Lernsheet 6 - Soziale Klasse Flashcards
(50 cards)
Definition von Meritokratie
📌 Was versteht man unter Meritokratie?
🔹 Begriff: Von Michael Young (1958) in „The Rise of the Meritocracy“ geprägt.
🔹 Grundidee:
Menschen können alles erreichen, wenn sie genug Talent haben und hart arbeiten.
Erfolg hängt von individueller Begabung und Leistungsfähigkeit ab.
🔹 Meritokratische Trias (Reinhard Kreckel, 1992):
1️⃣ Bildung 🎓
2️⃣ Beruf 💼
3️⃣ Einkommen 💰
🔹 Kritik: Soziale Herkunft bleibt entscheidend für Lebenschancen.
Meritokratie als Mythos und Legitimation sozialer Ungleichheit
📌 Meritokratie als Mythos und Ungleichheitsmotor
🔹 Steffen Hillmert (2019):
Meritokratie dient als Legitimation für soziale Ungleichheiten.
Erfolg wird als rein individuell betrachtet, strukturelle Benachteiligung ignoriert.
🔹 OECD-Studie (2021):
Reichste 10% besitzen über 50% des Vermögens → Ungleichheit nimmt zu!
Einer von 10 Haushalten mit niedrigem Einkommen ist hoch verschuldet.
🔹 Oxfam (2023):
1% der reichsten Personen verursacht mehr CO₂-Emissionen als die ärmsten 66%.
Meritokratie als Maßstab für Leistungsgerechtigkeit?
📌 Meritokratie als Bewertungssystem
🔹 Theoretische Annahme:
Hohe Leistung wird belohnt, unabhängig von sozialer Herkunft.
Individuelle Begabung und harte Arbeit bestimmen den sozialen Aufstieg.
🔹 In der Praxis:
Soziale Mobilität ist stark eingeschränkt.
Wohlhabende Familien haben Bildungs- und Karrieremöglichkeiten, die anderen fehlen.
Bildungsungleichheit & meritokratische Trias
📌 Warum ist Bildung kein gleicher Zugangspunkt?
🔹 Meritokratische Trias (Bildung, Beruf, Einkommen) suggeriert Chancengleichheit.
🔹 OECD (2021):
Bildung ist stark an soziale Herkunft gekoppelt.
Kinder aus einkommensstarken Haushalten haben bessere Bildungschancen.
🔹 Folgen:
Soziale Schichtung bleibt bestehen.
Höhere Bildung ≠ automatisch bessere Jobs für alle.
Dequalifikation und Downgrading
📌 Was bedeutet Dequalifikation/Downgrading?
🔹 Menschen mit hoher Bildung arbeiten in Berufen unterhalb ihrer Qualifikation.
🔹 Besonders betroffen:
Migrant*innen (Anerkennungsprobleme).
Frauen mit akademischen Abschlüssen.
🔹 Folgen:
Niedrigeres Einkommen trotz hoher Bildung.
Verlust von Fachwissen & Kompetenzen, da Qualifikationen nicht genutzt werden.
Klasse & Schicht – Grundbegriffe
📌 Definition von Klasse und Schicht
🔹 Klasse:
Begriff aus der Marxistischen Theorie (Karl Marx, 19. Jh.).
Ökonomische Gruppen basierend auf Besitzverhältnissen an Produktionsmitteln.
Hauptklassen:
1️⃣ Bourgeoisie (Besitzende, Kapitalisten)
2️⃣ Proletariat (Besitzlose, Lohnabhängige)
Klassenbewusstsein führt zu potenziellem Klassenkampf.
🔹 Schicht:
Einführung durch Theodor Geiger (1952).
Feinere Differenzierung sozialer Gruppen nach Einkommen, Bildung, Beruf.
Mehrdimensionale Betrachtung im Vergleich zur Klassentheorie.
Max Weber – Mehrdimensionale Klassentheorie
📌 Erweiterung der Klassentheorie
🔹 Max Weber (1864–1920):
Unterscheidet Erwerbsklassen, Besitzklassen und soziale Klassen.
Klassenlage hängt von Qualifikation und Chancen ab.
Drei zentrale soziale Hierarchien:
1️⃣ Klasse (ökonomische Stellung)
2️⃣ Stand (soziale Wertschätzung, Prestige)
3️⃣ Partei (politischer Einfluss & Macht)
Klasseneinteilung nach Anthony Giddens (1969)
📌 Schichtmodell moderner Gesellschaften
🔹 Oberschicht:
Reichste 1–2 %, Besitz von großen Vermögenswerten.
„Alter Geldadel“ vs. „Neureiche“.
🔹 Mittelschicht:
Alte Mittelschicht: Kleinunternehmer, Bauern.
