Literatur-/Kulturwissenschaft Flashcards

1
Q

LF3: Erläutern Sie die hermeneutische Erfahrung (nach Hans-Georg Gadamer).

A

Gadamer sieht die Hermeneutik als Mittel/Methode, einen kulturell gewachsenen Zusammenhang - egal ob überlieferungs-, traditions- oder normbedingt - aufrecht zu erhalten, oder sogar weiterzuentwickeln.
durch drei Kennzeichen geprägt:

  • Sprachliche Verfasstheit unserer Weltorientierung: Gadamer hebt die Sprachlichkeit des hermeneutischen Geschehens und die Vorgegebenheit eines Sprachsystems, sowie die Teilhabe der Individuen daran, hervor.
  • Vorurteilsabhängigkeit allen Verstehens: Anhand des Begriffs des ‚Vorurteils‘ (als Vor-Urteil) betont Gadamer die Bedeutung des historischen Ortes des Verstehenden für dessen Verstehen. Vor-Urteile beziehen sich auf die vorstrukturierte Verstehensfähigkeit des jeweiligen Subjekts, d.h. nicht auf Störungen, sondern auf produktive Bedingungen des geschichtlichen Verstehens (etwa beim Versuch, Neues zu verstehen).
  • Verstehen bedeutet das “Einrücken in ein Überlieferungsgeschehen”: Die hermeneutische Tätigkeit ist eine (mehr oder weniger bewusste) Konfrontation mit der Tradition, die im Vollzug des Verstehens eine “Verschmelzung” des gegenwärtigen mit dem vergangenen Horizont vollbringt.

Kritik an Gadamer

Jürgen Habermas: Frage, ob Art der Traditionsfortführung nicht zu einem unkritischen Anachronismus führen kann

Literatur des 19. Und 20.Jh.: Großer Teil entzieht sich den hermeneutischen Interpretationsansätzen als Auslegung von Sinn
Dadaismus, Surrealismus, moderne Lyrik und einige expressionistische Texte nicht unter denselben Fragestellungen erschließbar wie klassische, romantische oder realistische Texte

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Q

LF4: Benennen Sie einerseits die Ansätze, andererseits die Mängel psychoanalytischer Literaturdeutungen.

A

Grundlagen
• Topisches Modell (Es,Ich,Über-Ich)
• Das Unbewusste: als wichtiger Aspekt der
individuellen Entwicklung oder als Einfluss auf kulturelle Entwicklungen und soziale Prozesse
• Traumdeutung: latenter und manifester Trauminhalt

Ziel der psychoanalytischen Literaturwissenschaft ist es, Manifestationsformen des Unbewussten im literarischen Werk zu erschließen. Dabei richtet sich der Fokus sowohl auf Inhalt und Form der Texte selbst als auch auf die psychischen Strukturen und Prozesse, welche das Schreiben, Lesen und Interpretieren von literarischen Texten steuern.

Verschiedene Ansätze lassen sich somit zusammenfassen:
• Autorzentriert: Der Autor ist immer eine relevante Größe. Einerseits wird die Textstelle erklärt, indem auf die seelischen Umstände des Autors verwiesen wird, andererseits kann das Werk auch Ausdruck der psychischen Befindlichkeit des Autors sein. In diesem Fall tritt das Interesse am Text zugunsten eines psychoanalytischen Interesses am Autor zurück. Diese seelischen Umstände oder Befindlichkeiten können auch repräsentativ für eine Generation stehen, sozusagen als Zeugnis von zeit- und kulturtypischen Problemlagen.
• Leserzentriert: Hier steht der Leser im Mittelpunkt. Psychoanalytische Rezeptionstheorien beschreiben die psychischen Prozesse, die beim Lesen ablaufen und versuchen, die unbewussten Wirkungen der Literatur systemisch zu erfassen. Psychoanalytische Interpretationsverfahren stellen Annahmen und Standards auf, anhand derer sich literarische Werke deuten lassen. Einfach gesagt: Die Rezeptionstheorie beschreibt, was in und mit einem Leser geschieht, während eine Interpretationstheorie sagt, was ein Interpret zu tun hat.
• Textzentriert: Einzelne Aspekte eines literarischen Werkes können ebenfalls Gegenstand einer psychoanalytischen Interpretation sein: z. B. die Analyse der Figuren, des Plots und der sprachlichen Symbole  Bei einer Figurenanalyse behandelt der Interpret die fiktiven Figuren wie reale Personen, um ihr Verhalten zu erklären. Dabei bleibt die Biographie des Autors unberücksichtigt. Die Analyse der Symbole kann auf die Dechiffrierung einzelner Metaphern oder größerer narrativer Einheiten hinauslaufen, z. B. das Symbolregister von Freud.
• Kontextzentriert: Kontexte, die für die psychoanalytische Interpretation relevant sind, können Daten aus der Biographie des Autors sein. Allerdings kann der Kontext ausgeweitet werden: Das literarische Werk gilt dann als Ausdruck zeittypischer Faktoren, die vom Werk eines bestimmten Autors gewissermaßen verkörpert werden.

