Kapitel 6 - Lernen - Ausführliche Karteikarten Flashcards
(29 cards)
Klassische Konditionierung – Was ist das?
Klassische Konditionierung ist ein Lernprozess, bei dem eine natürliche, angeborene Reaktion des Organismus auf einen bestimmten auslösenden Reiz mit einem anderen, ursprünglich neutralen Reiz gekoppelt wird.
Begründer ist der Nobelpreisträger Pawlow, der dies durch Experimente mit Hunden zur Speichelsekretion bei gelernten Reizen demonstrierte (z.B. Glockenton wird mit Futter gekoppelt und löst schließlich Speichelfluss aus).
Die Terminologie umfasst:
* US (unkonditionierter Stimulus): Löst eine natürliche Reaktion aus (z.B. Fleischpulver löst Speichelfluss aus).
* UR (unkonditionierte Reaktion): Die natürliche Reaktion auf den US (z.B. Speichelfluss).
* NS (neutraler Stimulus): Löst anfangs keine spezifische Reaktion aus (z.B. Glockenton).
* CS (konditionierter Stimulus): Der zuvor neutrale Stimulus, der nach der Kopplung eine bedingte Reaktion auslöst (z.B. Glockenton nach dem Training).
* CR (konditionierte Reaktion): Die erlernte Reaktion auf den CS (z.B. Speichelfluss auf den Glockenton).
Phasen: Kontrollphase, Konditionierungsphase, Löschungsphase (der CS löst mit abnehmender Wirkung die CR aus, wenn der US ausbleibt), und Spontanerholung (die CR kann nach einiger Zeit ohne US wieder auftreten).
Die verzögerte Konditionierung (NS kurz vor dem US) führt am schnellsten zum Aufbau einer bedingten Reaktion.
Es wird angenommen, dass der CS mit dem US verknüpft wird (CS-US-Verbindung).
Ein ähnlicher Reiz kann die konditionierte Reaktion ebenfalls auslösen, was als Reizgeneralisierung bezeichnet wird. Der komplementäre Vorgang ist die Reizdiskrimination, bei der die Reaktion nur durch einen genau definierten Reiz ausgelöst wird.
Bedeutungsvolle Beispiele sind die Konditionierung von Emotionen (wie Angst und Phobien) und evaluative Konditionierung, bei der die Bewertung eines Reizes durch seine Paarung mit einem positiven oder negativen Reiz verändert wird (z.B. in der Werbung).
Was versteht man unter operanter Konditionierung?
Bei der operanten Konditionierung wird die Auftretenswahrscheinlichkeit eines Verhaltens aufgrund positiver oder negativer Konsequenzen erhöht oder gesenkt. Es handelt sich um ein Verhalten, das auf die Umwelt einwirkt (operantes Verhalten) und nicht reizgebunden ist, wie bei der klassischen Konditionierung.
Begründer sind Thorndike (Lernen am Erfolg) und Skinner (Experimente mit Katzen, Ratten und Tauben in der Skinner-Box).
Phasen einer operanten Konditionierung:
1. Bestimmung der Basisrate: Erfassung, wie oft das Verhalten ohne Verstärkung auftritt.
1. Aufbau/Training: Erhöhung der Verhaltensrate durch Verstärkung.
1. Löschung: Reduzierung des Verhaltens, wenn keine Verstärkung mehr erfolgt.
1. Spontanerholung: Abgeschwächte Reaktionen treten nach einiger Zeit ohne Verstärkung wieder gehäuft auf.
Wichtige Konzepte:
* Positive Verstärkung (Belohnungstraining): Hinzufügen eines angenehmen Reizes, um Verhalten zu fördern (z.B. Futter nach Hebeldruck).
* Negative Verstärkung (Fluchttraining): Entfernung eines unangenehmen Reizes, um Verhalten zu fördern (z.B. Ende eines Stromschlags bei Flucht).
* Bestrafung (Typ 1 & 2): Unterdrückung von Verhalten durch Hinzufügen eines unangenehmen Reizes (Typ 1) oder Entfernen eines angenehmen Reizes (Typ 2). Bestrafung bedeutet Unterdrückung, nicht Löschung von Verhalten.
* Hinweisreize: Informieren darüber, wann eine Verstärkung oder Bestrafung zu erwarten ist und sind Teil des Gelernten.
Aufbau komplexen Verhaltens:
* Reizdiskrimination: Die bedingte Reaktion wird nur durch einen spezifischen Reiz ausgelöst, nicht durch ähnliche.
* Verhaltensdifferenzierung: Das Verhalten wird an spezifische Situationen angepasst.
* Verhaltensformung (Shaping): Schrittweiser Aufbau neuartiger, komplexerer Verhaltensweisen, die nicht im natürlichen Repertoire vorkommen, durch sukzessive Verstärkung von Annäherungen an das Zielverhalten.
* Verzögerte Konsequenzen: Reduzieren den Lerneffekt deutlich (zeitliche Diskontierung).
* Selbstkontrolle: Selbstverstärkung und Selbstbestrafung sind wichtige Mechanismen im Alltag und in der Psychotherapie (z.B. Tabakentwöhnung).
Wo liegen die Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen klassischer und operanter Konditionierung?
Unterschiede
Art des gelernten Verhaltens:
* Klassische Konditionierung: Koppelt eine natürliche, angeborene Reaktion (Reflex) an einen neuen, zuvor neutralen Reiz. Die Reaktion wird durch einen Reiz ausgelöst.
* Operante Konditionierung: Erhöht oder senkt die Wahrscheinlichkeit eines spontan gezeigten Verhaltens durch dessen Konsequenzen. Das Verhalten wirkt auf die Umwelt ein und ist nicht reflexartig reizgebunden.
Assoziationsart:
* Klassische Konditionierung: Lerner assoziiert einen neutralen Stimulus (NS) mit einem unkonditionierten Stimulus (US) (CS-US-Verbindung).
* Operante Konditionierung: Lerner assoziiert ein bestimmtes Verhalten mit einer Konsequenz (Verhalten-Konsequenz-Verbindung).
Rolle des Organismus:
* Klassische Konditionierung: Der Organismus ist eher passiv, die Reize werden ihm dargeboten.
* Operante Konditionierung: Der Organismus ist aktiv, da sein Verhalten die Konsequenzen bestimmt.
Verhaltensunabhängigkeit vs. -kontingenz:
* Klassische Konditionierung: Der unkonditionierte Stimulus (US) wird unabhängig vom Verhalten des Organismus präsentiert.