Obere Mittelschicht: Manager, Freiberufler, höhere Beamte.
Untere Mittelschicht: Büroangestellte, Lehrer.
🔹 Arbeiterklasse:
Obere Arbeiterklasse: Facharbeiter mit stabilen Jobs.
Untere Arbeiterklasse: Hilfsarbeiter mit prekären Jobs.
Das „Dahrendorfhäuschen“ (1965) – Gesellschaftliche Schichtungen
📌 Ralf Dahrendorf: 7-Schichten-Modell
🔹 Moderne Klassengesellschaft ist differenzierter:
1️⃣ Eliten (wirtschaftliche & politische Führung)
2️⃣ Dienstklasse (bürokratische Helfer der Elite)
3️⃣ Alter Mittelstand (Selbstständige)
4️⃣ Arbeiterelite
5️⃣ Arbeiterschicht
6️⃣ Falscher Mittelstand (einfache Dienstleistungsberufe, Verkäufer*innen)
7️⃣ Unterschicht (Langzeitarbeitslose, prekär Beschäftigte)
🔹 Erweiterung nach Reiner Geißler (2014):
„Falscher Mittelstand“ ahmt den alten Mittelstand nach.
Schichten beeinflussen soziale Mobilität & Lebensstile.
Soziale Lager – Definition & Bedeutung
📌 Was sind soziale Lager?
🔹 Unterteilung der Gesellschaft nach sozialstrukturellen Merkmalen (Einkommen, Beruf, Bildung).
🔹 Menschen mit ähnlichem sozialen Status teilen Erfahrungen, Werte und Mentalitäten.
🔹 Wichtige Begriffe:
„Klassenbewusstsein“ (Karl Marx) → Wahrnehmung der eigenen Klasse.
„Schichtmentalität“ (Theodor Geiger) → Gruppenspezifische Werte und Normen.
„Klassenhabitus“ (Pierre Bourdieu) → Lebensstil, Geschmack und soziale Praktiken.
Soziale Milieus & Lebensstile
📌 Was sind soziale Milieus?
🔹 Erweiterung des Schichtmodells um Werte, Lebensstile & Einstellungen.
🔹 Menschen mit ähnlicher Lebensauffassung und sozialen Merkmalen werden gruppiert.
🔹 Bedeutung für Markt- & Wahlforschung.
🔹 Beispiele:
Sinus-Milieus (Unterschiedliche soziale Gruppen mit gemeinsamen Wertvorstellungen).
Lebensstilforschung (regelmäßige, wiederkehrende Muster im Alltag).
Sozioökonomischer Status (SES)
📌 Was ist der sozioökonomische Status (SES)?
🔹 Definiert gesellschaftliche Position einer Person basierend auf:
1️⃣ Einkommen 💰
2️⃣ Bildung 🎓
3️⃣ Beruf 💼
🔹 Hartmut Ditton & Kai Maaz (2011):
Hierarchische Positionierung innerhalb der Gesellschaft.
Soziale Vergleiche bestimmen SES (Einkommen, Abschlüsse, Berufsstatus).
🔹 Wichtige Faktoren für soziale Ungleichheit & Mobilität.
Soziale Klasse als Identitätskategorie
📌 Ist soziale Klasse eine Identitätskategorie?
🔹 Antony Manstead (2018):
Soziale Klasse wird oft unterschätzt in der psychologischen Forschung.
Menschen empfinden sie als genauso wichtig wie Geschlecht oder Ethnizität.
🔹 Easterbrook et al. (2018):
Besonders in höheren sozialen Klassen spielt soziale Identität eine große Rolle.
🔹 Wichtige Unterschiede zwischen sozialen Klassen:
Bildungsaspirationen 📚
Politische Einstellungen 🗳
Gesundheitsverhalten 🏥
Konsum- & Freizeitverhalten 🛍
Hard Interdependence vs. Expressive Independence
📌 Unterschiedliche soziale Schichten – unterschiedliche psychologische Muster
🔹 Nicole Stephens et al. (2014): „Gateway Contexts“ (Zuhause, Schule, Arbeit)
🔹 Untere soziale Schichten → „Hard Interdependence“
Hohe Resilienz notwendig, um mit Unsicherheiten umzugehen.
Mehr Fokus auf Gemeinschaft & gegenseitige Unterstützung.
Mehr Kontextualismus → Wahrnehmung ist auf die Umgebung ausgerichtet.
🔹 Mittelschicht → „Expressive Independence“
Selbstverwirklichung & Unabhängigkeit als kulturelles Ideal.
Eigene Interessen & Wahlfreiheit werden betont.
Mehr Solipsismus → Fokus auf individuelle Leistung & Erfolg.
