Lernsheet 5 - Sexuelle Orientierung Flashcards
(65 cards)
Operationalisierung Sexueller Orientierungen – vier Zugänge zur sexuellen Orientierung
(Brian Mustanski et al. 2014) !!
Sexuelle
Anziehung
Selbst-
Identifikation
Sexuelles
Verhalten
Romantische
Orientierung
Welche Operationalisierungen verwenden Studien? Kinsey-Skala
(Alfred Kinsey)
➢Viele Studien bewerten nur die Anziehung gegenüber
Frauen/Männer (ACHTUNG: Alltagstheorie der
Zweigeschlechtlichkeit)
➢Alfred Kinsey (1948/1953) bewertete sexuelles Verhalten
- Konzept der Kinsey-Skala
Die Skala reicht von 0 (exklusiv heterosexuell) bis 6 (exklusiv homosexuell).
Sie bietet auch eine Zwischenkategorie: X für Personen, die keine sexuelle Anziehung verspüren (vergleichbar mit Asexualität).
Sie misst sexuelle Orientierung als ein Kontinuum statt als binäre Kategorie. - Operationalisierung in Studien
Studien nutzen die Kinsey-Skala typischerweise durch:
Selbsteinschätzung: Teilnehmende bewerten sich selbst anhand der Skala (z. B. durch Fragebögen oder Interviews).
Erfassung von Verhaltensweisen: Fragen können sich auf vergangene, gegenwärtige oder zukünftige sexuelle Erfahrungen und Wünsche beziehen.
Adaptierte Versionen: Einige Studien passen die Skala an, um differenziertere Kategorien oder zusätzliche Dimensionen (z. B. romantische Orientierung) einzubeziehen.
3. Typische Fragestellungen in Studien
“Wo würden Sie sich auf einer Skala von 0 bis 6 einordnen, basierend auf Ihrer sexuellen Orientierung?”
“Welche Art von sexuellen Beziehungen haben Sie in der Vergangenheit bevorzugt?”
Androphilie/Gynophilie-Konzept (vgl. evolutionäre Studien zur sexuellen Orientierung);
Gynophilie vs Androphilie - stehe ich entweder auf männlich gelesene Körper oder eher auf weiblich gelesene Körper? welche körperliche Morphe finde ich für mich subjektiv sexuell interessanter?
zusätzliche Inklusion von Intersexualität (Andrea James)
Intersexualität bezeichnet angeborene Variationen der körperlichen Geschlechtsmerkmale (z. B. Chromosomen, Gonaden, Genitalien), die nicht eindeutig männlich oder weiblich sind.
Die traditionelle Kinsey-Skala fokussiert sich primär auf das Spektrum der sexuellen Orientierung und weniger auf geschlechtliche Vielfalt. Andrea James und andere Aktivistinnen/Forscherinnen haben auf die Notwendigkeit hingewiesen, Geschlecht und Orientierung differenziert zu betrachten.
Monosexuell vs. Non-
Monosexuell
Amber Ault (1996) untersuchte die Unterschiede zwischen monosexuellen und non-monosexuellen Orientierungen und prägte dabei wichtige Begriffe und Konzepte, die sich auf die Vielfalt sexueller Identitäten beziehen. Hier ein Überblick:
Monosexuell
Personen, die sich ausschließlich zu einem Geschlecht hingezogen fühlen.
Beispiele: Heterosexuell (Anziehung zum anderen Geschlecht) und homosexuell (Anziehung zum gleichen Geschlecht).
Monosexualität folgt einem binären Verständnis von sexueller Orientierung.
Non-Monosexuell
Personen, deren sexuelle Orientierung nicht auf ein einzelnes Geschlecht begrenzt ist.
Beispiele: Bisexuell, pansexuell, polysexuell oder andere Identitäten, die Anziehung zu mehr als einem Geschlecht beinhalten.
Non-Monosexualität betont die Fluidität und Vielfalt sexueller Orientierung.
Monosexuell – Plurisexuell – Asexuell
Bleibt die Anziehung konstant auf eine Geschlechtsmorphe oder kann sie wechseln?
