M2 E2 Flashcards

1
Q

Was sind Explorationen?

A

Mit Exploration verbindet man im Kontext analytisch-nomologisch orientierter Forschung die Vorstellung einer Vorstudie zur Vorbereitung einer danach folgenden „ernsthaften“ Untersuchung oder von Pretests zur Entwicklung eines anspruchsvollen Erhebungsinstruments: „Explorative Studien wird man durchführen, wenn der soziale Bereich, den es zu erforschen gilt, relativ unbekannt ist und nur recht vage oder gar keine spezifischen Vermutungen über die soziale Struktur und die Regelmäßigkeiten sozialer Handlungen vorliegen“ (Diekmann 1995, 30). In der qualitativen Sozialforschung dagegen wird unter Exploration eine methodologische Perspektive innerhalb des Prozesses von Informationssammlung und -analyse verstanden. So bezeichnet im Konzept von Herbert Blumer „Exploration“ das umfassende, in die Tiefe gehende, detektivische Erkunden des Forschungsfeldes, das Sammeln möglichst vielfältiger und das ganze Spektrum von Sichtweisen repräsentierender Informationen im Unterschied zur „Inspektion“, womit das – die Exploration begleitende – Deuten und Analysieren der Informationen gemeint ist (Blumer 1973, 122 ff.).

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2
Q

Bei empirischen Fragestellungen kann das Erkenntnisinteresse ein statisches oder ein dynamisches sein; d.h. die Informationen können sich entweder auf den Zustand zu einem bestimmten Zeitpunkt oder aber auf (kurz-, mitteloder langfristige) Entwicklungen und Veränderungsprozesse beziehen. (Man spricht bei „statischen“ Ansätzen auch von Querschnitt-, bei „dynamischen“ Ansätzen auch von Längsschnittuntersuchungen.) Im ersten Fall genügt eine einmalige Datenerhebung. Im zweiten Fall müssen die Erhebungen entweder von vornherein längerfristig durchgeführt oder zu verschiedenen Zeitpunkten wiederholt werden. Wie nennt man das, wenn die wiederholten Datenerhebungen immer wieder bei den gleichen Untersuchungseinheiten (z.B. den gleichen Personen, Haushalten oder Organisationen), geschehen? Und was ist, wenn bei jeder der wiederholten Erhebungen die Untersuchungseinheiten neu ausgewählt und bei der Auswertung lediglich die statistischen Merkmalsverteilungen verglichen werden?

A

Im ersten Fall handelt es sich um eine Panel-Analyse, im zweiten handelt es sich um vergleichend-statische (komparativ-statische) Analysen.

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3
Q

Was ist eine Realzeituntersuchung? Was ist ex post facto?

A

Bei Fragestellungen, die an der Feststellung von Veränderungen, am Nachzeichnen von Entwicklungsprozessen orientiert sind, muss die Datenerhebung jedoch nicht zwangsläufig zeitgleich mit den zu beschreibenden Ereignissen stattfinden. Für den Spezialfall zeitlicher Übereinstimmung von Ereignissen/ Prozessen und ihrer Erhebung spricht man von einer Realzeituntersuchung. Oft kann aber die Ermittlung der Informationen auch im Nachhinein („ex post facto“) durchgeführt werden. Dabei wird versucht, die Abfolge von Ereignissen und Situationen zu rekonstruieren, etwa durch Auswertung von Dokumenten aus dem in Betracht kommenden Zeitraum oder durch Sekundäranalyse früher erhobener Daten oder durch Interviews mit Personen, die die interessierenden Ereignisse miterlebt haben.

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4
Q

Erläutere den Unterschied zwischen Feld- und Labor-Untersuchungen!

A

Bisher wurden zwei Typen deskriptiver Fragestellungen (Exploration und Diagnose) in verschiedenen Variationen vorgestellt. Die Untersuchung kann jedoch auch – darauf wurde in Kapitel 1 schon eingegangen – mit dem Ziel der Entwicklung oder des Tests wissenschaftlicher Theorien/Hypothesen oder zur empirischen Entscheidung über die Angemessenheit konkurrierender Theorien durchgeführt werden. Während es im Falle deskriptiver Forschung um die Erhebung von Daten im sozialen „Feld“ geht (Daten über den Alltag von Personen bzw. über existierende Haushalte, Gruppen, Organisationen, Regionen etc.), kann es bei theorietestenden Analysen notwendig werden, Untersuchungssituationen künstlich zu schaffen, in denen die zentralen Bedingungen, wie sie in den zu testenden Hypothesen benannt werden, vom Forscher beeinflusst oder zumindest exakt kontrolliert werden können. Forschungen in solchen künstlich geschaffenen Situationen nennt man „Labor“-Untersuchungen; das Forschungsdesign ist im Allgemeinen das des Experiments.

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5
Q

Was sind Evaluationsstudien? Wofür steht TA?

A

Häufig kommt es bei anwendungsbezogener Forschung vor, dass das Erkenntnisinteresse darauf gerichtet ist, den Erfolg oder Misserfolg einer Maßnahme bzw. eines Handlungsprogramms mit Hilfe empirischer Informationen zu beurteilen, das Programm also im Lichte empirischer Daten zu bewerten. In diesem Fall haben wir es mit Evaluationsstudien zu tun. Geschieht diese Bewertung mit Blickrichtung auf potentielle zukünftige Konsequenzen eines Vorhabens, muss die Untersuchung auch eine Prognose künftiger Entwicklungen mit einschließen. Da dieses in die Zukunft gerichtete Erkenntnisinteresse besonders oft bei anstehenden Entscheidungen über das Weiterverfolgen technologischer Entwicklungen und Programme besteht, ist um diesbezügliche Fragestellungen herum ein eigener Forschungstyp mit vielfältigen Differenzierungen und Schwerpunkten entstanden: die Technikfolgen- bzw. Technologiefolgen-Abschätzung (TA).

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6
Q

Gibt es mehr als graduelle Unterschiede bei der Entwicklung quantitativer vs. qualitativer Instrumente?

A

Was die Darstellung der Datenerhebungsinstrumente jeweils in ihrer standardisierten Version angeht, so unterscheidet sich die Logik bei der Entwicklung eines wenig standardisierten, „qualitativen“ Instruments davon nicht grundsätzlich, sondern allenfalls graduell. Was die Orientierung am Typ der „standardisiert-quantitativen“, d.h. auf weitgehende thematische Vorstrukturierung ausgerichteten Sozialforschung und der von ihr bevorzugten Methoden angeht, so ist festzustellen, dass die „qualitativen“ Ansätze häufig durchaus die gleichen traditionellen Instrumente verwenden, lediglich in gering standardisierten, gegebenenfalls leicht abgewandelten Versionen. Es gibt natürlich Ausnahmen: beim Interview beispielsweise das erzählgenerierende, „narrative“ Interview. Allerdings unterscheiden sich die Regeln der Anwendung der eingesetzten Instrumente. So ist z.B. das Informationsinteresse bei „qualitativer Beobachtung“ ein anderes als das Dokumentieren und Zählen des Auftretens vordefinierter Ereignisse und Merkmale im Falle standardisierter Beobachtung. Und auch erzählgenerierende Interviews zielen auf ganz andere Informationen als standardisierte Fragebögen und müssen daher in anderer Weise gehandhabt werden.

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7
Q

Welches sind die Entscheidungen, die ein Forscher inhaltlich treffen muß? (a-k)

A

a) Klärung des „Entdeckungs-“ und des „Verwertungszusammenhangs“ b) Präzisierung der Problemformulierung, „dimensionale Analyse“ des Forschungsgegenstands c) Zuordnung von geeigneten Begriffen zu den als relevant angenommenen Dimensionen d) Einordnung der Problemstellung in vorhandene Kenntnisse (Theorien, Forschungsergebnisse, Methoden); Hypothesenbildung unter Verwendung der definierten Begriffe; Entscheidung über das Forschungsdesign e) Auswahl von „Indikatoren“ für die verwendeten Begriffe (falls erforderlich) f) Festlegung des erforderlichen Differenzierungsgrades der Informationen sowie Angabe der Messinstrumente („Operationalisierung“ der Begriffe) g) Festlegung der Objekte (Merkmalsträger), bei denen die Merkmale gemessen werden sollen; Definition der Grundgesamtheit; ggf. Entscheidung über Art und Umfang der Stichprobe h) Erhebung und Aufbereitung der Daten i) Verringerung der Unübersichtlichkeit der Informationsfülle, Straffung und Verdichtung von Informationen (Anwendung statistischer Modelle und Verfahren) j) Interpretation der Ergebnisse; Rückbezug zu den Punkten a bis i k) Dokumentation des Forschungsprozesses und der Ergebnisse (Forschungsbericht) sowie Präsentation der Befunde

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8
Q

Erläutere den Punkt: a) Klärung des „Entdeckungs-“ und des „Verwertungszusammenhangs“:

A

– WelchesProblemsollerforschtwerden(Forschungsfrage)?WarumistdiesesProblemso relevant, dass es erforscht werden soll? – WessenProblemewerdenaufgegriffen?WessenInteressenwerdenberührt(Erkenntnisinteressen)? – Handelt es sich um ein dem Forscher vorgegebenes oder ein von ihm selbst gestelltes Problem? – Für welche Zwecke sollen die Ergebnisse verwendet werden (Verwertungsinteressen)? – Welche Informationen werden zur Erfüllung dieser Zwecke und zur Beantwortung der Forschungsfrage benötigt (Informationsbedarf)?

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9
Q

Erläutere den Punkt: b) Präzisierung der Problemformulierung, „dimensionale Analyse“ des Forschungsgegenstands:

A

– Welche Bereiche („Dimensionen“) der Realität sind durch die Forschungsfragestellung explizit angesprochen? – Welche Dimensionen werden berührt, ohne direkt angesprochen zu sein? – Können die als relevant angenommenen Dimensionen zusammengefasst werden, oder müssen sie differenziert betrachtet werden?

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10
Q

Erläutere den Punkt: c) Zuordnung von geeigneten Begriffen zu den als relevant angenommenen Dimensionen:

A

– ExistierenbereitseindeutigverwendeteundfürdieFragestellunggeeigneteBegriffe,oder müssen diese neu eingeführt und unmissverständlich definiert werden? – WerdendurchdieverwendetenBegriffebzw.durchdieWahlderfürDefinitionenverwendeten Merkmale möglicherweise vorhandene Beziehungen zwischen den realen Erscheinungen verschleiert, „wegdefiniert“?

