2. Grundlagen der Personalführung Flashcards

(42 cards)

1
Q

2.1 Zur Notwendigkeit der Personalführung

Notwendigkeit der Personalführung I

A

Notwendigkeit der Personalführung I
* Führung scheint zunächst ein universales Phänomen zu
sein bzw. natürlich und selbstverständlich:
– Alltägliche Annahme, dass es stets und überall Personalführung
gibt und geben muss – in Unternehmen, Kindergärten, Schulen,
in der Politik, in Vereinen, beim Militär.
– Bilder aus dem Tierreich: „Alpha-Männchen“, „Platzhirsche“ und
„Leitkühe“ – Annahme von „Führungsstrukturen“
– sozialpsychologische Forschung: in zufällig und ad hoc
zusammen gewürfelten Gruppen findet sich recht schnell
jemand, der Führung übernimmt.
* Das scheinbar „Natürliche“ und „Selbstverständliche“
– kann aber auch einfach eine soziale Konstruktion sein,
– sollte kritisch auf seine Legitimation hin untersucht werden

🧭 Notwendigkeit der Personalführung I

🔹 1. Führung als universales Phänomen?

In vielen Lebensbereichen scheint Führung „ganz natürlich“:
* Unternehmen → Führungskräfte, CEOs
* Kindergärten / Schulen → Erzieher:innen, Lehrer:innen
* Politik → Kanzler:innen, Präsident:innen
* Vereine / Militär → Vorsitzende, Kommandeure

💡 Allgemeine Annahme: Führung ist unverzichtbar – ohne sie Chaos?

🔹 2. „Führungsbilder“ im Tierreich

Auch in der Tierwelt wird oft von „Führung“ gesprochen:
* Alpha-Männchen bei Wölfen
* Platzhirsche als dominante Männchen bei Rothirschen
* Leitkühe bei Rindern, die die Herde anführen

Diese Metaphern prägen unser Denken über „natürliche Hierarchien“.

🔹 3. Empirische Hinweise aus der Sozialpsychologie
* Forschung zeigt: In zufällig gebildeten Gruppen (z. B. Experimenten) entsteht oft spontan eine Führungsfigur.
* Dies geschieht auch ohne formelle Rollenzuweisung → jemand übernimmt Initiative, strukturiert Aufgaben, moderiert.

Das legt nahe: Führung entsteht oft automatisch, sobald eine Gruppe koordiniert handeln will.

❗ ABER: Kritik an dieser „Natürlichkeit“

👉 Führung ist nicht einfach naturgegeben, sondern oft sozial konstruiert:
* Was als Führung gilt, hängt stark vom kulturellen, historischen und sozialen Kontext ab.
* Auch Tiervergleiche sind nur Analogien – sie dürfen nicht einfach auf den Menschen übertragen werden.

Daher ist es wichtig, die Legitimation von Führung zu hinterfragen:
* Wer darf führen?
* Warum wird jemand zur Führungskraft gemacht?
* Wer profitiert von bestimmten Führungsformen?

🧠 Karteikarten-Beispiel:

Warum erscheint Führung als „natürlich“ oder „selbstverständlich“?

Weil sie in vielen Bereichen (Unternehmen, Politik, Militär) alltäglich ist und auch in Tiermetaphern wie „Alpha-Männchen“ dargestellt wird. Zudem zeigen sozialpsychologische Studien, dass in Gruppen oft spontan Führungsrollen entstehen.

Was ist an dieser Annahme kritisch zu sehen?

Die scheinbare Natürlichkeit von Führung kann eine soziale Konstruktion sein und sollte kritisch hinterfragt werden – z. B. auf ihre Legitimität, kulturelle Einbettung und Machtverhältnisse.

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Q

2.1 Zur Notwendigkeit der Personalführung

Notwendigkeit der Personalführung II

a) Anthropologische Begründungen
b) Funktionale Begründung

A

Notwendigkeit der Personalführung II

Begründungen der Notwendigkeit der Personalführung

a) Anthropologische Begründungen
* Führung gibt es, weil (einige) Menschen geführt werden
wollen; nicht alle können oder möchten Verantwortung
übernehmen.
* Führung gibt es, weil Menschen unterschiedliche
Fähigkeiten und Bedürfnisse haben; Menschen können
daher in arbeitsteiligen Prozessen unterschiedliche
Problemlösungsbeiträge erbringen
* Die Führungshierarchie ist Abbild und Ergebnis
menschlicher Fähigkeits-, Bedürfnis- und Motivations-
unterschiede.

b) Funktionale Begründung
* Führung ist funktional, weil größere Kollektive sonst in
Chaos und Verfolgung von Eigeninteressen versinken
würden
* Führung ist funktional, weil sie erfolgreiches Handeln
auch unter den Bedingungen der Arbeitsteilung und dem
daraus resultierenden Koordinationsbedarf zwischen den
arbeitsteilig arbeitenden Einheiten sichert

Blessin/Wick bezeichnen viele dieser Begründungen für die
Notwendigkeit der Personalführung als ideologisch.