🔹 Monosexuell → Anziehung zu einer Geschlechtskategorie
Beispiele: Heterosexuell, Homosexuell (gay, lesbisch)
Ein schwuler Mann ist genauso monosexuell wie eine heterosexuelle Person – beide fühlen sich nur zu einer Geschlechtsmorphe hingezogen.
🔹 Plurisexuell → Anziehung zu mehreren Geschlechtsmorphologien
Beispiele: Bisexuell, Pansexuell, Queer, Omnisexuell
Anziehung kann gleich stark oder unterschiedlich zwischen Geschlechtern verteilt sein.
🔹 Asexuell → Keine oder geringe sexuelle Anziehung
Kann unabhängig von romantischer Orientierung sein (z. B. aromantisch, biromantisch, homoromantisch).
🎯 Fazit:
Mono- & Plurisexualität beschreiben das Spektrum sexueller Anziehung, unabhängig von homo- oder heterosexueller Orientierung.
Asexualität steht außerhalb dieses Modells, da keine oder kaum sexuelle Anziehung empfunden wird.
Sexuelle Identität
➢Ist ein Aspekt der persönlichen Identität, der den Charakter einer
Person prägt und durch internale und externale Faktoren mitbedingt
wird
➢Enthält das kognitive und emotionale Verständnis von Sexualität
inklusive Anziehung, Wünsche, Verhaltensweisen und
Beziehungsformen (Elizabeth Morgan, 2013; Savin-Williams, 2011)
➢Entwicklung einer ‚Sexuelle Minderheiten Identität‘ (Sinead Kelleher et al., 2023)
▪Gefühl anders als die Peers zu ein
▪Identifikation einer Orientierung die mit romantischen und sexuellen
Wünschen übereinstimmt
▪Disclosing
Sexuelle Orientierungen – Begriffe (hetero-, homo-, bi+/plurisexuell/non-monosexuell; Problem
des Bisexualitätsbegriffs, pansexuell/omnisexuell, polysexuell, asexuell, graysexuell,
demisexuell, autosexuell)
Heterosexuell
Sexuelle und/oder romantische Anziehung zu Personen des anderen Geschlechts.
Traditionell binär gedacht (z. B. Mann zu Frau), wobei die Inklusion nicht-binärer Menschen oft fehlt.
Homosexuell
Sexuelle und/oder romantische Anziehung zu Personen des gleichen Geschlechts.
Begriffe wie „schwul“ (für Männer) oder „lesbisch“ (für Frauen) werden oft präferiert, da „homosexuell“ manchmal als klinisch oder stigmatisierend empfunden wird.
Bisexuell (bi+)
Anziehung zu mehr als einem Geschlecht, aber nicht unbedingt zu allen.
Problem des Begriffs:
Ursprünglich binär gedacht (Männer und Frauen), was Menschen außerhalb des binären Geschlechtssystems ausschließt.
Viele verwenden „bi+“ oder „plurisexuell“, um die Offenheit gegenüber mehreren Geschlechtern zu betonen, ohne eine Begrenzung zu implizieren.
Pansexuell/Omnisexuell
Anziehung zu Menschen unabhängig von deren Geschlecht oder Geschlechtsidentität.
Unterschied:
Pansexuell: Geschlecht ist irrelevant.
Omnisexuell: Geschlecht wird wahrgenommen, ist aber kein Ausschlusskriterium.
Polysexuell
Anziehung zu mehreren, aber nicht allen Geschlechtern.
Unterschiede zu bi- und pansexuell: Fokus liegt auf bestimmten Geschlechtern, wobei andere ausgeschlossen sein können.
Asexuell
Keine oder nur geringe sexuelle Anziehung.
Emotionale, romantische oder platonische Beziehungen sind dennoch möglich.
Kann ein Spektrum umfassen (siehe „graysexuell“, „demisexuell“).
Graysexuell
Anziehung nur selten oder unter besonderen Umständen.
Liegt zwischen asexuell und allosexuell (Menschen mit typischen sexuellen Anziehungen).
