Teil I. C2: Grundlagen VVG Flashcards
(43 cards)
Will das VVG jemanden schützen? Gibt es einen Vertragszwang? Welche Interessen sind zu berücksichtigen, wann laufen sie zusammen?
- VVG = Konsumentenschutz
- > Mit relativ zwingenden und zwingenden Normen
- Vertragsfreiheit, kein Versicherungszwang (beidseitig!)
- Interessen Versicherungsnehmer (VN) sind meist deckungsgleich mit denen aller Versicherten, aber nicht immer
Prinzip der Versicherung von Risiken?
Risiken müssen (örtlich und zeitlich) begrenzbar sein;
-> Versicherung funktioniert nicht, wenn alle VN gleichzeitig Risikofall erleiden -> Diversifikation
Wie sieht der Deal zwischen VR und VN aus (3 + 3 Unterpunkte)?
VR: Risikoübernahme
- > Versicherte Gefahr (gefährdetes Element)
- > Versichertes Interesse (gefährdetes Element)
- > Versicherte Leistung (Versicherungssumme)
VN: Prämie
= Dauerschuldverhältnis
Wie kommt der Versicherungsvertrag (VV) zustande? Formvorschrift?
Antrag und Annahme, VVG 1
-> geht noch davon aus, der VN den Antrag stellt; heute kriegt man aber nach dem Ausfüllen eines Online-Formulars mal einige Offerten zugeschickt
Antrag VN formfrei möglich
Formfreiheit der Annahmeerklärung des Versicherers (z.B. Zusendung einer Police)
Bindungsfrist des Antragstellers?
VVG 1 I: 14 Tage
VVG 1 II: Falls ärztliche Untersuchung nötig, 4 Wochen
VVG 1 III+IV: Modalitäten
- > Zweck: Zeit für den Versicherer zur Prüfung des Risikos
- > Wobei, es gibt auch Bereiche, wo Risiko VN keine Rolle spielt (z. b. Reiseversicherung)
Essentialia negoti des VV (5)?
- Versicherte Gefahr
- Versichertes Interesse
- Leistung des Versicherers
- Prämie
- Vertragsdauer
Was hat der VR dem VN bekannt zu machen, wenn letzterer den VV beantragt oder annimmt? Was, wenn er das nicht tut?
VVG 3 = Informationspflicht Versicherer
Inhalt: Abs. 1
VVG 3a, Verletzung der Informationspflicht: Befristetes Kündigungsrecht für Versicherungsnehmer
= klassisches Konsumentenschutzrecht
Was ist das Schema bei der Anzeigepflicht?
s. Schema in Kursnotizen S.12:
VVG 4: Anzeigepflicht bei Vertragsabschluss
VVG 6: Verletzung der Anzeigepflicht?
-> ja: Kündigung innert Frist von 4 Wochen (VVG 6 II, Wahlrecht VR)?
–> nein: Vertrag bleibt bestehen, Leistungspflicht gegeben
–> ja: Vertrag wird aufgelöst. Schadeneintritt vor oder nach Auflösung?
—-> Nach Auflösung: Keine Leistungspflicht
—-> Vor Auflösung: Verletzung kausal für Eintritt oder Umfang des Schadens (VVG 6 III)?
——> Nicht kausal: Leistungspflicht
——> kausal: Keine Leistungspflicht
Anwendungsbereich der Anzeigepflicht?
- Persönlich: Antragsteller
- Zeitlich: Vorvertraglich (ab Antrag bis Vertragsschluss)
Rechte und Pflichten von VVG 4 ff.?
- Fragerecht VR
- Anzeigepflicht VN
Was ist eine Gefahrstatsache? Was sind indizierende Umstände?
- Gefahrstatsachen = Tatsachen, dies sich auf das Risiko oder auf die Gefahr auswirken. In zwei Arten möglich:
o Schadeneintrittsgefahr
o Schadenumfangsgefahr
indizierende Umstände: haben Einfluss auf das Risiko (z. B. Bauart eines Hauses für Feuergefahr etwa Beton- vs. Holzhaus)
Was ist das Fragerecht des Versicherers? Voraussetzungen?
VVG 4 III: «in bestimmter, unzweideutiger Fassung»
TBM:
1) Fragen müssen im ZH mit Gefahr sein und
2) sie müssen in einer allg. verständlichen Sprache sein (häufig ja/nein Fragen)
Sind folgende Bsp. zulässig unter dem Fragerecht des Versicherers:
«Haben Sie kürzlich einen Arzt zu Rate gezogen?»
«Standen Sie in den letzten 5 Jahren in längerer ärztlicher Behandlung?»
«Leiden Sie an Lumbago?»
«Leiden Sie an einer der aufgezählten Krankheiten […] oder einem anderen ernst zu nehmenden Leiden?»