* Operante Konditionierung: Verstärkung oder Bestrafung sind kontingent auf das gezeigte Verhalten.
Ähnlichkeiten
* Grundlegende Lernparadigmen: Beide sind zentrale und weit erforschte Paradigmen der Lernpsychologie.
* Verständnis von Verhalten: Beide tragen wesentlich zum Verständnis erlernten Verhaltens bei Tieren und Menschen bei und sind relevant für die Verhaltensmodifikation.
* Phänomene von Löschung und Spontanerholung: Beide Lernformen zeigen das Phänomen der Löschung (Abnahme der Reaktion bei Ausbleiben der Konsequenz/US) und der Spontanerholung (Wiederauftreten der Reaktion nach einer Pause).
* Implizites Gedächtnis: Klassische und operante Konditionierung werden dem impliziten Gedächtnis zugerechnet, das heißt, die erworbenen Inhalte sind nicht bewusst zugänglich, wirken aber im Verhalten.
* Bedeutung der Information: Die Verlässlichkeit eines Reizes als Prädiktor für nachfolgende Ereignisse ist in beiden Lernformen entscheidend für den Lerneffekt.
* Kombinierbarkeit: Beide Lernformen können zusammenwirken, um komplexere Verhaltensweisen zu erklären (z.B. beim aktiven Vermeidungslernen).
Erkläre die Zweifaktoren- oder Zweiprozess-Theorien des aktiven Vermeidungslernens.
Die Zweifaktoren- oder Zweiprozess-Theorie erklärt das aktive Vermeidungslernen als eine Kombination aus klassischer und operanter Konditionierung.
Der Mechanismus besteht aus zwei Phasen:
1. Klassische Konditionierung der Furcht/Angst: Zunächst wird über klassische Konditionierung eine Furcht- oder Angstreaktion auf einen ursprünglich neutralen Reiz (z.B. eine bestimmte Umgebung oder einen Hinweisreiz) gelernt. Dieser Reiz wird zum konditionierten Reiz (CS), weil er wiederholt mit einem aversiven, unkonditionierten Stimulus (US, z.B. Stromschlag) gepaart wird. Die Umgebung signalisiert nun Gefahr und löst Furcht aus.
2. Operante Konditionierung des Vermeidungsverhaltens: Der Aufbau des Flucht- und späteren Vermeidungsverhaltens erfolgt über operante Konditionierung.
* Die Beendigung des aversiven Reizes (z.B. Stromschlag) durch eine Fluchtreaktion (z.B. von einer Käfighälfte in die andere springen) stellt eine negative Verstärkung dar, da ein unangenehmer Reiz beendet wird.
* Anschließend wird das aktive Vermeidungsverhalten (z.B. das Verlassen der “gefährlichen” Käfighälfte oder eine neuartige Verhaltensweise wie das Drehen einer Rolle, um dem aversiven Reiz zuvorzukommen) ebenfalls negativ verstärkt. Hier wirkt die Verringerung der Furcht/Angst (die durch den CS ausgelöst wurde) als negative Verstärkung, da der Organismus durch sein Verhalten die unangenehme Furchtreaktion vermeidet.
Beispiel (Miller, 1948): Ratten lernten zuerst, durch Flucht den Stromschlag zu beenden. Danach erwarben sie sogar neuartige Vermeidungsverhaltensweisen (wie das Drehen einer Rolle oder das Drücken eines Hebels), um dem Stromschlag zu entgehen. Dies geschah, weil der konditionierte Reiz (z.B. die weiße Käfighälfte) Furcht auslöste, und das Vermeiden dieses Furcht auslösenden Reizes durch das Verhalten negativ verstärkt wurde, selbst wenn der primäre aversive Reiz (Stromschlag) nicht mehr auftrat.
Löschungsresistenz: Dieses aktive Vermeidungsverhalten ist oft sehr löschungsresistent, da der Organismus die Erfahrung macht, dass sein Verhalten die Furcht reduziert, und somit keine Gelegenheit bekommt, die Nicht-Kopplung von CS und US zu lernen.
Was ist “gelernte Hilflosigkeit”?
Gelernte Hilflosigkeit ist ein Zustand, der dann resultiert, wenn ein Organismus die Erfahrung macht, dass aversive Reize unkontrollierbar und unvermeidbar sind, unabhängig vom eigenen Verhalten.
Bedingungen für die Entstehung:
* Unkontrollierbarkeit: Es besteht keine Möglichkeit, einem unangenehmen Reiz nach dessen Eintreten zu entfliehen oder ihn zu beenden.
* Unvermeidbarkeit: Es fehlt die Möglichkeit, ein Verhalten zu entwickeln, das von vornherein verhindert, dass man unangenehmen Reizen ausgesetzt ist.
Der Organismus lernt, dass seine Reaktionen und die aversiven Reize voneinander unabhängig sind und nichts, was er tut, eine kontrollierende Wirkung hat.
Überprüfung im Experiment (Seligman und Maier, 1967): Tiere, die in einer ersten Phase unkontrollierbaren und unvermeidbaren aversiven Reizen ausgesetzt waren, zeigten in einer zweiten Phase, in der Flucht- oder Vermeidungsverhalten möglich gewesen wäre, eine reduzierte Lernleistung und reagierten “hilfloser” als Kontrollgruppen.
Transfer auf den Menschen (Hiroto, 1974): Das Phänomen tritt auch bei Menschen auf, wenn die experimentellen Bedingungen analog übertragen werden (z.B. unkontrollierbare laute Töne führen zu schlechteren Leistungen in einer späteren Vermeidungsaufgabe).
Folgen: Eine daraus resultierende Hilflosigkeitserwartung geht mit motivationalen, emotionalen und kognitiven Defiziten einher und generalisiert auf andere Situationen, selbst wenn in diesen erfolgreiches Verhalten möglich wäre. Frühe Studien sahen darin einen Ansatzpunkt zur Erklärung reaktiver Depression, Drogenmissbrauch und Schulversagen.
Wie wurde die Theorie der gelernten Hilflosigkeit neu formuliert?
Die anfängliche Interpretation der gelernten Hilflosigkeit, die stark auf tierexperimentelle Befunde gestützt war, zeigte Grenzen bei der Übertragung auf den Menschen. Die Neuformulierung der Theorie (Abramson, Seligman & Teasdale, 1978; Kuhl, 1981) legte einen ausgeprägt kognitiven und motivationalen Schwerpunkt.
