Die Verfassung Flashcards
(37 cards)
Die Verfassung
- Bezeichnet das zentrale Rechtsdokument oder den zentralen Rechtsbestand (Grundgesetz) des Gemeinwesens,
- In welchem die für die Einrichtung und Ausübung der Staatsgewalt grundlegenden Normen zusammengefasst sind
Verfassung im formellen Sinn
Gesamtheit aller Normen, die im qualifizierten Verfahren der Verfassungsgebung zustande kommen und in einer besondren Verfassungsurkunde verankert sind.
Verfassung im materiellen Sinn
Gesamt aller besonders wichtigen Normen betreffend den Staat und sein Verhältniss zum Individuum.
Typische Merkmale moderner Verfassungen
Form:
- Schriftliche Urkunde
- Einseitiger Erlass (kein Vertrag): i.d.R. Rückführung auf Volkssouveränität
- Erhöhte Geltungskraft (gegenüber allen anderen Rechtsnormen)
- Erschwerte Änderbarkeit (verglichen mit anderen Rechtsnormen)
Inhalt:
- Umfassender Geltungsanspruch
- Sichert Grund- bzw. Freiheitsrecht
- Verwirklicht Volkssouveränität
- Verwirklicht Gewaltteilung
4 Verfassungsfunktionen
- Ordnungs- und Organisationsfunktion
- Machtbegrenzungs- und Freiheitsgewährleistungsfunktion
- Gestaltungs- und Steuerungsfunktion
- Legitimations- und Integrationsfunktion
Ordnungs- und Organisationsfunktion
- Kreationsnormen: schaffen Staatsorgane (z.B. Art. 148, 174, 188 BV)
- Kompetenznormen: legen die Zuständigkeit eines Staatsorgans oder einer Staatsebene fest (z.B. Art. 54, 69, 163, 180, 189 BV)
- Verfahrensnormen: bestimmen Arbeitsweise der Organe (z.B. Art. 156, 157, 177 BV)
- Gewährleistungsnormen: Schützen eine Rechtsinstitution oder eine Institution (Art. 51, 99 Abs. 2, 191c BV)
Machtbegrenzungs- und Freiheitsgewährleistungsfunktion
- Verfassungsprinzipien: geben den Staatsorganen grundlegende Verhaltensanweisungen (z.B. Art. 5 BV)
- Grundrechtsnormen: Verschaffen Individuen einklagbare Rechte gegenüber dem Staat (Art. 7 ff. BV)
Gestaltungs- und Steuerungsfunktion
- Zielnormen: Impuls- oder Programmnormen für den Staat; begründen in der Regel keine Zuständigkeit oder einklagbare Rechte (z.B. Art. 2, 41 BV)
- Aufgabennormen: erteilen dem Staat konkrete Aufgaben (Art. 74, 83 BV)
Legitimations- und Integrationsfunktion
- Anrufung Gottes, Präambel und nationale Bekenntnisse als Vorspann zum Verfassungstext
- Nationale Symbolik als Gegenstand der Verfassung
- Verfassung als Anlass des Nationalfeiertages oder eines Feiertages
Verfassungsauslegung
- Offenheit/Unbestimmtheit gewisser Normen: Grundrechte, Verfassungsprinzipien (Art. 5, 7 BV)
- Mangelnde/umstrittene Justiziabilität der Normen: Zielnormen, Verfassungsprinzipien (Art. 5a, 41 BV)
- Hohes Alter der Norm: Norme welche (in neueren Verfassungen) Traditionsanschlüsse wahren, sowie generell alte Verfassungstexte (Art. 3 BV)
Verfassungsfortbildung durch Rechtssprechung
Rechtssprechung des Bundesgerichts zum Rechtsgleichheitsgebot in Art. 4a BV: Ableitung zahlreicher Verfahrensgarantie
Anerkennung ungeschriebener Grundrechte:
- Eigentumsgarantie (1960)
- Meinungsäusserungsfreiheit (1961)
- Persönliche Freiheit (1963)
- Versammlungsfreiheit (1970)
- Recht auf Existenzsicherung (1995)
Einfallstore der Gerechtigkeit im positiven Recht:
- Verhältnismässigkeit (Art. 5 Abs. 2 BV)
- Menschenwürde (Art. 7 BV)
- Rechtsgleichheitsverbot (Art. 8 BV)
- Willkürverbot (Art. 9 BV)
- Anspruch auf gerechte Behandlung im Verfahren (Art. 29 Abs. 1 BV)
- Ermessenspielräume der Verwaltung und Gerichte
Gerechtigkeit als Schranke der Rechtssetzung insbesondere als materielle Schranke der Verfassungsrevision. Gerechtigkeit als Schranke der Rechtsanwendung und Durchsetzung.
