Teil II Deskriptive Entscheidungstheorie 4 Rationalitätsgefährdende Motive des Menschen Flashcards

1
Q

Attributionstheorie

A

Die Frage, wie Menschen typischerweise die Ursachen für Erfolg oder Misserfolg zuweisen (attribuieren), wird im Rahmen der Attributionstheorie behandelt.

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2
Q

situative Attribution

A

Wenn der Erfolg
auf nicht-beeinfussbare Komponenten des Handelnden, also auf Glück bzw. Pech zurückgeführt wird, spricht man von situativer Attribution

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3
Q

dispositionale Attribution

A

Wird das Ergebnis auf die Fähigkeiten des Handelnden zurückgeführt, liegt eine dispositionale Attribution vor. Hierbei ist
zusätzlich zu unterscheiden, ob die eigene oder eine dritte Person als Handelnde betrachtet wird.

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4
Q

selbstwertdienlichen Attribution

A

Zunächst soll die Ursachenzuschreibung im Hinblick auf Handlungen der eigenen Person behandelt werden. Diesbezüglich ist speziell in individualistischen (westlichen) Kulturen bekannt, dass Menschen gerne in einer Art und Weise attribuieren, die den eigenen
Selbstwert stützt. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer selbstwertdienlichen Attribution. Dies bedeutet, für positive Ergebnisse sieht man die eigenen Fähigkeiten
oder Eigenschaften als verantwortlich an (dispositionale Attribution), während bei negativen Ergebnissen die (unglücklichen) situativen Gegebenheiten vorgeschoben werden (situative Attribution).1
Für den ostasiatischen Kulturkreis gilt dieser Zusammenhang interessanterweise nicht, was vermutlich daran liegt, dass aufgrund der sozialen Erziehung der
Selbstwert des Einzelnen einen weniger hohen Stellenwert im Vergleich zum Wert der
Gruppe hat

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5
Q

Kognitionen

A

Individuen besitzen ein Bedürfnis nach einem konsistenten System von Meinungs-, Glaubens- und Wissenseinheiten. Diese Einheiten werden, da sie allgemeine Bewusstseinsprozesse darstellen, auch als Kognitionen bezeichnet. Auf diesen Erkenntnissen baut die im Folgenden beschriebene kognitive Dissonanztheorie auf.

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6
Q

Hypothesen

A

Hypothesen sind insofern von „normalen“
Kognitionen abzugrenzen, als dass sie nicht externe Informationen oder reale Beobachtungen
widerspiegeln, sondern subjektive Handlungs- und Erkenntnisentscheidungen.

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7
Q

Beispiel einer Hypothese

A

Um diesen abstrakten Sachverhalt zu erläutern, sei als Beispiel ein Kind in der Weihnachtszeit herangezogen. Eine Kognition, die auf einer realen Beobachtung basiert, wäre
z. B.: „Meine Mutter hat gesagt, dass das Christkind die Weihnachtsgeschenke bringt.“
Eine mögliche (subjektive) Hypothese des noch naiven Kindes wäre in diesem Zusammenhang: „Ich glaube meiner Mutter.“ Da Hypothesen, wie oben erwähnt, immer im Zusammenhang mit Handlungs- oder Erkenntnisentscheidungen gesehen werden, wäre es
für das Verständnis der Dissonanztheorie genauer und besser, die Hypothese wie folgt zu
formulieren: „Ich habe mich dazu entschlossen, davon auszugehen, dass die Aussage meiner Mutter wahr ist.“ Ein Kognitionensystem, welches nur aus diesen beiden Kognitionen bestehen würde, wäre konsistent. Erwischt das Kind seine Eltern jedoch dabei, wie sie die
Geschenke unter den Weihnachtsbaum legen, entsteht mit dieser dritten Kognition eine
Inkonsistenz. So ist es nicht möglich, dass alle drei Kognitionen gemeinsam richtig sind.

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8
Q

Kernaussage der kognitiven Dissonanztheorie

A

Es ist die Kernaussage der kognitiven Dissonanztheorie, dass jeder Mensch versucht,
entsprechende Inkonsistenzen im Kognitionensystem durch Änderung von Kognitionen
möglichst schnell zu beseitigen, da diese als unangenehm empfunden werden. Hierbei gilt
das Prinzip der Einfachheit und Effzienz, d. h., es werden die Kognitionen verändert, bei
denen die Änderungsresistenz am geringsten ist, oder mit anderen Worten, bei denen es am
einfachsten geht. Die Änderungsresistenz ist unter anderem dann hoch, wenn die – bezogen auf eine Hypothese – dissonante Kognition hinsichtlich mehrerer anderer stabiler Hypothesen als konsonante Kognition anzusehen ist. Eine Umdeutung dieser Kognition
würde dann nämlich zu neuen Inkonsistenzen führen. Ähnliches gilt auch bei der Suche
nach neuen Kognitionen. Der Mensch sucht insbesondere nach solchen Kognitionen, die
zu allen seinen Hypothesen in einem konsistenten Verhältnis stehen.

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9
Q

Wann geht man von einer Dissonanz aus?

A

So geht man nur dann von einer Dissonanz aus, wenn eine Inkonsistenz durch eine Menge von
Kognitionen gegeben ist, die mindestens eine Hypothese enthält, d. h., ohne eine Handlungs- oder Erkenntnisentscheidung gibt es keine Dissonanz.