Zentrale Bedeutung der Kausalattributionen: Entscheidend ist, wie eine Person die Ursachen für Misserfolge und mangelnde Kontrolle bewertet und zuschreibt.
Dabei spielen zwei Faktoren eine Rolle:
* (a) Globalität und Stabilität: Ob negative Ereignisse global (auf viele Lebensbereiche ausgedehnt) und stabil (auf einen langen Zeitraum bezogen) attribuiert werden.
* (b) Internalität: Ob der fehlende Erfolg der eigenen Bemühungen internal (auf die eigene Unfähigkeit) oder external (auf äußere, nicht zu verantwortende Umstände) attribuiert wird.
Neu charakterisierter Zustand der gelernten Hilflosigkeit: Das Individuum führt fehlende Kontrolle über unangenehme Ereignisse auf die eigene Unfähigkeit zurück, tut dies in vielen Lebensbereichen und sieht kein Ende dieser Situation.
Zusammenhang mit Depression: Ein global-stabil-internaler Attributionsstil für negative Ereignisse wird als direkter Auslöser depressiver Störungen angesehen.
Kuhl (1981) und “Lageorientierung”: Bei Menschen äußert sich gelernte Hilflosigkeit als “Lageorientierung”, bei der selbstbezogene Kognitionen (z.B. “Immer wieder geht es schief. Wieso trifft es dauernd mich?”) die aktive, positive Problembeschäftigung reduzieren und damit die Erfolgsmöglichkeit herabsetzen. Aufgabenirrelevante Gedanken können hierbei störend wirken.
Beschreibe das Modell des Aufsuchen-Meiden-Konflikts nach Miller.
Der Aufsuchen-Meiden-Konflikt (auch Annäherungs-Vermeidungs-Konflikt oder Appetenz-Aversions-Konflikt) beschreibt eine Situation, in der ein Objekt oder Ziel gleichzeitig angestrebt (Aufsuchen-Tendenz) und gefürchtet (Meiden-Tendenz) wird. Miller (1944, 1951, 1959) entwickelte hierzu ein zentrales Modell.
Die fünf zentralen Annahmen des Modells sind:
1. Die Stärke der Aufsuchen-Tendenz ist umso größer, je näher man dem Ziel kommt.
2. Die Stärke der Meiden-Tendenz ist ebenfalls umso größer, je näher man dem Ziel kommt.
3. Die Meiden-Tendenz nimmt mit zunehmender Nähe zum Ziel stärker zu als die Aufsuchen-Tendenz. Dies ist ein entscheidender Punkt, da er erklärt, warum das Verhalten nicht bis zum Ziel führt.
4. Die Stärke beider Tendenzen hängt von der Stärke der jeweiligen Motivation ab (z.B. die Dauer der Deprivation bei der Aufsuchen-Tendenz).
5. Wenn zwei miteinander unvereinbare Verhaltenstendenzen in Konflikt stehen, setzt sich die stärkere Tendenz durch.
Verhaltenskonflikt: Das Modell sagt voraus, dass ein Verhaltenskonflikt auftritt, wenn die Aufsuchen- und Meiden-Tendenzen im Gleichgewicht sind (Punkt “k” in Abbildung 6-13). An diesem Punkt ist das Tier oder der Mensch wie gefangen zwischen den konfligierenden Tendenzen und zeigt eine Verhaltensblockierung.
Hoher Anspannungsgrad: Diese Situation ist nicht nur unangenehm aufgrund der Verhaltensblockierung, sondern auch wegen des hohen Anspannungsgrades, der als Funktion der Summe der absoluten Beträge beider Tendenzen entsteht.
Therapeutische Implikation: Eine therapeutische Intervention sollte darauf abzielen, die Meiden-Tendenz herabzusetzen, um den Konflikt und den Spannungszustand zu verringern. Eine bloße Verstärkung der Aufsuchen-Tendenz würde den Ort des Gleichgewichts zwar näher ans Ziel verschieben, aber mit einem noch größeren Spannungszustand einhergehen.
Erläutere Pawlows klassisches Experiment zur Konditionierung von Hunden.
Forschungsfrage: Wie können neutrale Reize durch Paarung mit unkonditionierten Reizen eine neue, gelernte Reaktion auslösen und welche Gesetzmäßigkeiten liegen dieser Assoziationsbildung zugrunde?
Methoden: Experimentelle Untersuchung der Speichelsekretion bei Hunden.
Stichprobe: Hunde.
Design:
* UVn: Paarung eines neutralen Stimulus (NS) (z.B. Glockenton) mit einem unkonditionierten Stimulus (US) (Fleischpulver). Die zeitliche Beziehung zwischen NS und US.
* AVn: Speichelsekretion als unkonditionierte Reaktion (UR) bzw. konditionierte Reaktion (CR). Die Orientierungsreaktion (OR) auf den NS. Die Stärke der CR.
Aufgabe/Ablauf:
1. Kontrollphase: Es wird geprüft, ob der US (Fleischpulver) die UR (Speichelfluss) zuverlässig auslöst und der NS (Glockenton) dies nicht tut, sondern ggf. eine Orientierungsreaktion.
2. Konditionierungsphase: Der NS (Glockenton) wird wiederholt kurz vor oder gemeinsam mit dem US (Fleischpulver) dargeboten.
3. Löschungsphase: Der konditionierte Stimulus (CS, Glockenton) wird allein dargeboten, ohne den US.
4. Spontanerholung: Nach einer Pause wird der CS erneut allein dargeboten, um eine Wiederkehr der CR zu prüfen.
Hauptresultate:
* Nach wiederholter Paarung löst der ursprünglich neutrale Glockenton (nun CS) allein den Speichelfluss (CR) aus.
* Die CR nimmt in der Löschungsphase ab, kann aber nach einer Pause als Spontanerholung wieder auftreten.
* Der optimale zeitliche Abstand zwischen NS und US variiert je nach Reaktionstyp (z.B. Lidschlag vs. Speichelfluss).
* Es kommt zur Reizgeneralisierung (ähnliche Reize lösen ebenfalls die CR aus).
* Reizdiskrimination kann trainiert werden, aber eine Überforderung kann zu emotionalen Störungen führen.
* Die Konditionierung basiert auf der Verknüpfung von CS mit US (CS-US-Verbindung).