📌 Notwendigkeit der Personalführung II

🧠 Zentrale Frage:

Warum „braucht“ man Führung überhaupt?

Man unterscheidet hier zwei Hauptbegründungen:
* anthropologische Begründung (auf das Wesen des Menschen bezogen)
* funktionale Begründung (auf die Funktion von Führung in Organisationen bezogen)

🔹 a) Anthropologische Begründungen

Diese Argumentation basiert auf Beobachtungen und Annahmen über den Menschen an sich:
1. Führung, weil Menschen geführt werden wollen:
* Manche Menschen scheuen Verantwortung.
* Sie fühlen sich wohler, wenn ihnen gesagt wird, was zu tun ist.
* → Führung als „Antwort“ auf ein psychologisches Bedürfnis nach Sicherheit & Orientierung.
2. Führung, weil Menschen unterschiedlich sind:
* Unterschiedliche Fähigkeiten (z. B. Planen vs. Ausführen)
* Unterschiedliche Bedürfnisse und Motivation (z. B. Karriere vs. Sicherheit)
* → Folge: arbeitsteilige Prozesse mit Führenden und Geführten.
3. Führungshierarchie = Spiegel der Unterschiede:
* Wer besonders kompetent, motiviert oder durchsetzungsfähig ist, wird „oben“ eingeordnet.
* Wer weniger Eigeninitiative zeigt, wird geführt.
* → Führung als „natürliches Ergebnis“ menschlicher Vielfalt.

Kritisch zu betrachten: Diese Annahmen können zu statischen Rollenzuweisungen führen – „die einen führen, die anderen folgen“ – und gesellschaftliche Machtverhältnisse legitimieren, obwohl sie vielleicht sozial konstruiert sind.

🔹 b) Funktionale Begründungen

Diese Perspektive argumentiert mit der Funktion von Führung in komplexen Systemen wie Organisationen:
1. Führung verhindert Chaos:
* In großen Gruppen könnten ohne Führung alle nur ihre Eigeninteressen verfolgen.
* Ergebnis: Konflikte, Ineffizienz, Stillstand.
2. Führung koordiniert arbeitsteilige Prozesse:
* Arbeitsteilung erfordert Abstimmung, Struktur, Planung.
* Führung liefert:
* Zielsetzung
* Aufgabenverteilung
* Kontrolle
* Motivation

→ Ohne Führung würden Organisationen nicht leistungsfähig bleiben.

🧨 Kritische Einordnung durch Blessin/Wick

Die Autoren Blessin und Wick kritisieren viele dieser Begründungen als ideologisch:
* Sie behaupten, diese Argumente erscheinen zwar sachlich, verdecken aber Machtinteressen.
* Mit der Behauptung, Menschen „wollten“ geführt werden, wird z. B. Hierarchie gerechtfertigt.
* → Frage: Werden solche Begründungen genutzt, um bestehende Machtverhältnisse zu stabilisieren?

📒 Karteikarten-Beispiele:

Was versteht man unter der anthropologischen Begründung für Führung?

Führung ergibt sich aus den unterschiedlichen Fähigkeiten, Bedürfnissen und Motivationen von Menschen. Manche wollen geführt werden, andere können besser führen.

Was ist eine funktionale Begründung für Führung?

Führung ist notwendig, um Chaos zu vermeiden und Koordination in arbeitsteiligen Organisationen sicherzustellen.

Wie bewerten Blessin/Wick diese Begründungen?

Sie sehen sie als ideologisch, da sie bestehende Machtverhältnisse legitimieren und kritisches Denken über alternative Führungsformen unterdrücken könnten.

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2.1 Zur Notwendigkeit der Personalführung

Ideologien

A

Ideologien
„Eine Ideologie ist eine zusammenhängende gedankliche
Konstruktion, die als umfassende Rechtfertigung einer
bestehenden oder angestrebten/zukünftigen sozialen
Wirklichkeit angesehen wird“ (Weibler, 2016, S. 11)
Neutral betrachtet: Ideologien …
* sind Wahrnehmungsfilter, die mit steuern, wie wir die Welt sehen,
* liefern Deutungsmuster und Denkraster
* dienen der Rechtfertigung von Wirklichkeiten
* haben sinngebende und handlungsbegründende Wirkung
* stiften und kräftigen Zusammenhalt in Gruppen, auch und besonders in
Abgrenzung zu anderen Gruppen
* ergänzen Konditional- und Zweck-Programme durch die enthaltene
Handlungsorientierung

📖 Definition:

„Eine Ideologie ist eine zusammenhängende gedankliche Konstruktion, die als umfassende Rechtfertigung einer bestehenden oder angestrebten sozialen Wirklichkeit angesehen wird.“
(Weibler, 2016, S. 11)

Das heißt:
Eine Ideologie ist nicht einfach eine Meinung oder Theorie, sondern ein komplexes Weltbild, das bestimmte Zustände oder Ordnungen als „richtig“ oder „notwendig“ erscheinen lässt – unabhängig davon, ob sie wirklich so sind.