Demisexuell
Sexuelle Anziehung entsteht nur bei einer starken emotionalen Bindung.
Grenzt sich von romantischer Anziehung ab, da diese unabhängig von sexuellen Anziehungsmöglichkeiten existieren kann.
Autosexuell
Anziehung zu sich selbst; oft in Verbindung mit Masturbation oder Selbstverehrung.
Kann eine Ergänzung oder Alternative zu anderen Orientierungen sein.
Probleme des Begriffs “Bisexualität”
Binäres Geschlechtsverständnis: Der Begriff suggeriert Anziehung zu zwei Geschlechtern (männlich/weiblich).
Unsichtbarkeit anderer Orientierungen: Kann pan-, poly- oder omnisexuelle Menschen ausschließen.
Diskriminierung in der LGBTQIA+-Community: Bisexuelle Menschen werden oft als “phasehaft” oder “nicht eindeutig” wahrgenommen (sogenannte Bi-Phobie).
Sexuelle Orientierungen als Trait? Dunedin-Studie (2003), US-Jugendkohortenstudie (2019);
Studie zur Sexual Orientation Fluidity (2024)
Untersuchte Stabilität sexueller Orientierung über die Zeit
Ergebnisse:
Heterosexuelle & homosexuelle Orientierungen meist stabil
Bisexuelle Orientierung zeigt häufiger Fluidität → Veränderungen in sexueller Anziehung über die Zeit
Schlussfolgerung:
Sexuelle Orientierung ist für viele stabil, aber bisexuelle Menschen erleben häufiger Veränderungen.
2. US-Jugendkohortenstudie (2019) – Entwicklung in jungen Jahren
Untersuchung sexueller Orientierung bei Jugendlichen & jungen Erwachsenen über mehrere Jahre
Ergebnisse:
Hohe Dynamik bei nicht-monosexuellen Personen (bisexuell, pansexuell)
Mehr als 1/3 änderte oder bestätigte ihre Orientierung im Verlauf der Studie
Schlussfolgerung:
Sexuelle Orientierung kann in der Jugend und frühen Erwachsenenphase fluid sein, besonders bei nicht-monosexuellen Identitäten.
3. Studie zur Sexual Orientation Fluidity (2024) – Langzeituntersuchung
Fokus auf Fluidität sexueller Orientierung über längere Zeiträume
Ergebnisse:
Besonders in den späten Teenagerjahren & 20ern traten Veränderungen auf
Häufige Übergänge zwischen hetero-, bi- und pansexuellen Orientierungen
Faktoren für Fluidität: soziale Unterstützung, Lebensereignisse, psychoemotionale Entwicklung
Schlussfolgerung:
Sexuelle Orientierung ist für viele dynamisch & sozial beeinflusst, besonders im jungen Erwachsenenalter.
4. Gesamtergebnisse & Interpretation
Sexuelle Orientierung als Trait:
Für viele stabil (v. a. hetero- & homosexuell)
Dennoch gibt es einen signifikanten Anteil an fluiden Orientierungen, vor allem bei bisexuellen & pansexuellen Menschen
Entwicklung & Kontext:
Soziale, kulturelle & emotionale Faktoren beeinflussen sexuelle Orientierung
Sie sollte eher als Spektrum statt als festgelegtes Trait betrachtet werden
Prävalenzzahlen (Ritch C. Savin-Williams & Zhana Vrangalova, 2013, Gregory Phillips et al,
2019; Qazi Rahman et al. 2020, IPSOS, 2021 (grobe) Größenordnungen)
📌 Heterosexualität dominiert, aber nicht-exklusive heterosexuelle Anziehung ist verbreitet
🔹 Historische Studien:
Kinsey (1948): 37 % der Männer hatten homosexuelle Erfahrungen.
Laumann et al. (1994):
Homosexualität: 3,1 % Männer, 0,9 % Frauen.
Bisexualität: 0,6 % Männer, 0,8 % Frauen.