Radbrusche Formel
Dieser These zufolge hat sich ein Richter bei einem Konflikt zwischen dem positiven (gesetzten Recht) und der Gerechtigkeit immer dann - und nur dann - gegen das Gesetz und stattdessen für die materielle Gerechtigkeit zu entscheiden, wenn das fragliche Gesetz entweder als
- unerträglich ungerecht anzusehen ist oder
- das gesetz, die im Begriff des Rechts grundsätzlich angelegte Gleichheit aller Menschen aus sicht der Interpreten bewusst verleugnen.
Rechtsquellen
- Verfassung
- Gesetzte
- Verordnungen
Verfassung (als Rechtsquelle)
- Grundlegendes Rechtsdokument eines Gemeinwesen
- Gekenntzeichnet durch die höchst mögliche Legitimation (demokratisch)
- Regelung wichtiger Grundsätze: Grundzüge der Organisation, fundamentale Normen, Grundelemente des materiellen Rechts
- Diese Regeln besitzen einen hohen Aktionsgrad
Im Formellen Sinn:
- Gesamtheit der Rechtssätze, die im besonderen Verfahren der Verfassungsgebung erlassen worden sind
- Praktisch entspricht die Verfassung im formellen Sinn der geschriebenen Verfassung
Im materiellen Sinn:
- Gesamtheit der Rechtssätze, die materiell (nach ihrer Bedeutung) zur Verfassung gehören
Gesetz (als Rechtsquelle)
- Reguläre Normstufe des Gemeinwesen
- Erlassen von Gesetzten in formellen Verfahren, welches eine grosse Legitimation garantiert und alles regelt, was wichtig ist
- Diese Regeln besitzen einen mittleren Aktionsgrad
Beachte entgegen dem materiellen Verfassungsbegriffsagt der materille Gesetzesbegriff nichts über die Bedeutung/Wichtigkeit der Norm aus
Im formellen Sinn:
Rechtssätze, die im besondren Verfahren der Gesetzgebung erlassen worden sind (Art. 136 ff. BV)
Im materiellen Sinn:
Jeder generell-abstrakte Rechtssatz, unabhängig davon, auf welcher Stufe (Gesetz oder Verordnung) er erlassen worden ist.
Verordnungen (als Rechtsquelle)
- unterste Normstufe
- geringe demokratische Legitimation
- Bestimmt details der Regelung
- Diese Regeln besitzent tiefen Abstraktionsgrad
Beachte: Hauptfunktionen von Verordnungen besteht darin, einen einheitlichen rechtsgleichen und sachrichtigen Vollzug der Gesetzte sicher zu stellen
Selbstständige und unselbstständige Verordnungen
- Selbstständige Verordnung: Ermächtigung in Verfassung
- Unselbständige Verordnung: Ermächtigung im Gesetz
Gesetzesvertretende Verordnungen
- Ergänzen die materielle Regelung im Gesetz
- Können Vorschriften enthalten, wie jene im formellen Gesetz
Vollziehungsverordnungen
- Dürfen nun den durch das Gesetz geschaffenen Rahmen ausfüllen, nicht aber ergänzen
- Dürfen keine neuen Pflichten schaffen oder bestehende Rechte einschränken
Rechtsverordnungen
Schaffen Rechte und Pflichten für Bürgerinnen und Bürger
Verwaltungsverordnungen
Schaffen Rechte und Pflichten für Bürgerinnen und Bürger
Jüngeres versus älteres Recht
Jüngere Norm geht der älteren vor (lex posterior derogat legi priori)
Besonderes versus allgemeines Recht
Besondere Norm geht der allgemeinen vor (lex specialis derogat legi generali)
Verordnung Bundesrat vor Verordnung Kantone
Die Verordnung des Budesrats geht der Verfassung eines Kantons aufgrund Kompetenzkonkurrenz vor. Die Nomenhierarchie (Verfassung, Gesetz, Verordnung) tritt dabei in den Hintergrund aufgrund der erhöhten föderalistischen und demokratischen Legitimation der Akteure auf Bundesebene gegenüber den Akteuren der Kantonalen Ebene.