🧠 Was „leisten“ Ideologien? (neutral betrachtet)

Ideologien sind nicht per se schlecht – sie sind erst einmal ein Mittel zur Sinn- und Orientierungsstiftung. Sie wirken in mehreren Dimensionen:

Funktion
Erklärung

Wahrnehmungsfilter
Ideologien lenken unsere Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte der Wirklichkeit und blenden andere aus.

Deutungsmuster / Denkraster
Sie geben Interpretationen für das, was geschieht: z. B. „Wettbewerb ist gut“, „Hierarchie ist notwendig“.

Rechtfertigung von Wirklichkeiten
Sie legitimieren bestehende Ordnungen – z. B. Führungsstrukturen, Eigentumsverhältnisse oder soziale Rollen.

Sinngebung & Handlungsorientierung
Sie erklären, was richtig oder falsch ist – und was daher getan werden sollte.

Sozialer Zusammenhalt
Sie stiften Identität innerhalb von Gruppen – oft auch durch Abgrenzung von anderen Gruppen („Wir gegen die“).

Ergänzen Programme
Sie geben konditionalen („wenn-dann“) oder zweckrationalen („um-zu“) Programmen eine ideologische Richtung – also das Warum dahinter.

📌 Beispiele im Kontext Personalführung:
1. Führung als natürlich → anthropologische Ideologie:
→ „Es muss Führung geben, weil Menschen geführt werden wollen.“
2. Leistungsorientierung als gerecht → neoliberale Ideologie:
→ „Wer viel leistet, verdient viel. Das ist fair.“
3. Hierarchie als notwendig → funktionale Ideologie:
→ „Ohne Chefs herrscht Chaos.“
4. Arbeitgeber = Entscheider, Arbeitnehmer = Ausführende
→ klassisch-kapitalistische Ideologie über Rollenverteilung.

⚠️ Warum ist das wichtig?

Wenn wir nicht erkennen, dass unsere Führungsmodelle und Vorstellungen oft auf ideologischen Annahmen beruhen, dann nehmen wir diese als „naturgegeben“ hin – und hinterfragen sie nicht mehr.
Das ist gefährlich, weil es zu Ungerechtigkeit, Machterhalt und Unterdrückung führen kann – ohne dass wir es merken.

🗝️ Karteikarten-Vorschläge:

Was ist eine Ideologie nach Weibler (2016)?

Eine zusammenhängende gedankliche Konstruktion zur Rechtfertigung einer bestehenden oder angestrebten sozialen Wirklichkeit.

Nenne drei neutrale Funktionen von Ideologien.

1.	Wahrnehmungsfilter
2.	Deutungsmuster
3.	Legitimation sozialer Wirklichkeit

Wie wirken Ideologien im Kontext von Personalführung?

Sie prägen unser Verständnis davon, was gute Führung ist – z. B. dass Hierarchie notwendig sei oder Leistung automatisch Gerechtigkeit bedeutet.

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2.1 Zur Notwendigkeit der Personalführung

Ideologien versus Wissenschaft

A

Ideologien versus Wissenschaft

  • Typische (negative) Merkmale von Ideologien:
    – fundamentalistische Vereinfachungen; einfache und totalitäre
    Ansprüche, keine Differenzierungen
    – einfache und gefällige Oberflächen lenken vom Kern der Sache
    (Unterscheidungen, Absichten) ab, der nicht sichtbar wird
    – vertauschen Geltungsansprüche (z.B. wahr und vorteilhaft)
    – fordern Parteinahme und Identifikation statt nüchterne Distanz
    – bieten Kurzschlüsse zwischen „sicher wissen“ und „direkt
    handeln“ an
    – stellen sich nicht der Kritik, der Wahrnehmung von Ambivalenz
    und Uneindeutigkeit, sondern verdecken und übergehen diese
    – zielen nicht auf empirische Überprüfung ihrer Aussagen,
    sondern wehren die Auseinandersetzung mit ihren Aussagen ab
    – laufen damit zentralen wissenschaftlichen Werten von Wahrheit,
    Klarheit, Nüchternheit, Wertfreiheit und Überprüfbarkeit zuwider