🔹 Metaanalyse (Savin-Williams & Vrangalova, 2013):
Nur heterosexuell: 93,2 % Männer, 86,8 % Frauen.
Mehr Frauen als Männer identifizieren sich als „meist heterosexuell“.
Bisexualität häufiger bei Frauen als bei Männern.
🔹 Internationale Studie (Rahman et al., 2020, 28 Länder, n = 191.088):
Sexuelle Identität:
Heterosexuell: 90,0 % Männer, 90,7 % Frauen.
Bisexuell: 5,1 % Männer, 7,2 % Frauen.
Schwul/lesbisch: 4,9 % Männer, 2,1 % Frauen (starke nationale Unterschiede).
Sexuelle Anziehung:
82,6 % Männer & 66,2 % Frauen fühlen sich überwiegend nicht vom gleichen Geschlecht angezogen.
10,2 % Männer & 27,3 % Frauen erleben moderate gleichgeschlechtliche Anziehung.
7,2 % Männer & 6,5 % Frauen fühlen sich vorwiegend vom selben Geschlecht angezogen.
Kein Zusammenhang mit gesellschaftlichen Faktoren (Gender Normen, Individualismus etc.).
🔹 IPSOS LGBT+Pride 2021 (27 Länder, n = 16.069):
Selbstidentifikation:
80 % heterosexuell, 3 % schwul/lesbisch, 4 % bisexuell, 1 % pansexuell, 1 % asexuell.
11 % unsicher oder keine Angabe.
Männer häufiger als schwul (4 %) als Frauen als lesbisch (1 %).
Sexuelle Anziehung:
80 % der Heterosexuellen fühlen sich ausschließlich vom anderen Geschlecht angezogen.
60 % der Schwulen/Lesben ausschließlich, 24 % meistens vom gleichen Geschlecht.
48 % der Bisexuellen fühlen sich gleich stark von beiden Geschlechtern angezogen.
Trans-Personen (1 % der Befragten):*
19 % heterosexuell, 12 % asexuell, 9 % bisexuell, 7 % andere Identität.
🎯 Fazit:
Mehr Frauen als Männer zeigen nicht-exklusive heterosexuelle Anziehung.
Bisexualität & Fluidität sind weiter verbreitet als oft angenommen.
Gesellschaftliche Faktoren haben weniger Einfluss auf sexuelle Orientierung als vermutet.
Sexuelle Orientierungen und psychische Gesundheit – Minority-Stress-Modell
(Ilan H. Meyer,
2003) !!!
➢Personen aus der Sexual-Gender-Minority Gruppe (SGM) weisen höhere
Raten an Depression und Angst auf verglichen mit Cisgender-
Heterosexuellen (Ilan H. Meyer, 2003; Tineke Fokkema & Lisette Kuyper,
2009; Fredriksen-Goldsen et al., 2013)
➢Minority-Stress-Model (Ilan H. Meyer, 2003)
▪Minority Stress→ liegt in Vorurteilen und Stigmatisierung begründet
▪Genereller Stress + distale + proximale Stress-Prozesse
−Distale Prozesse gehen von Personen oder Institutionen aus
−Proximale Prozesse kommen durch Sozialisationsprozesse
Norm-Centered Stigma Theorie (Meredith Worten, 2020)
Erweiterung der Stigma-Forschung mit Fokus auf:
✅ Normen & Normverletzungen → Gesellschaftliche Regeln definieren, was als akzeptabel gilt. Wer diese verletzt, riskiert Stigmatisierung.
✅ Soziale Machtdynamiken → Machtverhältnisse bestimmen, wer Normen festlegt & durchsetzt.
✅ Wechselwirkung zwischen beiden → Normen und Stigma beeinflussen sich gegenseitig und können sich verändern.