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11
Q

Erläutere den Punkt: d) Einordnung der Problemstellung in vorhandene Kenntnisse (Theorien, Forschungsergebnisse, Methoden); Hypothesenbildung unter Verwendung der definierten Begriffe; Entscheidung über das Forschungsdesign:

A

– Welche theoretischen Kenntnisse sind über den Untersuchungsgegenstand sowie über Beziehungen zwischen den angesprochenen Dimensionen vorhanden? Welche Vermutungen können/müssen zusätzlich formuliert werden? – Welcher Untersuchungsansatz ist dem Forschungsproblem angemessen? – Sind die vorhandenen Vorkenntnisse ausreichend, um ein endgültiges Forschungsdesign zu entwerfen? Oder ist zuvor eine (explorative) Vorstudie erforderlich? – Welche Methoden der Informationsgewinnung sind prinzipiell geeignet und im gegebenen Zusammenhang zweckmäßig? 


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12
Q

Erläutere den Punkt: e) Auswahl von „Indikatoren“ für die verwendeten Begriffe (falls erforderlich):

A

– Fassen Begriffe mehrere Dimensionen der Realität zusammen, so dass von einzelnen Aspekten auf den Gesamtbegriff (auf das sprachliche Konstrukt) geschlossen werden muss? – Ist das mit einem Begriff bezeichnete reale Phänomen direkt beobachtbar, oder muss vom Vorliegen anderer, direkt beobachtbarer Sachverhalte (Indikatoren) auf das Vorhandensein des gemeinten Phänomens geschlossen werden? – Welche Kenntnisse sind vorhanden, um geeignete Indikatoren auswählen zu können?

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13
Q

Erläutere den Punkt: f) Festlegung des erforderlichen Differenzierungsgrades der Informationen sowie Angabe der Messinstrumente („Operationalisierung“ der Begriffe):

A

– Kann auf bewährte Erhebungsinstrumente und Skalen zurückgegriffen werden? Oder ist ein spezifisches Instrument zu entwickeln und zu testen (Pretest)? – Mit welchen „Messverfahren“ sollen die Ausprägungen der Variablen festgestellt werden? Wie muss die Situation beschaffen sein, in der die Messung vorgenommen wird? – Auf welchem Skalenniveau kann/soll gemessen werden? – Sind die Indikatoren und die gewählten Ausprägungen „gültig“, d.h. erfassen sie genau diejenigen Tatbestände und diejenigen Differenzierungen der Realität, die mit der Forschungs-Problemstellung gemeint sind? – Sind die verwendeten Instrumente zuverlässig, d.h. führt ihre wiederholte Anwendung unter gleichen Bedingungen zu gleichen Ergebnissen?

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14
Q

Erläutere den Punkt: g) Festlegung der Objekte (Merkmalsträger), bei denen die Merkmale gemessen werden sollen; Definition der Grundgesamtheit; ggf. Entscheidung über Art und Umfang der Stichprobe:

A

– Wer sind die Merkmalsträger (z.B.Personen, Gebiete, Zeitschriften, Zeitpunkte)? – SollenalleObjekte,aufdiesichdieProblemstellungbezieht,untersuchtwerdenodernur ein Teil davon? – BeiTeilauswahlen:SollenbesonderstypischeFälleherausgegriffenwerden,oderisteine „repräsentative“ Auswahl erforderlich?

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15
Q

Erläutere den Punkt: h) Erhebung und Aufbereitung der Daten:

A

– Ist eine Primärerhebung erforderlich? Oder existieren die benötigten Informationen bereits anderswo (Sekundärauswertung)? – Stehen qualifizierte Personen für die Datenerhebung zur Verfügung? Oder muss Erhebungspersonal rekrutiert und geschult werden? – Kann die Zuverlässigkeit der Datenerhebung kontrolliert werden (Feldkontrolle)? – In welcher Weise sollen die Erhebungsprotokolle (z.B. Fragebögen, Beobachtungsprotokolle) aufbereitet und gespeichert werden?

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16
Q

Erläutere den Punkt: i) Verringerung der Unübersichtlichkeit der Informationsfülle, Straffung und Verdichtung von Informationen (Anwendung statistischer Modelle und Verfahren):

A

– Sollen die erhobenen Daten quantitativ ausgewertet werden? – Welche statistischen Modelle sind geeignet?

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17
Q

Erläutere den Punkt: j) Interpretation der Ergebnisse; Rückbezug zu den Punkten a bis i.

A

Im Interpretationsprozess sind folgende Fragen zu klären: – Sind die statistischen Modelle sowohl dem Messniveau der Daten als auch der empirischen Realität angemessen? Werden die im Hinblick auf die Problemstellung wesentlichen Informationen ausgewertet? Können also die berechneten Beziehungen zwischen den Daten (= zwischen den Reihen von Zahlen) überhaupt in Beziehungen zwischen Dimensionen der Realität zurückübersetzt werden? (vgl. i) Wenn ja: – Gelten die ermittelten Beziehungen nur für die untersuchte Menge von Objekten, oder können die Ergebnisse auf ähnliche Objekte oder auf eine größere Gesamtheit verallgemeinert werden? (vgl. g) – SinddieDatenzuverlässiggemessen/erhobenundaufbereitetworden?Könnendieermittelten Beziehungen zwischen den Daten also als Beziehungen zwischen den Variablen interpretiert werden? (vgl. h) – Sind geeignete Methoden gewählt worden? Die Fragestellung bei traditionellen empirischen Untersuchungen lautet: Welche Methoden der Datenerhebung sind geeignet, 1. die Dimensionen der Realität adäquat zu erfassen, ohne sie 2. durch die Datenerhebung selbst zu verändern?4 – Sind die Ausprägungen der Variablen in geeigneter Weise abgegrenzt worden? Können also die ermittelten Beziehungen zwischen den Variablen als Beziehungen zwischen den (empirischen) Indikatoren interpretiert werden? (vgl. f) – SindgeeigneteIndikatorenfürdiemitBegriffenbezeichnetenSachverhaltegewähltworden? Können die ermittelten Beziehungen zwischen den Indikatoren als Beziehungen zwischen den (mit Begriffen bezeichneten) Dimensionen der Realität interpretiert werden? (vgl. e und f) – WerdendievorherformuliertenHypothesenbzw.Theorien(vgl.d)durchdieErgebnisse (vorläufig) bestätigt? Oder müssen die Hypothesen verworfen bzw. umformuliert werden? – ErgebensichdurchdieResultatederUntersuchungKonsequenzenfürdieAuswahlund Abgrenzung der als relevant angenommenen Dimensionen der Realität sowie für die Definition der benutzten Begriffe (d.h. wurden relevante Dimensionen nicht berücksichtigt, haben sich Definitionen als nicht brauchbar erwiesen)? (vgl. b und c) – WelcheKonsequenzenfürdieeingangsformulierteProblemstellunglassensichausden Ergebnissen ableiten? Können die auf der Ebene der Symbole (Begriffe, Sprache) gefundenen Erkenntnisse auf die Realität bezogen werden (Praxisrelevanz; Verwertungszusammenhang)?

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18
Q

Erläutere den Punkt: k) Dokumentation des Forschungsprozesses und der Ergebnisse (Forschungsbericht) sowie Präsentation der Befunde:

A

– Wie ausführlich sind die Entscheidungen im Projekt und die verwendeten Instrumente zu dokumentieren (Sicherung der Möglichkeit intersubjektiver Nachprüfung)? – WieausführlichundaufwelcheWeisesinddieErgebnissederAnalysezudokumentieren? – Kann/solldererhobeneDatenbestandfürSekundäranalysenarchiviertwerden? – AufwelcheWeisewerdendieBefundegegenüberderÖffentlichkeit,demAuftraggeber etc. präsentiert (Artikel für Fachzeitschriften, Vorträge, Zusammenfassungen für die Presse)?

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19
Q

Strategische Bemerkung zur Erläuterung der einzelnen Aufgaben (a-k) der Forschung…

A

Die Klärung des Entdeckungs- und des Verwendungszusammenhangs (Punkt a) in Abschnitt 2.2) stellt den Ausgangspunkt und das Ziel der Forschung dar. Er ist die eigentliche Bezugsgröße für alle Überlegungen und liefert im Zweifelsfall die Kriterien für die im Forschungsprozess notwendigen Entscheidungen. Während die Punkte b) bis k) eingehender in den folgenden Kapiteln behandelt werden, sind zum Punkt a) einige nähere Erläuterungen schon an dieser Stelle erforderlich. Dazu soll die häufig benutzte Unterscheidung zwischen Entdeckungs-, Begründungs- sowie Verwertungs- bzw. Wirkungszusammenhang der Forschung (z.B. Friedrichs 1977, 50ff.) herangezogen werden. Sie geht im wesentlichen auf Reichenbach zurück (context of discovery, context of justification) und erweist sich als nützlich in der Einschätzung des Werturteilsfreiheits-Postulats der Erfahrungswissenschaft.

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20
Q

Warum sind Wertungen für das Wissenschaftskonzept des Kritischen Rationalismus in mehrfacher Hinsicht ein Problem?