Mängel:
- Biographismus: der Autor auf der Couch
o Text nur Ausgangsmaterial
o Keine empirische Überprüfbarkeit der Hypothesen
o Historischer Kontext
- Technik allein keine Tiefgründigkeit
- Keine Allgemeingültigkeit
o der Beziehung von Werk und Leben des Dichters
o der Freiheit des Handelns
- Analogie Tagtraum und Dichtung nicht immer möglich
- Ästhetische Lust/Vorlust entspringt nicht immer dem Unbewussten

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3
Q

LF5: Erklären Sie die strukturalistische Tätigkeit (nach Roland Barthes)

A

REKONSTRUKTION des Objekts → Funktionsweise/Struktur/Regeln d. Objekts werden ERKENNBAR
Keine bloße Abbildung des Werkes
2 Operationen: ZERLEGUNG eines Objekts in kleinere Teile & ZUSAMMENSETZUNG dieser Teile
Veränderung eines Teils → Veränderung der Gesamtbedeutung

Zeichenmodell von Saussure: Sprache als Zeichensystem
LANGAGE → MENSCHLICHE SPRACHE an sich
LANGUE → ABSTRAKTES REGELSYSTEM
PAROLE → KONKRETER SPRACHGEBRAUCH
Roland Barthes: frz. Philosoph, Schriftsteller, Literaturkritiker d. 20.Jhds.
Im Bereich der strukturalistischen Semiologie unterwegs (WISSENSCHAFT VON DER BEDEUTUNG)
Methoden des STRUKTURALISMUS, DEKONSTRUKTION und der PSYCHOANALYSE
Textanalyse nach Barthes:
1. STRUKTURALE Analyse: MÜNDL. Erzählungen
2. TEXTANALYSE: SCHRIFTL. Erzählungen 3. Bedeutungsoffenheit/Bedeutungsplural
Umgangsregeln der Textanalyse:
Text wird in KURZE SEGMENTE (LEXIEN) zerlegt → bei jeder Lexie werden die SINNE+KONNOTATIONEN beobachtet & analysiert
→ Analyse geht PROGRESSIV (beispielhaft) vor → VERGESSENE SINNE gehören zur Textanalyse dazu
Codes der Textanalyse: „sind ASSOZIATIONSFELDER, eine ÜBER-TEXTUELLE ORGANISATION von NOTATIONEN, die eine gewisse STRUKTURVORSTELLUNG bedingen“
1. Wissenschaftlicher Code: vermittelt Wissenschaftlichkeit des Textes
2. Rhetorischer Code: Markierung in der Erzählung (Metasprache)
3. Chronologischer Code: Zeitlicher Code, hat Wirklichkeitseffekt
4. Sozio-historischer Code: Hinweise auf Herkunft/gesellschaftlichen Stellung
5. Kommunikation/Empfänger-Code: Beziehung, die als Adresse/Tausch geäußert werden
6. Symbolischer Code: verschiebt Objekt auf Grundlage üblicher Konnotationen in einen anderen Bereich
7. Asymbolischer Code: das Symbolische beschränken – Code des Asymbolischen
8. Narrativer Code: erzählerischer Griff, um zum Lesen d. Geschichte zu motivieren
9. Rätsel Code: Hinweise auf Rätsel durch z.B. Ankündigung seiner Lösung; Hinweise auf Wahrheit/Tatsachen

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4
Q

LF6: Erläutern Sie den Einfluss von Intertextualität auf Gattungsformen (nach Gérard Genette)

A

Gattungen: aufeinander bezogenen Texte, intertextuelle Relationen, weil ein einzelner Text schwer als Gattung bezeichnet werden kann

Intertextualität: Text verweist auf anderen Text (Zitat, Anspielung,…)

Merkmale der Intertextualität:

  • Intertextualität prägt die Gattung (wichtig für Entstehung)
  • Bezug auf fremde Texte (perspektivierende Intertextualität)
  • Bezug auf vorhergehende Werke (lineare Intert.)
  • mit zunehmender Etablierung der Gattung nimmt Intertextualität ab

