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Flashcards in F26-50 Deck (25)
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1
Q
  1. Was versteht man unter einem Firmenkollektivvertrag bzw.

Firmentarifvertrag und gibt es solche in Österreich?

A

Firmenkollektivverträge kommen zustande, wenn ein einzelner Arbeitgeber
kollektivvertragsfähig ist und somit ausschließlich für seine eigenen Arbeitsverhältnisse einen
Kollektivvertrag abschließen kann.
Grundsätzlich sind solche in Österreich nicht vorgesehen, es gibt aber Durchbrechungen dieses
Grundsatzes.
§ 7 ArbVG normiert, dass Juristische Personen des Öffentlichen Rechts selbst kollektivvertragsfähig
sind, wenn sie nicht selbst einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft angehören.
Weitere Ausnahmen hat der Gesetzgeber in Sondergesetzen erlassen, wie für den ORF oder das AMS
(ORF-G, AMS-G).
Sonderfall: unechte Firmenkollektivverträge.
Hier schließt zwar nicht der einzelne AG für sein Unternehmen einen KV ab, aber die AGInteressensvertretung
(Wirtschaftskammer) schließt einen Kollektivvertrag, dessen
Anwendungsbereich auf ein Unternehmen beschränkt ist.

2
Q
  1. Erläutern Sie das Industrieverbandsprinzip bzw. Industriegruppenprinzip im
    Kollektivvertragsrecht!
A

Angesprochen: Fachlicher Geltungsbereich des KV
Dieser erstreckt sich grundsätzlich auf Industrie- oder Wirtschaftszweige.
Dies hat zur Konsequenz, dass für die Anwendbarkeit eines KVs die Organisationszugehörigkeit
eines Arbeitgebers maßgebend ist, sodass auf AN-Seite verschiedene Berufe in einem bestimmten
Industriezweig erfasst werden.
Beispiel: Ein chemischer Betrieb beschäftigt neben Chemiearbeitern auch Schlosser, Maler und
Anstreicher.
à Industrieverbandsprinzips: Alle AN sind vom KV für Chemiearbeiter erfasst.
Durchbrechung des „Industrieverbandsprinzip“: Angestellte
- Zugehörigkeit zur Gruppe der Angestellten mit dem fachlichen Geltungsbereich engst verknüpft!
- In eigener Gewerkschaft organisiert, eigene Kollektivverträge! (GPA-djp)

3
Q
  1. Stellen Sie sich vor, ein Arbeitgeber ist Mitglied einer freiwilligen
    Interessenvertretung, die einen Kollektivvertrag abschließt. Nach Abschluss des
    Kollektivvertrags erkennt der Arbeitgeber die Nachteile, die er durch die
    Kollektivvertragsangehörigkeit hat. Um der Kollektivvertragsangehörigkeit zu
    entgehen, tritt er wieder aus der Interessenvertretung aus. Gilt der
    Kollektivvertrag auch nach Austritt des Arbeitgebers für ihn? Wenn ja, warum?
A

KV-Unterworfenheit:
§8 ArbVG zählt zum Kreis der Kollektivvertragsangehörigen jene Arbeitgeber und Arbeitnehmer,
die zur Zeit des Kollektivvertragsabschlusses Mitglieder der Kollektivvertragsparteien waren
oder nach Abschluss werden.
Dies bedeutet, dass der Austritt eines Arbeitgebers aus der Kollektivvertrag abschließenden
Interessenvertretung nichts an seiner Zugehörigkeit zum Kollektivvertrag ändert.
Wird der AG nach Austritt aus dem Arbeitgeberverband Mitglied einer anderen Interessenvertretung
und schließt diese einen (neuen) Kollektivvertrag ab, dann ist der Arbeitgeber ab diesem Zeitpunkt
dem neuen Kollektivvertrag angehörig.

