12. Religiöser Wandel in Korea seit dem 19. Jahrhundert. Buddhismus und Staat in der VR China. Flashcards

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Q
  1. Religiöser Wandel in Korea im späten 19. und frühen 20. Jh.
A

Historische Voraussetzung:
Die vormoderne religiöse Kultur war stark vom Leben in einer agrarwirtschaftlich geprägten Gesellschaft geprägt:
- lokale Kulte, Schamanismus,
- jahreszeitlich motivierte Rituale (zur Aussaat, Erntedank, usw.)
- Verehrung von legendären Kulturheroen (bspw. „Enkel des Himmels“ und
Staatsgründer Dangun, der 2333 v.Chr. ein Königreich begründete).

Buddhismus wurde seit dem 4. Jh. n. Chr. zunächst als Religion einer gebildeten Oberschicht eingeführt, welche auch vom konfuzianischen Selbstverständnis der Herrschaftseliten geprägt war. Dann erfolgt allmählich die Verbreitung des Buddhismus in der breiten Bevölkerung, und zwar frühestens ab dem 5. Jahrhundert, vor allem aber vom 10. bis zum 14. Jh. (Goryeo-Reich, 918-1392).

Ab 1876 Öffnung des Landes:
- ungleiche Handelsverträge mit westl. Mächten
- christliche Mission
- Entstehung neuer Religionsgemeinschaften in Opposition zum Einfluss westlicher Mächte und christlicher Religion
- massive Repression der koreanischen Traditionen und Sprache, Versuch der
„Japanisierung“ der Bevölkerung: Einführung des Shintō (Sindo 神道).
1950–53 Koreakrieg und anschl. Teilung des Landes.

Nordkorea wird eine stalinistisch geprägte Diktatur, deren Ideologie das Absterben von Religion in Aussicht stellt; religiöses Leben wird allgemein unterdrückt.

Südkorea:
- 1960er-80er Jahre, Zeit der polit. Unruhe, von Protestbewegungen, allmählich Eindämmung der Macht des Militärs und Stärkung des Demokratisierungsprozesses.
- religiös-politisches Spannungsfeld zwischen kulturalistischem Traditionsbezug und religiösem Pluralismus.
- Erstarken des Christentums, verbunden mit seiner politischen Positionierung für Demokratisierung und Modernisierung.
Wesentliche Gründe für die Erstarkung des Christentums:
- Brückenfunktion zum bzw. Förderung aus dem Westen (v.a. USA),
- Modernisierung und Industrialisierung wurde (in Abgrenzung zur Erfahrung der jap. Kolonialherrschaft) mit der Übernahme westlicher Orientierungen (auch Religion
betreffend) verknüpft.
- Christentum auch positiv konnotiert, da es:
- nicht mit der alten Herrschaftsordnung verbunden war,
- von der japanischen Kolonialmacht verfolgt wurde,
- nach 1945 karitatives Engagement in einer politisch schwierigen Zeit entfaltete.
In der Zeit der Demokratiebewegung und der Proteste gegen die Macht des Militärs (1960er- bis 70er Jahre) positionieren sich christliche Organisationen prodemokratisch und unterstützen aktiv die Demokratisierung des politischen Systems.
- Wissenschaftliche Institutionen (v.a. Universitäten) nehmen zwar tendenziell eine eher religionskritische Position ein; davon weitgehend ausgenommen bleibt aber das Christentum, u.a. weil es die Studentenproteste politisch unterstützt.
- Führende Universitäten haben eine christliche Trägerschaft bzw. vertreten ein christliches Selbstverständnis ihrer sozialen Funktion als Bildungsinstitutionen (bspw. Yonsei University, Soongsil University, Ehwa Womans University)
- Betonung der Funktion von Religion vor allem als eine moralische Instanz (wovon der Protestantismus stärker profitiert, weniger indessen die autochthonen Religionen, in denen das rituelle Element größere Bedeutung hat).
Religionszugehörigkeit in Südkorea lt. Zensus 2015 (ca. 51 Mio. Einwohner):
19,7 % Protestanten (+) 15,5 % Buddhisten (-) 7,9 % Katholiken (-) 0,8% andere (-)
56,1% ohne Angabe (+)
(Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Religion_in_South_Korea)

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Q
  1. Buddhismus und Staat in der VR China
A