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10
Q

Commitment

A

Ein Commitment liegt vor, wenn man „emotional an der getroffenen Entscheidung hängt“ oder – mit anderen Worten – eine Selbstverpfichtung besteht. Ist dies nicht gegeben, so liegt auch keine Dissonanz vor. Je stärker man jedoch an der Entscheidung hängt, d. h., je höher das Commitment ist, desto höher wird die Dissonanzstärke.
Somit gilt dem Commitment ein besonderes Augenmerk bei der Beschäftigung mit Dissonanzen.

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11
Q

Von welchen Faktoren hängt das Commitment einer Entscheidung ab?

A

Entscheidungsfreiheit, irreversible Kosten, Verantwortung und Normabweichung.

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12
Q

Entscheidungsfreiheit

A

Aus der Forschung zur Dissonanztheorie ist bekannt, dass Dissonanzen nur dann entstehen können, wenn das Individuum seine Entscheidung freiwillig trifft, d. h. sich aus einer
Menge von mindestens zwei Entscheidungsalternativen ohne Zwänge eine aussucht. Dies
ist leicht einsichtig. Erhält man beispielsweise von seinem Chef die eindeutige Weisung,
eine bestimmte Handlung durchzuführen, liegt keine Selbstverpfichtung vor, man hängt
emotional nicht an der Entscheidung. Wenn die Aktion dann einen unglücklichen Ausgang
fndet, hat dies der Chef zu verantworten.
Eine Dissonanz in der Psyche des Mitarbeiters könnte nur dann entstehen, wenn sich
dieser den Weisungen ohne Sanktionen widersetzen darf bzw. sogar soll und er deren
schlechte Konsequenzen absehen kann. In diesem Fall besteht Entscheidungsfreiheit, und
deshalb trägt der Mitarbeiter die Verantwortung für seine Handlungsentscheidung auch
mit. Hiermit wird deutlich, dass die Bedingung der Entscheidungsfreiheit und der Verantwortung sehr eng verknüpft sind.

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13
Q

Verantwortung

A

Im Hinblick auf eine Verantwortungszuweisung kann unterschieden werden, ob die Verantwortung gegenüber sich selbst oder gegenüber anderen gemeint ist. Grundsätzlich
steigt in beiden Fällen das Commitment für eine Entscheidung mit der Verantwortung.
Hierbei kommt es darauf an, wie diese jeweils wahrgenommen wird.
Betrachten wir zunächst die Verantwortung, die man in seiner Person für die Ergebnisse
des eigenen Handelns wahrnimmt. Eine wesentliche Voraussetzung, dass es überhaupt zu
einer Verantwortungszuschreibung kommt, besteht darin, dass die Konsequenzen des
Handelns in gewisser Weise vorhersehbar gewesen sein müssen. Dies bedeutet, es muss
zumindest retrospektiv erkennbar sein, dass man eine Entwicklung hätte absehen können.
Andernfalls fällt es Individuen grundsätzlich leicht, die Verantwortung abzulehnen

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14
Q

fundamentaler Attributionsfehler

A

Wie bereits gezeigt wurde, besagt dieser, dass Beobachter
von Handlungsergebnissen diese Ergebnisse meist auf die Eigenschaften bzw. Fähigkeiten
der Handelnden und nicht auf situative Komponenten zurückführen. Im Hinblick auf eine
Verantwortungszuweisung bedeutet dies, dass Individuen, falls mit ihren Entscheidungen
die Belange Dritter berührt werden, davon ausgehen können, dass ihnen von diesen Dritten (vorschnell) die Verantwortung zugewiesen wird. Dies gilt selbst dann, wenn sie objektiv für ein Ergebnis, das sich aufgrund nicht zu verantwortender situativer Komponenten eingestellt hat, keine Schuld tragen.

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15
Q

Irreversible Kosten der Entscheidung bzw. Kosten der Entscheidungsrevision

A

Eine wesentliche Komponente für das Commitment einer Entscheidung stellen die Kosten
dar, die im Zusammenhang mit der Entscheidung entstanden sind und zugleich nicht mehr
rückgängig gemacht werden können. Diese Kosten begründen ebenso wie die Kosten, die
erst anfallen, wenn die Entscheidung tatsächlich revidiert wird, ein hohes Commitment.
Irreversible Kosten können reale oder psychologische sein. Reale Kosten entstehen beispielsweise, wenn ein Marktforschungsinstitut beauftragt wurde, die Erfolgschancen eines neuen Produkts zu ermitteln. Wenn es sich im Anschluss an die teure Marktanalyse dann darum dreht, ob das Produkt wirklich an den Markt gebracht wird, ist das Commitment in
dieser Entscheidung sehr hoch.

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16
Q

psychologische Kosten

A

Von psychologischen Kosten kann beispielsweise gesprochen werden, wenn man sich
sehr intensiv und lange Zeit kognitiv mit einer bestimmten Entscheidungssituation auseinandergesetzt hat, bis man letztlich zu einer Entscheidung gekommen ist. Der viele Gehirnschmalz, der in den Entscheidungsprozess investiert wurde, erhöht nicht selten das
Commitment noch stärker als reale Kosten oder die Opportunitätskosten aus vernachlässigten Tätigkeiten.