A

Erstens: Erfahrungswissenschaft soll über die Realität, so wie sie unabhängig vom wissenschaftlichen Beobachter existiert, informieren, soll sie beschreiben und erklären. Wertende Aussagen jedoch können nicht aus Tatsachenaussagen logisch abgeleitet werden; anders ausgedrückt: Aus dem, was ist, kann nicht hergeleitet werden, was sein soll. Wertungen informieren also nicht über die „objektive“ Realität, sondern sind Ausdruck der subjektiven Sicht der wertenden Person oder Instanz. Auf Wertungen kann nicht das Kriterium der Wahrheit oder Falschheit angewendet werden. Somit kann über sie mit Hilfe des Instrumentariums der Erfahrungswissenschaft nicht entschieden werden (vgl. Abschnitt 1.2.3). Zweitens: Bei der Beobachtung der Realität wird die Wahrnehmung von den Zielen der beobachtenden Person beeinflusst. Die Wahrnehmungspsychologie hat nachgewiesen, dass man tendenziell vor allem das erkennt, was man zu erkennen hofft. Das gilt sowohl für vertraute Sachverhalte als auch für ungewohnte Situationen: Das Unvertraute wird zunächst so interpretiert, dass es in das eigene Orientierungsraster hineinpasst. Um solche Wahrnehmungsverzerrungen auszuschließen (realistischer: möglichst gering zu halten), muss deshalb die strikte Neutralität das Leitprinzip bei der Informationserhebung sein, um der „objektiven“ Realität (d.h. der Realität der Untersuchungsobjekte) die bestmögliche Chance zu geben, sich in den Wahrnehmungseindrücken abzubilden (vgl. Abschnitt 1.3.3, Problem 2: Basissatzdilemma). Drittens: Kein Forschungsprojekt kann soziale Realität in ihrer „Ganzheit“ untersuchen; jedes Projekt muss vielmehr außerordentlich selektiv vorgehen. Es ist immer nur ein kleiner Ausschnitt (ein eng abgegrenztes Thema, ein relativ kleiner Gegenstandsbereich) aus im Wesentlichen nur einer Perspektive analysierbar. Im Verlauf des Projekts sind unablässig Entscheidungen (über das angemessen erscheinende Vorgehen, über die Auswahl der zu untersuchenden Situationen oder Personen, über die zu messenden Merkmale usw.) zu treffen (vgl. Kapitel 2.2). Jede Selektion kann allerdings nur vorgenommen, jede Entscheidung nur getroffen werden unter Bezugnahme auf Werturteile (auf Bewertungen der „Aktualität“ eines Themas, der „Relevanz“ von Fragestellungen, der „Gültigkeit“ von Indikatoren, der „Repräsentativität“ einer Auswahl, der „praktischen Verwertbarkeit“ von Erkenntnissen und vieles mehr). Solche Entscheidungen – und damit der Rückgriff auf Wertungen – sind unvermeidbar. Dennoch dürfen sie die wissenschaftliche Geltung der Ergebnisse nicht beeinträchtigen. Aus diesen drei Problemen folgt für die Erfahrungswissenschaft die Forderung nach strikt interessenneutralem und unparteiischem Vorgehen, das zugespitzt als Postulat der Wertneutralität bzw. der Wert(urteils)freiheit formuliert wurde.

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21
Q

Was besagt das Wertneutralitätspostulat?

A

Das Wertneutralitätspostulat bezieht sich ausschließlich auf den sog. Begründungszusammenhang, worunter „die methodologischen Schritte zu verstehen (sind), mit deren Hilfe das Problem untersucht werden soll“ (Friedrichs 1977, 52f.; vgl. Kapitel 2.2, Buchstaben b bis k). Es besagt weiter, dass die innerhalb des Begründungszusammenhangs notwendigen Entscheidungen nicht auf der Basis subjektiver Wertungen und Präferenzen zustande kommen dürfen, sondern ausschließlich entsprechend den Normen der Methodologie empirischer Forschung sowie unter Rückgriff auf bestätigtes empirisches Wissen zu begründen sind. Das Postulat der Wert(urteils)freiheit lautet demnach: . (1) Werturteile sind erfahrungswissenschaftlich nicht begründbar. . (2) Im Begründungszusammenhang der Forschung haben subjektive Werturteile keinen Platz; hier haben sich die Wissenschaftler auf methodologisch begründbare Schlussfolgerungen und intersubjektiv nachprüfbare Aussagen zu beschränken.

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22
Q

Was bedeutet “Begründungszusammenhang”?

A

Die anfangs möglicherweise unplausibel erscheinende Bezeichnung „Begründungszusammenhang“ für die Phase der „eigentlichen Forschung“ wird Ihnen nunmehr vielleicht plausibler: Es geht (u.a.) um die Geltungsbegründung der auf empirischem Wege gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse.

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23
Q

Was soll für das Feld des Begründungszusammenhangs empirischer Forschung – zusammengefasst – gelten?

A

a) Werturteile (normative Aussagen) können nicht Inhalt erfahrungswissenschaftlicher Aussagen sein. Werturteile sind nicht intersubjektiv nachprüfbar, sie informieren nicht über einen Gegenstandsbereich, sondern über die wertende Person. Bei identischen Sachverhalten können verschiedene Personen zu unterschiedlichen Wertungen gelangen. b) Werturteile können dagegen sehr wohl zum Gegenstand sozialwissenschaftlicher Untersuchungen und erfahrungswissenschaftlicher Aussagen gemacht werden (z.B. Analyse des Ideologiegehalts von Propagandasendungen). c) VorabzufällendeWerturteileschließlichsindGrundlagejederwissenschaftlichen Aussage. Wissenschaftstheorie und Methodologie sind Bestandteile der Wertbasis, sind somit explizit normativ: (Zur Wertbasis einer Wissenschaft gehören weitere Normen: etwa die Verpflichtung, den Bestand an gesichertem Wissen über die Realität zu vermehren, aufklärend zu wirken, die Regeln der Forschungsethik zu beachten.) Sie setzen fest, welche Aussagen als zum Bereich der definierten Wissenschaft zugehörig gelten sollen und welche nicht (s.o.: „Abgrenzungskriterium“). Sie setzen z.B. fest, unter welchen Bedingungen eine Aussage als wahr oder zumindest vorläufig bestätigt akzeptiert bzw. wann sie als falsch zurückgewiesen werden soll. Solche immanenten Basisregeln des Forschens sind es gerade, die intersubjektiv überprüfbare wissenschaftliche Entscheidungen ermöglichen (sollen). Sie beruhen auf dem Konsens der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einer „Wissenschaftlergemeinde“ (scientific community), sind also nicht in das Belieben der einzelnen Forscherin oder des einzelnen Forschers gestellt (vgl. Albert 1972 u. 1973).8 Die wissenschaftsimmanenten Normen informieren in diesem Fall nicht über die Person des einzelnen Forschers (vgl. a), sondern über die „Wissenschaftlergemeinde“, nämlich über deren Regeln für „wissenschaftliches Vorgehen“. Definition: Das Wert(urteils)freiheits-Postulat kann nach diesen Überlegungen dahingehend präzisiert werden: Innerhalb des Begründungszusammenhangs erfahrungswissenschaftlicher Forschung ist auf andere als wissenschaftsimmanente Wertungen zu verzichten!

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24
Q

Ist aber die Wert(urteils)freiheit – wie vom Kritischen Rationalismus postuliert – in der praktischen empirischen Forschung überhaupt realisierbar?

A

Abgesehen davon, dass sehr schwer abgrenzbar ist, welche Forschungsentscheidung schon (bzw. noch) zum „Begründungszusammenhang“ gehört (eine Durchsicht der einzelnen Punkte in Kapitel 2.2 dürfte das deutlich machen), und abgesehen davon, dass es praktisch schwierig sein dürfte, für alle (häufig ad hoc im Forschungsprozess zu treffenden) Entscheidungen immer und schnell genug die erforderliche methodologische und/oder empirische Informationsbasis zu beschaffen, bleibt darüber hinaus prinzipiell umstritten, ob eine Realisierung des Werturteilsfreiheitspostulats – auch in der präzisierten Formulierung – überhaupt denkbar ist. Immerhin hat die Art der Präzisierung einer Fragestellung, hat die Wahl einer theoretischen Perspektive, unter der die Untersuchung in Angriff genommen wird, haben Begriffsdefinitionen und Operationalisierungen – um nur einige Punkte zu nennen – unbestreitbar Auswirkungen auf die Ergebnisse (und sei es auch nur dadurch, dass bestimmte Realitätsaspekte in den Blick geraten, andere ausgeblendet werden). Ebenso unbestreitbar dürfte sein, dass es schon aus logischen Gründen nicht möglich ist, alle diese Entscheidungen ausschließlich unter Rückgriff auf die methodologischen Regeln und auf empirisch gesicherte Kenntnisse über den Gegenstandsbereich der Untersuchung zu treffen. Zu Ende gedacht, würde dies nämlich voraussetzen, dass bereits vollständiges Wissen über den Untersuchungsgegenstand vorhanden ist – dann aber wäre die Forschung überflüssig. Praktisch wird also vielfach auch innerhalb des Begründungszusammenhangs des Projekts auf Argumente aus dem Entdeckungsund dem Verwertungszusammenhang Bezug zu nehmen sein (= wissenschaftsexterne Wertungen als Basis von Entscheidungen) oder wird die Intuition der Forscherin bzw. des Forschers weiterhelfen müssen (= subjektive Überzeugungen). Dies spricht jedoch nicht gegen das Wertneutralitätspostulat als orientierende Perspektive erfahrungswissenschaftlicher Forschung. Solange solche Wertbezüge nicht verschleiert oder hinter scheinobjektiven Formulierungen versteckt werden, ist darin für die Intersubjektivität der Ergebnisse kein grundsätzliches Problem zu sehen. Im Gegenteil wird durch die Offenlegung aller Wertbezüge eine wesentliche Voraussetzung für die wechselseitige Kritik innerhalb des Wissenschaftssystems – eine zentrale Forderung des Kritischen Rationalismus – geschaffen.

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25
Q

Anders als für den Begründungszusammenhang wird im Übrigen von keiner Seite bestritten, dass in den Bereichen des Entdeckungs- und des Verwertungszusammenhangs der Forschung notwendigerweise eine Fülle von (nicht wissenschaftsimmanenten) Werturteilen zu fällen ist. Warum ist das so?

A

Dabei ist unter Entdeckungszusammenhang „der Anlass zu verstehen, der zu einem Forschungsprojekt geführt hat“ (Friedrichs 1977, 50). Hier spielen Interessen immer eine Rolle, etwa: das Erkenntnisinteresse eines Wissenschaftlers, der aufgrund vorliegender widersprüchlicher Befunde sozialwissenschaftliche Theorien testen und fortentwickeln möchte; problembezogene politische Interessen, wenn z.B. vom Forscher (oder Auftraggeber) soziale Situationen gesehen werden, die nicht im Einklang mit bestimmten Soll-Vorstellungen stehen. Insbesondere bei Auftragsforschung sollte also bei der Lektüre von Forschungsberichten immer die Frage geklärt werden, wessen Probleme und Interessen aufgegriffen worden sind (bzw. wessen Probleme/Interessen ausgeklammert wurden!). Letzteres verweist bereits auf die enge Verzahnung des Entdeckungszusammenhangs mit dem Verwertungs- sowie Wirkungszusammenhang der Forschung, worunter die „Effekte einer Untersuchung verstanden werden, ihr Beitrag zur Lösung des anfangs gestellten Problems“ (Friedrichs 1977, 54). Jede Untersuchung erweitert Wissen über soziale Zusammenhänge, kann zur Lösung sozialer Probleme beitragen (wenn die neu gewonnenen Kenntnisse mit diesem Ziel eingesetzt werden) oder diese Lösung verhindern bzw. zumindest verzögern (wenn Kenntnisse bewusst zurückgehalten werden, oder wenn durch die Untersuchung bestimmter sozialer Fragen andere Probleme unbeachtet bleiben).

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26
Q

Welche 4 Designtypen werden im Buch näher dargestellt?