Wichtige Eckdaten:
- 1949 Gründung der Volksrepublik China
- 1958 „Großer Sprung nach Vorn“
- 1966–76 „Kulturrevolution“
- seit 1976 Öffnung und Wirtschaftsreformen, Aufstieg zur politischen Weltmacht und
modernen Industrienation

1953 erfolgt die Gründung der Buddhist Association of China, fungiert
- als Dachverband aller buddhistischen Klöster,
- als zentrale Schnittstelle zwischen buddhistischen und staatlichen Institutionen. Die grundlegende religionspolitische Maxime lautet bis in die 1960er Jahre:
Politische Weiterentwicklung des „Agrar-Chan“ (nong chan 農禅) zum „Industrie- Chan“ (gong chan 工禅).
Hierbei handelt es sich um eine breit angelegte Kampagne zur Anpassung buddhistischer Praxis und Lehre an die sozialistische Staatsordnung. Das religionspolitische Ziel besteht darin, verschiedene Bereiche der Zuständigkeit buddhistischer Institutionen und des Stellenwerts buddhistischer Religionsausübung unter den neuen ideologischen Vorgaben verbindlich festzulegen und umzusetzen.
Aus buddhistischer Sicht kommt es besonders an auf:
- eine Widerlegung der von der KP Chinas vertretenen Auffassung, dass der Klerus ein „Überbleibsel des feudalistischen Herrschaftssystems“ sei,
- einen faktischen Erweis der Anschlussfähigkeit buddhistischer Praxis an die Bedarfe einer modernen sozialistischen Gesellschaft,
- die Integration des Klerus in den Aufbau der sozialistischen Gesellschaftsordnung. Buddhistische Institutionen und Parteiorganisationen arbeiten erklärtermaßen zusammen
am Aufbau der sozialistischen Gesellschaft.
In der Folge kommt es zum Verfall der buddhistischen Institutionen und ihrer nahezu völligen Auslöschung während der „Kulturrevolution“ (1966–76):
- Säkularisierung des Klerus
- Landverschickung ehemaliger Mönche
- Zerstörung buddhistischer Tempel, Klöster sowie buddhistischen Kulturguts (Schriften,
Kunst usw.)

Ab den späten 1970er Jahren setzt der Wiederaufbau religiösen Lebens ein. Die buddhistischen Institutionen werden zum „Dienst am Allgemeinwohl“ verpflichtet (schließt nun religiöse Dienstleistungen mit ein). Die entsprechende neue Maxime lautet:
„Ein Tag ohne Arbeit sei ein Tag ohne Speise!“
Die Klöster erhalten Land und Immobilien zurück, die vom Klerus bewirtschaftet oder verpachtet werden dürfen. Damit verbunden ist die zunehmende wirtschaftliche Diversifizierung seit den 1980er Jahren. Der Klerus finanziert sich bspw. im Jahr 1983 durch:
- Verkauf von Agrarprodukten (75,7%)
- Dienstleistungen wie Alten- und Krankenpflege, Herbergswesen usw. (14%)
- Spenden (10,3%)

In den Städten werden Werkstätten, kleine Fabriken und Kliniken betrieben, außerdem Gaststätten und Herbergen, die zusätzliche Einnahmen generieren. Im Rahmen der allmählichen Liberalisierung und Ökonomisierung auch des religiösen Marktes empfiehlt die Buddhist Association of China im Jahr 1985 die unternehmerische Erschließung weiterer Geschäftsmodelle (einschließlich religiöser Dienstleistungen).
Seit den 1990er Jahren setzt ein grundlegender religionsökonomischer Wandel ein:
- Revitalisierung des Verdienst- und Karmagedankens u.a. zur Generierung von Spendeneinnahmen.
- Ausführung von Riten gegen Bezahlung (bspw. im privaten Rahmen).
- private und staatliche Förderung von Religion als „kulturelles Erbe“: Tourismus,
Vergangenheits- und Traditionspflege, nationale Identitätspflege.
Buddhistische Institutionen partizipieren aktiv an der Politisierung von Religion durch die KP Chinas:
- Kontrolle und interessengeleitete Förderung.
- Verständnis von Religion (v.a. Daoismus) als nationales und kulturelles „Erbe“, d.h. im
Sinne eines förderwürdigen, ökonomisch und politisch relevanten Kulturguts.
- Nutzung für politische Ziele durch Einbindung religiöser Institutionen in Entscheidungen
über öffentliche Belange, wodurch Religion auch zum Gegenstand politischer Auseinandersetzungen wird (bspw. Christentum, Bau oder Abbruch von Kirchen).

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