4
Q
  1. Erläutern Sie die Außenseiterwirkung des KV und den Zusammenhang
    zwischen Außenseiterwirkung und negativer Koalitionsfreiheit!
A

Außenseiterwirkung: Auch jene AN, die nicht Mitglieder der abschließenden ANInteressensvertretung
sind, sind von den Rechtswirkungen eines Kollektivvertrages erfasst.
Außenseiterwirkung à Spezifikum des österreichischen Kollektivvertragsrechts
à Vom ÖGB abgeschlossene KV gelten also auch für AN, die keine Mitglieder des ÖGB sind.
(Außer es gilt bereits ein KV einer gesetzlichen Interessensvertretung)
Gründe:
- Negative Kollisionsfreiheit: So wird kein indirekter Zwang zur Mitgliedschaft in einer
freiwilligen Interessensvertretung wegen besserer Arbeitsbedingungen erzeugt.
- Bei schlechter konjunktureller Lage sollen nichtorganisierte Arbeiter die gewerkschaftlichorganisierten
nicht lohnmäßig unterbieten können.
Keine Außenseiterwirkung besteht, wenn die gesetzliche Interessensvertretung einen
Kollektivvertrag abschließt -> hier gibt es keine Außenseiter!
Bedingung für die Außenseiterwirkung ist die grundsätzliche Möglichkeit eines Beitritts zu dieser
Interessensvertretung.
Beispiel: Keine Außenseiterwirkung für leitende Angestellte bei KV der Arbeiterkammer, da diese
nicht Mitglied der Arbeiterkammer werden können!

5
Q
  1. Welcher Kollektivvertrag gilt für einen AN, wenn der AG mehrfach
    kollektivvertragsangehörig ist und der AN in einem Mischbetrieb arbeitet?
A

Es gilt das Prinzip der Tarifeinheit: Auf ein Arbeitsverhältnis ist nur ein Kollektivvertrag
anzuwenden.
Kollisionsnormen für Kollektivvertrags-Kollisionen: §§ 9, 10 ArbVG.
Für den Arbeitgeber besteht jedoch keine Tarifeinheit!
3 Fälle:
1. AG betreibt Betriebe in verschiedenen Branchen
-> Es findet auf die AN in jedem Betrieb der fachlich und örtlich geltende KV Anwendung!
2. AG betreibt einen Betrieb, mit mehreren Branchen in verschiedenen Sparten/Abteilungen
-> Auf die jeweiligen, organisatorisch getrennten Abteilungen findet der fachlich und örtlich
geltende KV Anwendung.
3. AG betreibt Mischbetrieb (mehrere Branchen, nicht organisatorisch nach Abteilungen getrennt)
-> KV jenes Industrieverbands, der für den Betrieb maßgebliche wirtsch. Bedeutung hat
- Festlegung mittels Betriebsvereinbarung möglich
- Ansonsten der KV, in dessen Branche die meisten AN arbeiten (nicht nur im
Betrieb!)

6
Q
  1. Welcher KV gilt für einen AN, wenn er in mehreren Betrieben eines AG tätig
    ist und in diesen Betrieben unterschiedliche KV zur Anwendung kommen?
A

Es handelt sich um eine KV-Kollision bezüglich des persönlichen Anwendungsbereichs des KV.
Wird ein Arbeitnehmer in mehreren Betrieben eines AG oder in organisatorisch getrennten
Abteilungen beschäftigt, für welche verschiedene Kollektivverträge zur Anwendung kommen, gilt
für ihn jener KV, in dessen Branche er überwiegend beschäftigt ist.
Liegt keine überwiegende Beschäftigung vor (weil er gleichmäßig in beiden Abteilungen
beschäftigt ist) kommt jener KV zur Anwendung, der auf Branchenebene die meisten AN erfasst
(nicht nur im Betrieb!).

7
Q
  1. Wie wäre folgender Fall zu lösen: Die Wirtschaftskammer schließt zuerst mit
    dem ÖGB und zwei Monate danach mit einer anderen freiwilligen
    Interessenvertretung einen Kollektivvertrag mit demselben fachlichen
    Geltungsbereich ab. Welcher Kollektivvertrag gilt für einen Arbeitnehmer dieser
    Branche, wenn der Arbeitnehmer weder Mitglied der Gewerkschaft noch
    Mitglied des zweiten freiwilligen Interessenverbandes ist?
A

Außenseiterkollision:
Wenn die Interessensvertretung der AG (Wirtschaftskammer) zuerst mit dem ÖGB und dann mit
einer weitere freiwilligen Arbeitnehmervertretung einen Kollektivvertrag abschließt, sind vom ersten
KV alle Arbeitnehmer umfasst, also auch Nichtmitglieder mittels Außenseiterwirkung.
Für die der zweiten Interessensvertretung angehörigen AN gilt ab Abschluss des zweiten KV der
zweite KV, aber die Außenseiter (AN, die in keiner der beiden AN-IVs Mitglied sind) bleiben im
ersten KV.
(§12 Absatz 2. ArbVG Umkehrschluss)
Sollte der frühere KV aber außer Kraft treten und somit die Nachwirkung des früheren KV mit der
Außenseiterwirkung des späteren KV kollidieren, so geht der in Kraft stehende KV der Nachwirkung
des früheren KV vor!