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17
Q

tentative Entscheidung

A

Insbesondere vor dem Hintergrund des letztgenannten Aspekts wird verständlich, dass eine dissonanzverantwortliche Hypothese nicht zwingend eine tatsächliche Entscheidung darstellen muss, sondern schon die feste, gedanklich formulierte Absicht für diese Entscheidung
ausreicht. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer tentativen Entscheidung

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18
Q

Normabweichung

A

Ein letzter Punkt, der ebenfalls zu einer Vergrößerung des Commitments führt, ist der
Grad der Normabweichung. Handlungen, die als völlig normal betrachtet werden, führen
zu einer weit geringeren Selbstverpfichtung als Handlungen, die erheblich vom „Normalen“ abweichen.
Dies ist leicht einsehbar. Das Durch- oder Fortführen des Normalen stellt nichts dar,
was mit der eigenen Person verknüpft ist. Schließlich ist es normal, weil fast alle so handeln würden. Normabweichungen gibt es jedoch immer nur von wenigen. Dies ist logisch,
andernfalls wäre es keine Normabweichung. Wenn man sich also zu etwas deutlich Normabweichendem entschließt, steht die eigene Person in einer besonderen Beziehung zu dieser Entscheidung, es besteht eine hohe Selbstverpfichtung bzw. ein hohes Commitment.

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19
Q

Normtheorie

A

In Überlegungen, welche Entscheidungen als normal und welche als normabweichend
betrachtet werden können, hilft die Normtheorie von Kahneman und Miller (1986) weiter.
Nach der Normtheorie bildet der Stimulus, der die meisten kognitiven Elemente aktiviert,
die Norm. Etwas einfacher ausgedrückt bedeutet dies, dass das leicht Vorstellbare normal
ist und das schwer Vorstellbare normabweichend. Berücksichtigt man nun, dass die aktuelle Situation bzw. die gegenwärtige Entwicklung aufgrund ihrer hohen Verfügbarkeit am
besten vorstellbar ist, sind Entscheidungen, die diesen Status Quo bewahren, „normal“.
Normabweichend sind dementsprechend Entscheidungen, die zu einer Veränderung der
aktuellen Situation bzw. der gegenwärtigen Entwicklung führen.

20
Q

Konsequenzen der Dissonanz

A

Die Kernaussage der kognitiven Dissonanztheorie ist es, dass bei Dissonanzen ein starkes
Bedürfnis entsteht, diese zu verringern bzw. ganz zu beseitigen. Man kann die kognitive
Dissonanz hierbei als triebartigen Spannungszustand beschreiben, der – vergleichbar mit
Hunger – gestillt werden muss. Je stärker die Dissonanz ist, desto mehr besteht der Drang,
sie zu reduzieren. Dabei hängt die Höhe der Dissonanz zum einen von dem Commitment
und zum anderen vom Verhältnis der Anzahl dissonanter und konsonanter Kognitionen ab,
die jeweils mit ihrer Bedeutung gewichtet werden

21
Q

erste Möglichkeit zur Reduktion von Dissonanz

A

Zur Aufösung bzw. Reduktion von Dissonanzen gibt es drei Möglichkeiten: Die erste
Möglichkeit liegt darin, die dissonanzerzeugende Entscheidung rückgängig zu machen
bzw. zu revidieren. Im Falle einer Erkenntnisentscheidung mit einem geringen Commitment wird dies häufg naheliegend sein. Dies wurde im obigen Weihnachtsbeispiel verdeutlicht. Zwar mag es dem Kind nicht angenehm sein, an der Glaubwürdigkeit seiner
Mutter zu zweifeln, aber vielleicht erkennt es unmittelbar in diesem Zusammenhang, warum die Mutter ihm diese unwahre Geschichte erzählt hat.
Handelt es sich jedoch um Entscheidungen mit einem hohen Commitment, so versucht
der Mensch, an seiner Entscheidung festzuhalten und eine Aufösung der Dissonanz anders zu erwirken.

22
Q

zweite Möglichkeit zur Reduzierung von Dissonanz Sunk-Cost-Falle

A

Hierzu kann er mit zukünftigen Entscheidungen probieren, die Dissonanz zu verringern. Dies ist die zweite Möglichkeit. Das heißt, er wird versuchen, seine frühere mit
entsprechendem Commitment getroffene Entscheidung noch zum gewünschten Erfolg zu
führen, auch wenn er dies möglicherweise teuer erkaufen muss. Dies ist die sogenannte
Sunk-Cost-Falle. Hat ein Entscheider in ein Projekt investiert und hat sich dieses Projekt
noch nicht ausgezahlt, so wird der Entscheider aufgrund der noch vorhandenen Dissonanz
zusätzlich Geld und Arbeit investieren, bis das Projekt endlich doch noch zum Erfolg
wird. Er wird es tendenziell ablehnen, dieses Projekt vor dem ersten Erfolg abzuschließen. Denn in diesem Fall wäre die Dissonanz auf ewig nicht mehr aufösbar. Wenn ein
Manager beispielsweise vor kurzer Zeit eine ältere Produktionsanlage für viel Geld repariert hat, wird er bei dem nächsten Schaden, wenn sich die letzte Reparatur noch
nicht amortisiert hat, eher noch ein weiteres Investment in Erwägung ziehen, als die
Produktionsanlage gänzlich durch eine neue zu ersetzen, auch wenn dies möglicherweise
ökonomisch günstiger wäre.