🧠 Ideologien versus Wissenschaft

„Was unterscheidet ein ideologisches Weltbild von einem wissenschaftlichen?“

⚠️ Typische (negative) Merkmale von Ideologien

Ideologische Tendenz
Erläuterung
Beispiel
1. Fundamentalistische Vereinfachungen
Komplexe Phänomene werden übermäßig vereinfacht – ohne Grautöne.
„Führung braucht immer klare Hierarchie.“
2. Oberflächliche Bilder
Die Schauseite ist attraktiv, aber verschleiert den wahren Kern.
Werbung mit „Familienunternehmen“, obwohl hohe Fluktuation herrscht.
3. Vertauschte Geltungsansprüche
Was vorteilhaft oder nützlich ist, wird als wahr verkauft.
„Leistungsgerechte Bezahlung ist automatisch fair.“
4. Parteinahme statt Distanz
Man soll sich emotional identifizieren – nicht sachlich urteilen.
„Wer gegen dieses Modell ist, ist gegen den Fortschritt!“
5. Kognitive Kurzschlüsse
Schnell von Meinung zu Handlung – ohne Prüfung.
„Alle guten Führungskräfte sind extrovertiert – also muss ich lauter auftreten.“
6. Kritikresistenz
Kritik wird abgewehrt oder ignoriert.
„Das Modell hat sich bewährt – Punkt.“
7. Keine empirische Überprüfung
Aussagen gelten, ohne dass sie getestet oder gemessen werden müssen.
„Motivation sinkt immer ohne Boni.“ – ohne Datenbasis.
8. Widerspruch zu wissenschaftlichen Werten
Ideologien ignorieren Prinzipien wie: Wahrheit, Klarheit, Transparenz, Falsifizierbarkeit.
Statt wissenschaftlicher Diskurs → Dogmatik.

🧪 Werte der Wissenschaft (im Kontrast)

Wissenschaftliches Prinzip
Bedeutung

Wahrheitsorientierung
Aussagen müssen überprüfbar und ggf. falsifizierbar sein

Klarheit und Differenzierung
Komplexität wird nicht geleugnet, sondern systematisch bearbeitet

Nüchternheit
Keine emotionale Vereinnahmung – sondern sachliche Prüfung

Wertfreiheit (im methodischen Sinne)
Trennung von normativen Urteilen und empirischen Aussagen

Kritikfähigkeit
Wissenschaft lebt vom Zweifel, nicht vom Glauben

🧠 Merksatz (für Karteikarte):

Worin liegt der Unterschied zwischen Ideologie und Wissenschaft?

Ideologien vereinfachen, emotionalisieren und immunisieren sich gegen Kritik. Wissenschaft strebt nach überprüfbaren, differenzierten und transparenten Erkenntnissen.

🧠 Beispiel-Karteikarten:

Was ist eine typische Eigenschaft von Ideologien?

Vereinfachung komplexer Zusammenhänge, Immunisierung gegen Kritik, fehlende empirische Überprüfbarkeit.

Warum widersprechen Ideologien wissenschaftlichen Prinzipien?

Weil sie Wahrheit mit Nützlichkeit verwechseln, keine Kritik zulassen und keine empirische Überprüfung anstreben.

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2.1 Zur Notwendigkeit der Personalführung

Notwendigkeit der Personalführung IV
Ideologie?

A

Notwendigkeit der Personalführung IV
Ideologie?

  • Bessin/Wick bezeichnen viele der Begründungen für die
    Notwendigkeit der Personalführung als ideologisch, weil
    sie

– zur impliziten Voraussetzung machen, was sie erst
erklären wollen/sollen (z.B. die Fähigkeits- und
Bedürfnisunterschiede von Menschen, die aber
gerade auch aufgrund der hierarchischen Gestalt von
Organisationen entstehen können)

– sie Ergebnisse als Voraussetzungen des zu
erklärenden Phänomens verwenden (z.B.
Koordinationsbedarf bei stark arbeitsteiliger
Aufgabenstruktur, die aber gerade durch die
Implementierung einer Führungshierarchie entsteht)

🧠 Notwendigkeit der Personalführung IV – Ideologiekritik nach Bessin & Wick

🔍 Zentrale Kritik:

Viele Begründungen für die angebliche „Notwendigkeit“ von Führung wirken ideologisch, weil sie etwas als gegeben voraussetzen, das eigentlich erst erklärt werden müsste.

🧱 1. Zirkelschluss Nr. 1:

„Führung ist notwendig, weil Menschen unterschiedliche Fähigkeiten und Bedürfnisse haben.“

Kritik:

🔁 Zirkelschluss!
Diese Unterschiede entstehen teilweise erst durch Führungssysteme – also durch:
* Hierarchien
* Sozialisation in untergeordneten Rollen
* unterschiedliche Zugangschancen (z. B. Bildung, Position, Gender)

👉 Beispiel: In Organisationen mit strengen Hierarchien entsteht leicht ein Unterschied in Autonomie, Selbstvertrauen oder Fachzugang – nicht, weil die Menschen „von Natur aus“ unterschiedlich sind, sondern weil das System sie unterschiedlich macht.

🧱 2. Zirkelschluss Nr. 2:

„Führung ist notwendig, weil es einen hohen Koordinationsbedarf bei Arbeitsteilung gibt.“

Kritik:

🔁 Wieder ein Zirkelschluss!
Denn: Der hohe Koordinationsbedarf ist Folge von Managemententscheidungen, stark arbeitsteilige Strukturen einzuführen.

👉 Beispiel:
* Wenn ein Unternehmen radikale Arbeitsteilung und Spezialistentum einführt (Taylorismus!), ist es selbstverständlich, dass jemand „oben“ koordinieren muss.
* Aber diese Struktur wurde gewählt – sie ist nicht naturgegeben.