Drei zentrale Grundsätze:
1️⃣ Kulturabhängige Beziehung zwischen Normen & Stigma
Normen definieren Erwartungen, Glaubensstandards, Identitäten & Verhaltensweisen
Was als „abweichend“ gilt, ist kulturell & historisch variabel
2️⃣ Intersektionale Machtdynamiken vermitteln die Norm-Stigma-Beziehung
Normverletzung → Stigma (z. B. queere Identitäten in homophoben Gesellschaften)
Normkonformität → Privilegien (z. B. Heterosexualität als gesellschaftlicher Standard)
3️⃣ Stigma wird durch Normen gerechtfertigt & durch soziale Sanktionen verstärkt
Wer Normen verletzt, erfährt Diskriminierung, Ausschluss oder Bestrafung
Diese Sanktionen dienen der Aufrechterhaltung sozialer Hierarchien
Übergangszone („Zone of Transmission“) – Wie sich Stigma verändert
📌 Veränderung von Stigma durch gesellschaftliche Aufmerksamkeit
📌 Identitäten & Verhaltensweisen beginnen sich zu normalisieren
📌 Beispiel:
Früher war Homosexualität stark stigmatisiert
Durch öffentliche Debatten & gesetzliche Änderungen (z. B. Ehe für alle) hat sich das gesellschaftliche Bild gewandelt
📌 Fazit: Stigma-Wandel → Norm-Wandel
Anwendungen auf die queere Community (Worthen, 2024)
💡 Bestimmte Identitäten erleben unterschiedliche Formen von Stigmatisierung oder Akzeptanz:
Femme → Weiblich präsentierende queere Personen (oft in lesbischen oder nicht-binären Kontexten)
Twink → Junge, schlanke, feminin wirkende schwule Männer
Butch → Maskulin präsentierende lesbische oder nicht-binäre Personen
👀 Diese Begriffe & Identitäten waren/sind unterschiedlich stark stigmatisiert oder fetischisiert – ihr Status verändert sich im gesellschaftlichen Diskurs.
➡️ Die Theorie hilft zu erklären, warum manche Gruppen stärker stigmatisiert werden & wie gesellschaftlicher Wandel diese Prozesse beeinflussen kann.
Probleme des Begriffs “Bisexualität”
Binäres Geschlechtsverständnis: Der Begriff suggeriert Anziehung zu zwei Geschlechtern (männlich/weiblich).
Unsichtbarkeit anderer Orientierungen: Kann pan-, poly- oder omnisexuelle Menschen ausschließen.
Diskriminierung in der LGBTQIA+-Community: Bisexuelle Menschen werden oft als “phasehaft” oder “nicht eindeutig” wahrgenommen (sogenannte Bi-Phobie).
Höhere Bisexualität bzw. Sexual Fluidity bei Frauen
Erklärungsansätze
Erotic Plasticity
Höhere
intraindividuelle Variabilität der Sexualität, da diese stärker von außen
beeinflussbar.
aben Frauen eine höhere Erotic Plasticity als Männer, was bedeutet, dass ihre sexuelle Orientierung und Präferenzen stärker durch äußere Faktoren beeinflusst und verändert werden können. Frauen zeigen häufig eine größere sexuelle Flexibilität, was sich in einer variableren sexuellen Orientierung zeigen kann. Zum Beispiel könnte eine Frau, die sich zunächst als heterosexuell definiert, im Laufe ihres Lebens sexuelle Anziehung zu anderen Frauen erleben und sich als bisexuell oder homosexuell identifizieren.
Höhere Bisexualität bzw. Sexual Fluidity bei Frauen
Erklärungsansätze
Sexual Fluidity…
situationsabhängige Flexibilität in der sexuellen Response Sexual Fluidity beschreibt die Fähigkeit, dass sich sexuelle Orientierung, Präferenzen oder romantische Anziehungen im Laufe der Zeit oder in unterschiedlichen Kontexten ändern können. Es handelt sich nicht um eine starre Orientierung, sondern um eine flexible, situations- und kontextabhängige Dynamik der Sexualität.