23
Q

Dritte Möglichkeit zur Reduzierung von Dissonanz

A

Die dritte Möglichkeit besteht für den Menschen darin, seine Wahrnehmung (unbewusst) so zu steuern, dass die Dissonanzen abgeschwächt oder gänzlich reduziert werden.5
Das heißt, das Individuum sucht zusätzliche konsonante Kognitionen bzw. wertet vorhandene konsonante Kognitionen auf. Zugleich werden dissonante Kognitionen ausgeblendet
bzw. zumindest abgewertet. Dies ist nichts anderes, als dass alles versucht wird, um die
getroffene Entscheidung im Nachhinein in ein gutes Licht zu rücken. Es kommt zu einem
sogenannten Confrmation Bias, worauf schon bei der selektiven Wahrnehmung in Kap. 2 eingegangen wurde. Dort wurde die selektive Wahrnehmung mit den beschränkten kognitiven Ressourcen erklärt. An dieser Stelle können wir jedoch eine weitere Erklärungsmöglichkeit für das Phänomen bieten.

24
Q

Closed-Minded vs. Open-Minded-Personen

A

Nicht alle Personen gehen in der Bewältigung der Dissonanzen gleich vor. Deutlich wird
dies insbesondere beim zuletzt beschriebenen Phänomen der selektiven Wahrnehmung.
Und zwar lassen sich idealtypisch zwei Gruppen unterscheiden, die Closed-Minded- und
die Open-Minded-Individuen.

25
Q

Closed-Minded-Individuen

A

Die erstgenannte Gruppe der Closed-Minded-Individuen beschreibt insofern typische
Vertreter der Dissonanztheorie, als dass diese Individuen Dissonanzen grundsätzlich als
schlecht empfnden und konsequent nach Konsonanz streben (Consistency Seekers). In
dieser Gruppe ist die Gefahr besonders groß, durch einseitige Informationswahrnehmung
an falschen Entscheidungen festzuhalten bzw. sich in neuen Situationen falsch zu verhalten.

Auch Closed-Minded-Individuen setzen sich zum Teil freiwillig mit dissonanten Kognitionen auseinander. Dies machen sie jedoch nur dann, wenn sie glauben, sie logisch
und ohne große Schwierigkeiten widerlegen zu können. Sie suchen beispielsweise nach
Zeitungsartikeln, die zwar der persönlichen Meinung bzw. einer bereits gefällten Entscheidung zuwiderlaufen, jedoch in sich logisch nicht stimmig oder offensichtlich schlecht
recherchiert sind. Mit Freude werden sie den Artikel geradezu in der Luft zerreißen, weil
damit einer dissonanten Information ihre Daseinsberechtigung geraubt wird. Mit einer
konsonanten Information würde derselbe Entscheider vermutlich wesentlich weniger kritisch umgehen.

26
Q

Open-Minded-Individuen

A

Die Open-Minded-Individuen streben zwar ebenfalls nach Konsonanz, auf dem Weg
dorthin sind sie aber durchaus bereit, sich zeitweilig mit dissonanten Kognitionen auseinanderzusetzen. So ist ihnen bewusst, dass sie möglicherweise mit ihrer Hypothese und
den konsonanten Kognitionen falsch liegen können. Open-Minded-Individuen setzen sich
deshalb mit den dissonanten Kognitionen, d. h. im Beispiel mit den negativen Analysen
des Investments, auseinander und versuchen diese zu widerlegen. Misslingt diese Widerlegung, sind möglicherweise die konsonanten Kognitionen nicht richtig bzw. ist insbesondere die Hypothese nicht richtig.

27
Q

Das Kontrollmotiv

A

Natürlich ist es vorteilhaft und angenehm, eine bestimmte Situation unter Kontrolle zu
haben. Man kann lenkend eingreifen und sowohl für die eigene Person als auch möglicherweise für andere Personen, wenn man dies wünscht, vorteilhafte Ergebnisse bewirken.
Dass es sich bei diesem Motiv jedoch um eines der ganz wichtigen psychologischen Basismotive handelt, gilt es zunächst zu erläutern.

Natürlich ist es vorteilhaft und angenehm, eine bestimmte Situation unter Kontrolle zu
haben. Man kann lenkend eingreifen und sowohl für die eigene Person als auch möglicherweise für andere Personen, wenn man dies wünscht, vorteilhafte Ergebnisse bewirken.
Dass es sich bei diesem Motiv jedoch um eines der ganz wichtigen psychologischen Basismotive handelt, gilt es zunächst zu erläutern.

28
Q

Locus of Control

A

Mit dem sogenannten Locus of Control wird wiedergegeben, ob eine Person in einer gegebenen Situation die Kontrolle bei sich sieht (interne Kontrolle) oder nicht (externe Kontrolle).11 In diesem Abschnitt wird dargestellt, was genau unter interner Kontrolle zu verstehen ist.

29
Q

Varianten der Kontrolle

A
  1. Fähigkeit zur Beeinfussung
  2. Fähigkeit zur Vorhersage
  3. Kenntnis der Einfussvariablen in einer Entscheidungssituation
  4. Fähigkeit des retrospektiven Erklärens von Ereignissen.