«Haben Sie kürzlich einen Arzt zu Rate gezogen?»
o Bsp. 1 auf Slide: «kürzlich»? -> gem. Gericht lässt einen Schluss auf die Gegenwart zu; umfasse auch 6-7 Wochen; daher zulässige Frage i. S. v. VVG 4 III (= bestimmte und eindeutige Frage)
«Standen Sie in den letzten 5 Jahren in längerer ärztlicher Behandlung?»
o Bsp. 2: “längere“? -> Nicht zulässig (≠ bestimmte und eindeutige Frage)
«Leiden Sie an Lumbago?»
o Bsp. 3: “Lumbago?» -> gem. Gericht nicht bekannt genug
«Leiden Sie an einer der aufgezählten Krankheiten […] oder einem anderen ernst zu nehmenden Leiden?»
o Bsp. 4: “ernstzunehmend»? -> unzulässig
Was ist die Rechtsfolge, wenn eine Frage des VR unzulässig ist?
Falls Frage unzulässig, keine Rechtsfolge bei mangelhafter Beantwortung
Pflicht zur Anzeige des VN: Inhalt (3), Formvorschrift (1) und Grenze (1)?
Inhalt:
-> VN muss sämtliche Fragen beantworten – aber nur solche, die ihm der Versicherer stellt. Von sich aus muss er nichts angeben
- > Dies mit einer gewissen Ernsthaftigkeit und Sorgfalt
- > Umfasst alles, was bekannt ist oder bekannt sein müsste = objetkvierter Massstab
Schriftform im Antragsformular
Grenzen: Persönlichkeitsschutz
-> aktuell: Gendaten vom VN zur Vfg. Zu stellen? Derzeit sicher noch keine Pflicht
Wie definiert sich die “Erheblichkeit” einer Tatsache? Wann wird sie vermutet?
VVG 4 II + III: Hypothetischer Wille im konkreten Fall: «Hätte der Versicherer in Kenntnis der Wahrheit den Vertrag gleich abgeschlossen?» -> Kausalität zum “Underwriting-Entscheid”
Erheblichkeit vermutet, wenn Frage gestellt (VVG 4 III); Beweis Gegenteil möglich
Ist in den folgenden Fällen die Erheblichkeit gegeben:
Private Unfallversicherung: Selbständiger Handwerker litt vor 9 Jahren unter Rückenschmerzen mit Arbeitsunterbruch von 3 Monaten
Lebensversicherung: Gelegentlicher Konsum von Cannabis als Student vor 10 Jahren (vgl. BGE 136 III 334, Pra 2011, 134)
Auto-Kaskoversicherung: Häufigster Lenker eines Autos ist ein Ausländer
Private Unfallversicherung: Selbständiger Handwerker litt vor 9 Jahren unter Rückenschmerzen mit Arbeitsunterbruch von 3 Monaten
= erheblich (Gegenteil angesichts langen Zeitraums vertretbar)
Lebensversicherung: Gelegentlicher Konsum von Cannabis als Student vor 10 Jahren (vgl. BGE 136 III 334, Pra 2011, 134)
= unerheblich
-> Im Urteil: Erheblichkeit verneint, da 1/3 aller Jugendlichen kiffen; es kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Versicherer mit 1/3 der Bevölkerung keinen Vertrag abschliessen würde
Auto-Kaskoversicherung: Häufigster Lenker eines Autos ist ein Ausländer
= erheblich (allerdings Entscheid von 1985)
TBM Anzeigepflichtverletzung (6)? Wo sind sie notiert?
Notiert bei VVG 6 (auch einschlägiger Art.):
1) Vor Vertragsabschluss
2) Gefahrstatsache
3) Erheblichkeit der Gefahrstatsache( materielle Wesentlichkeit)
4) Schriftliche Abfrage (formelle Wesentlichkeit)
5) Kenntnis des Antragstellers (obj. Massstab)
6) Verschweigen oder unrichtig mitteilen
- > Notwendigkeit Verschulden umstritten; ein Verschweigen oder unrichtig mitteilen reicht i. d. R.
- > Es braucht sicher keine Absicht
RF:
- Kündigungsrecht evtl. mit Leistungsverweigerung, falls Kausalität Tatsache mit Eintritt oder Umfang Schaden
- -> CAVE Frist (VVG 6 II) und Form !
- AUSSER: Ausnahme-TB nach VVG 8 !
