Jugendstrafrecht Flashcards

(38 cards)

1
Q

Begriff Jugendstrafrecht

A

Sonderstrafrecht für junge Täter, die sich zum Zeitpunkt ihrer Tat in der kritischen Übergangsphase zwischen Kindheit und Erwachsenenalter befinden

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2
Q

kriminologische Befunde über Jugenddelinquenz

A
  • überwiegend bagatellhaft
  • “normale” Begleiterscheinung in der Entwicklung junger Menschen, Massenphänomen
  • ubiquitär: alle Bevölkerungsschichten
  • passager (episodenhaft): Anstieg 16-21, danach Rückgang, Spontanbewährung
  • selten Polizeikontakte/Sanktionierung
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3
Q

Anwendbarkeit, § 1 JGG

A
  1. sachlicher Anwendungsbereich, § 1 I JGG

2. persönlicher Anwendungsbereich, §§ 1 II, 105 JGG, 19 StGB

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4
Q

sachlicher Anwendungsbereich

A

§ 1 I JGG: Verfehlung

= Vergehen und Verbrechen nach StGB und Nebenstrafrecht (§ 11 I Nr. 5 StGB), keine OWis

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5
Q

persönlicher Anwendungsbereich

A
  • Kinder → Strafunmündigkeit, § 19 StGB, Maßnahmen des Familiengerichts, Kinder- und Jugendhilfe
  • Jugendliche (14 - 17 Jahre) → JGG anwendbar, wenn Verantwortlichkeit gem. § 3 JGG (+)
  • Heranwachsende (18 - 21 J.) → § 1 II, 105 f. JGG, Reifebeurteilung; Anwendbarkeit, wenn mindestens eine Voraussetzung nach § 105 I JGG (+)
    maßgeblich ist Alter zur Tatzeit, § 1 II JGG!
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6
Q

P: kindliche Intensivtäter

A
  • möglich: Familienrichter (ggf. Unterbringung, §§ 1666 f. BGB) und Jugendamt (§ 42 III 2 SGB VIII)
  • str., ob Kinderdelinquenz in späteren Strafverfahren berücksichtigt werden darf
    (+) intensive Kinderdelinquenz nicht ubiquitär
    (-) Datenschutz, Unschuldsvermutung
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7
Q

str.: Verhältnis § 3 JGG - §§ 20, 21 StGB

A

§ 3 JGG → entwicklungsbedingter Reiferückstand
§§ 20, 21 StGB → entwicklungsunabhängige psychopathologische Störung
P: § 3 JGG (Jugendhilferecht) und § 20 StGB (Maßregeln der Besserung & Sicherung) liegen gleichzeitig vor
P: § 21 StGB und fehlende Verantwortlichkeit nach § 3 JGG

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8
Q

P: Zweifelsfälle bei Reifebeurteilung i. R. d. § 105 JGG

A

h. M.: in dubio pro JGG

(-) JGG kann im Einzelfall eingriffsintensiver sein

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9
Q

P: nicht behebbare Entwicklungsmängel i. R. d. § 105 JGG

A

BGH: keine Anwendung JGG, wenn Entwicklung abgeschlossen
(+) keine Formbarkeit gegeben
(-) Schuldminderung durch mangelnde Entwicklung wird übergangen, i. Ü. “Lebenslaufprognose” nicht tragfähig

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10
Q

Maßstab bei Sanktionsfindung

A

Entscheidung grds. nach Erziehungsgedanke und Verhältnismäßigkeit (Subsidiaritätsgedanke)

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11
Q

Erziehungsmaßregeln, §§ 9 ff. JGG

A
  • reines Erziehungsmittel ohne “ahnenden” Charakter, um erneuter Straffälligkeit durch erzieherische Wirkung entgegenzuwirken
    → Anknüpfung an Erziehungsdefizit
    → Ziel: Spezialprävention i. S. d. Erziehungsgedankens (vgl. § 5 I JGG)
  • v. a. Weisungen, § 10 JGG
  • Verhältnismäßigkeit
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12
Q

Jugendstrafe, §§ 17 ff. JGG

A
  • Charakter: echte Kriminalstrafe; zwar grds. auch mit besonderer spezialpräventiver Zielsetzung i. S. d. Erziehungsgedankens, aber nach h. M. auch Vergeltungsaspekt und Ahndung der Straftat
  • ultima ratio: mildere Mittel (EZMR, Zuchtmittel) reichen nicht aus
  • Bewährung, §§ 21 ff. JGG
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13
Q

schädliche Neigungen, § 17 II Alt. 1 JGG

A

= erhebliche Anlage- oder Erziehungsmängel, die die Gefahr begründen, dass der Jugendliche ohne längere (stationäre) Gesamterziehung die Gemeinschaftsordnung durch weitere Straftaten erheblich stören wird
→ müssen schon vor der Tat vorgelegen haben und zum Zeitpunkt der Verurteilung fortbestehen