🧠 Merksatz (für Karteikarte):

Bessin/Wick kritisieren die „Notwendigkeit“ von Führung als ideologisch, weil sie:

1.	Ergebnisse (z. B. Hierarchieunterschiede) als Voraussetzungen darstellen
2.	Strukturelle Effekte (z. B. Koordinationsbedarf) als „Natur“ der Organisation verkaufen

📚 Didaktisches Beispiel:

Stell dir vor, jemand sagt:

„In der Savanne gibt es immer einen Leithammel. Also brauchen auch wir einen CEO.“

🔍 Das ist ein ideologischer Kurzschluss:
* Erstens: Menschen sind keine Hammel.
* Zweitens: In vielen menschlichen Kulturen gab/gibt es keine zentralisierte Führung (z. B. Konsensdemokratien, Räte).
* Drittens: Die Hierarchie produziert erst Unterschiede, die sie dann zu begründen versucht.

EX-KURS:

Taylorismus Taylorismus ist ein Konzept der betriebswirtschaftlichen Organisation, das von Frederick Winslow Taylor im Jahr 1911 entwickelt wurde.  Ziel des Taylorismus ist es, die Effizienz und Produktivität in der Arbeitswelt zu steigern, indem Arbeitsabläufe und -prozesse systematisch analysiert und optimiert werden.  Dabei werden Arbeitsschritte in kleinste Einheiten zerlegt, die dann von Arbeitern ausgeführt werden.  Dies ermöglicht eine höhere Spezialisierung und Effizienz, da die Arbeiter sich auf spezifische Aufgaben konzentrieren können.
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2.1 Zur Notwendigkeit der Personalführung

Notwendigkeit der Personalführung V

A

Notwendigkeit der Personalführung V
* Im Folgenden wird eine weitere - von funktionalen
Vorstellungen geprägte - Begründung entwickelt, die die
Notwendigkeit der Personalführung auf der Basis von
zwei verschiedenen Theorieansätzen und deren
Prämissen ableitet:
– Theorie der Verfügungsrechte
– Theorie impliziter Vereinbarungen
* Je nach individueller Akzeptanz der Prämissen dieser
Ansätze kann auch diese Begründung als ideologisch
kritisiert werden, muss es aber nicht!

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2.1 Zur Notwendigkeit der Personalführung

Theorie der Verfügungsrechte

A

Zentrale Verfügungsrechte

 Recht, etwas zu nutzen (ius usus),
 Recht, sich die Erträge eines Gutes anzueignen, bzw.
Verpflichtung, die aus der Nutzung des Gutes
resultierenden Verluste zu tragen (ius usus fructus),
 Recht, etwas umzugestalten, zu verändern oder zu
zerstören bzw. Form und Substanz eines Gutes zu
verändern (ius abusus)
 Recht, das Gut an Dritte zu veräußern (Kapitalisierungs-
bzw. Liquidationsrecht, ius succesiones)
 Recht, einzelne oder alle übertragenen Verfügungsrechte
an andere Personen zu übertragen.

🧠 Theorie der Verfügungsrechte

(engl. Theory of Property Rights)

🎯 Grundidee:

Es geht um die Frage, wer über ein Gut oder eine Ressource verfügen darf, also:
* sie nutzen,
* verändern,
* verkaufen,
* Gewinne daraus ziehen oder
* sie jemand anderem überlassen kann.

Solche Rechte nennt man Verfügungsrechte (Property Rights).

🔑 Die fünf zentralen Verfügungsrechte (nach Furubotn & Pejovich):

Lateinischer Begriff
Verfügungsrecht
Bedeutung

ius usus
Nutzungsrecht
Ich darf das Gut nutzen (z. B. Auto fahren, Wohnung bewohnen)

ius usus fructus
Fruchtziehungsrecht
Ich darf alle Erträge behalten (z. B. Mieteinnahmen, Zinsen), aber auch Verluste tragen

ius abusus
Gestaltungs-/Zerstörungsrecht
Ich darf das Gut verändern, umgestalten oder sogar zerstören (z. B. Haus umbauen, Auto verschrotten)

ius succesiones
Veräußerungs-/Liquidationsrecht
Ich darf das Gut verkaufen, verschenken oder vererben

(ohne lat. Bezeichnung)
Recht auf Übertragung von Verfügungsrechten
Ich darf einzelne Rechte (z. B. Nutzung) an andere übertragen (z. B. durch Leasing, Miete)

📌 Beispiel: Eigentumsrechte an einem Auto

Verfügungsrecht
Beispiel

ius usus
Du darfst das Auto fahren

ius usus fructus
Du darfst das Auto vermieten und die Einnahmen behalten (musst aber auch für Reparaturen zahlen)

ius abusus
Du darfst das Auto umlackieren oder verschrotten

ius succesiones
Du darfst das Auto verkaufen oder vererben

Übertragungsrecht
Du vermietest das Auto an jemanden auf Zeit

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2.1 Zur Notwendigkeit der Personalführung