Formen der Transtextualität* nach Genette

*generelle Relation zwischen Texten

  1. Intertextualität: Zitat, Anspielung, Plagiat
  2. Paratextualität: alles, das den Text äußerlich in Beziehung zu anderem Werk setzt (Titel, Illustration)
  3. Metatextualität: Texte über einen anderen Text (Kommentare)
  4. Hypertextualität: Beziehung zwischen zwei Texten (Text 2 kann ohne Text 1 nicht existieren)
  5. Architextualität: Beziehungen in Bezeichnungen (Gedicht, Essay)  Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kategorie
    Genette sagt, dass es keinen Text gibt der nicht mind. eine Form der Intertextualität aufweist
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5
Q

LF7: Erläutern Sie den Unterschied zwischen Rezeptionsgeschichte und Rezeptionsästhetik

A

Rezeptionsästhetik (Iser)
Leser Mittelpunkt
Bedeutungen eines Textes sind nicht ausschließlich im Text selbst verankert, weil sich Bedeutungen ständig verändern
 Sinn muss im Prozess des Lesens generiert werden (Einbildungskraft des Lesers)

Aufgrund von historischen Veränderungen braucht ein Text einen Spielraum von Aktualisierungsmöglichkeiten/Leerstellen

unterschiedliche Ebenen von Leerstellen
- Textpragmatik
- Syntax
- Semantik
Sie entstehen zwischen den sogenannten „schematisierten Ansichten“. Diese schematisierten Ansichten stellen einen Gegenstand in einer repräsentativen Weise vor, können ihn jedoch nie in seiner Gänze wiedergeben. Dort, wo Bestimmungen eines solchen Gegenstands fehlen, entstehen demnach Leerstellen. Der Leser stellt die Beziehung zwischen den einzelnen schematisierten Ansichten her und erschafft somit erst eine ganzheitliche Geschichte.
Leerstellen = Appelle an den Leser, Konkretisierungen durchzuführen, um eine Textkohärenz herzustellen

Rezeptionsgeschichte (Jaus)
Leser im Mittelpunkt
Für Jaus aber steht dabei vor allem der historische Aspekt von Literatur im Fokus, da es für ihn keine zeitlosen Wahrheiten in Texten gibt. Der Leser nimmt bei ihm dabei die Rolle des historischen Lesers ein, dessen Horizont im Verstehensprozess ständig wieder umgeformt wird.
Dieser Horizont entsteht durch die Erwartungen, die der Leser an einen literarischen Text hat. Dabei können diese Erwartungen vom Text bestätigt oder aber negiert werden. Jede Rezeption von Literatur nimmt daher Einfluss auf zukünftige Erwartungen, die der Leser an einen Text stellt  Horizonterweiterung
Daher bemisst sich für Jaus der literarische Wert eines Werks auch an genau dieser Differenz zwischen eigener Erwartung und der Erfahrung, die wir durch den Text machen. Diese Differenz nennt er auch „ästhetische Distanz“. Je größer diese ästhetische Distanz ist, desto höher schätzt Jaus seinen ästhetischen Wert ein.

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6
Q

LF8: Begriffe „Diskurs“ und „Macht“ nach Foucault

A

Indem aufgezeigt wird, dass Macht, Herrschaft und Wissen(schaft) stets etwas raum-zeitlich Produziertes sind, können sie nicht als selbstverständlich oder natürlich gegeben angenommen werden. Da das jeweils Aktuelle produziert worden ist (durch bestimmte Kräfte, Strategien, Taktiken), müssen die sozialen Verhältnisse (Ausbeutungsverhältnisse, Herrschaftsverhältnisse, Subjektivierungsweisen etc.) nicht so bleiben, sondern können verändert werden.
Diskurs = Gruppe von Aussagen (wie Texte, Begriffe, Konzepte) zu bestimmter Zeit, an bestimmten Ort und über bestimmtes Thema.
- legen Sprachen und Denkweisen fest, die zu einer bestimmten Zeit zur Verfügung stehen. Diskurse bestimmen, wie man über etwas redet und wie nicht über etwas geredet wird bzw. werden darf/kann.
- sind Filter des Sagbaren und damit auch der Denk- und Handlungsweisen.
Ordnung der Diskurse:
- äußere Diskurskontrolle: Ausschließungssysteme, die von außen wirken
- innere Diskurskontrolle: Prozeduren, mit denen sich Diskurse selbst kontrollieren
- Zulassungsbeschränkung von Diskursberechtigten

Methodisch wird dies mittels De- und Rekonstruktion offengelegt.