Klassenspezifische Vorurteile & Empathiefähigkeit
📌 Unterschiedliche soziale Klassen haben unterschiedliche Vorurteile & Empathiefähigkeiten
🔹 Vorurteile gegenüber niedrigen sozialen Klassen (Manstead, 2018):
Wenig Willensstärke, fehlende Anstrengung → „Life-Style-Choice“-Narrativ.
Diese Vorurteile haben in den letzten Jahren zugenommen.
🔹 Vorurteile gegenüber ethnischen Minderheiten (Manstead, 2019):
Niedrigere soziale Schichten haben mehr Vorurteile & autoritärere Einstellungen (höherer RWO & SDO).
Höhere Schichten haben besonders starke Vorurteile gegenüber ethnischen Minderheiten, wenn diese höhere Bildungsabschlüsse erreichen (Kuppens et al., 2018).
🔹 Ökonomische Instabilität (Jetten et al., 2017):
Niedrige soziale Schichten → mehr generelle Ängste.
Höhere soziale Schichten → negativere Einstellungen gegenüber Immigration.
🔹 Empathiefähigkeit & Prosozialität (Manstead, 2018):
Niedrigere soziale Klassen zeigen höhere Empathiewerte & mehr Sensitivität gegenüber Bedrohungen.
Mehr Hilfsbereitschaft & prosoziales Verhalten.
Höhere soziale Klassen → mehr Selbstbezogenheit & unethische Entscheidungen.
Verstärkt sich mit wachsender sozialer Ungleichheit.
🔹 Coté et al. (2015):
„Fear of losing a privileged position“ → Reiche fürchten den Verlust ihres Status.
„Justify a privileged position“ → Privilegien werden als gerechtfertigt dargestellt.
Modell von Antony Manstead (2018)
📌 Integratives Modell der Psychologie sozialer Klassen
🔹 Klassenzugehörigkeit beeinflusst:
1️⃣ Kognition (wie wir die Welt wahrnehmen)
2️⃣ Emotionen (wie wir auf soziale Situationen reagieren)
3️⃣ Soziales Verhalten (wie wir mit anderen interagieren)
🔹 Wichtige Kernpunkte:
Soziale Klasse prägt Denkweise, Wahrnehmung & Entscheidungen.
Niedrigere soziale Klassen → mehr Gemeinschaftssinn & soziale Sensitivität.
Höhere soziale Klassen → mehr Individualismus & Statusdenken.
Soziale Klasse beeinflusst nonverbale Kommunikation (weniger Augenkontakt & Lächeln in höheren Schichten).
ANGUCKEN
Definition soziale Ungleichheit
📌 Was ist soziale Ungleichheit?
🔹 Soziologie:
Ungleiche Verteilung von materiellen & immateriellen Ressourcen in einer Gesellschaft.
Unterschiedliche Teilhabechancen an Bildung, Wohlstand, Macht und sozialem Kapital.
🔹 Definition nach Stefan Hradil (2001):
Soziale Ungleichheit liegt vor, wenn bestimmte Gruppen regelmäßig mehr wertvolle Güter & Möglichkeiten erhalten als andere.
🔹 Reproduktion der Ungleichheit:
Findet besonders an Schnittstellen & Übergängen statt (z. B. Wahl von Schule, Beruf, Beförderungen).
Indikatoren sozialer Ungleichheit
📌 Wie zeigt sich soziale Ungleichheit?
🔹 Objektive Indikatoren:
Beruf & arbeitsrechtliche Stellung
Bildung (Schulabschluss, Bildungsjahre)
Einkommen & Vermögen
Prestige & sozialer Status
Macht & Einfluss
Teilnahme am kulturellen Leben
Wohngegend & Lebensumfeld
🔹 Subjektive Indikatoren:
Selbstwahrnehmung der sozialen Stellung
Zugehörigkeitsgefühl zur sozialen Klasse
🔹 Prädiktoren für Bildung, Beruf & Gesundheit (Mirowsky, 2017; Marsh, 2018):
Soziale Klasse ist der beste Prädiktor für Bildungs- & Berufserfolg sowie Gesundheitszustand.
Je niedriger die Herkunftsklasse, desto entscheidender wirkt sich der soziale Status auf die Zukunftschancen aus.
Cumulative Social Inequality at Workplaces Model (CSI-W-Model, Hans van Dijk, 2020)
📌 Soziale Ungleichheit in der Arbeitswelt
🔹 4-Ebenen-Modell:
1️⃣ Individuelle Ebene:
Job-Performance wird bewertet nach Fähigkeiten, Wissen & Motivation.