Arbeitsverträge in der Theorie
der Verfügungsrechte I

A

Arbeitsverträge in der Theorie
der Verfügungsrechte I

  • Arbeitsverträge: Verträge zwischen Marktpartnern, die
    freiwillig und gleichberechtigt Verträge aushandeln
  • Im Arbeitsvertrag werden
    – vom Arbeitnehmer Verfügungsrechte über das Arbeitsvermögen
    an den Arbeitgeber übertragen
    – im Austausch gegen die Lohnzahlung durch den Arbeitgeber
    (Weisungsrecht gegen Lohnzahlung).
  • Grenzen des Verfügungsrechts über das Arbeits-
    vermögen:
    – aus Vertrag selbst (z.B. Einsatzgebiet, Stundenzahl,…)
    – aus geltenden Recht (insb. Arbeitsrecht mit Gesetzen und
    Richterrecht, BGB und Verfassung).
  • Arbeitsvertrag: offener Rahmenvertrag!

🧾 Arbeitsverträge in der Theorie der Verfügungsrechte I

🔍 Grundgedanke:

Arbeitsverträge sind Austauschverträge auf dem Arbeitsmarkt – wie z. B. Kaufverträge auf dem Gütermarkt. Sie regeln das Verhältnis zwischen zwei Marktpartnern:
* Arbeitgeber (AG)
* Arbeitnehmer (AN)

Dabei werden bestimmte Verfügungsrechte über das Arbeitsvermögen (also Arbeitszeit, Arbeitskraft, Fähigkeiten) vom AN auf den AG übertragen.

📌 Was wird im Arbeitsvertrag geregelt?

Arbeitnehmer gibt…
Arbeitgeber gibt…

Teile seiner Verfügungsrechte am Arbeitsvermögen (Arbeitskraft, Zeit, Fähigkeiten)
Lohn als Entgelt

Weisungsgebundenheit (z. B. Arbeitszeit, Arbeitsort, Aufgabenbereich)
Vertragliche Vergütung + gesetzliche Schutzpflichten

👉 Das nennt man den Grundtausch: Weisungsrecht gegen Lohnzahlung

⚖️ Wichtige rechtliche Rahmenbedingungen:

  1. Grenzen der Verfügungsrechte

Der Arbeitgeber erhält nicht unbegrenzt Kontrolle über das Arbeitsvermögen. Die Grenzen ergeben sich:
* 🔹 aus dem Vertrag selbst
z. B.: Arbeitsort, Tätigkeitsfeld, Arbeitszeiten
* 🔹 aus dem geltenden Arbeitsrecht
z. B.: Mutterschutz, Arbeitszeitgesetz, Kündigungsschutzgesetz
* 🔹 aus dem Verfassungsrecht
z. B.: Menschenwürde, Persönlichkeitsrecht

➕ Beispiel:

Du kannst in einem Arbeitsvertrag zustimmen, 40 Stunden in einer Filiale zu arbeiten. Aber:
* Dein Arbeitgeber darf dich nicht 60 Stunden einsetzen.
* Er darf dich nicht für Aufgaben zwingen, die jenseits deines Tätigkeitsprofils liegen (z. B. Sicherheitsdienst, wenn du als Barista eingestellt wurdest).
* Er darf dich nicht beliebig filmen oder deine Taschen kontrollieren – das wäre ein Eingriff in dein Persönlichkeitsrecht.

🔄 Der Arbeitsvertrag ist ein offener Rahmenvertrag

Was bedeutet das?

📌 Anders als ein „fester Werkvertrag“ (z. B. über die Lieferung von 500 Tischen bis 1.7.25) ist ein Arbeitsvertrag:
* zeitlich längerfristig (oft unbefristet),
* inhaltlich offen, weil nicht alle Situationen im Voraus vorhersehbar sind,
* mit großer Entscheidungsmacht beim Arbeitgeber, durch das sog. Direktionsrecht (= Weisungsrecht).

Das führt zu einem wichtigen Problem:
👉 Es besteht ein strukturelles Machtungleichgewicht!
Denn:
* Der Arbeitgeber bestimmt im Alltag sehr vieles (konkret: wann, wie, wo, mit wem gearbeitet wird),
* Der Arbeitnehmer kann in der Praxis wenig kontrollieren – außer durch rechtliche oder betriebliche Mitbestimmung.

🧠 Fazit – Verbindung zur Verfügungsrechtetheorie:

Arbeitsverträge sind institutionalisierte Verfügungsrechtsübertragungen:
* Der Arbeitnehmer gibt temporäre Nutzungsrechte an seinem Arbeitsvermögen ab.
* Der Arbeitgeber erwirbt ein Weisungsrecht, das jedoch durch Recht und Vertrag beschränkt ist.

❗ Wichtig: Es wird nicht das „Eigentum am Menschen“ übertragen – das wäre verfassungswidrig.
Es geht immer um Verfügungsrechte, nicht um den Menschen selbst!