Erkenntnisgewinn: Pawlows Arbeit begründete die klassische Konditionierung als zentrale Forschungsrichtung der Lernpsychologie. Sie zeigt, dass vielfältige Reize und Reaktionen miteinander assoziiert werden können und ist besonders relevant für das Verständnis der Konditionierung von Emotionen (z.B. Angst) sowie von Immunreaktionen.
Beschreibe Crespis (1942) Experiment zur Verstärkungsmenge und dessen Befunde.
Forschungsfrage: Welchen Einfluss hat die Größe der Belohnung auf die Erwerbs- und Ausführungsgeschwindigkeit eines Verhaltens, und wie wirken sich Änderungen der Belohnungsmenge aus?
Methoden: Experimentelle Untersuchung der operanten Konditionierung in einem Laufgang.
Stichprobe: Futterdeprivierte Ratten.
Design:
* UVn: Verstärkungsmenge (16, 64 oder 256 Futtereinheiten) in der Trainingsphase, und Reduktion der Verstärkung auf 16 Einheiten für die Experimentalgruppen in einer späteren Phase.
* AV: Laufgeschwindigkeit der Ratten.
Aufgabe/Ablauf:
1. Ratten liefen durch einen ca. 7 Meter langen Gang zu einem Ziel, wo Futter verabreicht wurde.
2. Drei Gruppen: Kontrollgruppe (konstant 16 Futtereinheiten), Experimentalgruppe 1 (zuerst 64, dann 16), Experimentalgruppe 2 (zuerst 256, dann 16).
3. Die Zeit für das Zurücklegen der Strecke wurde gemessen.
Hauptresultate:
In der Trainingsphase führte eine größere Verstärkungsmenge zu höherer Laufgeschwindigkeit.
Bei einer Reduktion der Verstärkung (von 64 oder 256 auf 16 Einheiten) sank die Laufgeschwindigkeit der Tiere drastisch, sogar unter das Niveau der Kontrollgruppe, die durchgehend nur 16 Einheiten erhielt. Dies wird als negativer Kontrasteffekt (Depressionseffekt) bezeichnet.
Umgekehrt führte eine Erhöhung der Verstärkung zu einem sprunghaften Anstieg der Laufgeschwindigkeit (positiver Kontrasteffekt).
Erkenntnisgewinn: Das Experiment zeigt, dass die Verstärkungsmenge einen signifikanten Einfluss auf die Ausführung eines gelernten Verhaltens hat. Die Kontrasteffekte belegen, dass die Reaktion auf eine Verstärkung nicht nur von deren absoluter Menge abhängt, sondern auch vom Vergleich mit zuvor erhaltenen Verstärkungen. Dies unterstreicht die relative Bewertung von Belohnungen durch das Individuum.
Was ist “latentes Lernen” und wie demonstrierten Tolman und Honzik (1930a) dieses Phänomen?
Forschungsfrage: Findet Lernen auch dann statt, wenn keine unmittelbare Belohnung für das Verhalten erfolgt, und wie wirkt sich die spätere Einführung von Belohnung auf die Verhaltensleistung aus?
Methoden: Experimentelle Untersuchung in einem komplexen Labyrinth.
Stichprobe: Ratten.
Design:
* UV: Verstärkungsplan (kontinuierliche Verstärkung, keine Verstärkung, oder verzögerte Verstärkung ab Tag 11).
* AV: Anzahl der Fehler beim Durchlaufen des Labyrinths.
Aufgabe/Ablauf:
1. Ratten sollten lernen, in einem verwinkelten Labyrinth von einer Startkammer in eine Zielkammer zu gelangen.
2. Drei Gruppen:
* Gruppe 1: Erhielt vom ersten Tag an kontinuierlich Futterverstärkung im Ziel.
* Gruppe 2: Erhielt nie Futterverstärkung.
* Gruppe 3: Erhielt in den ersten 10 Versuchstagen keine Verstärkung, ab dem 11. Tag dann kontinuierlich Futterverstärkung.
Hauptresultate:
* Gruppe 1 zeigte eine kontinuierliche Reduktion der Fehler.
* Gruppe 2 zeigte kaum Verbesserung.
* Gruppe 3 (verzögerte Verstärkung) zeigte ab dem 11. Tag eine plötzliche und drastische Verbesserung der Leistung, die jener der kontinuierlich verstärkten Gruppe gleichkam oder sie sogar übertraf.
Erkenntnisgewinn: Dieses Ergebnis ist der klassische Beleg für latentes Lernen. Es zeigt, dass Organismen auch ohne offensichtliche Belohnung Wissen (Kompetenz) erwerben können, welches sich zunächst nicht in ihrem Verhalten (Performanz) niederschlägt. Erst wenn eine Motivation (z.B. Futter) hinzukommt, wird diese erworbene Kompetenz sichtbar. Dies war eine frühe und wichtige Kritik an der rein behavioristischen Sichtweise des Lernens, die besagte, dass Lernen nur mit direkter Verstärkung stattfindet.
Welche Rolle spielt die zeitliche Verzögerung der Verstärkung für den Lernerfolg nach Grices (1948) Experiment?
Forschungsfrage: Wie wirkt sich ein zeitliches Intervall zwischen Verhalten und Verstärkung auf den Lernerfolg aus, wenn der Einfluss von sekundärer Verstärkung ausgeschaltet wird?
Methoden: Experimentelles Design zur Untersuchung von Diskriminationslernen unter Kontrolle der Bedingungen zwischen Verhalten und Verstärkung.
Stichprobe: Tiere (impliziert, z.B. Ratten in einem Gangsystem).
Design:
* UV: Zeitintervall zwischen der Reaktion (Wahl des Gangs) und der primären Verstärkung.
* AV: Prozentsatz korrekter Reaktionen (Wahl des weißen Gangs).
Aufgabe/Ablauf:
1. Versuchstiere sollten lernen, in einen weißen Gang (korrekt) und nicht in einen schwarzen Gang (falsch) zu laufen, um Futter zu erhalten.
2. Nachdem die Tiere einen Gang gewählt hatten (korrekt oder falsch), wurden sie für die Dauer der Verzögerung denselben neutralen situativen Bedingungen (z.B. grauer Gang) ausgesetzt, bevor die primäre Verstärkung erfolgte oder nicht. Dies sollte verhindern, dass sekundäre Reize im Gang selbst als Zwischenverstärker wirken.
Hauptresultate:
* Je länger die Verstärkung verzögert wurde, desto langsamer wurde gelernt.