2️⃣ Dyadische Ebene:
Stereotypen & Statuszuschreibungen beeinflussen Kompetenzbewertung.
3️⃣ Netzwerk-Ebene:
Soziales Kapital entscheidet über berufliche Chancen.
Homophilie: Manager rekrutieren bevorzugt Bewerber, die ihnen ähneln (soziale Klasse, Bildung, Geschlecht).
Reziprozität: Gegenseitiges Unterstützen verstärkt bestehende Netzwerke.
4️⃣ Organisationale Ebene:
Core-Sektor: Hochstabile Jobs, hohe Einkommen, Boni, Karriereoptionen.
Peripherer Sektor: Prekäre Jobs, wenig Aufstiegsmöglichkeiten.
Winner-take-all-Struktur: Die „High-Performer“ erhalten unverhältnismäßig viele Ressourcen.
Meritokratische Ideologie: Chancengleichheit wird betont, aber strukturelle Benachteiligung bleibt bestehen.
Doing Social Class – Soziale Klasse als performatives Konzept
📌 Was bedeutet „Doing Social Class“?
🔹 Performative Dimension sozialer Klasse:
Soziale Klasse ist nicht nur ein ökonomischer Status, sondern zeigt sich in Verhalten, Sprache, Kleidung & Interaktion.
Stereotype & soziale Codes (z. B. Dresscodes, Manieren, Dialekt) verstärken soziale Grenzen.
🔹 Psychologische Auswirkungen:
Angst, Unsicherheiten & soziale Traumata bei Klassenaufstieg oder -abstieg.
Status wird durch soziale Praktiken sichtbar & reproduziert.
Klassenhabitus (Pierre Bourdieu)
📌 Was ist der Klassenhabitus?
🔹 Pierre Bourdieu:
Soziale Klasse beeinflusst unsere Wahrnehmung, unser Denken & unser Verhalten.
Klassenhabitus ist ein internalisiertes System von Werten, Geschmack & Lebensstil.
🔹 Drei zentrale Kapitalarten:
1️⃣ Ökonomisches Kapital: Einkommen, Besitz, Erbschaften.
2️⃣ Soziales Kapital: Netzwerke & Beziehungen.
3️⃣ Kulturelles Kapital: Bildung, Sprachgebrauch, kulturelle Codes.
🔹 Folgen:
Soziale Ungleichheit wird weitergegeben, da privilegierte Gruppen mehr Zugang zu diesen Kapitalarten haben.
Ghetto Taxes – Warum zahlen ärmere Menschen mehr?
📌 Was sind „Ghetto Taxes“?
🔹 Benachteiligung einkommensschwacher Menschen durch höhere Kosten für grundlegende Güter & Dienstleistungen.
🔹 The Brooking Institution (2006):
Arme Haushalte zahlen höhere Preise für Kredite, Versicherungen & Grundbedürfnisse.
🔹 Beispiele für Ghetto Taxes:
Schlechtere Kreditbedingungen (höhere Zinsen, schlechtere Bonitätseinstufung).
Höhere Lebensmittelpreise in strukturschwachen Gebieten (keine günstigen Supermärkte).
Längere Wege zur Arbeit → höhere Transportkosten.
Schlechtere Gesundheitsversorgung → höhere langfristige Gesundheitskosten.
🔹 Folgen:
Armutsfalle: Geringverdiener zahlen verhältnismäßig mehr für essentielle Güter.
Soziale Mobilität wird erschwert.
Definition soziale Mobilität
📌 Was ist soziale Mobilität?
🔹 Bewegung von Personen oder Gruppen zwischen verschiedenen sozioökonomischen Positionen.
🔹 Wird bestimmt durch Einkommen, Bildung, Beruf & Status.
🔹 Zwei Hauptarten:
1️⃣ Intragenerationenmobilität → Veränderung innerhalb eines Lebens (z. B. Beförderung, Jobverlust).
2️⃣ Intergenerationenmobilität → Vergleich der sozialen Position zwischen Eltern & Kindern.
Formen sozialer Mobilität
📌 Arten der sozialen Mobilität
🔹 Horizontale Mobilität → Wechsel innerhalb der gleichen sozialen Schicht (z. B. Krankenschwester → Lehrerin).
🔹 Aufsteigende Mobilität → Verbesserung des sozialen Status (z. B. Kind aus Arbeiterschicht wird Arzt).
🔹 Absteigende Mobilität → Verlust des sozialen Status (z. B. Arbeitslosigkeit, Jobverlust, Invaliditätspension).
🔹 Intragenerationenmobilität → Veränderung der sozialen Stellung im Laufe eines Lebens.
🔹 Intergenerationenmobilität → Sozialer Auf- oder Abstieg zwischen zwei Generationen.