8
Q
  1. Geht in einem sog Mischbetrieb, in dem ein Kollektivvertrag und eine
    Satzung (eines anderen Kollektivvertrags) kollidieren, stets der Kollektivvertrag
    vor?
A

Wenn verschieden Typen von Rechtsquellen des kollektiven Arbeitsrecht (Kollektivvertrag,
Satzung, Mindestlohntarif) miteinander kollidieren, sind die Bestimmungen über
Kollektivvertragskollisionen (§§9,10 ArbVG) analog anzuwenden.
Ein Arbeitgeber betreibt eine „Seniorenpension“.
In erster Linie werden Senioren betreut und gepflegt.
Auf Grund dieser Tätigkeit käme für den Arbeitgeber die Satzung des BAGS-KV zur Anwendung.
Hinsichtlich der Ausschank von Getränken in der Seniorenpension – die Lokalität ist auch öffentlich
zugängig – ist der Arbeitgeber Mitglied der Wirtschaftskammer und hat auch eine Konzession für das
Hotel- und Gastgewerbe.
Eine organisatorische Trennung zwischen Seniorenbetreuung und Getränkeausschank liegt nicht vor
(Mischbetrieb).
Kommt für die Seniorenpension der KV für das Hotel- und Gastgewerbe oder die Satzung des
BAGS-KV zur Anwendung?
Da die maßgebende wirtschaftliche Bedeutung für die Seniorenpension im Pflegebereich liegt,
kommt für sämtliche Arbeitsverhältnisse in der Seniorenpension gem. § 9 Abs. 3 ArbVG die
Satzung des BAGS-KV zum Tragen.

9
Q
  1. Beispiel: Ein Betrieb besteht aus zwei selbständigen Betriebsabteilungen. Für
    eine Abteilung existiert ein entsprechender Kollektivvertrag, für die andere nicht.
    Gilt nun der Kollektivvertrag für den gesamten Betrieb oder nur für die eine
    Abteilung?
A

Verfügt ein Arbeitgeber über zwei Betriebe oder über selbständige Betriebsabteilungen, von denen
jedoch nur eine einem Kollektivvertrag unterfällt, scheidet eine unmittelbare Anwendung des § 9 (1)
und (2) ArbVG mangels mehrfacher Kollektivvertragsangehörigkeit aus.
Allerdings sind diese Normen analog anzuwenden!!
à Grundsatz der fachlichen Adäquanz!
Bedeutet: Nur in den Betrieben oder selbständigen Betriebsabteilungen, für die ein fachlich
entsprechender Kollektivvertrag existiert, kommt dieser auch zur Anwendung, während jene Betriebe
oder selbständige Betriebsabteilungen, denen fachlich kein Kollektivvertrag entspricht,
kollektivvertragsfrei bleiben.

10
Q
  1. Beispiel: Ein Verein betreibt ein Studentenheim (90% des Umsatzes) und
    einen Hotelbetrieb (10% des Umsatzes) im Rahmen eines einheitlichen
    Wirtschaftskörpers. Für den Betrieb von Studentenheimen kommt kein
    Kollektivvertrag zur Anwendung, für den Betrieb eines Hotels gilt der KV für
    das Hotel- und Gastgewerbe. Kommt für alle Arbeitnehmer des Vereins ein
    Kollektivvertrag damit zur Anwendung oder nicht?
A

Es handelt sich um einen Mischbetrieb (= organisatorische Einheit mit Tätigkeiten, die
unterschiedlichen Gewerbeberechtigungen und unterschiedlichen Kollektivverträgen zuzuordnen
sind).
Fällt nur eine der Tätigkeiten in den Geltungsbereich eines Kollektivvertrags, dann kommt dieser für
KV für den gesamten Mischbetrieb zur Anwendung.
Hier geht laut OGH also ausdrücklich das soziale Schutzprinzip der Regelung des §9 (3) analog
vor!
Oberste Priorität ist die Vermeidung kollektivvertragsfreier Räume!
Antwort:
Obwohl das Betreiben des Studentenheimes mit 90 % des Umsatzes die maßgebende wirtschaftliche
Bedeutung besitzt, ist auf Grund des sozialen Schutzprinzips für den gesamten Verein der KV
für das Hotel- und Gastgewerbe anzuwenden!