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2.1 Zur Notwendigkeit der Personalführung

Arbeitsverträge in der Theorie
der Verfügungsrechte II / III

A

Arbeitsverträge in der Theorie
der Verfügungsrechte II

  • Problem des Arbeitgebers:
    – das an ihn übertragene Verfügungsrecht über Arbeitsvermögen
    – in die ihn interessierenden Arbeitsergebnisse und
    Arbeitsleistungen umzusetzen.
  • AG verfolgt (partiell) andere Ziele als AN:
    – z.B. Gewinnerzielung versus Sicherheit des Arbeitsplatzes oder Einkommens

– z.B. Wachstum des Unternehmens versus Erhalt der eigenen
Gesundheit
* Arbeitsvermögen:
– untrennbar an Person des AN gebunden
– unterliegt stets dem Einfluss/Willen/Motivation/Verhalten des AN
 Verfügungsrechte über Arbeitsvermögen können nicht in
vollständig spezifizierter Form an den Arbeitgeber übertragen
werden.

Arbeitsverträge in der Theorie
der Verfügungsrechte III

  • Bei anderen typischen Vertragsformen über Arbeit (als
    dem Arbeitsvertrag) wird kein Weisungsrecht übertra-
    gen, sondern z.B.
    – im Werkvertrag der Anspruch auf ein fertiges Werk
    im Austausch gegen eine Zahlung
    – im Dienstvertrag der Anspruch auf ex ante genau
    definierte Dienste im Austausch gegen eine Zahlung

🧠 II. Arbeitsverträge in der Theorie der Verfügungsrechte (Teil II)

🔍 Zentrales Problem:

Der Arbeitgeber (AG) erhält im Arbeitsvertrag bestimmte Verfügungsrechte über das Arbeitsvermögen des Arbeitnehmers (AN) – aber:
❗Das Arbeitsvermögen ist nicht vollständig kontrollierbar.

📌 Warum?
* Das Arbeitsvermögen (also z. B. körperliche oder geistige Arbeitskraft) ist untrennbar mit der Person des Arbeitnehmers verbunden.
* Das bedeutet: Wille, Motivation, Engagement des AN beeinflussen maßgeblich, wie das Arbeitsvermögen eingesetzt wird.

⚖️ Interessenunterschiede: Arbeitgeber vs. Arbeitnehmer

Arbeitgeber-Ziele
Arbeitnehmer-Ziele

Gewinnmaximierung
Arbeitsplatzsicherheit

Produktivitätssteigerung
Erhalt der Gesundheit

Unternehmenswachstum
Work-Life-Balance

Flexibilisierung der Arbeitszeiten
Planbarkeit und feste Strukturen

👉 Diese Zielkonflikte sind strukturell eingebaut in den Arbeitsvertrag.
Der AG kann nicht vollständig steuern, was der AN tatsächlich leistet – selbst wenn ein Vertrag vorliegt.

❗ Theoretische Konsequenz:

Der Arbeitsvertrag ist unvollständig – denn:
* Das Arbeitsvermögen ist nicht objektiv übertragbar wie z. B. eine Maschine.
* Der AG kann nicht alles kontrollieren, was am Arbeitsplatz passiert.

📌 Merksatz:

Verfügungsrechte über Arbeitsvermögen können niemals vollständig spezifiziert oder übertragen werden.

🧠 III. Abgrenzung zu anderen Vertragsarten

🔍 Warum ist der Arbeitsvertrag besonders?

Er unterscheidet sich grundlegend von anderen Vertragstypen:

Vertragsart
Gegenstand des Vertrags
AG/AN-Beziehung

Werkvertrag
Erfolg wird geschuldet → z. B. Bau eines Hauses
Ergebnisorientiert

Dienstvertrag
konkrete Leistung wird geschuldet → z. B. Anwalt berät
Leistungsorientiert

Arbeitsvertrag
Verfügungsrechte über Arbeitsvermögen + Weisungsrecht
Beziehung & Weisung

📌 Beispielvergleich:

Vertragstyp
Beispiel
Was bekommt die zahlende Partei?

Werkvertrag
Handwerker baut Küche
Eine fertige Küche

Dienstvertrag
Arzt behandelt Patienten
Eine Behandlung, nicht Heilung

Arbeitsvertrag
Barista arbeitet bei Espresso House
Arbeitsleistung unter Weisungsbindung

🧠 Nur beim Arbeitsvertrag:
* Der Arbeitgeber erhält kein Ergebnis, sondern die zeitlich gebundene Bereitschaft zur Leistung (unter Anleitung).
* Das Weisungsrecht (Direktionsrecht) ist typisch nur hier!

📎 Zusammenfassung:
* Das Arbeitsvermögen ist nicht trennbar vom Menschen.
* Der Arbeitsvertrag ist daher immer unvollständig.
* Der Arbeitgeber muss versuchen, über Anreizsysteme, Kontrolle, Führung die gewünschten Ergebnisse zu bekommen.
* Andere Verträge (Werk-, Dienstvertrag) betreffen nicht die Person, sondern ein Produkt oder eine konkrete Dienstleistung.