* Bei einer Verzögerung von 10 Sekunden erreichten die meisten Tiere das Lernkriterium selbst nach sehr vielen Durchgängen nicht.
Erkenntnisgewinn: Das Experiment belegt eindrücklich die entscheidende Rolle der Unmittelbarkeit von Verstärkung für den Lernerfolg. Es zeigt, dass selbst kurze Verzögerungen die Effektivität der Verstärkung drastisch reduzieren können, wenn vermittelnde sekundäre Verstärker ausgeschaltet werden. Dies unterstreicht die Bedeutung der Kontiguität (zeitlich-räumliches Zusammentreffen von Reiz und Reaktion) in Lernprozessen.
Was sind die zentralen Erkenntnisse von Estes’ (1944) Experiment zur Bestrafung von Verhalten?
Forschungsfrage: Welche Wirkung hat Bestrafung auf die Häufigkeit eines zuvor positiv verstärkten Verhaltens, und führt sie zur dauerhaften Löschung oder nur zur Unterdrückung?
Methoden: Experimentelle Untersuchung der operanten Konditionierung und Bestrafung in einer Skinner-Box.
Stichprobe: Ratten.
Design:
* UV: Bestrafung (leichter elektrischer Schock bei Hebeldruck) vs. keine Bestrafung während der Löschungsphase.
* AV: Häufigkeit des Hebeldrückens.
Aufgabe/Ablauf:
* Aufbauphase: 16 Ratten wurden operant auf möglichst häufiges Hebeldrücken mit Futter verstärkt.
* 1. Löschungsphase: 8 experimentelle Ratten wurden bei Hebeldruck zeitweise leicht elektrisch geschockt (Bestrafung). Die anderen 8 Kontrollratten wurden nur gelöscht (keine Verstärkung, keine Bestrafung).
* 2. und 3. Löschungsphase: Das Verhalten beider Gruppen wurde nur gelöscht (weder verstärkt noch bestraft).
Hauptresultate:
* Während der Bestrafung reduzierte sich die Häufigkeit des Hebeldrückens in der Experimentalgruppe deutlich.
* Nach Beendigung der Bestrafung (in der 1. Löschungsphase) nahm die Verhaltenshäufigkeit jedoch schnell wieder zu.
* In den späteren Löschungsphasen war die Verhaltenshäufigkeit der bestraften Gruppe etwa gleich oder sogar höher als die der Kontrollgruppe.
Erkenntnisgewinn: Estes schlussfolgerte, dass Bestrafung das Verhalten primär unterdrückt (Suppression), anstatt es zu schwächen oder zu löschen. Das bestrafte Verhalten tritt wieder auf, sobald keine weitere Bestrafung erwartet wird. Diese Erkenntnis war prägend für die Diskussion über die Effektivität von Bestrafung im Vergleich zu positiver Verstärkung und deren Anwendung in Erziehung und Therapie. Spätere Studien zeigten jedoch, dass intensivere und konsequente Bestrafung durchaus wirksam sein kann, wenn sie unmittelbar erfolgt und keine positiven Verstärker das Verhalten weiter aufrechterhalten.
Beschreibe das berühmte Experiment mit dem „kleinen Albert“ und seine psychologischen Implikationen.
Forschungsfrage: Kann eine Furcht-/Angst-Reaktion bei einem Menschenkind durch klassische Konditionierung erworben werden und sich auf ähnliche Reize generalisieren?
Methoden: Experimentelle Studie zur klassischen Konditionierung von Emotionen.
Stichprobe: Menschliches Kleinkind („kleiner Albert“), 9 bis 13 Monate alt.
Design: Einzelfallstudie (Anwendung klassischer Konditionierungsprinzipien).
* UV: Paarung eines neutralen Reizes (Weiße Ratte) mit einem aversiven, unkonditionierten Reiz (plötzlicher lauter Lärm).
* AV: Furcht-/Angst-Reaktionen (Weinen, Abwenden, Vermeidungsverhalten) und deren Generalisierung.
Aufgabe/Ablauf:
1. Baseline: Alberts Reaktionen auf einen plötzlichen lauten Lärm (US -> UR: Schreck/Angst) und auf neutrale Reize (weiße Ratte, Kaninchen, Masken – hier zeigte er Interesse) wurden getestet.
2. Konditionierung: Mehrmals wurde die weiße Ratte (NS) gezeigt, wobei gleichzeitig hinter Alberts Rücken mit einem Hammer gegen einen Stahlstab geschlagen wurde (US).
Hauptresultate:
* Nach wenigen Paarungen begann der kleine Albert bereits beim Anblick der weißen Ratte zu weinen und sich abzuwenden. Die ursprünglich neutrale Ratte (nun CS) löste eine Furcht-/Angst-Reaktion (CR) aus.
* Die konditionierte Furcht generalisierte teilweise auch auf andere Felltiere (z.B. Kaninchen) und Objekte mit Fell.
Erkenntnisgewinn: Das Experiment lieferte empirische Belege dafür, dass emotionale Reaktionen, insbesondere Furcht, durch klassische Konditionierung erlernt werden können. Es demonstrierte zudem die Reizgeneralisierung von konditionierten emotionalen Reaktionen. Das Experiment ist ethisch umstritten, da die gelernte Furcht nicht wieder aufgehoben wurde.
Erläutere Millers (1948) Experiment zum gelernten Vermeidungsverhalten und die Zweifaktorentheorie.
Forschungsfrage: Kann eine gelernte Furcht-/Angst-Reaktion als Antrieb dienen, um neues, zuvor nicht gezeigtes Vermeidungsverhalten zu erlernen? Wie interagieren klassische und operante Konditionierung dabei?
Methoden: Experimentelle Untersuchung in einem zweigeteilten Rattenkäfig (weiße, elektrifizierbare Hälfte und schwarze, sichere Hälfte, getrennt durch eine Falltür).
Stichprobe: Ratten.
Design:
* UV: Induktion von Furcht (Stromschläge in einem Abteil) und die Möglichkeit, dieser Furcht durch Flucht und später durch neuartiges Vermeidungsverhalten zu entgehen.
* AV: Erlernen von Flucht- und Vermeidungsverhalten (z.B. Drehen einer Rolle, Drücken eines Hebels).
Aufgabe/Ablauf:
* Phase 1: Ratten wurden in die weiße, elektrifizierbare Hälfte gesetzt und lernten, durch Flucht in die schwarze Hälfte den Stromschlägen zu entkommen (Fluchttraining). Die weiße Käfighälfte wurde zum CS für Furcht.