11
Q
  1. Wodurch unterscheidet sich der normative Teil des KV vom obligatorischen
    Teil?
A

Diese Unterscheidung trifft bereits der Gesetzgeber im ArbVG:
§11 ArbVG in Verbindung mit §2 Absatz 2 legt fest, dass alle Inhalte des KV dem normativen Teil
zuzurechnen sind, außer die Rechtsbeziehungen zwischen den abschließenden Parteien
(obligatorischer Teil).
Der normative Teil des KV ist Gesetz im materiellen Sinn und somit nach den Auslegungsregeln für
Gesetze auszulegen (§§ 6,7 ABGB).
Der obligatorische Teil ist als Vertrag nach den §§ 914 ff. ABGB auszulegen.
Soweit das Regelungsziel des KV die arbeitsvertraglichen Rechte zwischen AN & AG betrifft, wirkt
der KV direkt auf den einzelnen Arbeitsvertrag ein.
Seinen Regelungen sind unabdingbar, also in der Regel einseitig zwingend.
Innerhalb des normativen Teils sind zu unterscheiden:
- Abschlussnormen
- Inhaltsnormen
- Betriebsnormen
- Normen bezüglich ausgeschiedener AN
- Betriebsverfassungsrechtliche Normen
- Institutionsnormen
- Zulassungsnormen

12
Q
  1. Wann spricht man von Abschlussnormen im Kollektivvertrag?
A

Abschlussnormen betreffen unmittelbar den Abschluss des Arbeitsvertrags zwischen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer.
Beispiele: Schriftlichkeitserfordernis, Einstellungspflicht älterer AN
Grundsätzlich normativer Teil des KV!
Abschlussnormen fallen grundsätzlich nicht in die Regelungsbefugnis von Kollektivverträgen!
Nur im Zusammenhang mit Sozialplänen wird man die Regelungsbefugnis weiter fassen müssen.
„Wiedereinstellungsklauseln“, die im Falle eines Personalabbaues den gekündigten AN unter
gewissen Voraussetzungen die Wiedereinstellung garantieren, sollen als zutreffende Maßnahme im
Rahmen eines Sozialplanes Anerkennung finden und den betroffenen AN ein Recht auf
Wiedereinstellung vermitteln.

13
Q
  1. Erläutern Sie den Begriff der Inhaltsnormen im Kollektivvertrag!
A

Inhaltsnormen sind Bestimmungen über alle gegenseitigen Rechte und Pflichten zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die unmittelbar dem Arbeitsverhältnis entspringen.
Inhaltsnormen stellen den Hauptanteil der kollektivvertraglichen Regelungen dar.
Inhaltsnormen im KV sind, anders als im Arbeitsvertrag selbst, eingeschränkt auf materielle
Arbeitsbedingungen, sie müssen also mit dem Arbeitsverhältnis im typischen Zusammenhang stehen.
Vereinbarungen, die für den einzelnen Arbeitnehmer individuell zu vereinbaren sind, können nicht
vom KV geregelt werden!
(z.B.: Fixierung des Urlaubstermins)
Inhaltsnormen:
- Mindestlohn, Lohnschemata, Sonderzahlungen, Zulagen, Aufwandsentschädigungen
- Arbeitszeit
- Ansprüche bei Dienstverhinderungen
- Normen über Beendigung des AV, Kündigungsfristen und Kündigungstermine
Problematisch:
- Echte Schiedsgerichtsklauseln (Schiedsgericht statt Gericht) sind unzulässig
- Schlichtungsklauseln (Schlichtungsverfahren vor Gericht) sind wohl zulässig
- Verfallsklauseln für Ansprüche (zulässig, außer sittenwidrig)