Macht = Beschreibung einer bestimmten Beziehung von Subjekten zueinander;
ab dem 16. Jhd. werden Machtverhältnisse vom Subjekt wahrgenommen und können analysiert werden
Problem der Macht: man muss sich den Machtstrukturen unterwerfen (Schule, Uni, …)

Beziehung Macht und Diskurs:
vor Diskursanalysen stehen Machtanalysen, weil Macht Diskurse strukturiert und Macht sich über Diskurse legitimiert.

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7
Q

LF 9: Veränderung der Psychoanalyse durch strukturalistische Ausrichtung und Hinwendung zu symbolischen Ordnungen (nach Lacan)

A

Psychoanalyse:
Begründer Sigmund Freud
Grundidee: Als Menschen sind wir keine Einheit, sondern immer zerrissen
Lacan erweitert Psychoanalyse mit dem Strukturalismus
(Fokus: Gesellschaft + ihre Strukturen + Kultur)

Ausgangspunkt: Sprache  gesellschaftliche Normen + Gesetze
Erst mit Sprache  Mensch wird Subjekt  die Sprache spricht uns, weil sie vor uns existierte

Strukturalismus: Gründer Saussure + Levi-Strauss ist eine analytische Haltung (keine Theorie)

Gemeinsamer Nenner: Sprache (nimmt Text auseinander + setzt ihn wieder zusammen)
Poststrukturalismus: Sprache bildet die Wirklichkeit nicht einfach ab, sondern formt sie
Bei Lacan wird Psychoanalyse in poststrukturelle Disziplin transformiert

Psychoanalyse nach Freud und Lacan
Klassische Psychoanalyse nach dem Vorbild der Physik aufgestellt Lacan übernimmt vieles, orientiert sich aber mehr an der Sprachwissenschaft (Linguistik)
Bedeutungen stehen im Zentrum (Signifikat) Sucht Verknüpfungen im Unterbewusstsein über lautliche Ähnlichkeiten (Signifikant)
Traumarbeit Signifikantenbeziehung

Lacans Begriffe: das Reale, das Symbolische, das Imaginäre
Reale: vergleichbar mit Zustand vor dem Spiegelstadium, demnach uns unwiederbringlich verloren
Imaginäre: hilft uns ein Verlangen (desire) auf ein „object of desire“ zu richten
streben wir danach, abgeschlossen + ganz zu sein, seit wir uns das erste Mal im Spiegel als abgeschlossene Einheit selbst wahrnehmen und erkennen können
Symbolische: Ordnung der Sprache (Signifikante)

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8
Q

LF10: Erläutern Sie die Haltung der Dekonstruktion (nach Jacques Derrida) aus feministischer Perspektive

A

Dekonstruktion: vereinfacht gesagt: man spürt Konstrukte auf und dekonstruiert sie
Eine Haltung zu dekonstruieren, heißt, logische Mängel und Verwirrungen aufzuzeigen und dies im Auge zu behalten.

Hinter den Konstrukten liegen Ideologien und Denkmuster, Wertungen und Haltungen
Wir neigen dazu, uns vorschnell für eine Seite zu entscheiden und haben eine gewisse Neigung für einfache, scheinbar logische, strukturierte Erklärungen. Damit erschaffen wir aber eine Art Hierarchie und stellen den einen Begriff über den anderen:
Vernunft über Leidenschaft, Mündliche Sprache über Schriftlichkeit, Männer über Frauen, weiß über schwarz, jung über alt… etc.

Diese Art unserer Weltsicht hindert uns jedoch daran, das Wertvolle am jeweils anderen zu erkennen. Destruktion lehrt uns somit auch alle Aspekte der Wahrheit erkennen zu können und zu wollen. Sie lehrt uns, nicht vorschnell Position zu beziehen und damit Gräben zu schaffen. Dies würde Wahrheit und Weisheit ausschließen und das Sichtbild verengen.

Derrida war also eindeutig gegen eine naive Hingabe an scheinbar vernünftige, logische und klare Definitionen/Erklärungen, gestützt auf ein blindes Vertrauen in Sprache als der natürliche und beste Weg zu kommunizieren. Er dachte, dass die Vielfalt an Möglichkeiten zu fühlen und wahrzunehmen, nicht in Sprache gebracht werden kann (mündlich oder schriftlich). (->Logozentrismus)
Sie veränderte das Verständnis diverser wissenschaftlicher Bereiche grundlegend und hat Einfluss auf Theorien und Methoden der Literaturwissenschaft genommen.

Aporia nennt Derrida den für ihn positiven Zustand der Verwirrung, der eintritt, wenn man die oppositionellen Wahrheiten beginnt zu hinterfragen. Sie ist der Beginn, einer möglichen Hinterfragung zu einfacher Konzepte, und ein Zeichen eines erwachsenen Verstandes.

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