* Phase 2 & 3: Ohne weitere Stromschläge (aversiver Reiz), musste die Ratte ein neuartiges Verhalten (z.B. Drehen einer Rolle, Drücken eines Hebels) erlernen, um die Tür zur sicheren Hälfte zu öffnen und so der weißen Käfighälfte zu entgehen.
Hauptresultate:
* Ratten lernten zunächst effektiv, durch Flucht den Stromschlägen zu entkommen.
* In den späteren Phasen, auch ohne direkte Stromschläge, erlernten die Ratten neuartige Vermeidungsverhaltensweisen (z.B. Rolle drehen), um die weiße Käfighälfte zu verlassen.
* Die Verringerung der Furcht/Angst beim Verlassen der weißen Käfighälfte wirkte als negative Verstärkung für diese neuen Verhaltensweisen.
Erkenntnisgewinn: Millers Experiment ist ein Schlüsselbeleg für die Zweifaktoren- oder Zweiprozess-Theorie des aktiven Vermeidungslernens. Sie postuliert, dass:
* Klassische Konditionierung: Eine neutrale Situation (z.B. die weiße Käfighälfte) wird durch Paarung mit einem aversiven Reiz (Stromschlag) zum konditionierten Furchtauslöser.
* Operante Konditionierung: Das anschließende Vermeidungsverhalten wird durch negative Verstärkung (die Reduktion oder Beendigung der gelernten Furcht/Angst) aufrechterhalten. Dieses Modell erklärt die hohe Löschungsresistenz von Vermeidungsverhalten, da die Vermeidung eine Konfrontation mit dem US verhindert und somit die Erfahrung ausbleibt, dass der CS (z.B. weiße Käfighälfte) nicht mehr gefährlich ist.
Was ist “gelernte Hilflosigkeit” und wie wurde dieses Phänomen von Seligman und Maier (1967) demonstriert?
Forschungsfrage: Führt die Erfahrung von unkontrollierbaren und unvermeidbaren aversiven Reizen zu Defiziten im späteren Lernen, selbst wenn Kontrollmöglichkeiten vorhanden sind?
Methoden: Experimentelles Design zur Induktion von gelernter Hilflosigkeit.
Stichprobe: Ursprünglich Hunde, später auch mit Menschen repliziert.
Design: Zwei Experimentalbedingungen und eine Kontrollbedingung in einem zweiphasigen Experiment.
* UV: Art der aversiven Reizdarbietung in Phase 1 (unvermeidbar, aber kontrollierbar vs. unvermeidbar und unkontrollierbar vs. keine Behandlung).
* AV: Lernleistungen im nachfolgenden Flucht- und aktiven Vermeidungstraining in Phase 2.
Aufgabe/Ablauf:
Phase 1 (Vorexposition):
* Experimentalgruppe 1: Erfuhr elektrische Schläge, die unvermeidbar, aber durch eigenes Handeln kontrollierbar (beendbar) waren.
* Experimentalgruppe 2: Erfuhr elektrische Schläge, die unvermeidbar und unkontrollierbar waren (konnten durch nichts beendet oder vermieden werden).
* Kontrollgruppe: Erfuhr keine Schläge.
Phase 2 (Testphase): Alle Gruppen wurden in eine neue experimentelle Situation gebracht (z.B. Shuttle-Box), in der sie lernen konnten, Stromschlägen durch Flucht oder aktives Vermeiden zu entgehen.
Hauptresultate:
* Experimentalgruppe 1 (kontrollierbare Schläge) zeigte in Phase 2 gleich gute Lernleistungen wie die Kontrollgruppe.
* Experimentalgruppe 2 (unkontrollierbare Schläge) zeigte signifikant schlechtere Lernleistungen in Phase 2; sie wirkten “hilflos” und versuchten oft gar nicht erst, den Schlägen zu entgehen, selbst wenn es möglich war.
Erkenntnisgewinn: Das Experiment belegt, dass die Erfahrung von Unkontrollierbarkeit aversiver Ereignisse zu einer generalisierten Erwartung von Hilflosigkeit führen kann. Diese Hilflosigkeitserwartung geht mit motivationalen, emotionalen und kognitiven Defiziten einher und beeinträchtigt das spätere Lernverhalten, selbst in Situationen, in denen Kontrolle möglich wäre. Die Theorie der gelernten Hilflosigkeit wurde später reformuliert, um die Rolle von Kausalattributionen (insbesondere die Annahme, dass Misserfolg auf die eigene, dauerhafte Unfähigkeit zurückzuführen ist) zu betonen.
Beschreibe Browns (1948) Experiment zur Stärke der Annäherungs- und Vermeidungstendenzen im Konflikt.
Forschungsfrage: Wie verändern sich die Stärken der Aufsuchen- und Meiden-Tendenzen in Abhängigkeit von der räumlichen Nähe zu einem Ziel, das gleichzeitig attraktiv und aversiv ist?
Methoden: Experimentelle Messung von Zugkräften in einem Laufgang.
Stichprobe: Ratten.
Design:
* UV: Nähe zum Ziel (Messpunkte bei 30 cm und 170 cm vom Ziel).
* AV: Zugstärke der angeleinten Ratten hin zum oder weg vom Ziel.
Aufgabe/Ablauf:
1. Ratten wurden trainiert, entweder schnell zum Ziel (für Futter, um Aufsuchen-Tendenz zu erzeugen) zu laufen oder elektrische Schläge im Ziel zu vermeiden (um Meiden-Tendenz zu erzeugen).
2. Verschiedene Gruppen wurden gebildet, um starke/schwache Aufsuchen- und Meiden-Tendenzen zu induzieren.
3. Die Zugstärke wurde an zwei festgelegten Punkten im Laufgang gemessen.
Hauptresultate:
* Die Stärke sowohl der Aufsuchen- als auch der Meiden-Tendenz nahm mit zunehmender Nähe zum Ziel zu.
* Der Meiden-Gradient war steiler als der Aufsuchen-Gradient. Das bedeutet, dass die Vermeidungs-Tendenz mit Annäherung an das Ziel stärker ansteigt als die Aufsuchen-Tendenz.
