Schuld Flashcards
(30 cards)
Was passiert auf der Ebene der Schuld?
Die Schuld betrifft die personale (individuelle) Zurechnung, den persönlichen Vorwurf des Unrechts.
Was bedeutet Schuldfähigkeit?
Die Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen (Einsichtsfähigkeit) und nach dieser Einsicht zu handeln (Steuerungsfähigkeit), vgl. hierzu va den Wortlaut von §§ 17, 20 StGB.
Roxin spricht von “normativer Ansprechbarkeit”.
Schuldunfähigkeit wegen fehlender Reife
§ 19 StGB; §§ 1 II, 3 S. 1 JGG
- Schuldunfähig sind gem. § 19 StGB Kinder (unter vierzehn Jahren)
- Jugendliche (zwischen 14 und 17 Jahren) sind schuldfähig, sofern festgestellt wird, dass sie zur Zeit der Tat reif genug waren, das Unrecht einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, §§ 1 II, 3 S. 1 JGG (widerlegbare Schuldfähigkeit)
- (JGG ist auch auf Heranwachsende bis zum 21. Lebensjahr anwendbar, § 105 I JGG)
Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen (§ 20 StGB)
- krankhaft seelische Störungen = endogene Psychosen (Schizophrenie, Manien), exogene Psychosen und andere krankhafte Zustände (Epilepsie, Hirnverletzungen), bei krankhafter Alkohol- und Drogensucht vllt auch das
- tiefgreifende Bewusstseinsstörung = va vorübergehende/r alkoholbedingte Trunkenheit und Drogenrausch
- -> Merke: Schuldunfähigkeit in der Regel ab 3,0 %. (bei Tötungsdelikten wegen höherer Hemmschwelle ab 3,3 %.); verminderte Schuldfähigkeit gem. § 21 StGB ab 2,0 %. (bei Tötungsdelikten ab 2,2 %.); diese Grenzen haben aber keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit, ist lediglich Richtlinie, an der man sich orientieren kann; wird jedoch je nach Einzelfall entschieden.
Davon zu unterscheiden ist Fahruntauglichkeit von §§ 315c, 316, der nichts mit der Schuld zu tun hat!
Absolute Fahruntauglichkeit bei 1,1 %. (bei Radfahrern ab 1,6 %.); relative Fahruntauglichkeit ab 0,3 - 1,09 %. (zusätzliche Umstände/Ausfallerscheinungen müssen hinzutreten, Auffahrunfall genügt nicht, wenn auch normalem Fahrer passiert wäre)
Schwachsinn = angeborene oder erworbene Intelligenzschwäche
seelische Abartigkeit = Psychopathen, Neurosen und Triebstörungen ohne körperliche Grundlage
Maßgeblicher Zeitpunkt
§§ 19, 20 StGB sprechen von “bei Begehung der Tat” = § 8 StGB: zu dem Zeitpunkt, in dem der Täter gehandelt hat oder hätte handeln müssen
Was ist das Unrechtsbewusstsein?
Welcher Irrtum liegt beim Fehlen des Unrechtsbewusstseins vor?
Das ist die Kenntnis der rechtlichen Verbotenheit der Tat.
Beim Fehlen des Unrechtsbewusstseins spricht man von einem Verbotsirrtum gem. § 17 StGB.
Gründe für das Vorliegen eines Verbotsirrtums gem. § 17 StGB?
5 Varianten
- Unkenntnis der einschlägigen Verbotsnorm (schlichter Verbotsirrtum)
- Irrige Annahme der Rechtsungültigkeit einer Verbotsnorm (Gültigkeitsirrtum)
- Die zu enge Auslegung einer Verbotsnorm (Subsumtionsirrtum) (bei Vorsatz unbeachtlich, aber auf Schuldebene evtl. bedeutsam)
- Irrige Annahme eines nicht existierenden Rechtfertigungsgrundes (Erlaubnisirrtum)
- zu weite Auslegung eines existierenden Rechtfertigungsgrundes (Erlaubnisgrenzirrtum)
§ 17 StGB schließt die Schuld nur aus, wenn der Irrtum unvermeidbar war, § 17 S. 1. Andernfalls ist eine fakultative Strafmilderung vorgesehen, § 17 S. 2.
BGH ist bei dem Merkmal “unvermeidbar” sehr streng.