Schon vor der genaueren Erklärung dieser Varianten erkennt man, dass die erste Kontrollvariante die stärkste Kontrolle anzeigt und mit aufsteigender Variante die Kontrolle
immer mehr nachlässt.
Von überaus entscheidender Bedeutung ist zugleich die Tatsache, dass es im Hinblick
auf die Befriedigung des Kontrollbedürfnisses nicht darauf ankommt, ob Kontrolle tatsächlich vorliegt oder Individuen lediglich der Auffassung sind, dass sie Kontrolle besitzen. Dies bedeutet, dass wir im Folgenden nicht von einer tatsächlichen Kontrolle, sondern von einer psychologischen, wahrgenommenen oder synonym von einer kognizierten
Kontrolle sprechen werden. Man könnte auch sagen: Menschen haben ein Bedürfnis danach, der Überzeugung zu sein, Kontrolle zu besitzen.

30
Q

Kontrolle als wahrgenommene Fähigkeit zur Beeinflussung

A

Die Fähigkeit zur Beeinfussung stellt, wie oben schon erwähnt, die stärkste Form der
Kontrolle dar. Glaubt ein Individuum, seine Umwelt beeinfussen zu können, so ist sein
Kontrollbedürfnis befriedigt. In Finanzmärkten kann davon ausgegangen werden, dass ein
normaler Anleger Kontrolle dieser Art, d. h. Möglichkeiten der Beeinfussung, nicht besitzt. Es gibt tatsächlich nur sehr wenige Personen oder Institutionen, die den Markt lenken können. Lediglich in einem sehr kurzfristigen Zeitspektrum ist es für einzelne
Medienvertreter bzw. „Börsengurus“ möglich, in engen Märkten durch entsprechende
Kaufempfehlungen Kursbewegungen zu bewirken, die sich dann jedoch meist sehr schnell
wieder normalisieren. Wir gehen allerdings davon aus, dass den meisten Marktteilnehmern ihre fehlende Beeinfussungsmöglichkeit bewusst ist, d. h. auch keine wahrgenommene Kontrolle über eine mögliche Beeinfussung vorliegt.

31
Q

Kontrolle als wahrgenommene Fähigkeit zur Vorhersage

A

Sind Ereignisse in gewisser Weise prognostizierbar, kann sich der Mensch darauf einstellen und seine Handlungen derart ausrichten, dass das Ereignis von ihm möglichst angenehm empfunden wird. Dementsprechend bestehen zwar keine Möglichkeiten zur Beeinfussung des Ereignisses wie in der ersten Variante, jedoch kann das Individuum zumindest
seine eigene zukünftige Situation im Kontext dieses Ereignisses gestalten. In einer entscheidungstheoretischen Terminologie bedeutet dies, dass sich der Entscheider bei einer
Kontrolle durch Vorhersehbarkeit in einer Entscheidungssituation unter sicheren Erwartungen sieht. Dies gilt in gleicher Weise natürlich auch bei Kontrolle durch Beeinfussbarkeit. Unsicherheit gibt es nicht. Wenn der Entscheider seine relevante Umwelt beeinfussen bzw. vorhersagen kann, stehen die Konsequenzen seiner Alternativen mit Sicherheit
fest. Gäbe es noch Unsicherheiten, hätte er nicht die angezeigte Kontrolle.

32
Q

Kontrolle durch Kenntnis der Einflussvariablen

A

In der dritten Kontrollvariante wird lediglich gefordert, dass die Einfussgrößen für
das Ereignis mit entsprechenden Interdependenzen, Ursachenzusammenhängen und
Unsicherheiten bekannt sind, ohne jedoch das Ereignis als solches weder beeinfussen
noch aufgrund der vorliegenden Unsicherheiten vorhersagen zu können. Eine Person mit
entsprechender Kontrolle kann zumindest ihre eigene Situation einschätzen und ist dementsprechend nicht völlig ausgeliefert. Möglicherweise ist sie durch eine Beschäftigung
mit den transparenten Einfussgrößen und deren Unsicherheiten sogar noch in der Lage,
die eigene Situation zu verbessern. Man mag hierbei an ein Hedging von Risiken denken,
das natürlich nur dann möglich ist, wenn die Risikoursache bekannt ist. Hat ein Anleger
z. B. russische Öl-Aktien erworben und möchte sich gegen die mit diesem Engagement
verbundenen Risiken absichern, so muss er Kenntnisse über alle relevanten Risiken besitzen. Hierzu zählen unter anderem das Wechselkursrisiko, das Risiko eines fallenden Ölpreises, aber auch politische Risiken.
Innerhalb dieser Kontrollvariante gibt es ein großes Spektrum von Entscheidungssituationen mit erheblichen Unterschieden im Hinblick auf die wahrgenommene Kontrolle,
bzw. negativ formuliert, auf das wahrgenommene Kontrolldefzit.