A

Aus dem Spektrum der existierenden Designtypen sollen hier vier besonders häufig vorkommende herausgegriffen und etwas näher dargestellt werden: - die theorie- oder hypothesentestende Untersuchung, - das Experiment sowie quasi-experimentelle Ansätze, - das Standardmodell der Programm-Evaluation sowie - das deskriptive Surveymodell (Querschnittserhebung nichtexperimenteller Daten).

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27
Q

Hier ist ein Beispiel für eine Instantiierung des HO-Schemas: Explanans: (1) („das Erklärende“) Wenn die Lehre an der Hochschule schlecht ist, dann ist die bis zum erfolgreichen Studienabschluss erforderliche Studiendauer lang. (UrsacheWirkungsPrinzip) (Vorliegende Ursache) (2) Die Lehre an deutschen Universitäten ist schlecht. Explanandum: (3) („das zu Erklärende“) Die Studiendauer an deutschen Universitäten ist lang. (Eingetretene Wirkung) Damit aus dieser „Alltagserklärung“ eine wissenschaftliche Erklärung wird, müssen allerdings einige ergänzende Bedingungen erfüllt sein. Welche sind das?

A

Zum einen muss es sich bei (1) um ein „empirisches Gesetz“ handeln, des weiteren müssen die in den Aussagen verwendeten Begriffe präzise definiert und operationalisiert sein, und selbstverständlich müssen die Aussagen (2) und (3) empirisch „wahr“ sein. Formaler ausgedrückt lauten diese „Adäquatheitsbedingungen für Erklärungen singulärer Ereignisse“ nach Opp (1976, 128 f. und 131 ff.): . 1) Das Explanandum muss aus dem Explanans korrekt gefolgert worden sein. Dies bedeutet: . a) Die Anfangsbedingungen (s. Fußnote 10) stellen raum-zeitlich lokalisierte Elemente derjenigen Objekte dar, die die Wenn-Komponente bezeichnet. . b) Die Prädikate der Dann-Komponente und des Explanandums müssen entweder identisch sein, oder das Prädikat der Dann-Komponente muss in dem Prädikat des Explanandums enthalten sein. . 2) Das Explanans muss mindestens ein Gesetz enthalten, das für die Ableitung des Explanandums erforderlich ist, sowie singuläre Sätze, die die Randbedingungen beschreiben. . 3) Das Explanans muss empirischen Gehalt haben, d.h. es muss empirisch überprüfbar sein. . 4) Die Sätze des Explanans müssen wahr sein (oder zumindest – weniger anspruchsvoll –: sie müssen sich sehr gut bewährt haben). Ganz ähnlich ließe sich eine Beobachtung wie die folgende erklären: „Die Studiendauer an deutschen Universitäten ist heute länger als sie vor 20 Jahren war.“ Zutreffen müssten ein UrsacheWirkungs-Prinzip wie „Je schlechter die Lehre ist, desto länger ist die bis zum Studienabschluss benötigte Zeit“ sowie die empirische Feststellung der „Randbedingung“: „Die Lehre an deutschen Universitäten ist heute schlechter als vor 20 Jahren“.

28
Q

Wie lautet das deduktiv-nomologische Erklärungskonzept von Hempel und Oppenheim (1948) (DN-Schema oder H-O-Schema) in seiner abstrakten Form?

A

Explanans: (1) Es gilt (mindestens) ein nomologisches Gesetz (z.B.: „Wenn A und B, dann C“) (2) Die in der Wenn-Komponente genannten Randbedingungen sind erfüllt (z.B.: „A und B liegen vor“) Explanandum:
 (3) Singulärer Satz, der den zu erklärenden Sachverhalt beschreibt (z.B. „C liegt vor“). Gegeben ist das zu erklärende „singuläre Ereignis“(3), gesucht ist das „Explanans“ (1 und 2). Bei dieser Art von Erklärung muss (3) deduktiv-logisch aus (1) und (2) folgen, wobei (2) aus der Wenn-Komponente und (3) aus der DannKomponente des nomologischen Gesetzes abgeleitet wird.

29
Q

Wie hängt das HO-Schema mit Prognosen und Technologischen Aussagen zusammen?

A

Äußerlich ähnlich ist die Struktur bei den Argumentations-Typen „Prognose“ und „Technologische Aussage“. Bei der „Prognose“ ist das Explanandum aus Gesetz(en) und Randbedingung(en) „vorherzusagen“. Bei „Technologischen Aussagen“ ist das Explanandum das in der Zukunft zu erreichende Ziel; gesucht sind geeignete Gesetze, die in der Dann-Komponente das Explanandum enthalten und die in der Wenn-Komponente Sachverhalte benennen, welche gezielt so veränderbar sind, dass dadurch das gewünschte Ziel erreicht wird.

30
Q

Welches Design ist der Prototyp empirischer Forschung?

A

Vielen erscheint der Theorie- bzw. Hypothesentest als der Prototyp empirischer Forschung: „Sozialwissenschaftliche Datenerhebung ist kein Selbstzweck. Befragungen, Beobachtungen und andere Erhebungsmethoden dienen in der Regel einem allgemeineren Zweck: der Überprüfung der Geltung von Theorien“ (Esser 1984, I, 3). Methodologische Texte sind im Allgemeinen (explizit oder zumindest implizit) vor diesem Hintergrund geschrieben, methodologische Argumentationen und Dispute häufig nur vor diesem Hintergrund zu verstehen. Auch Forschungsberichte über abgeschlossene Projekte berufen sich häufig auf die Logik des hypothesentestenden Vorgehens.

31
Q

Was ist das Ziel von hypothesen- und theorietestender Forschung?

A

Die Fragestellung dieses Typs von Forschung ist: Kann eine Hypothese oder eine Theorie empirische Geltung beanspruchen? Das mit der Beantwortung dieser Frage verfolgte Ziel könnte sein: – eine bei der Analyse empirischer Befunde einer früheren Untersuchung ad hoc formulierte Dateninterpretation auf ihre allgemeinere Geltung zu testen oder – zwischen „konkurrierenden“ Hypothesen eine empirische Entscheidung herbeizuführen oder – Theorien, die sich bisher zwar schon empirisch „bewährt“ haben, einem härteren Test zu unterwerfen, um sie ggf. weiterzuentwickeln oder zu präzisieren.

32
Q

Wie hängen Hypothesentest und HO-Schema zusammen?

A

Die Logik des Hypothesentests ist anhand des H-O-Schemas der Erklärung (Abschnitt 2.4.1) leicht nachzuvollziehen. Vorab gegeben ist die Aussage (1) – die zu prüfende Hypothese. Gesucht sind Situationen, in denen die in der WennKomponente genannten Aspekte als Randbedingungen (2) empirisch vorliegen. In diesen Situationen wird „beobachtet“,14 ob auch die aus der Dann-Komponente ableitbaren Sachverhalte (3) empirisch auftreten. Diese „Beobachtung“ kann in „natürlichen Situationen“ geschehen (also in der sozialen Realität, wie sie unabhängig von der Forschung existiert) oder in „künstlich geschaffenen Situationen“, die speziell für den Forschungszweck herbeigeführt werden (Experimentalforschung, vgl. Abschnitt 2.4.3).

33
Q

Ist man durch die Wah leiner hypothesentestenden Untersuchung schon auf bestimmte Instrumente oder Methoden festgelegt?

A

Das Design einer hypothesentestenden Untersuchung ist so anzulegen, dass ein gezielter und kontrollierter Vergleich der empirisch feststellbaren Sachverhalte mit den aus der Hypothese ableitbaren Behauptungen über die empirische Realität möglich ist. Die Überlegungen, die in diesem Zusammenhang anzustellen sind, beziehen sich also noch nicht auf die Wahl bestimmter Instrumente oder Methoden. Mit der Bezeichnung „Design einer hypothesentestenden Untersuchung“ ist vielmehr einerseits eine spezifische Verfahrenslogik (s.o.), andererseits ein spezifischer Argumentationstyp angesprochen.

34
Q

Was ist der Argumentationstyp des Designs hypothesentestender Untersuchungen?

A

Der Argumentationstyp besteht darin, dass zunächst aus der zu testenden Theorie/Hypothese [(1) im H-O-Schema] deduktiv-logisch Aussagenpaare [(2) und (3) im H-O-Schema] derart abgeleitet werden, dass sie in der Realität beobachtbare Sachverhalte bezeichnen. Im Folgenden werden sie als hypothesenbzw. theorie-implizierte Basissätze (kürzer: als theoretische Basissätze) bezeichnet. Anschließend werden diese Deduktionen mit Aussagen über reale (durch empirische Beobachtung festgestellte) Situationskonstellationen verglichen. Stimmen die aus der Theorie/Hypothese abgeleiteten Sätze mit den Beobachtungsaussagen (= den empirischen Basissätzen) überein, gilt die zu prüfende Theorie/Hypothese als empirisch bestätigt, andernfalls als empirisch widerlegt (zumindest als in ihrem empirischen Geltungsanspruch „erschüttert“). Wissenschaftstheoretisch sind die aus einer Hypothese ableitbaren Realitätsbehauptungen – also die Gesamtheit der „theorie-implizierten“ Aussagenpaare (2) und (3) – potentielle Konfirmatoren (= „Bestätiger“; falls sie empirisch zutreffen sollten) bzw. potentielle Falsifikatoren der Hypothese (= „Widerleger“; falls sie empirisch nicht zutreffen sollten).

35
Q

Beschreibe die Abbildung “Designtyp Theorie- und Hypothesentest”

A
36
Q

Man kann in einer Untersuchung nicht alle denkbaren und aus einer Theorie deduktiv ableitbaren Tatsachenbehauptungen empirisch testen, sondern immer nur eine (gezielte) Auswahl von ihnen. Wie geht man vor?

A

Hypothesen/Theorien sind – so lautet eine Forderung der Wissenschaftstheorie – möglichst „harten“ Tests zu unterziehen.

Hypothesen- bzw. theorietestende Forschung besteht (nach dem Idealbild der kritisch-rationalen Wissenschaftstheorie) also darin, zunächst solche Tatsachenbehauptungen zu deduzieren, von denen man annehmen kann, dass sie (möglicherweise) empirisch nicht zutreffen.
Danach werden in der Realität entweder Situationen geschaffen oder natürliche Situationen aufgesucht, in denen die aus der Wenn-Komponente der Hypothese abgeleiteten Phänomene/Sachverhalte realisiert sind. Zugleich wird mit empirischen Mitteln festgestellt, ob in diesen Situationen auch die aus der Dann-Komponente abgeleiteten Phänomene/Sachverhalte eintreten bzw. vorliegen. Die Beschreibungen der Ergebnisse dieser empirischen Feststellungen sind die empirischen Basissätze der Forschung. Der Vergleich dieser empirischen mit den theoretischen Basissätzen bildet dann die Grundlage der Entscheidung über die Richtigkeit (= Bestätigung) oder Falschheit (= Falsifikation) der zu prüfenden Hypothese bzw. Theorie.