Nimmt Vermeidbarkeit an, wenn Täter Möglichkeit zur Einholung von Rechtsrat hatte, oder wenn er “bei gehöriger Gewissensanspannung unter der Berücksichtigung des Verkehrskreises, aus dem er stammt, sein Unrecht hätte erkennen können”.
Unvermeidbarkeit nimmt er jedoch an, wenn höchstrichterliche Rspr existiert, von der plötzlich abgewichen wird; gleiches bei widersprüchlichen höchstrichterlichen Entscheidungen.
Entschuldigungsgründe
Die Schuld kann auch entfallen, wenn normgemäßes Verhalten nicht zumutbar war. (Roxin sagt, dass es dort keine präventive Bestrafungsnotwendigkeit gibt, weshalb die Verantwortlichkeit als Teil der Schuld entfällt.)
- Entschuldigender Notstand, § 35
- Notwehrexzess, § 33
- Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens (als Auffangtatbestand), vor allem bei Unterlassen andenken; auch bei 142, wenn man sich selbst ausliefern müsste, dann entfällt die Schuld wegen nemo tenetur!
Voraussetzungen des entschuldigenden Notstands, § 35 StGB
I. Notstandslage:
- gegenwärtige Gefahr (gleicher Begriff wie bei § 34, auch hier Dauergefahr) für Leben, Leib und Freiheit (abschließend!) des Täters, Angehörigen oder ihm nahestehende Person (nicht nur Angehörige, aber enger Kreis)
II. Rechtmäßigkeit der Notstandshandlung
- Erforderlichkeit (nicht anders abwendbar; ultima ratio, letzter Ausweg) = wenn geeignet und mildestes Mittel
- keine besonderen Hinnahmepflichten, § 35 I 2 (Selbstverursachung: Str., welche Qualität Handeln aufweisen muss: schuldhaft, objektiv pflichtwidrig, wohl nicht nur kausal, mehr) (Duldungspflicht als Soldat, Feuerwehrmann, Polizist)
III. Subjektives Element
- in Kenntnis der Gefahrenlage und mit Gefahrabwendungswillen/Rettungswillen
Ausnahmen von § 35 I S. 1
§ 35 I S. 2:
Danach ist der Täter nicht entschuldigt, wenn ihm nach den Umständen zugemutet werden konnte, die Gefahr hinzunehmen, namentlich, wenn er die Gefahr selbst verursacht hat oder er in einem besonderen Rechtsverhältnis stand.
Bei der Eigenverursachung muss der Täter nach hM die Notstandslage pflichtwidrig herbeigeführt haben (Kausalität genügt nicht!) (etwa bei § 153, wenn Ehemann Tat halt begangen hat :D; kurz ansprechen)
Achtung: bei der Notstandshilfe ist darauf zu achten, wer die Gefahr verursacht (Wortlaut des § 35 sagt, wer die “Gefahr selbst verursacht hat”. (aA sagt, dass Dritter nicht schutzwürdig ist, was sich auf Helfenden überträgt (weil nahestehende Person), aber Straferweiterung contra legem und daher abzulehnen); im umgekehrten Fall, wo der Helfende Gefahr selbst verursacht, würde § 35 I S. 2 eigentlich eingreifen (viele wollen aber Entschuldigungsgrund eingreifen lassen, weil sich Vater in besonderer Weise verpflichtet sehen muss, zu helfen; wegen strafbeschränkender Wirkung unproblematisch.)
Mit Rechtsverhältnis ist die Berufspflicht der Polizei oder Feuerwehr gemeint, oder auch bestimmte Garantenstellungen (so etwa Vater ggü Kind); den sicheren Tod muss aber keiner hinnehmen, auch nicht der Vater.
Entscheidung ist Frage der Abwägung!!!
Hintergründe des Notwehrexzesses, § 33 StGB
Hintergrund: Die Gesellschaft orientiert sich nicht an Schwächling, nur so sind asthenische, entlastend wirkende Affekte zu erklären
Wer die Grenzen der Notwehr überschreitet, handelt rechtswidrig. Wer sie aus asthenischen Affekten (aus der Schwäche kommende Affekte) wie Verwirrung, Furcht oder Schrecken überschreitet, handelt ohne Schuld, § 33 StGB.
