2 Institutionen: 2.1 Staatliche Autorität und ihre Begründung Flashcards
(37 cards)
Kapitel 2
Macht & Staat
- 1 Staatliche Autorität und ihre Begründung
- 2 Legitime Autorität und “Good Government”
- 3 Öffentliche Güter und Externalitäten
- 4 Macht und Herrschaft im internationalen System
- 5 Die Entwicklung des modernen Staates
- 6 Der Nationalstaat
- 7 Staatsreform und Staatszerfall: Bürgerkriege
Politikwissenschaft
- empirische Sozialwissenschaft
- beschreibt & erklärt:
das Entstehen, Funktionieren politischer Institutionen, politischer Prozesse - Bestimmt Kausalitäten und Korrelationen
- Objektivistisch auch in Bezug auf menschliches Verhalten
- Quantitative und qualitative Methoden
Theorie (wissenschaftlich)
ein konsistentes Bündel wissenschaftlich begründeter Aussagen, die zugrundeliegende Gesetzmässigkeiten von Teilen der Realität erklären und Prognosen über die Zukunft zu erlauben
Politische Theorie (insofern sie von politischer Philosophe unterschieden wird)
- Ist positive politische Theorie (positive or explanatory political theory):
- Ist Teil der Gesellschaftstheorie
- Formuliert einen allgemeinen Erklärungsrahmen von Gesetzmässigkeiten, aus dem die Politikwissenschaft Hypothesen ableitet, die empirisch getestet werden (sollten!)
- E.g. Theorien des kollektiven Handelns, Institutionentheorie, Spieltheorie, statistische Methoden der Politikwissenschaft, ökonomische Geschichts- und Staatstheorie, Theorie der internationalen Beziehungen, etc.
Politische Philosophie
2 Beiträge an Politikwissenschaft:
- theoretisch
- praktisch
Politische Philosophie
theoretisch
Theoretisch:
- Begriffsanalyse politischer Begriffe
- Ontologie (Lehre vom Seienden) politischer Entitäten (=Institutionen) (was bedeutet es zu sagen, das Schweizer Volk existiert, handelt, will?),
- Handlungstheorie (Unterschied Handeln vs. Verhalten, Funktionieren)
- (sollte es Staat überhaupt geben -> gerecht? begründen, normative Aussagen)
Politische Philosophie
praktisch
Praktisch:
- Fragt nach der Begründung politischen Handelns aus der Perspektive der Handelnden (≠ erklären)
- Fragt nach der Begründung politischer Autorität, pol. Institutionen, pol. Pflichten, pol. Rechte, pol. Grenzen, etc.
- Unterzieht politisches Handeln einer kritischen Evaluation
- (bestimmte Politikverhältnisse können als legitim / nicht legitim dargesteltt werden)
Was ist politische Autorität?
- A. Autorität
- B. politisch
A. Autorität
(aus Perspektive des Handelnden begründet)
- Die Macht und/oder Befugnis Befehle zu erteilen, Regeln zu setzen und durchzusetzen, verbindliche Entscheidungen zu Treffen und Gehorsam zu verlangen
- Die Fähigkeit andere in ihrem Handeln zu beeinflussen, auf Grund
a) epistemischer Kompetenz
b) Charisma - und 2a können einer Person oder Institution zukommen (ev. KI); 2b kann nur einer Person zukommen
B. “politisch”
- Es ist ein Fremdwort > Übersetzung: e.g. gratis > unentgeltlich
- politisch“: (zhèngzhì – chin. : zhèng = Staat; zhì = regieren, bestrafen, heilen)
Wenn wir “politisch” auf Deutsch (oder in eine andere Sprache) übersetzen wollen, brauchen wir mehrere Ausdrücke dafür:
-
gesellschaftlich ausgehandelt:
- gemeinsam (einer allein macht keine Politik); nicht gewaltsam (e.g. eine politische Lösung im Gegensatz zu einer militärischen,)
- nicht vor Gericht entschieden (eine politische Lösung im Gegensatz zu einer juridischen)
- (zentral: gemeinsames Handeln)
-
der Regierung zugehörig (politische Autorität: e.g. politische Behörde, staatliche Autorität, etc.)