14
Q
  1. Erläutern Sie die Wirkungsweise und rechtliche Zulässigkeit von Ist-Lohn-
    Klauseln!
    Wann spricht man von einer schlichten und wann von einer qualifizierten Ist-
    Lohn-Klausel?
A

Ist-Lohn-Klauseln haben nicht nur eine Erhöhung des Mindestlohn-Niveaus zum Ziel, sondern auch
eine Erhöhung des tatsächlichen Lohns.
Bei Ist-Lohn-Klauseln ist zwischen zwei Gestaltungsarten zu unterscheiden:
1. Nur Erhöhung der Mindestlöhne, aber bei gleichzeitiger Verpflichtung, die bisherige Überzahlung
betragsmäßig beizubehalten.
2. Erhöhung der Mindestlöhne und gleichzeitig Erhöhung der Ist-Löhne (nicht unbedingt im gleichen
Ausmaß).
Weiters ist zwischen zwei Arten der Verbindlichkeit für die Zukunft zu unterscheiden:
1. Qualifizierte Ist-Lohn-Klausel (= Ist-Lohn-Garantieklausel)
-> Bisheriger Ist-Lohn wird erhöht und der neue Ist-Lohn wird zum unabdingbaren Mindestlohn
erklärt.
2. Schlichte Ist-Lohn-Klausel
-> Ist-Lohn wird per KV erhöht, aber nicht unabdingbar gestellt.
Qualifizierte Ist-Lohn-Klauseln sind wohl als unzulässig anzusehen.
Durch sie würde für jedes Arbeitsverhältnis ein individueller Mindestlohn entstehen, womit die
vereinheitlichende Wirkung des KV verloren gehen würde.
Schlichte Ist-Lohn-Klauseln sind hingegen zulässig.

15
Q
  1. Darf ein Kollektivvertrag hinsichtlich seiner Ansprüche zwischen
    Gewerkschaftsmitgliedern und Nichtgewerkschaftsmitgliedern unterscheiden?
A

Differenzierungsklauseln, die zwischen gewerkschaftlich-organisierten und nichtorganisierten
Arbeitnehmern („Außenseitern“) unterscheiden, haben in Österreich keine praktische Bedeutung.
Da das ArbVG Außenseiterwirkung für Kollektivverträge normiert, wären solche wohl auch nicht
zulässig.
Ebenso sind gemäß § 1 Antiterrorgesetz Organisationsklauseln (= Closed-Shop-Klauseln) verboten,
also Klauseln die darauf abzielen, dass nur Mitglieder einer bestimmten Gewerkschaft bzw.
irgendeiner Gewerkschaft im Betrieb beschäftigt werden.

16
Q
  1. Erläutern Sie den Begriff der Betriebsnormen im Kollektivvertrag!
A

Betriebsnormen regeln die betrieblichen Gegebenheiten oder Angelegenheiten der Belegschaft
also solche.
Anders als die Inhaltsnormen sollen sie nicht Inhalt des Einzel-Arbeitsverhältnisses werden.
Solche Betriebsnormen sind dem Kollektivvertrag grundsätzlich fremd, weshalb sie nicht im §2
Absatz 2 vorkommen.
Da aber der §97 Absatz 1 Ziffer 1 bis 6a Regelungsgegenstände für Betriebsnormen aufzählt und
dann normiert, dass nur eine Betriebsvereinbarung möglich ist, wenn nicht bereits der KV eine solche
Frage regelt, kann man im Umkehrschluss davon ausgehen, das der KV hier bereits laut ArbVG
Regelungskompetenz hat.