37
Q

Welche beiden methodische Probleme sprechen gegen das Verfahren der hypothesentestenden Untersuchungen?

A

Dieses schlüssig scheinende Verfahren sieht sich allerdings mit zwei gravierenden methodischen Problemen konfrontiert: einerseits dem Korrespondenzproblem (das wird in Kapitel 4.3 – Operationalisierung – noch zu vertiefen sein), andererseits dem Basissatzproblem.

38
Q

Beschreibe das Basissatzdilemma.

A

Das beim Vergleich der theorie-implizierten mit empirischen Basissätzen auftretende Basissatz-Dilemma wurde bereits in Abschnitt 1.3.3 skizziert. Es besagt in der jetzt vorgenommenen Präzisierung der Vergleichssituation zwischen „Theorie“ und „Realität“, dass die empirisch gewonnene Beobachtungsaussage „wahr“ sein muss, damit aus ihrem Vergleich mit dem theoretisch abgeleiteten potentiellen Falsifikator oder Konfirmator eine Schlussfolgerung auf die „Wahrheit“ der Hypothese begründet werden kann.

39
Q

Beschreibe das Korrespondenzproblem!

A

Das Korrespondenzproblem setzt eine Stufe früher an. Wie schon in Kapitel 1.3 betont, sollen sich die von der analytisch-nomologischen Wissenschaft angestrebten Hypothesen/Theorien durch möglichst hohen Informationsgehalt auszeichnen. Dazu sollen sie nicht nur im Idealfall raum-zeit-unabhängige Geltung beanspruchen, sondern auch in Begriffen formuliert sein, die zeitüberdauernd und ortsübergreifend gelten können, also von den Besonderheiten singulärer Situationen bewusst abstrahieren. Außerdem sollen sich die Hypothesen/Theorien nicht auf Aussagen über unmittelbar beobachtbare Phänomene beschränken, sondern auch Vermutungen über nicht direkt erfahrbare Eigenschaften und Phänomene wie „Vertrauen“ oder „Erreichbarkeit“, über Dispositionen wie „Autoritarismus“ oder „Umzugsbereitschaft“ bzw. über theoretische Konstrukte wie „soziale Schicht“ oder „Rollenkonflikt“ zum Ausdruck bringen.
Mit anderen Worten: Die von der Erfahrungswissenschaft angestrebten Hypothesen sind in „theoretischer Sprache“ formuliert, die Basissätze dagegen (und zwar sowohl die deduktiv aus den Hypothesen abzuleitenden wie die aufgrund von Datenerhebungen zu formulierenden) müssen auf „Beobachtungsbegriffe“ zurückgreifen, d.h. sich auf Sachverhalte beziehen, die unmittelbar wahrnehmbar oder unter Benutzung geeigneter Instrumente erfassbar sind. Zwischen diesen beiden Aussage-Ebenen klafft eine semantische Lücke, die mit Hilfe geeigneter Verknüpfungsregeln zwischen theoretischem Begriff und Beobachtungsbegriffen geschlossen werden muss: Dem theoretisch bezeichneten Phänomen müssen direkt erfahrbare Sachverhalte zugeordnet werden, die als beobachtbare Hinweise (Indikatoren) auf das in seiner Allgemeinheit oder Abstraktheit nicht unmittelbar beobachtbare Phänomen dienen können. Diese Verknüpfungsregeln stellen die „Korrespondenz“ (= die Entsprechung) von theoretischer Ebene und Beobachtungsebene her und heißen daher Korrespondenzregeln.
Das Problem besteht nun darin, dass nicht immer unbezweifelbare Indikatoren für das theoretisch gemeinte Phänomen benannt und begründet werden können. Während dies bei einem Begriff wie „Erreichbarkeit“ noch auf intuitiver Basis möglich ist, fällt es bei einem Konstrukt wie Rollenkonflikt schon viel schwerer.
Allgemeiner ausgedrückt: Eine hypothesenbzw. theorie-unabhängige (sozusagen „objektive“) Operationalisierung eines theoretischen Begriffs ist nicht möglich; beides hängt unauflösbar miteinander zusammen.
Selbst wenn das eigentliche Basissatzproblem in einem bestimmten Projekt als vernachlässigbar angesehen werden könnte, wäre aus der Übereinstimmung oder Nicht-Übereinstimmung zwischen theoretischen Tatsachenbehauptungen und empirischen Beobachtungsaussagen kein von der Operationalisierung ablösbarer Schluss auf die Bestätigung oder Falsifizierung der überprüften Hypothese möglich, sondern lediglich auf die Bestätigung oder Falsifizierung der Hypothese in Verbindung mit den in diesem Projekt verwendeten Korrespondenzregeln. Eine eigentlich falsche Hypothese könnte aufgrund der empirischen Daten bestätigt scheinen (falls die Korrespondenzregeln falsch sind). In gleicher Weise könnte eine eigentlich richtige Hypothese fälschlicherweise empirisch widerlegt erscheinen.
Das Problem ist prinzipiell unlösbar. Der einzige Rat kann nur lauten, die Arbeitsschritte der Operationalisierung (vgl. Kapitel 4) sehr ernst zu nehmen und Korrespondenzregeln nicht lediglich auf Plausibilitätsannahmen, sondern auf empirisch bereits gut bestätigte Hypothesen/Theorien zu stützen – und zwar auf solche Hypothesen/Theorien, die nicht in der zu prüfenden Hypothese/ Theorie enthalten sind (andernfalls besteht die Gefahr der Tautologisierung der Hypothesenprüfung).
### WTF? ###

40
Q

Wie wird “Experiment” im Lexikon zur Soziologie definiert?

A

Als „planmäßige Beobachtung bestimmter Sachverhalte und ihrer Veränderungen unter vom Forscher kontrollierten und variierten Bedingungen… [Es] unterscheidet sich u.a. dadurch von anderen Beobachtungsformen, dass die beobachteten Vorgänge durch den Forscher hervorgerufen, hergestellt werden.“ (Fuchs-Heinritz u.a., 1994, 190). Besonders in den Naturwissenschaften wird das kontrollierte Experimentieren als eine der zentralen Strategien der Erkenntnisgewinnung, des „Entdeckens“ neuer Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten in der Natur eingesetzt. In den Sozialwissenschaften stößt die methodisch „reine“ Form des Einsatzes von Experimenten allerdings sehr schnell an ethische Grenzen.

41
Q

Wie läßt sich ein Experiment gemäß des HO-Schemas erklären?

A

In den Kategorien des H-O-Erklärungsschemas (vgl. Abschnitt 2.4.1) lässt sich die experimentelle Fragestellung wie folgt konkretisieren: Der Forscher führt in einer kontrollierten Untersuchungssituation, die insbesondere von allen externen Einflüssen abgeschirmt ist, eine „Maßnahme“ durch – d.h. er realisiert bestimmte „Randbedingungen“: Punkt (2) des H-O-Schemas – und setzt seine Untersuchungsobjekte dieser „Maßnahme“ (engl.: treatment) aus. Danach beobachtet er, welchen Effekt die „Maßnahme“ auf seine Versuchsobjekte hat, d.h. welche „Wirkungen“ eintreten: Punkt (3) des H-O-Schemas. Bei mehrfacher Wiederholung des Experiments unter jeweils gleichen Bedingungen kann aus den Resultaten der Versuchsreihe das in dieser Konstellation zur Geltung kommende Ursache-Wirkungs-Prinzip – Punkt (1) im H-O-Schema – abgelesen werden. Wird in einer Versuchsreihe das „treatment“ systematisch variiert, während alle sonstigen Bedingungen konstant bleiben, kann aus dem Zusammenhang von variierendem „treatment“ und in Abhängigkeit davon variierendem Effekt das Ursache-Wirkung-Prinzip (das empirische „Gesetz“) differenziert ausformuliert werden.

42
Q

Wie hängt die Konzipierung hypothesentestender Forschung mit den Überlegungen zum Experimentdesign zusammen?

A

Ging es bei der Konzipierung hypothesentestender Forschung in erster Linie um ein methodologisch abgesichertes Argumentationsschema, so konzentrieren sich die methodologischen Überlegungen zum Design des Experiments [Statt Experimentaldesign findet man häufig auch die Bezeichnung „Versuchsanordnung“.] um die Gestaltung und Kontrolle der Untersuchungssituation.

43
Q

Was sind die beiden zentralen Anforderungen für Experimente?

A

Im Mittelpunkt des klassischen Experiments steht das Bemühen, für die Datenerhebung Bedingungen zu schaffen, in denen nur das Ursache-WirkungsPrinzip zwischen Maßnahme und Effekt zur Geltung kommen kann. Zum anderen ist Vorsorge zu treffen, dass die Art und die Stärke der vermuteten Kausalwirkungen eindeutig festgestellt und in gültiger Weise – nach Möglichkeit sogar quantitativ – gemessen werden können.
Die erste Anforderung kann dadurch erfüllt werden, dass – wie bereits angesprochen – die als (mögliche) Ursache angenommene Einflussgröße (s.o.: „Maßnahme“ oder „treatment“; in der psychologischen Experimentalforschung häufig auch „Stimulus“ genannt) vom Forscher kontrolliert in die Untersuchungssituation eingeführt wird und dass alle sonstigen, im Prinzip denkbaren Einflussgrößen weitestgehend abgeschirmt oder in anderer Weise (z.B. durch „Randomisierung“, s.u.) unwirksam gemacht werden.
Die zweite Anforderung ist dann erfüllt, wenn parallel zur Experimentalsituation eine „geeignete“ Vergleichssituation existiert, in der die (angenommene) Ursache nicht wirkt, die jedoch in allen anderen Aspekten mit der Experimentalsituation identisch ist.

44
Q

Was sind die Merkmale von sozialwissenschaftlichen Experimenten?