Voraussetzungen des Notwehrexzesses, § 33 StGB
- Überschreitung der Grenzen der Notwehr (Notwehrexzess)
- nur der Fall, dass Täter bei gegebener Notwehrlage das Maß des Erforderlichen (Notwehrhandlung) überschritten hat (intensiver Notwehrexzess) (zum extensiven Notwehrexzess s.u.) - Asthenische Affekte
- Verwirrung, Furcht oder Schrecken (keine sthenischen Affekte wie Zorn, Wut und Kampfeseifer; “aus der Schwäche kommend”)
- Todesangst nicht notwendig
- irrelevant, wie dieser Affekt entsteht
- diese müssen mindestens mitursächlich und nicht ganz nebensächlich, nicht notwendigerweise motivationsdominant sein (aA sagt, sie müssen dominieren, str)
Fällt der extensive Notwehrexzess unter § 33 StGB?
Liegt vor, wenn der Täter auch die Notwehrlagevoraussetzungen überschreitet, also Abwehrhandlungen vornimmt, wenn ein Angriff noch nicht oder nicht mehr vorliegt. (zeitliche Grenzen bewusst überschritten; wenn er dies nicht weiß, dann ETBI)
A1: Auch der extensive Notwehrexzess fällt unter § 33 StGB (“zeitliche Grenzen”), muss nur im Zusammenhang stehen
A2: vermittelnde Ansicht, die nur den unmittelbar nachträglichen Notwehrexzess darunter fallen lassen möchte, weil der Verteidiger da noch unter dem Eindruck des tatsächlichen Angriffs stünde; Überschreitung ist naheliegend und verzeihlich; der vorzeitige hatte nie Notwehrrecht, der nachträgliche schon.
–> Argument für beide, dass die psychologische Situation die gleiche sei; auch da sollte die Gesellschaft keine Bestrafungsnotwendigkeit sehen; Gesetz sieht diese Unterscheidung vor/nach jedoch nicht vor
A3: hM: fällt nicht unter § 33 StGB, weil die Grenzen der Notwehr nur überschritten werden können (Wortlaut), wo eine Notwehrlage tatsächlich existiert; ergibt sich auch aus Systematik (§ 33 nach § 32), dass § 33 an § 32 anknüpft; die Notwehrlage ist als Vorstufe Grundvoraussetzung für die Anwendung des § 33, weil Schuldausschluss gerade auch dadurch begründet wird, dass rw Angriff abgewehrt wird; asthenische Affekte alleine sollen nicht zur Straffreiheit führen: psychologische Situation wäre eine andere
(Kritik: womöglich Wertungswidersprüche, wenn intensivere Eingriffe zu Straffreiheit führen, harmlosere aber nicht)
Sonderproblem 1: Bewusste Notwehrüberschreitung im Rahmen des § 33 StGB
nach hM fallen nicht nur unbewusste, sondern auch bewusste Notwehrüberschreitungen unter § 33, sofern ein asthenischer Affekt vorliegt; Wortlaut verlangt ausschließlich dies.; dann ist Täter von Affekt derart beherrscht, dass Strafbedürfnis entfällt
Sonderproblem 2: Notwehrexzess bei provozierter Notwehrhandlung
BGH vertrat lange Zeit den Standpunkt, dass bei Notwehrprovokation (nur Absichtsprovokation) eine Berufung auf § 33 StGB ausscheidet; bei fahrlässiger Provokation aber möglich (Rechtsmissbrauchsgedanke).
Folgendes merken:
- wenn eine Verteidigung wegen einer Absichtsprovokation an der Gebotenheit vollkommen scheitert, dann scheitert auch eine Berufung auf § 33 StGB (denn wo kein Notwehrrecht existiert, kann auch keines überschritten werden.)
- bei der fahrlässigen Provokation (verwerflich oder besonders verwerflich) ist eine Berufung auf Notwehr uU noch möglich; dann muss auch Berufung auf § 33 StGB weiterhin möglich sein (§ 33 redet nicht von unverschuldeter Notwehr, wie er es aber in § 35 I S. 2 tut!)
BGH lehnt § 33 schon bei besonders vorwerfbarer Provokation ab (Bordell-Fall)
–> im Endeffekt Gedanke aus § 35 I 2; steht nicht in § 33; Rechtsmissbrauchgedanke; Einzelfallentscheidung
Sonderproblem 3: Notwehrexzess bei fehlendem Verteidigungswillen
BGH erkannte in Zecken-Entscheidung, dass eine Entschuldigung nach § 33 nur in Frage komme, wenn ein Verteidigungswille als relevantes Handlungsmotiv gegeben sei
–> überträgt insofern Anforderungen von § 32 auf § 33
Argumente: Weil § 33 auf § 32 aufbaut, braucht es auch dort das subjektive Element.