Höhere Bisexualität bzw. Sexual Fluidity bei Frauen
Erklärungsansätze
Life History Strategie
- Life History Theory & sexuelle Fluidität
Life History Theory: Modell aus der Evolutionsbiologie, das beschreibt, wie Organismen Ressourcen zwischen Wachstum, Fortpflanzung & Überleben aufteilen
Hormonell mediierte schnelle Life History Strategy (Luoto et al., 2019):
Verknüpft hormonelle Einflüsse mit sexueller Orientierung & Verhalten
Erklärt insbesondere die höhere sexuelle Fluidität bei Frauen
2. Hauptannahmen der Theorie
Schnelle Life History Strategie:
Anpassung an instabile oder unsichere Umweltbedingungen
Mehr Flexibilität in sexueller Orientierung & Verhalten, um soziale Bindungen & Ressourcenverfügbarkeit zu optimieren
Hormonelle Einflüsse:
Androgene & Östrogene beeinflussen sexuelle Orientierung & Partnerwahl
Höhere Androgenwerte → mehr sexuelle Fluidität & Bisexualität
Sozialer & reproduktiver Vorteil:
Sexuelle Fluidität könnte soziale Koalitionen stärken & adaptive Vorteile in bestimmten Umfeldern bieten
Wechselnde Umweltbedingungen erfordern mehr Flexibilität in Beziehungen
3. Evolutionsbiologische Perspektive
Sexuelle Fluidität als evolutionär vorteilhaft → ermöglicht flexiblere Partnerwahl & soziale Anpassung
Besonders bei Frauen ausgeprägt, da weibliche Sexualität stärker von Kontext & sozialem Umfeld beeinflusst wird
Fazit
Hormonelle & evolutionäre Mechanismen könnten die höhere sexuelle Fluidität bei Frauen erklären
Schnelle Life History Strategie als Anpassung an Umweltbedingungen
Weitere Forschung notwendig, um die komplexe Wechselwirkung zwischen Biologie, Umwelt & Sexualität besser zu verstehen
Höhere Bisexualität bzw. Sexual Fluidity bei Frauen
Erklärungsansätze
Alloparenting-Buffer
Sicherung des
Aufzuchterfolges des Nachwuchses, wenn der männliche Paarungspartner
verstorben ist
Höhere Bisexualität bzw. Sexual Fluidity bei Frauen
Erklärungsansätze
Infantizid-Vermeidung
Infantizid-Vermeidung (Luoto et al, 2019) → höhere
Überlebenschancen der Nachkommen, wenn bei Tod des Mannes
Allianzen/Beziehung mit einer anderen Frauen statt mit Männern
eingegangen wird
Höhere Bisexualität bzw. Sexual Fluidity bei Frauen
Erklärungsansätze
Male-Choice Theory
Männer
haben evolutionär Frauen bevorzugt, die auch mit anderen Frauen sexuell
aktiv sind/waren
Höhere Bisexualität bzw. Sexual Fluidity bei Frauen
Erklärungsansätze Polygynie-Hypothese
- Grundannahme der Polygynie-Hypothese (Kanazawa, 2017)
Polygynie = eine Form der Vielehe, bei der ein Mann mehrere Frauen hat
Höhere Bisexualität & sexuelle Fluidität bei Frauen als evolutionäre Anpassung
Ziel: Stärkung sozialer Bindungen & Verringerung von Konkurrenz zwischen Frauen
2. Mechanismus der Hypothese
In polygynen Gesellschaften teilen sich Frauen oft denselben männlichen Partner
Gegenseitige sexuelle Anziehung könnte Spannungen & Konkurrenz reduzieren
Bisexualität als soziale Strategie, um stabile Koalitionen unter Frauen zu fördern
3. Evolutionsbiologische Perspektive
Vorteil für Gruppenstabilität:
Stärkere emotionale & kooperative Bindungen zwischen Frauen
Weniger Konflikte in Mehrfachpartnerschaften
Potenzielle adaptive Funktion:
Förderung harmonischer sozialer Strukturen
Unterstützung in Kindererziehung & Ressourcenverteilung
4. Kritik & offene Fragen
Hypothese basiert auf historischen polygynen Gesellschaften, weniger auf modernen sozialen Strukturen
Unklar, ob sexuelle Fluidität tatsächlich evolutionär bedingt ist oder eher durch soziale Dynamiken entsteht
Nicht alle bisexuellen Frauen leben oder wünschen sich polygynöse Beziehungen
Fazit
Polygynie-Hypothese bietet eine evolutionäre Erklärung für höhere sexuelle Fluidität bei Frauen
Sexuelle Fluidität könnte ein Mechanismus zur Reduktion von Konkurrenz & Förderung sozialer Harmonie sein
Weitere Forschung nötig, um den Zusammenhang zwischen sozialen Strukturen & sexueller Orientierung zu bestätigen
Höhere Bisexualität bzw. Sexual Fluidity bei Frauen
Erklärungsansätze
Prosociality-Hypothese
Prosociality-Hypothese (Andrew B Barron & Brian Harre
(2020) → starke Selektion für Prosozialität; SSB reduziert Aggressvität,
fördert soziale Zugehörigkeit, soziale Kommunikation und Integration (vgl.