Kündigungsrecht des VR (VVG 6): Frist (2), Modalitäten (1), Konsequenz der Nicht-Nutzung (1 + 2)
FRIST (VVG 6 II)
- Verwirkungsfrist von 4 Wochen seit Kenntnis der Verletzung der Anzeigepflicht
- Beginn: Zugang der schriftlichen Erklärung beim Versicherungsnehmer
MODALITÄTEN
- Rechtsgenügliche Begründung
KONSEQUENZ
- Keine Kündigung = Fortsetzung des Vertrags
- unter Einschluss des nicht angezeigten Risikos
- zu gleicher Prämie
Bsp.: Gebäudeversicherung gegen Feuer/wenn ich ein Holzhaus habe, aber ein Steinhaus angebe/ Konsequenz?
Qualifikation: Anzeigepflichtverletzung, die Einfluss auf Eintritt und Umfang des Schadens hat
- > de lege lata: Leistung kann ganz verweigert werden
- > de lege feranda (2022): Leistung teilweise verweigerbar
Rechtsfolgen der Anzeigepflichtverletzung (VVG 6 ff.)?
• Schicksal der Prämie
- Bei Kündigung: Grundsatz der Teilbarkeit der Prämie (Art.24 Abs.1 VVG): Prämie geschuldet bis zum Zeitpunkt der Auflösung
- Ohne Kündigung: Keine Mehrprämie infolge des grösseren nicht deklarierten Risikos.
- Praxis: Verzicht auf Kündigung und Vornahme einer Prämienerhöhung (Vertragsänderung)
• AUSNAHME
Nichteintritt der Rechtsfolgen: Ausnahmetatbestände gemäss Art. 8 VVG
- Ziff.1: Wegfall vor Eintritt des Ereignisses
- Ziff.2: Veranlassung des Versicherers
- Ziff.3 und 4: Kenntnis des Versicherers
- Ziff.5: Verzicht auf Kündigung
- Ziff.6: Nichtbeantwortete Frage
- -> Klassiker: Strich statt Kreuz auf Fragebogen -> Versicherer muss nachfragen, wenn er es wissen will; sonst kann er sich danach nicht darauf berufen
Risiken sind bekannt, Versicherer hat alles gecheckt und schliesst den Vertrag ab. Ab dann stellen sich welche 4 Fragen?
- Geltung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB)
- Vertragliche Anpassungsklauseln
- Änderungen während der Vertragsdauer / Gefahrserhöhung (Art. 28 ff. VVG)
- Prämie (Art. 18 VVG)
Welche drei Kontrollebenen sind zu prüfen für die Geltungskontrolle der AVB? Welche drei besonders wichtigen Aspekte sind dabei für den VV herauszustreichen?
(0. Vorfrage bei AGB im Allg.: handelt es sich überhaupt um AGB?)
Besonders Wichtiges für VV in GROSSBUCHSTABEN:
- Geltungskontrolle
= Wurden die AVB rechtswirksam in den Vertrag übernommen?
-> Globalübernahme = Wille zur Übernahme, aber der Übernehmende kennt den Inhalt ganz oder teilweise nicht oder hat ihn nicht verstanden
!! VERMUTET BEIM VV, VVG 3 II
- > aber !! UNGEWÖHNLICHKEITSREGEL = (Subjektiv und objektiv) ungewöhnliche Klauseln in den AVB sind von der Globalübernahme ausgenommen.
- > RF: Vertrag bleibt, AGB-Klausel gilt nicht, da nicht Vertragsbestandteil
- Auslegungskontrolle
= wie muss die gültig übernommene Klausel ausgelegt werden?
-> Überraschungsmoment
-> !! UNKLARHEITSREGEL (für Vertragsauslegung)
= Sofern der wirkliche oder mutmassliche Wille der Parteien nicht ermittelt werden kann (Auslegungskontrolle), kommt die Unklarheitsregel zur Anwendung = im Zweifel gilt für den Versicherer die ungünstigere Bedeutung
- > RF: es ist von der günstigstmöglichen Auslegung für den Versicherungsnehmer (VN) auszugehen ≠ die günstigste Auslegung für den VN suchen
- -> Bspw. ist die günstigere von zwei verbleibenden, vertretbaren Auslegungen für den VN zu wählen und keine Dritte, noch günstigere zu erstellen
- Inhaltskontrolle
= ist eine Klausel grob unbillig und muss entfernt werden?
= Inhaltsschranke: bei Bedarf wird der Vertrag angepasst und somit in die Vertragsfreiheit eingegriffen (!)
- > RF:
- Ersatz unbilliger Klauseln durch dispositives Recht
- Subsidiär (oft im Versicherungsrecht): hypothetischer Parteiwille
- Sprich: RF gleich wie bei nicht übernommenen Klauseln (s. Schritt 1)
Was ist zu Anpassungsklauseln zu sagen?
- I. d. L. kritisiert;
- i. d. P. weit verbreitet
-> s. §13 im Lehrbuch Wildhaber, falls noch Zeit