Sonstige Entschuldigungsgründe:
Die Gewissenstat nach Art. 4 GG
- Gewissenstat nach Art. 4 GG entschuldigt?
Fall der Bluttransfusion für Kind, das die Eltern wegen ihres Glaubens ablehnen (Zeugen-Jehovas-Fall); könnten sich wegen Totschlagsversuchs durch Unterlassen strafbar gemacht haben; jedoch Entschuldigung nach Art. 4 GG, weil ihnen Entscheidung unzumutbar war und der Arzt von sich aus tätig werden kann; hM lehnt dies ab und berücksichtigt dies auf Ebene der Strafzumessung.
nicht entschuldigt wäre die Opferung des Kindes oder das Nichteinliefern ins Krankenhaus, weil die Eltern ihr Kind so zum Werkzeug ihrer Überzeugung machen würden. (Menschenwürdegrundsatz)
Die Herstellung praktischer Konkordanz verlangt nur, dass der Glaubensfreiheit insoweit Rechnung getragen wird, als dass dadurch das Lebensrecht des Kindes nicht unbeachtet gelassen wird.
(Art. 4 GG aber keine Rechtfertigung iRd § 34, weil kein wesentliches Überwiegen)
Auch kein § 323c, weil schon auf Tatbestandsebene keine zumutbare Handlung vorliegt.
Sonstige Entschuldigungsgründe:
Der übergesetzliche entschuldigende Notstand
(meist der quantitative Lebensnotstand)
- meist Gefahrengemeinschaft, wobei Gefahr durch Tötung eines einzelnen gebannt werden kann
- quantitativer Lebensnotstand, wenn Täter Menschen töten, um die Tötung weiterer Menschen zu verhindern
Bsp. Euthanasie-Ärzte im Dritten Reich:
- Notstand -, weil absoluter Höchstwert menschlichen Lebens keine Quantifizierbarkeit zulässt
- rechtfertigende Pflichtenkollision -, weil keine zwei Handlungspflichten, sondern Handlungs- und Unterlassungspflicht
- BGH: unvermeidbarer Verbotsirrtum nach § 17 (aber Täter kannten Verbotenheit des Handelns!)
- § 35 -, weil keine nahestehende Person
- übergesetzlicher Notstand, um der Motivationslage und dem seelischen Konflikt Rechnung zu tragen
Bsp. aktueller: Flugzeugabschuss
- hier wurde § 14 III LuSiG durch BVerfG aufgehoben und Rechtfertigung für Abschuss somit entfernt, weil es gegen Recht auf Leben aus Art. 2 II 1 GG und Menschenwürde aus Art. 1 I GG verstößt
- gibt weiterhin Stimmen, die Rechtfertigung für möglich halten nach § 34 (eher § 228 BGB Defensivnotstand); aber Angemessenheitsprüfung steht entgegen, verstößt auch gegen Menschenwürde
- bezüglich der Entführer gilt aber § 32 in Form der Nothilfe; es entspreche gerade der Subjektstellung des Angreifers ( Objektformel des Art. 1 I GG), wenn er für ein selbstbestimmtes Verhalten zur Verantwortung gezogen würde)
- § 33 nicht, weil keine Notwehrlage gegenüber den Passagieren und Besatzungsmitgliedern nicht, weil keine Angreifer!
- § 35 nicht, weil keine nahestehenden Personen
- übergesetzlicher Notstand: Ausnahmesituation rechtfertigt die Annahme dieses ungeschriebenen Entschuldigungsgrundes, weil Konfliktlage so aufgelöst wird (gilt aber nicht für Unbeteiligte auf der Straße!)
Bahnwärter-Fall:
- hier wollen einige auch übergesetzlichen Notstand annehmen
- aber andere Konstellation: Täter schafft Gefahr für Menschen, die vorher nicht bestand; Menschen werden zur Rettung anderer geopfert; keiner soll Gott spielen dürfen
- ABER ausnahmsweise Strafmilderung oder Straflosigkeit wegen Verbotsirrtums möglich, weil affektartige Situation dem Bahnwärter eine gewissenhafte Entscheidung nicht möglich gemacht hat
- außerdem besteht dort kein präventives Bestrafungsbedürfnis (außergewöhnlicher Extremkonflikt, der weit weniger zu gesellschaftlicher Beunruhigung beiträgt)
anders wäre es bei kalkuliertem Töten zu bewerten, da dann kein § 17
–> in Klausur: kann auch übergesetzlicher Notstand vertreten werden; aber Gegenauffassung auf jeden Fall auch anbringen und Unterschied zu anderen zwei Fällen herausstellen!