Erkenntnisgewinn: Dieses Experiment ist ein zentraler Beleg für Millers Modell des Aufsuchen-Meiden-Konflikts (auch Annäherungs-Vermeidungs-Konflikt). Die unterschiedliche Steilheit der Gradienten erklärt, warum Individuen oft in einem Konfliktzustand verharren, wenn ein Ziel sowohl positive als auch negative Valenzen besitzt, und warum der Konfliktpunkt (wo beide Tendenzen gleich stark sind) weiter vom Ziel entfernt ist, wenn die aversiven Reize stärker sind. Es zeigt die Situationsabhängigkeit der Meiden-Tendenz im Gegensatz zur eher situationsunabhängigen Aufsuchen-Tendenz.
Was ist „preparedness“ und was sind die damit verbundenen Resultate?
„Preparedness“ ist ein von Seligman (1970) eingeführter Begriff, der biologische Dispositionen bezeichnet, die den Erwerb von Verhaltensweisen in Abhängigkeit von der jeweiligen Reizsituation steuern.
Die damit verbundenen Resultate sind:
* Für Verhaltensweisen, die in der Evolution in bestimmten Situationen relevant waren (z.B. Flucht bei Gefahren), besteht in einem entsprechenden Kontext eine hohe biologische Lerndisposition, sodass sie leicht erlernbar sind.
* Verhaltensweisen, für die eine biologische Gegendisposition vorliegt, sind kaum erlernbar.
* Für in der Evolution irrelevante Verhaltensweisen ist der Organismus unvorbereitet und im Prinzip offen; diese waren häufig die Grundlage früher lernpsychologischer Studien.
Diese Erkenntnis schränkt die Allgemeingültigkeit vieler Befunde der frühen Lernforschung ein.
Wie hinterfragt artspezifisches Lernen die Lerngesetze?
Artspezifisches Lernen hinterfragt die Allgemeingültigkeit der experimentell aufgedeckten Regelhaftigkeiten in Lernexperimenten mit Tieren, die über viele Jahrzehnte ein kaum hinterfragtes Postulat waren. Es wurde angenommen, dass Lerngesetze, die an einer Tierart unter spezifischen experimentellen Bedingungen für eine bestimmte Reiz-Reaktions-Verknüpfung gefunden wurden, prinzipiell auf andere Tierarten, den Menschen, andere Reize und Reaktionen sowie andere (experimentelle) Situationen generalisierbar seien.
Diese Annahme erwies sich als Trugschluss:
* Selbst die “einfachsten” Reiz-Reaktions-Verknüpfungen erwiesen sich bald als theoretisch komplex.
* Auch Ratten mussten Kognitionen zugeschrieben werden.
* Die Übertragbarkeit von Erkenntnissen von einer Tierart auf eine andere und insbesondere vom Tier auf den Menschen war und ist begrenzt.
* Seligman’s „preparedness“-Konzept betont, dass biologische Dispositionen den Aufbau von Verhaltensweisen steuern, was die Allgemeingültigkeit behavioristisch formulierter Lerngesetze weiter infrage stellt.
* Lernen wird insbesondere bei Tieren als ontogenetische Ergänzung und Ausdifferenzierung eines phylogenetisch vorgegebenen Rahmens verstanden. Artspezifische Lernphänomene sind das Ergebnis einer Anpassung an die jeweilige Umwelt.
Wie hinterfragt das Lernen aus kognitiver Sicht die Lerngesetze?
Die kognitive Wende in der Psychologie hinterfragte die engen behavioristischen Lerngesetze ab den 1960er Jahren auf mehreren Punkten:
- Lernen als flexibel nutzbares Wissen: Lernen ist der Erwerb von flexibel nutzbarem Wissen, nicht bloß der Aufbau starrer Reiz-Reaktions-Verbindungen (Tolman, 1959; Tolman & Honzik, 1930b).
- Informationsgehalt von Reizen: Für Lernen ist nicht die Häufigkeit des gemeinsamen Auftretens von Reizen entscheidend, sondern der Informationsgehalt eines Reizes über einen anderen (Kamin, 1969; Rescorla, 1968).
- Kognitionen als Grundlage: Das Verstehen von Zusammenhängen, der Aufbau von Erwartungen und die Zuschreibung von Ursachen sind Kognitionen, die dem Lernen zugrunde liegen (Abramson et al., 1978; Bandura, 1979).
- Die behavioristische Forschung vernachlässigte die Gefahr, Lerngesetze zu formulieren, die nur für spezielle experimentelle Situationen und ausgewählte, biologisch eher unbedeutende Reiz-Reaktions-Verbindungen galten. Die kognitive Sichtweise ermöglicht eine offenere Konzeptualisierung und Erforschung von Lernprozessen.
Was ist Ortslernen? Wie wurde es in Tolman und Honzik (1930b) untersucht?
Ortslernen ist die Bildung von Wissen über Wege zum Ziel, nicht der Aufbau einer fixierten Folge von Reiz-Reaktions-Verbindungen. Tolmans Überlegungen dazu werden auch als „Erwartungstheorie“ bezeichnet, da Erwartungen ausdrücken, unter welchen Bedingungen welches Verhalten zu welchem Ziel führt, was Verhalten flexibel und anpassungsfähig macht.
Untersuchung in Tolman und Honzik (1930b):
* Versuchsaufbau: Ratten sollten in einem Labyrinth von einer Startkammer in eine Zielkammer mit Futter finden. Das Labyrinth hatte drei Wege vom Start zum Ziel (Weg 1 kürzest, Weg 3 längsten) und Einweggatter. Zwei Sperren (A und B) konnten Weg 1 bzw. Weg 1 und 2 schließen.
* Vortraining: Es wurde eine Gewohnheitshierarchie erzeugt, bei der Weg 1 ohne Sperren bevorzugt wurde, Weg 2 mit Sperre A und Weg 3 nur in etwa 10% der Fälle.
* Testläufe: Wenn Weg 1 durch Sperre B blockiert war, wählten die Ratten – trotz antrainierter gegenteiliger Verhaltenshierarchie – im ersten Durchgang zu 70-93% den in diesem Fall einzig möglichen Weg 3, ohne erst Weg 2 zu versuchen. Auch beim Wechsel von Sperre A und B wählten sie fast immer zielführend Weg 2 bei Sperre A und Weg 3 bei Sperre B.
* Interpretation: Die Ratten verhielten sich, als ob sie eine kognitive Landkarte des Labyrinths erworben hätten, nach der sie sich flexibel in ihrem zielbezogenen Verhalten orientierten. Sie lernten Zeichen, nicht Reiz-Reaktions-Verknüpfungen.