17
Q
  1. Kann ein KV oder eine BV Ansprüche ehemaliger AN verändern,
    insbesondere kürzen?
A

Während des aufrechten Arbeitsverhältnisses können sowohl die Parteien des Arbeitsvertrages selbst
als auch die Kollektivvertragsparteien Regelungen treffen, welche die Ansprüche des AN nach dem
Ausscheiden aus dem Betrieb betreffen.
Beispiel: Pensions- oder Ruhegeldleistungen
Ist das Arbeitsverhältnis des AN jedoch beendet, ist eine Einwirkungsmöglichkeit der generellen
Rechtsquellen auf die Ansprüche aus dem früheren Arbeitsvertrag nicht vorstellbar, weil der
Arbeitsvertrag, den die Normwirkung unmittelbar trifft, fehlt.
à Die BV daher nicht!
Änderungen kollektivvertraglicher Rechtsansprüche ausgeschiedener AN hat das ArbVG aber
ausdrücklich der Regelungsbefugnis des Kollektivvertrags unterstellt.
§ 2 (2) Z. 3
Diese Regelungsbefugnis ist dadurch beschränkt, dass sie sich ausschließlich auf
kollektivvertragliche Inhaltsnormen bezieht. Daraus folgt, dass ein durch Individualvereinbarung
oder Betriebsvereinbarung begründeter Anspruch der kollektivvertraglichen Regelung entzogen ist.
Kollektivvertragliche Rechtsansprüche sind also in jeder Richtung regelbar. Sie können sowohl
verbessert als auch verschlechtert werden.
Neu begründen kann der KV Ansprüche für ausgeschiedene AN hingegen nicht! (Außer: Sozialplan!)
Beispiel:
Der Arbeitnehmer A hat laut seinem individuellen Arbeitsvertrag Anspruch auf 70 Euro
Zuschusspension pro Monat.
Während seines Arbeitsverhältnisses erhöht ein KV dies auf 75 Euro pro Monat.
Wenn A nun in Pension erhält er 75 Euro Zuschusspension, wie die anderen AN in seiner Branche
auch.
Wenn nun ein neuer KV den Anspruch laut KV auf 40 Euro kürzt, erhält A immer noch 70 Euro aus
seinem Arbeitsvertrag, während andere pensionierte AN aus dem KV nur noch 40 Euro erhalten.
Ausnahme:
Sozialpläne stellen auf Grund ihrer Funktion als Nachteilsausgleichung für ausgeschiedene
Arbeitnehmer eine Ausnahme dar:
Nachträgliche Eingriffe durch Sozialplannormen im KV beschränken sich nicht auf
kollektivvertragliche Ansprüche und in diesem Fall kann ein KV auch für bereits ausgeschiedene AN
Ansprüche neu begründen.

18
Q
  1. Was versteht man unter betriebsverfassungsrechtlichen Normen im
    Zusammenhang mit kollektiver Rechtsgestaltung? Können
    betriebsverfassungsrechtliche Normen in Kollektiverträgen oder
    Betriebsvereinbarungen Eingang finden?
A

Betriebsverfassungsrechtliche Normen sind jene Normen, welche die gesetzlichen Bestimmungen
über die Betriebsverfassung verändern oder ergänzen.
Als Betriebsverfassung wird das innerbetriebliche Kollektivarbeitsrecht bezeichnet.
Grundsätzlich haben hier Kollektivvertrag und Betriebsvereinbarung keine Rechtssetzungsbefugnis,
da die Betriebsverfassung absolut zwingenden Charakter hat.
Somit ist es dem KV grundsätzlich verwehrt, neue Mitwirkungsrechte des Betriebsrats oder dessen
Mitwirkungsrechte zu erweitern.
Beispiel: So wäre es beispielsweise nicht möglich, dass je nach Branche und somit KV die Anzahl
der Betriebsräte variiert.
Ausnahmen bestehen jedoch für die Mitwirkungsrechte des BR an:
- der Durchführung eines Sozialplans (§ 2 (2) Z. 4)
- Maßnahmen zur menschengerechten Arbeitsgestaltung (§2 (2) Z.5)
- betriebseigenen Schulungs- und Bildungseinrichtungen (Implizite Ermächtigung § 97 (2)!)

19
Q
  1. Was versteht man unter Institutionsnormen im KV?
A

Im KV können die KV-Parteien auch gemeinsame Einrichtungen regeln (§2 Abs. 2 Ziffer 6).
Dies kann entweder eine obligatorische Regelung zwischen den Vertragsparteien sein, aber auch als
normative Regelung mit unmittelbarer und zwingender Wirkung für die betroffenen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer passieren.
Beispiele:
1. ÖGB und Industriellenvereinigung richten wegen einer generellen Umstellung Fonds für
Umschulungsbeihilfen ein. In diesen Zahlen sie beide ein und Arbeitnehmer erhalten einen
unmittelbaren Rechtsanspruch auf eine solche Beihilfe dem Fonds gegenüber.
2. Sozial-Audits
Mittels KV werden Gremien eingerichtet, die aus Personen der AG und AN IV bestehen.
Diese Gremien erstatten dann regelmäßig Bericht über Arbeitsbedingungen oder führen
Qualitätsuntersuchungen durch.