(hat allgemein verbindliche Regeln zu setzen)
Adjektiv politisch bezieht sich auf…
- a) bestimmte Form der Assoziierung von Menschen; Entscheidungsfindung im gemeinsamen Handeln durch Konsens/Deliberation und Verhandeln (horizontal, gesellschaftlich)
- b) Regierung: Bestimmung und Durchsetzung allgemein verbindlicher Regeln des Zusammenlebens (vertikal, Regierung zugehörig)
„politisch“ ist (mindestens) zweideutig, bezeichnet allgemein ein …
- horizontales Anerkennungsverhältnis zwischen Bürgerinnen und Bürgern
- vertikales Unterwerfungsverhältnis von Personen unter zwangsbewehrte politische Institutionen
- (das ist das besondere am griech. Wort: horizontal + vertikal)
- (Andeutung wie Unterwerfungsverhältnis begründet wird)
- (die Unterwerfung muss immer mit der Anerkennung kombiniert sein)
„politisches Handeln“ steht unter folgenden Bedingungen:
(unter denen wir kollektiv politisch handeln müssen -> sonst würde man einfach davonlaufen)
-
Allgemeine Verbindlichkeit/Rechtsförmigkeit:
Es sollen allg. verbindliche Regeln gesetzt & befolgt werden (Einigung/Aushandlung auf Regeln) -
Notwendigkeit des Entscheidens:
Entscheide können nicht unbeschränkt aufgeschoben werden (Menschen handeln, wenn sie handeln müssen, keine Alternative) - Nicht Reduzierbarkeit auf technische Fragen: Entscheide basieren auch auf Wertewahl und Güterabwägung (Polit. Problem = komplex, können nicht auf wiss. Probleme reduziert werden)
-
Dissens:
Entscheide müssen oft gefällt werden, obschon es über Werte und Ziele keinen abschliessenden gesellschaftlichen Konsens gibt (wenn alles harmonisch wäre, würde polit. Handeln gar nicht stattfinden)
Politische Autorität als Staat
- A. Der Begriff des Staates
- B. Staatszwecke
- C. Die Begründung der Staatszwecke
- (vertikales = Begründungspflichtig)
A. Der Begriff des Staates
Politeia, Polis, Staat (lat. stare: Stand, Bestand): Institution mit der grössten Dauerhaftigkeit:
- Territorium - Hoheitsgebiet, räumliche Jurisdiktion
- Subjekte - der staatlichen Autorität unterworfen
- Regierung - staatliche Autorität ausübend
(mind. 3 Dimensionen des Staates)
Max Webers Definition des Staates:
Die Gemeinschaft, die innerhalb “eines bestimmten Gebietes (…) das Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit für sich (mit Erfolg) beansprucht”
B. Staatszwecke
- Staat ist in jedem denkbaren Fall Instrument der Unterdrückung der Autonomie; kein begründbarer Zweck (philosophischer Anarchismus) -> es gibt keinen begründbaren Staatszweck / Notwenidkeit für den Staat
- Staat notwendig zum Schutz der Sicherheit und Freiheit des Kollektivs (Kommunitarismus; Kommunismus) -> Zweck des Kollektivs
- Staat notwendig zum Schutz der Sicherheit & Freiheit des Einzelnen (Republikanismus, Liberalismus) -> diese Vorlesung
C. Die Begründung der Staatszwecke
- a) Thomas Hobbes: die Begründung des Staates zur Bereitstellung des Guts der Sicherheit
- erklären ≠ begründen (Zweck politischen Handelns)
- Modern: Frage nach der Begründbarkeit des Staates gegenüber den dem Staat unterworfenen Subjekten ohne Rekurs auf Transzendenz (i.e. göttliche Bestimmung)
- Transdendenz = jenseits der Erfahrung & Bewusstsein
- man sucht Begründung, die auf grosse Mehrheit zutrifft, nicht nur für die Leute, die an Gott glauben