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14
Q

Schwere der Schuld, § 17 II Alt. 2 JGG

A
  • äußerer Unrechtsgehalt
  • schwerer Schuldvorwurf (innere Einstellung des Täters zur Tat)
    → wenn ein Absehen von Strafe in einem unerträglichen Widerspruch zum allgemeinen Gerechtigkeitsgefühl stehen würde
    → Vergeltungsaspekt, Erziehungsgedanke tritt zurück
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15
Q

Warnschussarrest (Kopplungsarrest), § 16a JGG

A
  • Eindruck eines “Freispruchs zweiter Klasse” soll vermieden werden
  • Ausnahme von grundsätzlicher Einspurigkeit freiheitsentziehender Sanktionen
    → kurzer Freiheitsentzug zu Beginn der Bewährungszeit soll durch Abschreckungswirkung die Legalbewährung der Verurteilten verbessern
    Kritik: nicht notwendig, Bewährungshelfer; Durchbrechen Subsidiaritätsprinzip
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16
Q

Merkmale Jugendstrafrecht

A
  • Täterstrafrecht (→ Welcher Sanktionsbedarf besteht?)
  • Sonderstrafrecht (→ Flexibilität Verfahren + Rechtsfolgen)
  • Erziehungsstrafrecht (→ § 2 I JGG)
  • Beschleunigungsgebot
17
Q

§ 3 JGG

A
  • i. R. d. Schuld prüfen, strafrechtliche Verantwortlichkeit muss immer positiv festgestellt werden!
  • gilt nur für Jugendliche, nicht Heranwachsende
  • Einsichts- + Steuerungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt
18
Q

Modalitäten der Tatbegehung bei Jugendlichen

A
  • in der Gruppe / aus dem Gruppenzusammenhang heraus
  • in öffentlichen Räumen
  • auf unorganisierte, spontane, auf Gelegenheiten ansprechende oder erlebnisorientierte Weise
19
Q

Entwicklung Jugendkriminalität

A

in PKS Anstieg in den 1990ern verzeichnet, zuletzt Abnahme
→ aber in Dunkelfeldforschung Niveau selbstberichteter Delinquenz stabil geblieben → veränderte gesellschaftliche Sensibilität, gestiegene Anzeigebereitschaft

20
Q

Mehrfach-/ Intensivtäter

A
  • sehr kleine Gruppe
  • schwere Taten, nicht mehr normal und verbreitet
  • turning points: Veränderungen der individuellen Lebensform (Partnerschaft, Arbeitsplatz, nicht Sanktion als solche) führen zu Ausstieg
    → ungünstige Umweltfaktoren, individuelle Defizite
21
Q

Einsichtsfähigkeit, § 3 JGG

A

Jugendlicher muss über Verstandesreife (Kenntnis und Verstehen des Verbots) und die sittliche (emotional verankertes Gefühl, dass Verbotseinhaltung richtig ist) Reife verfügen, das Unrecht der Tat einzusehen
Indizien: Lebensalter, Bildung, Erziehung, Herkunft, Denk- und Kombinationsvermögen

22
Q

Steuerungsfähigkeit, § 3 JGG

A

Jugendlicher muss über die Fähigkeit verfügen, nach Einsicht zu handeln

23
Q

§ 105 I Nr. 1 JGG: einem Jugendlichen gleichstand

A
  • Reifebeurteilung (täterbezogen: Reifedefizit kann aus allen Zügen der Gesamtpersönlichkeit folgen
  • Jugendlicher = unfertiger, noch formbarer Mensch
  • BGH: entscheidend, ob in dem Täter noch in größerem Umfang Entwicklungskräfte wirksam sind - Reifeverzögerung
    → Marburger Richtlinien: Kriterien, die darauf hindeuten, dass abgeschlossene Persönlichkeitsentwicklung noch nicht angenommen werden kann
24
Q

§ 105 I Nr. 2 JGG: Art, Umstände, Beweggründe der Tat = Jugendverfehlung

A

→ wenn konkrete Tat auf jugendlichen Leichtsinn, Unüberlegtheit oder soziale Unreife zurückgeht