Rechtfertigende Pflichtenkollision als übergesetzlicher Rechtfertigungsgrund
Ist in der RF zu prüfen, aber fast immer dann, wenn notstandsähnliche Situation gegeben ist!
- kommt nur in Betracht, wenn sich zwei gleichrangige Handlungspflichten gegenüberstehen; nicht dagegen, wenn eine Handlungs- und eine Unterlassungspflicht kollidieren
- greift deshalb nicht im Bahnwärter- oder Euthanasie- oder Flugzeugabschussfall
- nur bei den Handlungspflichten fügt sich der Täter in das laufende Geschehen ein, ansonsten greift er in das Schicksal ein !
Bsp.: Notarzt-Fall: Zwei Verletzte, er kann nur einen retten.
- A1: Rechtsfreier Raum, dem Strafrecht ist eine Entscheidung entzogen; dagegen spricht, dass das Recht auch in diesen Konfliktsituationen nicht schweigen darf
- A2: Tatbestand ablehnen? War aber trotzdem ein Sterbenlassen
- A3: kein § 34, weil Leben nicht abgewogen werden können;
- aber hM: rechtfertigende Pflichtenkollision; handelt sich nicht um Unrecht, sondern um Schicksal; das Recht kann nichts Menschenunmögliches verlangen (ultra posse nemo obligatur)
Irrtümer im Bereich der Schuld:
1) Erlaubnisirrtum
Dem Täter fehlt das Unrechtsbewusstsein, weil er sich über die Existenz eines Rechtfertigungsgrundes irrt.
(Lehrer geht von der Existenz eines Züchtigungsrechtes aus, das gar nicht mehr existiert)
Irrtümer im Bereich der Schuld:
2) Erlaubnisgrenzirrtum
Dem Täter fehlt das Unrechtsbewusstsein, weil er die Grenzen eines existierenden Rechtfertigungsgrundes überdehnt.
(Annahme, Tötung sei im Rahmen der Notwehr auch bei Bagatellangriffen möglich)
Irrtümer im Bereich der Rechtswidrigkeit/Schuld:
3) Erlaubnistatbestandsirrtum
EINMAL AUSGESCHRIEBEN AUF BLATT, SO LERNEN!
Dabei irrt sich der Täter über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes (Im Folgenden gehe ich von Notwehr aus; kann aber auch bei allen anderen RF-Gründen vorkommen!)
–> wichtig: Der Irrtum kann auf Ebene der Notwehrlage vorkommen (Putativnotwehr), aber auch auf Ebene der Notwehrhandlung (s. AG Fall 1) –> nimmt irrig Umstände an, bei deren tatsächlichen Vorliegen sie gerechtfertigt wäre
Prüfungsreihenfolge:
1. Zuerst objektive Lage prüfen und feststellen, dass entweder Notwehrlage objektiv nicht gegeben ist oder Notwehrhandlung objektiv nicht erforderlich/geboten war (innerhalb der Rechtswidrigkeit)
- Dann extra Prüfungspunkt aufmachen “Erlaubnistatbestandsirrtum”.
- Dann da den ETBI definieren; dann das Vorliegen dessen prüfen aus der Sicht des Irrenden!; also, ob der Täter irrig Umstände annahm, die im Falle ihres tatsächlichen Vorliegens die Tat rechtfertigen würden
- Dann zur Frage der Rechtsfolgen des ETBI kommen.