A

Im Falle sozialwissenschaftlicher Experimente mit Menschen als Untersuchungsobjekten (in der Psychologie meist Versuchspersonen – abgekürzt: Vpn – genannt) zeichnet sich das Design eines „echten“ Experiments dadurch aus, dass es mindestens die folgenden Merkmale aufweist:
– Es existiert eine Experimentalgruppe G1, die dem „treatment“ bzw. dem experimentellen „Stimulus“, also der auf ihre Auswirkungen zu untersuchenden Maßnahme, ausgesetzt wird.
– Es existiert eine in allen wesentlichen Merkmalen äquivalente Kontrollgruppe G2, die dem experimentellen Stimulus nicht ausgesetzt wird, die also vom „treatment“ verschont bleibt.
– In beiden Gruppen werden vor dem Zeitpunkt des „treatments“ und ausreichende Zeit danach die Ausprägungen der abhängigen Variablen (also der Merkmale, bei denen man Auswirkungen durch das „treatment“ erwartet) gemessen.
– Stimmen vor dem „treatment“ in der Experimental-und in der Kontrollgruppe die Verteilungen der abhängigen Variablen überein (was bei äquivalenten Vergleichsgruppen der Fall sein sollte) und sind nach dem „treatment“ Unterschiede zwischen den Gruppen feststellbar, dann werden diese Unterschiede als Effekte interpretiert (d.h. als Auswirkungen der experimentellen Stimuli).

45
Q

Was ist der Prototyp sozialwissenschaftlicher Experimente?

A


Als Prototyp des sozialwissenschaftlichen Experiments ist das Labor-Experiment anzusehen. Hierfür gilt, dass – im günstigsten Fall – die Auswirkungen möglichst aller Randbedingungen mit Ausnahme des experimentellen Stimulus bekannt sein sollten, so dass die Äquivalenz von Versuchs- und Kontrollgruppe auf der Basis empirisch bestätigter Kenntnisse herstellbar ist. Die Zusammensetzung der Gruppen kann in einem solchen Fall gezielt vorgenommen werden, die möglichen Einflussgrößen sind gezielt kontrollierbar.

46
Q

Was ist die Idee hinter der Randomisierung?

A

Diese anspruchsvolle Voraussetzung – dass man schon hinreichende empirisch bestätigte Kenntnisse hat, um vollständig kontrollierte Experimente durchzuführen – ist allerdings normalerweise nicht gegeben. Daher machen sich auch so genannte „echte“ sozialwissenschaftliche Experimente den Vorteil des kontrollierten Zufallsprinzips zunutze, der darin besteht, auch (noch) unbekannte Merkmale und Faktoren mit angebbarer Wahrscheinlichkeit in einer nicht einseitig verzerrenden Weise zu repräsentieren: Die Versuchspersonen werden „zufällig“ (etwa durch Auslosen) auf Experimentalund Kontrollgruppe verteilt. Dieses Vorgehen wird als „Randomisierung“ bezeichnet.
Diese zufällige Zuordnung darf nicht mit einer Zufallsauswahl der Experimentalteilnehmer verwechselt werden – in aller Regel wird man auf Freiwillige angewiesen sein. Das Prinzip der Randomisierung setzt eine Stufe tiefer ein: Sobald eine genügende Anzahl von Versuchspersonen gefunden ist, werden diese zunächst hinsichtlich derjenigen Merkmale, die für den Ausgang des Experiments als bedeutsam gelten – vielleicht Alter, Geschlecht, Bildung –, „geschichtet“ (sozusagen vorgruppiert). Danach entscheidet ein Zufallsverfahren, welche Personen aus jeder Schicht der Experimentalgruppe und welche der Kontrollgruppe zugewiesen werden. Auf diese Weise erreicht man zweierlei: zum einen die Bildung unmittelbar äquivalenter Experimentalund Kontrollgruppen hinsichtlich der Schichtungsmerkmale, zum anderen durch das zufällige Zuweisen – das sog. Randomisieren – die Ausschaltung der Gefahr systematischer Ergebnisverzerrungen durch Faktoren, die dem Forscher vorab nicht bekannt sind.

47
Q

Was ist die Idee hinter dem Viergruppendesign?

A

Dieses Zweigruppen-Design (G1 und G2) kann noch um zwei weitere Gruppen (eine Experimental- und eine Kontrollgruppe, G3 und G4) erweitert werden, in denen man auf den Vorgang des Messens vor dem eigentlichen „treatment“ verzichtet. Dadurch wird kontrolliert, ob nicht allein schon durch die Messung vor dem „treatment“ Veränderungen in Gang gesetzt wurden (VersuchskaninchenEffekt). Für Untersuchungsgegenstände, bei denen man in verschiedenen Bevölkerungsschichten jeweils unterschiedliche Auswirkungen der gleichen Maßnahmen für möglich hält (z.B. alte Leute gegenüber Jugendlichen, Frauen gegenüber Männern, Familien mit Kleinkindern gegenüber alten Ehepaaren usw.), kann außerdem das Design auf eine größere Zahl von Experimentalund zugeordneten Kontrollgruppen ausgeweitet werden (für jede relevante Bevölkerungsschicht ein komplettes Experimentaldesign). Die folgende Übersicht zeigt einige der wichtigsten Experimental-Designs:

48
Q

Was sind Feldexperimente?

A

Feldexperimente verfolgen das Ziel, die Logik des klassischen Experiments auch auf Untersuchungsanordnungen im sozialen Feld zu übertragen und dort zu realisieren. Dies ist in realen sozialen Situationen jedoch fast niemals in vollem Umfang möglich. Beispielsweise wird im Allgemeinen nicht für Zwecke der Wissenschaft in die soziale Realität eingegriffen; vielmehr muss die Forschung sich an Situationen „anhängen“, in denen im Rahmen des „normalen“ sozialen Handelns Veränderungen in Gang gesetzt werden (etwa Einführung einer neuen Produktionstechnik in der Automobilindustrie, Reform der Verwaltungsabläufe in der Kommune mit dem Ziel „mehr Bürgernähe“, Realisierung eines Arbeitsbeschaffungsprogramms für Langzeitarbeitslose). In solchen Situationen wird aber die Forschung allenfalls geduldet; keinesfalls erhält sie eine federführende Rolle bei der Gestaltung der von ihr untersuchten sozialen Realität.
Insbesondere wäre die Erwartung unrealistisch, Versuchs- und Kontrollgruppen nach von der Forschung vorgegebenen Kriterien zusammenzusetzen und/ oder nach dem Zufallsprinzip zu bilden (s.o.: Randomisierung). In manchen Fällen wird es überhaupt nicht möglich sein, über direkte Kontrollgruppen zu verfügen. Häufig sind auch „Vorher-Messungen“ der interessierenden Variablen nicht durchführbar. Besondere Probleme verursachen die Kontrolle der „treatments“ sowie die Abschirmung der übrigen Einflussgrößen.
Für nicht voll erfüllbare Bedingungen des „echten“ Experiments (s.o.) wird man dann bestrebt sein, Ersatzlösungen zu finden, die (nach Möglichkeit) die gleiche Funktion erfüllen: Anstelle äquivalenter Kontrollgruppen kann man versuchen, Vergleiche mit Situationen anzustellen, in denen die untersuchten Maßnahmen nicht durchgeführt werden (bei dem ABM-Programm etwa Vergleich mit einem anderen Bundesland, in dem die übrigen relevanten Situationsmerkmale ähnlich sind). Anstelle expliziter „Vorher-Messungen“ bei den Versuchspersonen kann man Daten aus früheren Zeiträumen heranziehen. Sind „externe“ Einflüsse auf die Effekte des untersuchten Programms nicht abzuschirmen, müssen diese externen Einflussgrößen gleichfalls gemessen werden, um sie bei der Auswertung der gesammelten Daten berücksichtigen zu können (statistische Variablenkontrolle in der Phase der Datenanalyse anstelle der Situationskontrolle im Experiment).

49
Q

Was sind Quasi-Experimente?

A

Untersuchungsanordnungen, die sich an der Experimentallogik orientieren, jedoch nicht alle Bedingungen des klassischen Experiments erfüllen können, werden als Quasi-Experimente bezeichnet. In der Übersicht (S. 91) sind auch einige solcher quasi-experimenteller Designs dargestellt, etwa das Design mit nicht-äquivalenten Kontrollgruppen (fehlende Randomisierung) oder der statische Gruppenvergleich (keine Vorher-Messung).

50
Q

In welchen zwei Bedeutungen wird der Begriff der Evaluation im Kontext der Forschung gebraucht?

A

Zum einen bezeichnet er eine spezifischer Fragestellung: Ein bestimmter Sachverhalt oder ein bestimmtes Handeln – z.B. ein politisches Reformprogramm oder eine neue Technologie oder das Handeln einer bestimmten Gruppe, etwa der Hochschullehrer – soll nach vorgegebenen Kriterien gestützt auf empirische Informationen bewertet werden.
Zum anderen bezeichnet er ein spezifisches Design, also einen besonderen Untersuchungsansatz: Das zu evaluierende Handeln – die durchgeführten Maßnahmen sowie die eingesetzten Instrumente, nennen wir es zusammenfassend „Programm“ – und die durch dieses Handeln bewirkten Effekte werden in methodisch kontrollierter Weise miteinander in Beziehung gesetzt und aus der Perspektive der Handlungsziele auf ihren Erfolg hin bewertet.

51
Q

Was sind die Umgebungseinflüsse von Programmen?

A

Dabei muss die Forschung explizit berücksichtigen, dass das „Programm“ nur in enger Verflechtung mit seiner sozialen Umwelt durchführbar ist, dass es also von Umgebungseinflüssen nicht abgeschirmt werden kann:

52
Q

In welchen zwei Weisen ist das Hempel-Oppenheimsche Erklärungsschema für die Evaluation relevant?

A

Zum einen erweist sich das „Programm“ als eine „technologische Aussage“, die ja formal die gleiche Struktur wie eine „Erklärung“ hat. Die Programmziele stellen die angestrebte künftige Situation dar – Punkt (3) im H-O-Schema. Die „Maßnahmen“ sind die zu vollziehenden Eingriffe in die gegenwärtigen „Randbedingungen“ – Punkt (2) im H-O-Schema. Die Art und Weise, wie eingegriffen werden soll, beruht auf Annahmen über Ursache-Wirkungs-Prinzipien – Punkt (1) im H-O-Schema –; sie liefern die theoretische Basis des Programms: „Wenn die Randbedingungen in bestimmter Weise verändert werden (2), dann werden dadurch die beabsichtigten Effekte hervorgerufen (3).“
Zum anderen orientiert sich das Evaluationsdesign an eben diesen Komponenten: Es hat sicherzustellen, dass sowohl die existierenden Randbedingungen (2) als auch der Ist-Zustand der Zielvariablen (3) vor Programmbeginn – also zum Zeitpunkt t0 – empirisch beschrieben werden. Es hat weiter sicherzustellen, dass die während der Programmlaufzeit vorgenommenen Eingriffe in die Randbedingungen (2) erfasst werden, und zwar sowohl Eingriffe durch die im Programm vorgesehenen Maßnahmen als auch andere relevante Veränderungen in der Programmumwelt (Diese „begleitende Buchführung“ wird monitoring genannt). Das Design hat schließlich sicherzustellen, dass der Zustand der Zielvariablen (3) nach Programmdurchführung – also zum Zeitpunkt t1 – wiederum empirisch beschrieben wird, so dass Art und Ausmaß der Veränderungen feststellbar sind.