20
Q
  1. Erläutern Sie den Begriff „Zulassungsnormen“
A

Siehe Frage 14.

21
Q
  1. Wann kommt einem KV und wann einer BV „Nachwirkung“ zu?
A

Nach Ablauf der Geltungsdauer eines KV bleiben dessen Rechtswirkungen für bisher erfasste
Arbeitsverhältnisse so lange aufrecht, bis ein neuer KV wirksam oder eine neue Einzelvereinbarung
abgeschlossen wird (§13 ArbVG).
- zeitlich unbefristet
- nicht für danach neu eingestellte Arbeitnehmer!
- bloß dispositiv (ungünstigere Einzelvereinbarungen sind möglich!)
- gewährleistet Kontinuität
- Überbrückungsfunktion!
Obwohl das Gesetz nur von neuen Kollektivverträgen oder neuen Einzelvereinbarungen spricht, ist
wohl auch der Abschluss von normativ wirkenden Betriebsvereinbarungen geeignet, die
Nachwirkung zu beenden.
Kollidiert die Nachwirkung eines alten KV mit der Außenseiterwirkung eines neuen KV, dann geht
die Außenseiterwirkung vor, gleichgültig ob der neue KV günstiger oder ungünstiger ist.
Betriebsvereinbarung:
Bei einer Betriebsvereinbarung kann es nur dann zur Nachwirkung kommen, wenn sie
gekündigt werden kann.
Dies wäre grundsätzlich bei der notwendigen und bei der fakultativen BV der Fall. Für die
notwendige BV schließt §96 Abs. 2 letzter Satz aber ausdrücklich eine Nachwirkung aus!
Bei einer BV mit Beteiligung der Schlichtungsstelle ist Kündigung und somit auch eine Nachwirkung
nicht möglich.
Nachwirken kann also nur eine fakultative Betriebsvereinbarung.

22
Q
  1. Was versteht man unter einer Satzung im kollektiven Arbeitsrecht? Welche
    Funktion hat die Satzung?
A

Durch die Erklärung eines Kollektivvertrags zur Satzung wird diesem auch außerhalb seines
Geltungsbereiches rechtsverbindliche Wirkung zuerkannt.
(§ 18 ArbVG)
Das hat den Zweck, das auch jenen Arbeitnehmern, die mangels KV Angehörigkeit ihres
Arbeitgebers von keinem KV erfasst sind, die Vorteile einer kollektiven Regelung verschafft werden.
Beispiele:
BAGS KV (Sozialwesen)
BABE KV (Bildungswesen)
Redakteure KV (Zeitungsbranche)
Rechtsnatur: Verordnung des Bundeseinigungsamt
Inhalt: Nur die Satzungserklärung (oder auch die zu satzenden Inhalte des Kollektivvertrags)(strittig)
-> Richtig ist wohl nur die Satzungserklärung, da das BEA nur dazu die Befugnis hat.
Formelle Voraussetzung: schriftlicher Antrag einer der KV Parteien
Materielle Voraussetzungen:
- zu satzender KV gehörig in Geltung
- zu satzender KV hat überwiegende Bedeutung erlangt
- gleichartige Arbeitsverhältnisse
- Arbeitsverhältnisse nicht bereits von KV erfasst (außer bloß General-KV)
Kundmachung: BGBl II.
Übermittelung: An BMASK & zuständige Gerichte
Wirkung: - unmittelbar Rechtsverbindlich (Normwirkung!)
- keine Außenseiterwirkung (mangels Außenseitern)
Zeitliche Geltung: - Befristung möglich (meist gleich wie gesatzter KV)
Nachwirkung: - h.L.: Nein
- Löschnigg: Ja! (historische & teleologische Gründe)
Rangordnung: Gleiche Stufe im Stufenbau wie KV, aber subsidiär zum KV!