  • entscheidend: jugendtypische Motivation oder Verhaltensweise (fehlende Beherrschung, Abenteuerlust, Experimentieren, Grenzen austesten, Imponiergehabe etc.)
  • tatbezogen
  • Beweiserleichterung
25
Voraussetzungen für Verhängung Erziehungsmaßregel nach §§ 9 ff. JGG
- Erziehungsbedürftigkeit: Erziehung mit den Mitteln des Strafrechts wegen Umständen in der Person erforderlich, Ursachenzusmmenhang Erziehungsdefizit - Straftat - Erziehungsfähigkeit: Erziehungsziel darf nicht ausgeschlossen sein - erzieherische Wirkung: Erforderlichkeit + Zweckmäßigkeit, tatvergeltende Aspekte bleiben außer Betracht
26
Weisungen, § 10 JGG
- Katalog nicht abschließend, Richter hat Weisungsfindungsrecht - erzieherische Wirkung: unmittelbarer Bezug zur Tat erforderlich
27
Zuchtmittel, §§ 13 ff. JGG
- neben Erziehungs- auch Ahndungscharakter (Schuldausgleich, Vergeltung) - kommen zur Anwendung, wenn JS nicht geboten, aber Jugendlichem aufgezeigt werden muss, dass er für das begangene Unrecht einzustehen hat, Unrechtsverdeutlichung → eindringliches Bewusstmachen der Rechtsüberschreitung, § 13 I JGG - Ziel: Spezialprävention i. S. d. Erziehungsgedankens (vgl. § 5 II JGG) - grds. "gut gearteter" Jugendlicher - Verhältnismäßigkeit
28
Ungehorsamsarrest, § 11 III JGG
Beugemaßnahme, um Verurteilten zur Erfüllung der Weisung zu veranlassen - schuldhaft: bemisst sich nach § 3 JGG, § 20 StGB, auch RW kann fehlen - Belehrung: bereits in mündlicher Verhandlung - kann → nur bei erheblichen Verstößen, Ausnahme; Arrest kann zu Verstärkung der Ablehnung führen
29
Jugendarrest
- Wirkung durch kurzen harten Zugriff (-) zu kurz, um erzieherische Effekte zu erzielen (-) negative Effekte (-) oft nur reines Wegschließen aber Praxis zeigt Notwendigkeit eines letzten Mittels vor Jugendstrafe
30
Strafrahmen
- Strafrahmen des allg. Strafrechts gelten nicht - 6 Monate bis 5 (10) Jahre, Obergrenze: Schuld darunter/darüber erziehliche Wirkung (-), Jugendlicher noch formbar, Resozialisierung soll möglich sein generalpräventive Gesichtspunkte nach h. M. nicht berücksichtigungsfähig!
31
§ 21 JGG - § 27 JGG
§ 21 JGG: wenn Vrss. (+), muss Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden § 27 JGG: nicht sicher ob schädliche Neigungen vorliegen → Vrss. für JS nicht sicher
32
§ 8 JGG
(mehrere) Erziehungsmaßregeln und (mehrere) Zuchtmittel können grundsätzlich frei kombiniert werden Einschränkungen: § 8 I 2, II 1 JGG → Einspurigkeit freiheitsentziehender Sanktionen / Kopplungsverbot Ausnahme: Warnschussarrest
33
Diversion
= informelle Erledigung Hintergrund: da Jugendkriminalität überwiegend bagatell- und episodenhaft, besteht kein Bedürfnis für eine ahnende Sanktion und kein Erziehungsbedarf durch förmliches Verfahren droht Stigmatisierung → Reduzierung Fallzahlen, Verfahrensbeschleunigung → Entlastung Justiz
34
Einheitsprinzip, §§ 31 ff. JGG
Rechtsfolgenbestimmung erfolgt einheitlich nach der Persönlichkeit und den Erziehungsbedürfnissen des Täters → keine Gesamtstrafenbildung, nur Einheitsstrafe
35
Verständigung im JSR möglich?
e. A.: (-) (+) mit Erziehungsgedanken schwer zu vereinbaren h. M.: (+) (+) keine abweichenden Regelungen im JGG (vgl. § 2 II JGG) aber nicht Frage, ob JSR oder EWS anwendbar, da dies allein von § 105 JGG abhängt und bereits zur Tatzeit vorgelegen haben muss
36
Diversion | § 45 I JGG
Einstellung durch StA ohne Folgen | → wenn öff. Interesse (-)
37
Diversion | § 45 II JGG
Anregung erzieherischer Maßnahmen durch StA, aber keine Anordnung
38
Diversion | str.: Anordnugnskompetenz der StA?
h. M.: keine Anordnungs- aber Anregungskompetenz | → wiederum str.: Kann Staatsanwaltschaft alle Rechtsfolgen anregen?