Was ist Kontingenz und Kontiguität? Wie wurde es untersucht?
Kontiguität bezieht sich auf das zeitlich-räumliche Zusammentreffen (Häufigkeit des gemeinsamen Auftretens) von konditioniertem Reiz (CS) und unkonditioniertem Reiz (US).
Kontingenz bezeichnet den Zusammenhang oder die Vorhersagbarkeit des unkonditionierten Reizes (US) durch den konditionierten Reiz (CS).
Untersuchung (Rescorla, 1968):
* Ziel: Zeigen, dass nur Reize, die verlässliche Information vermitteln, gelernt werden.
* Paradigma: Konditionierte emotionale Hemmung, bei der die Stärke einer klassischen Konditionierung anhand der Unterdrückung eines operant konditionierten Verhaltens (Hebeldrücken für Futter) geprüft wurde.
* Experimentelles Vorgehen: Ein zuvor neutraler Ton (CS) und ein elektrischer Schlag (US) wurden verwendet. Rescorla variierte die Zuverlässigkeit des CS als Prädiktor für den US in verschiedenen Gruppen.
* Ergebnisse: Eine deutliche Unterdrückung des Hebeldrückens (als Maß für gelernte Furcht) erfolgte nur, wenn der CS in der Phase des Konditionierungsaufbaus ein zuverlässiger Prädiktor des US gewesen war. Der Unterdrückungseffekt war gleich Null, wenn der elektrische Schlag mit der gleichen Wahrscheinlichkeit bei Anwesenheit und Abwesenheit des CS auftrat, und er war umso größer, je geringer die Wahrscheinlichkeit des US bei Abwesenheit des CS war.
* Fazit: Nicht die absolute Anzahl der Paarungen von CS und US (Kontiguität), sondern die Vorhersagbarkeit des US durch den CS (Kontingenz) war die entscheidende Größe für den Lerneffekt.
Was ist Lernen durch Einsicht?
Lernen durch Einsicht (Insight Learning) ist ein Konzept, das oft dem assoziativen Lernen aus behavioristischer Sicht gegenübergestellt wird. Während assoziatives Lernen als allmählicher Aufbau von Reiz-Reiz- oder Reiz-Reaktions-Verbindungen über viele Lerndurchgänge hinweg verstanden wird, beinhaltet Lernen durch Einsicht ein plötzliches Verstehen oder eine Neuorganisation der Situation, die zur Lösung eines Problems führt.
Eine genauere Analyse und neuere Studien zeigen jedoch, dass der Erwerb von Verhaltensweisen durch operante Konditionierung und Lernen durch Einsicht häufig ineinandergreifen können. Zum Beispiel wird vermutet, dass die Schimpansen in Köhlers Studien viele der Verhaltensweisen, die sie zum Problemlösen verknüpften, zuvor über operante Konditionierung erworben hatten.
Was ist Lernen durch Assoziation? Welche Assoziationen werden gelernt?
Lernen durch Assoziation befasst sich damit, wie der Zusammenhang von Reizen, von Reaktionen und vor allem von Reizen und Reaktionen gelernt wird.
Die wichtigsten Untersuchungsinhalte des assoziativen Lernens neuerer Prägung sind:
**Hinweisreiz-Konsequenz-Lernen (Cue-Consequence Learning): **
* Hierbei geht es darum, aus Informationen über den Zusammenhang von Hinweisreizen mit Konsequenzen abzuleiten, inwieweit der Hinweisreiz ursächlich für die Konsequenz ist.
* Beispiel: Können Personen aus der Information, dass bestimmte Essensbestandteile zu Übelkeit führen, ableiten, was die Ursache der Übelkeit ist?
* Die Ergebnisse ähneln denen der Blockierung (ein Essensbestandteil wird nur als Ursache angesehen, wenn nicht schon ein anderer Hinweisreiz als Ursache angenommen wird).
Reaktions-Konsequenz-Lernen (Response-Consequence Learning):
* Hierbei wird die Einschätzung des kausalen Zusammenhangs zwischen einer Handlung (Reaktion) und einem Effekt (Konsequenz) untersucht.
* Beispiel: Wasserman et al. (1993) untersuchten, wie häufig ein Licht bei Tastendruck und ohne Tastendruck aufleuchtete. Nur wenn das Licht häufig bei Tastendruck und selten ohne Tastendruck anging, sahen die Teilnehmer den Tastendruck als kausal an. Auch hier war die Kontingenz (Zusammenhang), nicht die Kontiguität (zeitlich-räumliches Zusammentreffen), entscheidend.
* Eine wichtige Form davon sind Handlungs-Effekt-Assoziationen, das Erlernen des Zusammenhangs von bestimmten Handlungen mit bestimmten Effekten. Diese Assoziationen werden oft als bidirektional angesehen. Die Antizipation von Effekten durch Handlungen ist besonders wichtig beim intentionsbasierten Handeln.
Während in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts der Fokus auf unbewussten Assoziationen lag, wird in der zweiten Hälfte die Rolle bewusster Kognitionen beim Aufbau von Assoziationen betont. Kognitiv orientierte Autoren sehen diese Verbindungen als gerichtet und als Widerspiegelung von kausalen Strukturen an.
Was sind die Vorteile von Lernen durch Beobachtung?
Lernen durch Beobachtung (auch Modelllernen genannt) bietet große Vorteile gegenüber dem Lernen durch direkte Erfahrung:
Effiziente Verhaltensakquise: Es erlaubt, den Erwerb neuer Verhaltensweisen erheblich zu verkürzen, da nicht jede Reiz-Reaktions-Verbindung Schritt für Schritt selbst aufgebaut werden muss.
Lernen aus Konsequenzen Dritter: Es ermöglicht, aus den beim Modell beobachteten Handlungskonsequenzen (Belohnungen, Strafen, Erfolgen, Misserfolgen) zu lernen, ohne die Handlung selbst ausführen zu müssen.
Soziale Anpassung und Identität: In der menschlichen Gesellschaft ist es von großer Bedeutung für die Anpassung des eigenen Verhaltens an das der anderen, für die Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung und für die Ausprägung einer kulturellen Identität.
Erlernen komplexer Fertigkeiten: Das Erlernen komplexer Verhaltensweisen wie Autofahren, die Bedienung technischer Geräte oder Sportbewegungen wäre ohne Beobachtungslernen kaum denkbar.