23
Q
  1. Was versteht man unter einem Mindestlohntarif? Welche Voraussetzung
    muss – im Gegensatz zur Satzung – beim MLT vorliegen? Nennen Sie eine
    typische Arbeitnehmergruppe, für die Mindestlohntarife zur Anwendung
    kommen!
A

Mindestlohntarife sind Regelungen betreffend Mindestentgelt und Mindestbeträge für den
Auslagenersatz.
(§ 22 ArbVG)
Andere Arbeitsbedingungen können nicht vom MLT geregelt werden.
Es handelt sich um eine behördliche Mindestlohnfestsetzung mittels Verordnung vom
Bundeseinigungsamt, das auf Antrag einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft der AN agiert.
Dieses Recht haben Arbeitgeber-Vereinigungen nicht!
Örtlicher Anwendungsbereich: Ganzes Bundesgebiet oder nur bestimmte Bundesländer.
Bemessung der Höhe: In Rücksicht auf verwandte Branchen festzusetzen.
Veröffentlichung: Wie Satzung im BGBl II.
Voraussetzungen:
- Kein KV möglich, mangels kollektivvertragsfähigen Körperschaften auf Arbeitgeberseite!
(Au-pairs, Hausgehilfen, Privatlehrer, Pflegekräften im Privathaushalt)
- Keine Satzung erfolgt
Mindestlohntarif ist wie KV und Lehrlingsentschädigung ein KV-Surrogat.
Die Normen des MLT sind unmittelbar-rechtswirksam (Normwirkung) und einseitig-zwingend.
Auch dem MLT kommt Nachwirkung zu.
Wenn MLT mit (nachträglichem!) KV oder Satzung kollidiert, geht KV oder Satzung vor, solang der
fachliche Geltungsbereich gleich ist.

24
Q
  1. Kann eine Betriebsvereinbarung beliebige Angelegenheiten regeln, wenn
    Betriebsrat und Betriebsinhaber sich darüber einigen?
A

Eine Betriebsvereinbarung ist eine schriftliche, dem Privatrecht unterliegende Vereinbarung, die
zwischen einem zuständigen AN-Organ (z.B.: Betriebsrat) und dem Betriebsinhaber abgeschlossen
wird.
Die BV ist ein einseitig-korporatives Instrument der Mitbestimmung im Betrieb.
Die zu regelnde Angelegenheit muss durch Gesetz, KV oder eventuell auch Satzung der
Betriebsvereinbarung vorbehalten sein (§29 ArbVG).
Gesetzliche Ermächtigungen finden sich hauptsächlich in den §§ 96, 96a, 97 ArbVG, zum Teil
auch in Sondergesetzen.
Aus dieser Legaldefinition ergibt sich eine beschränkte Regelungsmacht für die
Betriebsvereinbarung, die nur so weit reicht, als eine Ermächtigung aus Gesetz oder KV (oder
Satzung) existiert.
Wenn dieser Regelungsraum der Betriebsverfassung nicht eröffnet ist und dennoch eine BV über
eine Angelegenheit abgeschlossen wird, spricht man irreführend von einer freien
Betriebsvereinbarung. Eine solche ist keine Betriebsvereinbarung, kann aber als einzelvertragliche
Ergänzung (§863 ABGB) in die Arbeitsverträge der AN eingehen, die dieser (schlüssig) zustimmen
kann.
(Vertragsschablonen-Theorie)

25
Q
  1. Sind Betriebsvereinbarungen innerbetrieblich und überbetrieblich
    kundzumachen? Wenn ja, führt die mangelnde Kundmachung zur
    Rechtsunwirksamkeit der Betriebsvereinbarung?
A

Betriebsvereinbarungen müssen im Betrieb für alle AN sichtbar und zugänglich aufgelegt oder
angeschlagen werden.
Entscheidend ist, dass für alle von der BV erfassten AN ein problemloser Zugang zum System
besteht und diese davon auch informiert sind.
Spezielle Hinterlegungsvorschriften (wie für den KV) gibt es nicht.
Erst nach dem Wirksamwerden der Betriebsvereinbarung ist diese vom Betriebsinhaber den AG und
AN Interessensvertretungen zu übermitteln.
Werden Form- oder Kundmachungsvorschriften verletzt besteht obligatorische Wirkung zwischen
den Vertragsparteien, aber keine normative Wirkung für die AN (Dritte).
(Eventuell Wirkung nach der Vertragsschablonentheorie)