53
Q

Was ist das zentrale methodische Problem der Evaluationsforschung?

A

Ein zentrales methodisches Problem besteht darin, für festgestellte Veränderungen der Zielvariablen (= Unterschiede zwischen den Zeitpunkten t0 und t1) zu entscheiden, ob und in welcher Höhe sie durch die Maßnahmen des Programms bewirkt wurden oder ob sie auf (programmexterne) Umwelteinflüsse zurückführbar sind. Diese Aufgabe der „Wirkungszurechnung“ ist am ehesten lösbar, wenn die Evaluationsforschung sich an der Logik des Feldexperiments orientiert und soweit möglich eine quasi-experimentelle Untersuchungsanordnung mit Vergleichsgruppen realisiert (vgl. Abschnitt 2.4.3).

54
Q

Wie läßt sich der Erfolg von Programmen feststellen?

A

Der eigentliche Bewertungsteil der Evaluationsforschung besteht darin, anhand der festgestellten Effekte den „Erfolg“ des Programms, seine Effektivität einzuschätzen. Als Maßstab für die Erfolgsbewertung gelten die Programmziele, also die beabsichtigten Effekte. Die faktisch eingetretenen Wirkungen können in mehr oder weniger hohem Maße den beabsichtigten Effekten entsprechen. Der Programmerfolg ist allerdings nicht schon aus den festgestellten Veränderungen, sondern erst aus der Wirkungszurechnung (s.o.) ablesbar. Selbst bei einem absolut wirkungslosen Programm könnten Veränderungen der Zielvariablen in der gewünschten Richtung durch positive Einflüsse der Programmumwelt hervorgerufen worden sein. Andererseits kann der umgekehrte Fall eintreten, dass trotz eines eigentlich wirksamen Programms aufgrund negativer Umgebungseinflüsse nur geringe Veränderungen der Zielvariablen (oder gar Veränderungen in nicht gewünschter Richtung) sichtbar werden. Das Programm selbst war dann trotzdem nicht „erfolglos“, denn es hat immerhin eine Verschlechterung der Situation verhindert. Zusammengefasst: Als „erfolgreich“ gilt ein Programm dann, wenn die getroffenen Maßnahmen die Zielvariablen in der gewünschten Richtung und in der gewünschten Stärke beeinflussen.

55
Q

Warum muß Evaluation mehr beinhalten als die direkte Messung der Wirkung des Programms?

A

Evaluation darf sich jedoch nicht auf den Nachweis des Eintretens oder NichtEintretens der beabsichtigten Effekte beschränken. In aller Regel werden neben den vom Programm beabsichtigten auch nicht beabsichtigte Wirkungen zu beobachten sein. Diese wiederum können von positiver oder von negativer Art sein und somit das Gesamturteil über ein Programm in erheblicher Weise beeinflussen. Das Evaluationsdesign muss daher das Untersuchungsfeld von vornherein so weit fassen, dass es über den Eingriffsbereich der Maßnahmen des Programms hinausreicht. Das schließt die Entwicklung eines theoretischen Wirkungsmodells – Punkt (1) im H-O-Schema – ein, welches auch Alternativen zu den Ursache-Wirkungs-Annahmen berücksichtigt, die dem Programm selbst zugrunde liegen (s.o.). Darüber hinaus impliziert dieser Arbeitsschritt eine fundierte „dimensionale Analyse“28 des Eingriffsund des Wirkungsfeldes.
Solche umfassenden – auch theoretischen – Vorarbeiten sind erforderlich, da von einer guten Evaluation nicht lediglich Aussagen über den Erfolg oder Misserfolg eines Programms erwartet werden. Vielmehr sollen bei ausbleibendem Erfolg aus den Forschungsergebnissen auch Hinweise auf Möglichkeiten zur Verbesserung des Programms ableitbar sein. Dazu ist neben der eigentlichen Wirkungsanalyse u.a. auch die Beurteilung der Programmdurchführung sowie der theoretischen Basis erforderlich.

56
Q

Welche Evaluationstypen kann man am Gegenstand der Evaluation unterscheiden?

A

Stehen im Vordergrund die Effekte, die von den Maßnahmen eines Programms hervorgerufen werden, haben wir es mit Wirkungsanalysen zu tun. Richtet sich der Blick nicht schwerpunktmäßig auf die Effekte, sondern steht die systematische Untersuchung der Planung, Durchsetzung und des Vollzugs eines Programms und seiner Maßnahmen im Vordergrund, spricht man von Implementationsforschung. Von Interesse kann auch sein, ob und in welcher Weise die von einem Handlungsprogramm gebotenen Leistungen von der Zielgruppe, für die diese Leistungen erstellt werden, in Anspruch genommen werden bzw. ob das Angebot auf Zustimmung oder Ablehnung stößt. Für diese Evaluationsrichtung steht der Begriff Akzeptanzforschung.

57
Q

Welche Evaluationstypen kann man hinsichtlich des Zeitpunkts unterscheiden, an dem eine Evaluation ansetzt?

A

Hier kann zwischen einer projektbegleitenden und einer abschließenden Evaluation unterschieden werden. Da üblicherweise bei begleitender Evaluation zugleich regelmäßige Rückkoppelungen von Ergebnissen in das Projekt vorgesehen sind, hat die Forschung Konsequenzen für dessen Verlauf; sie wirkt „programmformend“. Ein solches Konzept heißt formative Evaluation. Eine erst gegen Ende oder gar nach Abschluss eines Projekts durchgeführte – oder erst dann zugänglich gemachte – Evaluation verzichtet explizit auf formative Effekte. Sie gibt vielmehr im Nachhinein ein zusammenfassendes Evaluationsgutachten ab. Man spricht hier von summativer Evaluation.

58
Q

Schließlich ist noch danach zu unterscheiden, woher die Kriterien der Evaluation stammen und wer die Bewertungsinstanz ist.

A

Im „traditionellen Fall“ – der hier bisher dargestellt wurde – stammen die Beurteilungskriterien aus dem zu evaluierenden Programm selbst. Seine Implementation sowie seine Wirkungen werden im Lichte seiner eigenen Ziele bewertet. Vorgenommen wird die Beurteilung von den Durchführenden der Evaluationsforschung. Dieser Typ von Beurteilung besteht ausdrücklich nicht in der Abgabe subjektiver Werturteile, sondern in der Formulierung „technologischer Einschätzungen“, die intersubjektiv nachprüfbar sein müssen.
In manchen Fällen wird die eigentliche Bewertung jedoch auf programm- und evaluationsexterne Instanzen verlagert. Beispielsweise können Fachgutachten eingeholt werden; oder es werden neutrale Experten befragt, die sich thematisch besonders intensiv mit projektrelevanten Themen befasst haben oder die durch berufliche Erfahrungen mit ähnlich gelagerten Aufgaben ausgewiesen sind.
Unter forschungsmethodischen Gesichtspunkten handelt es sich dabei jedoch nicht um „Evaluationsforschung“, sondern um herkömmliche Umfrageforschung: Unter Verwendung empirischer Instrumente werden Experteneinschätzungen erhoben und ausgewertet. Als eine Variante des Verlagerns der Evaluierung auf eine programmexterne Instanz wird verschiedentlich die Befragung der Adressaten eines Programms (Nutzer oder Betroffene) favorisiert. Die Begründung fällt scheinbar leicht: Die Nutzer einer Dienstleistung und/oder die Betroffenen einer Maßnahme sind die „eigentlichen“ Experten. Sie haben den Gegenstand der Untersuchung aus eigener Erfahrung kennen gelernt und wissen, wie er (bei ihnen) wirkt. Sie sind also – so wird unterstellt – in der Lage, die konkretest-möglichen Urteile darüber zu fällen.
Diese Form von Evaluationsbefragung ist jedoch methodisch besonders problematisch, da die erhobenen Urteile weder den Status von Bewertungen im Sinne „technologischer“ Evaluationen noch von Bewertungen neutraler Experten haben. Es handelt sich um individuell parteiische Werturteile von Personen, die in einer besonderen Beziehung – eben als Nutzer, als Betroffene – zum Untersuchungsgegenstand stehen. Hier sollte nicht von „Evaluation“, sondern von Akzeptanzerhebung gesprochen werden.

59
Q

Nenne Ziele deskriptiver Untersuchungen!

A

– als Basis für eine zu treffende Entscheidung empirisch gesicherte aktuelle Erkenntnisse über den in Frage stehenden Gegenstand zu erhalten (Fragestellung: Entscheidungsvorbereitung) oder
– bei unvorhergesehenen gesellschaftlichen Veränderungen umfassende Informationen zur Beurteilung und zum Verständnis dieser Entwicklungen zu gewinnen (Fragestellung: Diagnose) oder
– einen noch relativ unbekannten empirischen Sachverhalt durch eine möglichst breit angelegte Deskription zu erkunden (Fragestellung: Exploration) oder
– beispielhafte Deskriptionen für eine allgemeine Regelhaftigkeit bzw. „Gesetzmäßigkeit“ zur Verfügung zu stellen (Fragestellung: Illustration) oder
– in regelmäßigen Abständen die Informationen über wichtige Teilbereiche der Gesellschaft zu aktualisieren (Fragestellung: gesellschaftliche Dauerbeobachtung) oder
– zu aktuellen politischen und/oder gesellschaftlichen Themen das Meinungsbild in der Bevölkerung zu erheben (Fragestellung: Meinungsforschung/Demoskopie) oder
– die Vorlieben und Konsumneigungen potentieller Kunden für kommerziell anzubietende Güter und Dienstleistungen zu durchleuchten (Fragestellung: Marktforschung)
– und manches andere. 


60
Q

Beschreibe den Geltungsbereich empirischer Deskriptionen!