Bonobo-Gesellschaften)
Die Abkürzung SSB steht für Same-Sex Behavior (gleichgeschlechtliches Verhalten). In der Prosociality-Hypothese von Andrew B. Barron und Brian Harre (2020) wird postuliert, dass gleichgeschlechtliches Verhalten (SSB) eine wichtige Rolle in der Förderung von Prosozialität spielt. Die Theorie legt nahe, dass sich dieses Verhalten in sozialen Tiergesellschaften als adaptive Strategie entwickelt hat, die Aggressivität reduziert, die soziale Kommunikation stärkt und die soziale Zugehörigkeit sowie Integration innerhalb der Gruppe fördert.
Studienergebnisse zu Charakteristika bisexueller Frauen im (groben) Überblick
− Geringere Gewissenhaftigkeit und höhere Offenheit als heterosexuelle und
homosexuelle Frauen (Mark S. Allen & Davina A. Robson, 2020);
− Höherer Neurotizismus, niedrigere Extraversion, niedrigere Verträglichkeit als
heterosexuelle aber nicht als homosexuelle Frauen (Allen & Robson, 2020).
− Höhere Werte auf der Dunklen Triade – vergleichbar zu denen von Männern
(Jonason & Luoto, 2021).
− Höhere Raten von Substanzabusus als heterosexuelle und homosexuelle Frauen
(Evan A. Krueger, Jessica N. Fish, & Dawn M. Upchurch, 2020; Megan Schuler
& Rebecca L. Collins, 2020).
− Überrepräsentiert in Gefängnissen (Studien aus US und Australien, Severi
Luoto, 2020)
Monosexismus und Bi+-Negativity/Bi+-Erasure
➢Monosexismus: Diskriminierung von Personen, die Multi-
Gender-Anziehung fühlen, denn entweder ist man
‚straight‘/heterosexuelle oder ‚gay‘/homosexuell (Shiri Eisner,
2016, Nel Santos & Ailsa Craig, 2024)
▪Findet sich auch in der LGBTQIA+-Community
▪Ausschluss von Bi+-Personen
▪verstärkt die Geschlechts-Binaritätsannahme
▪stellt die Stabilitätsannahme sexuellen Begehrens in Frage
▪stellt die Monogamie-Norm in Frage
➢Bi+-Negativity/Bi+-Erasure: Vorurteile; kommt seitens
heterosexueller und lesbischer/schwuler Personen vor (Melanie Brewster & Bonnie Moradi,
2010). Zeigt sich in (Elizabeth Nielsen et al., 2022)
▪Unsichtbarmachen („Ist nur eine Phase!“)
▪Microaggressionen und negative Zuschreibungen (z.B.
Hypersexualisierung, „Tun sich mit der Treue schwer!“)
▪‚Richtige‘ Sexualität wird in Frage gestellt („Sind nur nicht ehrlich
(mit sich selbst)!“)
➢Heterosexuelle Männer zeigen mehr Bi+-Negativität insbesondere
gegenüber männlicher Bisexualität
Asexualität
▪ Prävalenzzahlen (grob)
Prävalenz: 0.4%-1%-3.3%, M:F=1:4