(1. Vorsatztheorie: nur bei viel Zeit aufschreiben)
- das Unrechtsbewusstsein sei Teil des Vorsatzes; bei dessen Fehlen soll daher der Vorsatz entfallen
- Arg. -: § 17 StGB, der vom Fehlen des Unrechtsbewusstseins spricht, ordnet dieses explizit der Schuld zu und nicht dem Vorsatz
- Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen (§ 16 I 1 StGB)
- Das Nicht-Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes könnte Teil des Tatbestandes sein; der Irrtum darüber würde zu § 16 I 1 StGB führen und den Vorsatz entfallen lassen
- Arg. -: steht dem anerkannten dreistufigen Deliktsaufbau entgegen, der sich aus Gesetz ergibt; §§ 32, 34 als gesetzlich normierte Rechtfertigungsgründe müssten “handelt nicht tatbestandsmäßig” sagen - Strenge Schuldtheorie (§ 17 S. 1 StGB)
- dann wäre für die Strafbarkeit ausschlaggebend, ob Irrtum vermeidbar war
- Arg. -: Wesen des ETBI spricht dagegen, weil der Täter sich nicht über Unrecht irrt, sondern nur über Sachverhalt; er bewertet den Sachverhalt rechtlich richtig, geht aber von falscher Tatsachengrundlage aus - Eingeschränkte Schuldtheorie (§ 16 I 1 StGB analog)
- aus diesem Grunde erscheint die analoge Anwendung des § 16 I 1 sachgerecht, weil der ETBI dem Wesen nach ein Irrtum über die tatsächlichen Umstände ist; der Täter will sich an sich rechtstreu verhalten, irrt nur über tatsächliche Umstände;
- analog deshalb, weil § 16 den “gesetzlichen Tatbestand” als die Beschreibungen des BT meint, und nicht die rechtfertigenden Situationen
- dies ließe den Vorsatz entfallen und würde zu einer Fahrlässigkeitsstrafbarkeit führen - Rechtsfolgenverweisende eingeschränkte Schuldtheorie (Rechtsfolgen des § 16 I 1 StGB)
- nur die Rechtsfolgen des § 16 sind anzuwenden
- damit entfällt nicht der Vorsatz, sondern nur die Vorsatzschuld;
- Vorteil ist, dass eine Teilnehmerstrafbarkeit möglich bleibt
- Kritik: Voraussetzungen und RF einer Norm werden verschieden behandelt; “dogmatische Missgeburt”; Vorsatzschuld ansonsten eher unbekannter Terminus
–> Entscheidung dahinstehen lassen
–> NICHT VERGESSEN: FAHRLÄSSIGKEITSPRÜFUNG ANSCHLIESSEN!
Prüfung des Hells-Angels-Fall
§ 212
- einverständliche Fremdgefährdung des Polizeibeamten (obj. Zurechnung)?: nein, weil er 1. in Tötung nicht einwilligen kann (§ 216) und er sich der Gefahr auch nicht hinreichend bewusst war
- error in persona (Vorsatz) ist unbeachtlicher Motivirrtum, weil Vorsatz auf die Tötung eines Menschen gerichtet war
- Rechtfertigung nach § 32? Rechtswidrigkeit des Angriffs der Polizei? Durchsuchungsbefehl lag vor, § 102 StPO sagt jedoch nichts über Heimlichkeit des Vorgehens; Rechtmäßigkeit ist wohl anzunehmen, weil heimlich eingedrungen, um Gefahrpotential zu minimieren (von BGH offengelassen)
- § 34 scheitert jedenfalls am wesentlichen Überwiegen des Rechtsgutes; Leben kann gegen Leben nicht aufgerechnet werden
- ETBI liegt aber vor, daher kein § 212 (und auch kein §§ 223 I, 224 I Nr. 2,5 )
- lediglich § 222 anprüfen, jedoch abzulehnen, weil Irrtum nicht vermeidbar war: kein Sorgfaltsverstoß erkennbar (so auch § 229)
- §§ 113, 115 II anprüfen und ablehnen
(denkbar wäre gewesen, ob sich aus Provokationsverhalten der Hells Angels im Vorfeld eine sozialethische Einschränkung des Notwehrrechts ergibt, die dem A zuzurechnen ist: in Klausur ansprechen!)
Irrtümer im Bereich der Schuld:
Irrtum über sachliche Voraussetzungen eines Entschuldigungsgrundes, § 35 II
= Entschuldigungstatbestandsirrtum
- hier geht es nur um sachliche Voraussetzungen des § 35; hinzukommen muss die Vermeidbarkeit (wie bei § 17)
Achtung Klausur: § 35 II liegt nicht vor, wenn der Täter über die Grenzen des § 35 I 1 irrt! nuancierter Unterschied!
Täter glaubt, ein Angehöriger werde bedroht (+)
Täter glaubt, auch Nicht-Angehörige dürfen beschützt werden (-)
Ein solcher Irrtum über die Grenzen ist unbeachtlich, da Täter Entschuldigungsgrund annimmt, der nicht existiert.
- § 35 II gilt analog für alle Entschuldigungstatbestandsirrümer
–> muss um TATSÄCHLICHE VORAUSSETZUNGEN GEHEN !