33
Q

Variante 4: Kontrolle durch Fähigkeit des retrospektiven Erklärens

A

Eine weitere Abschwächung des Kontrollbegriffs ergibt sich in der vierten Variante, Kontrolle als Fähigkeit zu betrachten, ein Ereignis retrospektiv erklären zu können. Eine diesbezügliche Kontrolle ermöglicht einer Person nicht nur, die Umwelt nachträglich sinnvoll
und geordnet darzustellen. Vielmehr kommt es ihr darauf an, durch die Erklärung Kenntnisse zu erlangen, die einen lenkenden Eingriff in der Zukunft erlauben, wenn ähnliche
Ereignisse anstehen. Wenn nämlich ein Ereignis erklärt ist, sind auch die relevanten Ursachen bekannt, und möglicherweise kann die Person die Ursachen und somit ihre eigene
zukünftige Situation beeinfussen.
Wenn beispielsweise Opfer von Vergewaltigungen zu einer Selbstbeschuldigung neigen, kann genau dieser Aspekt zu einer Erklärung beitragen. So kann das Opfer nach dieser Schuldübernahme daran glauben, dass es das zukünftige Risiko eines erneuten Missbrauchs durch eigenes Handeln beeinfussen kann.15 Es verstärkt den internen Locus of
Control, ist nicht mehr ausgeliefert und kann dadurch die Situation psychisch bewältigen.
In Finanzmärkten spielt diese vierte Kontrollvariante insofern eine Rolle, als dass das
Erkennen von Wirkungszusammenhängen in Märkten natürlich auch für spätere Engagements von außerordentlich hohem Nutzen sein kann. Zum Beispiel macht man sich nach
Crashs sehr viele Gedanken über die genauen Ursachen, was an der Vielzahl von Veröffentlichungen und Stellungnahmen abzulesen ist. Dies geschieht letztlich vor dem Hintergrund, beim nächsten Mal die Gefahr früher zu erkennen, um Verluste vermeiden zu können. Eine besondere Gefahr ergibt sich hieraus deshalb, weil zur Befriedigung des
drückenden Kontrollbedürfnisses vorschnell Erklärungen herangezogen werden, die nicht
notwendigerweise richtig sind.

34
Q

Bestimmungsgrößen für eine wahrgenommene Kontrolle

A
  • die Höhe und das Vorzeichen der Beträge,
  • die Ambiguität und Kompetenz sowie
  • die Integration und Segregation im Mental Accounting.
35
Q

Höhe und Vorzeichen der Beträge

A

Erste Bestimmungsgrößen sind die Höhe und das Vorzeichen der betrachteten Geldbeträge. So wird bei sehr niedrigen Beträgen nicht das unangenehme Gefühl erzeugt, einer
Situation ausgeliefert zu sein. Das Risiko erhält eher den Charakter eines Spiels.16 Bei großen, insbesondere negativen Beträgen wird möglicherweise deutlich in das Leben des
Entscheiders eingegriffen. Zu denken ist hier an einen möglichen Haftpfichtschaden, der
ohne Absicherung durch eine Versicherung zu so hohen Zahlungen führen kann, dass lebenslang eine erhebliche Wohlstandsreduzierung impliziert wird. Einer solchen unsicheren Situation möchten Menschen nicht ausgeliefert sein, sodass ein grundlegender Wunsch
nach mehr Kontrolle entsteht. Erst durch Abschluss einer Versicherung wird das Kontrollbedürfnis befriedigt. In gleicher Weise kann der Exporteur mit hohen offenen Dollarpositionen sicherlich besser schlafen, wenn er durch entsprechende Termingeschäfte für eine
Absicherung gesorgt hat.

36
Q

Ambiguität und Kompetenz

A

Unmittelbar im Zusammenhang mit dem letzten Beispiel ist als nächste Bestimmungsgröße die Kompetenz in der Entscheidungssituation bzw. hiermit direkt verbunden die
Ambiguität von Wahrscheinlichkeiten anzusehen. Mit wachsender Unsicherheit über die
Wahrscheinlichkeiten in der Entscheidungssituation entsteht ein immer größer werdendes
Gefühl, die Situation nicht unter Kontrolle zu haben.17 Dass dieses Kontrolldefzit aversiv
wahrgenommen wird und regelmäßig zu einer Ambiguitätsaversion führt, veranschaulichen die Experimente zum Ellsberg-Paradoxon.
Das Ellsberg-Paradoxon,18 ursprünglich zur Widerlegung der Erwartungsnutzentheorie
konstruiert, kann an einem Vergleich zweier Urnen verdeutlicht werden. In beiden Urnen
befnden sich jeweils 30 Bälle. Die „Risiko-Urne“ enthält 15 weiße und 15 schwarze Bälle.
In der „Ambiguitäts-Urne“ befnden sich ebenfalls nur weiße und schwarze Bälle, jedoch
ist hier die Aufteilung nicht bekannt. Aus den empirischen Untersuchungen zum Paradoxon
ist bekannt, dass Individuen lieber an einem Gewinnspiel mit der Risiko-Urne als mit der
Ambiguitäts-Urne teilnehmen. Zwar wird die Gewinnwahrscheinlichkeit in beiden Spielen
jeweils mit 50 % angegeben, in der Ambiguitäts-Urne ist diese Wahrscheinlichkeit jedoch
ambiguitätsbehaftet, da keine Information über die Verteilung vorliegt. Der Entscheider
fühlt sich in dieser Situation sozusagen weniger kompetent als bei vollständiger Information, es liegt ein aversiv wahrgenommenes Kontrolldefzit vor.