A

Der kann entweder auf die untersuchten Fälle – bei sog. „Fallstudien“ (vgl. Kapitel 9) sogar auf den untersuchten Fall – beschränkt sein: etwa bei Gegenstandsbeschreibungen zur Vorbereitung spezifischer Entscheidungen oder bei Explorationen. Die Absicht kann aber auch sein, die Befunde über die untersuchten Fälle hinaus zu verallgemeinern: etwa bei Markt- und Meinungsforschungen oder bei gesellschaftlicher Dauerbeobachtung. Während im ersten Fall das Untersuchungsfeld eindeutig abgegrenzt ist, wird im zweiten Fall explizit eine „Grenzüberschreitung“ beabsichtigt: Die Befunde sollen „repräsentativ“ sein für eine über die untersuchten Fälle weit hinausreichende „Grundgesamtheit“.

61
Q

Warum verlangt 
im Vergleich zu den bisher behandelten Untersuchungsanordnungen die deskriptive Surveystudie die umfassendsten methodologischen Überlegungen zur Gestaltung des Forschungsdesigns?

A

Sie reichen von der Präzisierung der Fragestellung (sowie deren expliziter Einbettung in den Entstehungsund Verwertungskontext) über die Entwicklung eines untersuchungsleitenden und theoretisch fundierten Gegenstandsmodells sowie die Definition des Untersuchungsfeldes bis hin zur Auswertungsplanung. 
Während beispielsweise beim Untersuchungstyp „Theorietest“ die Fragestellung durch die zu prüfenden Hypothesen von vornherein eingeschränkt und präzisiert ist, und während dort auch die in Frage kommenden Objekte der Untersuchung relativ eindeutig zu bestimmen sind (nämlich mit Hilfe der aus den Hypothesen abzuleitenden „theorie-implizierten Basissätze“, vgl. Kapitel 1.3), erfordern Surveystudien in dieser Hinsicht umfassende Konzipierungsaufgaben mit zentraler Bedeutung für die spätere Brauchbarkeit der Resultate. Während bei Evaluationsforschungen trotz aller Komplexheit der Aufgabenstellung immerhin der Gegenstand der Untersuchung (das zu evaluierende Programm und dessen Eingriffsbereich) klar vorgegeben ist, müssen auch in dieser Hinsicht bei deskriptiven Studien konzeptionelle Vorleistungen erbracht werden. Diese sollen in ein Modell des Untersuchungsgegenstands einmünden, das sowohl dem Gegenstand selbst als auch dem Verwertungszweck der Studie gerecht wird und das zudem durch empirische wie theoretische Vorkenntnisse hinreichend abgesichert ist, um weder bei wichtigen Aspekten Lücken entstehen zu lassen noch Unnötiges und Irrelevantes zu erfassen. Darüber hinaus sollen im Idealfall auch Surveystudien Ansätze für die Weiterentwicklung sozialwissenschaftlicher Theorien bieten, sie sollen nicht „rein deskriptiv“, sondern zugleich „theoretisch relevant“ sein (vgl. Abschnitt 1.3.5).

62
Q

Das folgende „Strukturmodell“ für nicht-experimentelle Forschungsprojekte zeigt die einzelnen Arbeitsschritte und ihre Zusammenhänge auf:

A
63
Q

Was sind die basalen Prinzipien qualitativen Forschens, die weitestgehend geteilt werden?

A

Es sind dies die Prinzipien der Offenheit, der Kommunikation, der Prozesshaftigkeit und der Reflexivität.

64
Q

Beschreibe das Prinzip der Offenheit!

A

Das Prinzip der Offenheit erklärt sich aus dem Interesse qualitativer Forschung an der Spezifik und Tiefgründigkeit sozialer Phänomene. Darin ist zugleich eine Kritik am „methodischen Filtersystem“ (Lamnek 1988, 22) standardisierter Verfahren enthalten: Batterien geschlossener Fragen, selektive Beobachtungsschemata oder vordefinierte inhaltsanalytische Kategoriensysteme können im Wesentlichen nur überprüfen, was vorab bereits gewusst – oder genauer: theoretisch begründet vermutet – wurde. Offenheit zielt dagegen auf eine initiale Öffnung des Forschungsprozesses gegenüber dem im empirischen Feld vorhandenen Wissen. Das beginnt bereits mit der Art der Fragestellungen, denn in der qualitativ-interpretativen Sozialforschung stehen Fragen des ‚Wie‘ und des ‚Was‘ im Vordergrund. Auch im Untersuchungsverlauf wird den Forschungsfragen einige Offenheit zugestanden: Gerade weil wir a priori noch nicht genau wissen können, wie unser Forschungsgegenstand beschaffen ist, kann auch die Präzisierung der Forschungsfrage erst im Verlauf der Forschung erfolgen.
Offenheit ist auch das zentrale Charakteristikum für die Prozesse und Methoden der Datengewinnung. An die Stelle des in der standardisierten Forschung dominierenden Motivs der Vergleichbarkeit tritt in der qualitativen Forschung das Ziel einer maximalen Ausschöpfung des spezifischen Informationspotentials. Statt z.B. starrer Fragebögen werden flexible, situativ zu variierende Interviewleitfäden verwendet, statt der selektiven Messung einzelner Variablen wird ein offenes Spektrum kontextreicher Informationen angestrebt. All dies zielt darauf, im Verlauf des Forschungsprozesses und im Lichte einer intensiven Materialkenntnis zur Formulierung und dann auch Überprüfung von Hypothesen zu gelangen.

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Beschreibe das Prinzip der Kommunikation!

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„Datengewinnung ist eine kommunikative Leistung“, schreibt Christa HoffmannRiem (1980). Damit ist – im Sinne des Prinzips von Forschung als Kommunikation – gemeint, dass die angestrebte Ausschöpfung des spezifischen Informationspotentials in der Datengewinnungssituation nur gelingen kann, wenn wir unseren Kontakt mit dem Forschungsfeld konsequent als sozialen Prozess der Kommunikation und Interaktion auffassen und unsere Informanten im Feld als „orientierungs-, deutungsund theoriemächtige Subjekte“ (Schütze 1978, 118) behandeln, statt sie zu „Fällen“ oder „Probanden“ zu degradieren, an denen uns nicht die Person, sondern allein die Ausprägung definierter Variablen interessiert. Auch wenn dies eher wie ein forschungsethischer Imperativ klingen mag – hinter Prinzipien wie Offenheit und Kommunikation steckt wesentlich ein Qualitätsargument: Nur wenn wir unsere Forschung an diesen Prinzipien ausrichten, können wir die angestrebte Spezifität und Tiefgründigkeit unserer Ergebnisse erreichen.
Forschung als Kommunikation bedeutet daher, dass wir die Situation der Datengewinnung konsequent an den Strukturen des Alltagshandelns ausrichten müssen. Statt artifizieller Datenerhebungssituationen sind eher alltagsähnliche Situationen des Gesprächs und des Mithandelns zu nutzen, um relevantes Wissen über unsere Forschungsgegenstände zu erlangen. Dies ist insbesondere deshalb von hoher Bedeutung, weil ein wesentlicher Teil unseres Forschungsgegenstandes immer auch die Motive, Reflexionen und Hintergrundkonstruktionen der handelnden Menschen betrifft, die wir nur in kommunikativen Prozessen erschließen können.

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Beschreibe das Prinzip der Prozeßhaftigkeit!

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Mit dem Prinzip der Prozesshaftigkeit ist zweierlei gemeint: Einerseits ist Forschung als Kommunikation ersichtlich als Prozess zu verstehen. In dem Sinne, dass ein Forschungsvorhaben immer eine gewisse Zeit beansprucht, ist diese Feststellung trivial. Gemeint ist hier aber, dass die Gewinnung der Daten nicht als einmaliger Akt des Messens, sondern als fortgesetzter Interaktionsprozess mit den Akteuren im Feld zu konzipieren ist. Damit werden die Forschenden unvermeidlich selbst zu einem Teil des Forschungsprozesses und seiner Ergebnisse.
Wichtiger noch ist die zweite Bedeutung von Prozesshaftigkeit qualitativer Forschung: Auch der Gegenstand qualitativ-interpretativer Forschung wird als prozessual hergestellter verstanden: Die soziale Wirklichkeit, die wir untersuchen, wird von sozialen Akteuren fortwährend hervorgebracht, erhalten und modifiziert. Soziale Realität ist in fortwährendem Wandel begriffen; selbst vermeintlich Statisches muss immer aufs Neue interaktiv erzeugt werden. Es sind genau diese Hervorbringungsprozesse, für die sich qualitative Forschung interessiert: Wie entstehen Gruppen oder Netzwerke? Aber auch: Wie werden sie erhalten, verändert, weiterentwickelt oder auch aufgelöst? Wie geht der Wandel gesellschaftlicher Institutionen – etwa Ehe oder Familie – tatsächlich vonstatten? Wie definieren Akteure Situationen als z.B. kritisch, und wie gehen sie interaktiv damit um?

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Beschreibe das Prinzip der Reflexivität!

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Auch mit dem Prinzip der Reflexivität ist die qualitative Sozialforschung in doppelter Weise befasst: Zunächst einmal gilt, dass kein Objekt und keine Äußerung aus sich selbst heraus eine Bedeutung hat, diese vielmehr erst in einem Verweisungskontext von Objekt, Äußerung und Kontext entsteht. Je nach Referenzrahmen ist ein Objekt oder eine Äußerung anders zu interpretieren. Dieses reflexive Verhältnis von Einzelnem und Ganzem, das Wilson (1982) als „Indexikalität“ bezeichnet hat, war der implizite Hintergrund schon der Hermeneutik, jener ‚Kunst‘ der Auslegung also, die sich mit der Interpretation des Sinns von Artefakten (Texten, Bildern, Objekten) befasst und von einer Zirkularität von Sinnkonstitution und Sinnverstehen ausgeht. So wie das Einzelne erst im Kontext des Ganzen verstehbar ist, so erschließt sich auch die Bedeutung des Ganzen erst aus der Bedeutung des Einzelnen – dies wird auch als hermeneutischer Zirkel bezeichnet.
Zugleich aber existiert Reflexivität auch im Verhältnis von Forschungsfrage und Forschungsgegenstand: Unser Forschungsinteresse und unsere konkrete Forschungsfragen sind mitentscheidend dafür, welche Bedeutung wir bestimmten empirischen Phänomenen im Feld und bestimmten Daten, die wir über sie gewonnen haben, zuweisen. In einem gewissen Umfang richtet die Fragestellung also die Daten zu, beeinflusst mithin, was die Daten uns bedeuten. In diesem Sinne spricht etwa Mead davon, dass wir als Handelnde unsere Objekte aus der Welt „herausmeißeln“ müssen (1938, 660) und dass Tatsachen nicht einfach vorhanden sind und aufgesammelt werden können, sondern dass sie als Daten herauspräpariert werden müssen (1938, 98).