Thomas Hobbes:
Begründung des Staates zur Bereitstellung des Guts »Sicherheit«
Hobbes (Leviathan, 1651):
- immer mögliche interpersonale Gewalt als Grundproblem menschlichen Zusammenlebens
- Gedankenexperiment des Naturzustandes
- (Hobbes kann nicht erklären, wieso es Staat gibt, kann es aber begründen, nicht historisch - sondern rational wieso Staaten entstanden sind)
Das Gedankenexperiment des „Naturzustandes“ (NZ):
6 Annahmen:
1) Gleiche Gebrechlichkeit der Menschen (auch der schwächste Mensch kann den stärksten töten)
2) Misstrauen, Mangel an Selbstvertrauen (diffidence)
(Mensch hat unvollständige Info darüber, wer gefährlich ist)
3) Abwesenheit von PA (no common power)
(PA = Politische Autorität)
4) Strebenatur des Menschen; Konkurrenz individueller Begehrlichkeiten (natural right)
5) Knappheit der Ressourcen
6) Uncertainty (kein Wahrscheinlichkeitskalkül möglich)
- NZ = Abwesenheit von staatlicher Autorität
- wenn man diese Annahmen nimmt, ist Hobbes Argument stimmig
Zwei Argumente, die aus 1-6 folgen:
a) Rationalität des Misstrauens:
- Furcht & Selbstjustiz;
- jeder rechnet mit Schlimmsten;
- jeder probiert, der immer möglichen Gewalt des Anderen zuvorzukommen
=> Spirale der Gewalt („Krieg aller gegen alle“)
b) Wirkungslosigkeit rein verinnerlichter Regeln (laws of nature {Moral}):
- korrosive Wirkung von Verletzung der Moral durch „free riders“;
- mögliche Todesfolgen für diejenigen, die die moralischen Gebote respektieren;
- auch Menschen mit moralischer Haltung müssen die Anwendung von Gewalt erwägen oder ausführen, und sei es auch nur um der möglichen Gewalt der anderen zuvorzukommen.
a) Rationalität des Misstrauens:
(keiner weiss, wann er mit dem Schlimmsten rechnen muss)
- Furcht & Selbstjustiz;
- jeder rechnet mit Schlimmsten;
- jeder probiert, der immer möglichen Gewalt des Anderen zuvorzukommen
=> Spirale der Gewalt („Krieg aller gegen alle“)
b) Wirkungslosigkeit rein verinnerlichter Regeln (laws of nature {Moral}):
(da kein Staat -> keine Verfolgung, keine Strafe -> keine Moral;)
- korrosive Wirkung von Verletzung der Moral durch „free riders“;
- mögliche Todesfolgen für diejenigen, die die moralischen Gebote respektieren;
- auch Menschen mit moralischer Haltung müssen die Anwendung von Gewalt erwägen oder ausführen, und sei es auch nur um der möglichen Gewalt der anderen zuvorzukommen. (es besteht gewisse Vernünftigkeit in gewaltsamen Handlungen)
Konsequenzen von a) und B)
(Argumente, die aus 1-6 folgen)
- Ablehnung PA ist auch für bösartige egoistische Personen nicht rational
- man braucht keine besonderen moralischen Werte zu teilen, um Notwendigkeit der PA zu anerkennen
- ein rationaler Akteur, der PA grundsätzlich ablehnt, verneint die Sicherung des Überlebens als Voraussetzung rationalen Handelns: Selbstwiderspruch

Welche Form hat Hobbes’ Gedankenexperiment des Naturzustandes?
Begründung econtrario (Umkehrschluss)
- geht von einer vollständigen Disjunktion (=Trennung) und nur von zwei Möglichkeiten aus (« entweder PA oder nicht »)
- nimmt das Gegenteil von dem an, was begründet werden soll (« es gibt keine PA »)
- führt diese gegenteilige Annahme in Selbstwiderspruch (ad absurdum)
- Da es nur die zwei Möglichkeiten gibt, folgt daraus die Notwendigkeit der Annahme PA