37
Q

Ellsberg Paradoxon

A

Das Ellsberg-Paradoxon,18 ursprünglich zur Widerlegung der Erwartungsnutzentheorie
konstruiert, kann an einem Vergleich zweier Urnen verdeutlicht werden. In beiden Urnen
befnden sich jeweils 30 Bälle. Die „Risiko-Urne“ enthält 15 weiße und 15 schwarze Bälle.
In der „Ambiguitäts-Urne“ befnden sich ebenfalls nur weiße und schwarze Bälle, jedoch
ist hier die Aufteilung nicht bekannt. Aus den empirischen Untersuchungen zum Paradoxon
ist bekannt, dass Individuen lieber an einem Gewinnspiel mit der Risiko-Urne als mit der
Ambiguitäts-Urne teilnehmen. Zwar wird die Gewinnwahrscheinlichkeit in beiden Spielen
jeweils mit 50 % angegeben, in der Ambiguitäts-Urne ist diese Wahrscheinlichkeit jedoch
ambiguitätsbehaftet, da keine Information über die Verteilung vorliegt. Der Entscheider
fühlt sich in dieser Situation sozusagen weniger kompetent als bei vollständiger Information, es liegt ein aversiv wahrgenommenes Kontrolldefzit vor.

38
Q

Integration und Segregation im Mental Accounting

A

Die dritte und zugleich sehr wichtige Bestimmungsgröße betrifft die Frage nach der Anzahl entsprechender „Ausspielungen“ des betrachteten Risikos. So wurde im Zusammenhang des Münzwurfspiels dargestellt, dass sich mit zunehmender Anzahl von Ausspielungen Risiken kompensieren und sich somit ein geringeres Kontrolldefzit einstellt.
Führt ein Entscheider die Ergebnisse aller Ausspielungen in einem mentalen Konto zusammen, so ist sein Kontrolldefzit insbesondere bei einer großen Anzahl von Ausspielungen geringer als bei einem Entscheider, der nur einmal an dem Spiel teilnimmt bzw. der
jedes Spiel in einem isolierten mentalen Konto bewertet. Das wahrgenommene Kontrolldefzit hängt somit davon ab, ob der Entscheider dazu neigt, mehrere (ähnliche) Engagements in einem mentalen Konto zusammenzufassen (Integration), oder ob er im Prinzip
jedes Engagement für sich bewertet (Segregation).
Neben der Integration bzw. Segregation von zeitlichen mentalen Konten wie im
Münzwurf-Beispiel ist in gleicher Weise auch die Integration und Segregation im Hinblick
auf sachliche Abgrenzungen zwischen mentalen Konten relevant. In diesem Zusammenhang ist auf das Beispiel des Abschn. 3.5 zu verweisen, in dem Aktien (Badeartikel und
Regenbekleidung) mit einem gegenläufgen Risiko analysiert wurden. Hierbei wurde verdeutlicht, dass ein Entscheider, der einem ausgeprägten Mental Accounting unterliegt,
d. h., eine starke Tendenz zur Segregation hat, beide Projekte aufgrund des jeweils hohen
Kontrolldefzits ablehnt. Hingegen würde ein stark integrierender Entscheider, der die Engagements in einem Konto zusammenfasst, die Risikokompensation erkennen und in seiner Gesamtposition nach Erwerb der Aktien nur ein geringes Kontrolldefzit wahrnehmen

39
Q

Konsequenzen aus dem Kontrollmotiv

A

Mit den obigen Vorüberlegungen zum Kontrollmotiv lassen sich einige Verhaltensverzerrungen ableiten, die im Folgenden in drei Kategorien präsentiert werden: das Unterlassen
von Aktionen mit geringer Kontrollwahrnehmung, Kontrollillusion und Kontrollverlustphänomene.
Wenn – wie eben gezeigt – das Kontrollmotiv ein so wichtiges Motiv für den Menschen
ist, dann ist es nicht erstaunlich, dass der Mensch Situationen meidet, in denen er keine
Kontrolle verspürt. Dies ist beispielsweise auch eine Erklärung, warum viele Menschen so
ungern mit dem Flugzeug reisen. Es ist das Gefühl, der Technik und dem Piloten hilfos
ausgeliefert zu sein, man kann weder anhalten noch aussteigen. Gänzlich anders ist das
Gefühl, selbst ein Auto zu fahren. Hier kontrolliert man mit Lenkrad und Pedalen das
Geschehen und fühlt sich deshalb besser – und dies, obwohl Autofahren eigentlich viel
gefährlicher ist als Fliegen, zumindest wenn man den vielen einschlägigen Statistiken
Glauben schenkt.

40
Q

„Choice“- oder „Information Overload“

A

ämlich auch eine Folge daraus, dass das Kontrollgefühl aufgrund der nicht mehr zu bewältigenden Komplexität verloren geht. Der Entscheider kann nicht mehr überblicken, welche
Handlungsalternative für ihn die beste ist. Deshalb verzichtet er am liebsten ganz auf eine
Entscheidung, was sicherlich in der Regel nicht das Beste ist. Wenn es also wichtig ist, dass
eine Entscheidung relativ schnell getroffen wird, sollte man versuchen, den Alternativenraum möglichst einzugrenzen, damit das Kontrollgefühl erhalten bleibt

