgeschlossen
Funktion der Vernehmung
- Gewährung von rechtlichem Gehör
- Gelegenheit zu effektiver Verteidigung
aber in der polizeilichen/staatsanwaltlichen Praxis auch - Gewinnung von (belastendem) Beweismaterial
- Überführung des Beschuldigten
Beschuldigter ist zu belehren über
- Tatvorwurf, § 136 I 1 StPO
- Schweigerecht, § 136 I 2 StPO
- Recht auf Hinzuziehung eines Verteidigers, § 136 I 2 2. HS
Sinn der Belehrungspflicht
- Schweigerecht, Recht auf effektive Verteidigung → Kernbereich der Beschuldigtenrechte, faires Verfahren
- Beschuldigter kann Rechte nur wahrnehmen, wenn er sie kennt und sich ihrer Bedeutung bewusst ist
→ Verstoß gegen § 136 I StPO führt regelmäßig zu Verwertungsverbot
Führt es zu einem Verwertungsverbot, wenn Verdächtiger nicht belehrt wird, aber sein Schweigerecht kennt?
Bsp.: Verdächtiger = Polizist / Jurist
h. M.: wenn Beschuldigter sein Recht kennt, kann sich Belehrungsmangel nicht auf Aussageverhalten ausgewirkt haben, geringere Schutzwürdigkeit → VV (-)
a. A.: VV (+), da sonst Verstoß gegen Gleichbehandlungsgrundsatz