41
Q

Home-Asset-Preference-Effekt oder kürzer Home Bias.
2

A

Dieser Effekt beschreibt die Beobachtung, dass Anleger lieber Aktien aus dem eigenen als aus einem anderen Land halten, da sie bezüglich der inländischen Aktien das Gefühl haben, ihr
Investment besser kontrollieren zu können. Man bildet sich ein, weil man gegebenenfalls
in der heimischen Presse leichter etwas über das Unternehmen erfährt, auch die Renditeentwicklung besser steuern zu können. Dass dies ebenso wenig möglich ist wie eine
grundsätzliche Gefahrenabwendung für einen Autofahrer, nur weil er das Lenkrad in der
Hand hält, ist mit einem Blick auf die Effzienz der Kapitalmärkte eigentlich offensichtlich. Aus einer portfoliotheoretischen Überlegung lässt sich hingegen ohne große Diskussionen ableiten, dass eine zu geringe Diversifkation ein nicht optimiertes Rendite-RisikoVerhältnis mit sich bringt. Es lassen sich Vergleichsberechnungen anstellen, die zu dem
Ergebnis kommen, dass es einen Anleger fast einen ganzen Prozentpunkt Rendite kostet,
wenn er nur in einheimische Werte investiert und sein Risiko nicht breit in anderen ausländischen Aktienmärkten streut.21 Dies ist insbesondere bei einem langen Anlagehorizont
ein hoher Preis für ein Gefühl der Kontrolle, welche de facto nicht vorhanden ist.

42
Q

Kontrollillusion

A

Im Kontext der Erläuterungen zum Motiv nach kognitiver Dissonanzfreiheit wurde deutlich, wie effektiv und pragmatisch der Mensch unbewusst vorgeht, um ein mögliches Defzit bei dem grundlegenden Motiv möglichst schnell zu beseitigen, und wie wenig er dabei auf Rationalität achtet. Entsprechendes gilt auch beim Motiv nach Kontrolle. Da es einem Menschen schlecht geht, wenn er keine Kontrolle spürt, bildet sich der Mensch
schlichtweg die Kontrolle ein und das Problem ist gelöst.22 Man spricht in diesem Zusammenhang von Kontrollillusion. Aus der psychologischen Forschung ist bekannt, dass diese
Kontrollillusion nicht nur vereinzelt bei Menschen auftritt, sondern dass es sich um eine
systematische Verzerrung in der Wahrnehmung der Kontrolle handelt, die zumindest tendenziell bei jedem Individuum auftritt.

43
Q

Hindsight Bias

A

Kontrollillusion tritt auch in der Variante 4 der Kontrolle auf, also bei der Kontrolle
durch die Fähigkeit, vergangene Ereignisse ex post erklären zu können. So überschätzen
Menschen dasjenige, was sie vor einem Ereignis über dessen Ausgang gewusst bzw. geahnt
haben.24 Man nennt dies den Hindsight Bias oder den „Das-habe-ich-schon-immer-gewusstEffekt“. Wie auch bei der Overconfdence wird der Hindsight Bias durch kognitive Effekte
des Narrow Thinking unterstützt. Erstens werden die alten Schätzungen sozusagen als „alte
Informationen“ im Gedächtnis von den neuen korrekten „überschrieben“ und sind deshalb
weniger verfügbar. Daneben dient bei der Rückerinnerung an eine vergangene Schätzung
das inzwischen bekannte, korrekte Maß als Anker und durch die Verankerungsheuristik
wird eine Verzerrung in Richtung des richtigen Schätzwertes impliziert.25

44
Q

Stress und Kontrollverlust-Phänomene

A

Ein Kontrollverlust liegt vor, wenn ein zunächst kognizierter interner Locus of Control,
der sich beispielsweise auch als Folge einer Kontrollillusion ergibt, in einen externen übergeht. Geschieht dies, so stellen sich kognitive, motivationale und affektive Defzite ein,
wobei diese Effekte bei den Menschen besonders groß sind, die ein hohes Kontrollbedürfnis haben (Typ A).27
Bei einem Kontrollverlust gibt es insbesondere zwei Reaktionsvarianten. In einer ersten Reaktionsvariante wird versucht, Kontrolle dadurch wiederzuerlangen, dass man sich
an eine offenbar Kontrolle besitzende Instanz „anhängt“.28 Diese Instanz kann ein sogenannter Börsenguru sein, dessen Prognosen zumindest in der Vergangenheit immer oder
häufg eingetroffen sind. Dass man zwar hieraus nicht auf eine gute Prognosequalität
schließen kann, hatten wir schon im Abschnitt zur Repräsentativitätsheuristik erläutert.
Dennoch vermittelt die Berücksichtigung der Prognosen dieses Börsengurus dem Anleger
das Gefühl, dass er nicht mehr ausgeliefert ist, und dies ist nun mal das bestimmende Motiv bei einem Kontrollverlust.
Forscher konnten diese erste Reaktionsweise für den amerikanischen Aktienmarkt nachweisen.29 Hierzu analysierten sie die Wirkung der Kolumne „read on the street“ des Wall
Street Journal auf das Verhalten der Anleger. In dieser Kolumne schreiben anerkannte Börsenexperten ihre Meinung zur zukünftigen und aktuellen Entwicklung der Kapitalmärkte.

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Q

e Illusion of Validity

A

Seite 97 Buch

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Q

Theorie der gelernten Hilfosigkeit.

A

Seite 97 Buch