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2.1 Zur Notwendigkeit der Personalführung

Arbeitsverträge in der Theorie
der Verfügungsrechte IV

A

Arbeitsverträge in der Theorie
der Verfügungsrechte IV

  • Mögliche Begründungen für den Abschluss eines
    Arbeitsvertrages durch den AG:
    – Flexibilität der Aufgaben-Personen-Zuordnung im
    Zeitablauf durch das Weisungsrecht
    – Wegfall der Notwendigkeit, ex ante genau zu
    spezifizieren, welche Leistungen benötigt werden
    – Senkung der Kosten, um einen Vertrag zu schreiben,
    der in die Zukunft reicht
    – Arbeitgeber als zentrale Vertragspartei aller
    Arbeitsverträge kann über das Weisungsrecht alle
    Leistungsbeiträge aller AN aufeinander abstimmen

🧠 Arbeitsverträge in der Theorie der Verfügungsrechte – Teil IV

Wir schauen uns nun an, warum Arbeitgeber überhaupt Arbeitsverträge abschließen, obwohl diese – wie wir im Teil III gesehen haben – unvollständig und schwer zu kontrollieren sind.

🔑 Zentrale Vorteile für den Arbeitgeber (AG):

  1. Flexibilität durch Weisungsrecht
    • Der AG kann spontan Aufgaben zuweisen, umverteilen und anpassen, ohne jedes Mal einen neuen Vertrag aushandeln zu müssen.
    • Beispiel: Eine Kellnerin kann morgen für die Frühschicht eingeteilt oder kurzfristig an die Theke versetzt werden.
    • 👉 Diese Flexibilität ergibt sich nur beim Arbeitsvertrag, weil der AG hier ein Weisungsrecht (Direktionsrecht) hat.
  2. Keine Notwendigkeit zur ex-ante-Spezifikation
    • Der AG muss nicht im Voraus genau definieren, was wann, wo, wie gearbeitet wird.
    • Das spart Aufwand, weil viele zukünftige Tätigkeiten heute noch gar nicht absehbar sind.
    • 👉 Beispiel: In einem Start-up ändern sich Aufgaben ständig – ein Werkvertrag wäre viel zu starr.
  3. Senkung der Vertragskosten
    • Ein Arbeitsvertrag ist ein Rahmenvertrag: Er regelt den generellen Einsatz von Arbeitskraft, nicht jedes Detail.
    • Dadurch wird der Verwaltungsaufwand gesenkt:
    • Keine ständige Neuverhandlung von Aufgaben
    • Keine permanenten Nachträge wie bei Projektverträgen
    • 👉 Langfristig wirtschaftlicher für den AG.
  4. Koordination und Steuerung
    • Der AG ist zentrale Vertragspartei aller Arbeitsverhältnisse im Unternehmen.
    • Durch das Weisungsrecht kann er alle Mitarbeitenden aufeinander abstimmen:
    • Wer übernimmt welche Schicht?
    • Wer arbeitet mit wem zusammen?
    • Wer übernimmt heute Aufgaben X, Y, Z?
    • 👉 Das ermöglicht eine effiziente innerbetriebliche Organisation.

🧠 Fazit – Warum AG trotz Unvollständigkeit Arbeitsverträge wollen:

Vorteil für Arbeitgeber
Bedeutung

Weisungsrecht
Flexibel auf Änderungen reagieren

Keine Leistungsspezifikation nötig
Erleichtert Planung bei unsicherer Zukunft

Weniger Vertragskosten
Reduziert Transaktionskosten

Koordination der Arbeit
Effiziente Steuerung durch zentrale Leitung

📌 Klausurrelevanter Merksatz:

Trotz unvollständiger Verfügungsrechte über das Arbeitsvermögen ermöglichen Arbeitsverträge dem Arbeitgeber flexible, kostengünstige und koordinierbare Beschäftigungsverhältnisse.

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Q

2.1 Zur Notwendigkeit der Personalführung

Arbeitsverträge in der Theorie
der Verfügungsrechte V

A
  • Warum übertragen mündige Bürger:innen
    Weisungsrechte an andere und unterstellen sich damit
    deren Weisungen?
  • Mögliche ökonomische Begründungen für die freiwillige
    Übertragung des Verfügungsrechts auf Seiten der AN:
    – Risikoaversion der AN
    – Bessere Einsatzmöglichkeiten für das Arbeitsvermögen in Kombination mit vom AG bereitgestellten
    Ressourcen (Technik, Kapital, Kollegen…) als ohne
    diese Ressourcen (z.B. als Selbständiger)
    – …….

🔍 Mögliche ökonomische Begründungen für diese freiwillige Unterordnung:

  1. 📉 Risikoaversion der Arbeitnehmer:innen
    • Viele Menschen möchten Sicherheit – insbesondere finanzielle.
    • Durch einen Arbeitsvertrag erhalten sie:
    • Stabiles Einkommen
    • Soziale Sicherungssysteme (Rente, Krankenversicherung etc.)
    • Planbarkeit
    • Als Selbstständige müssten sie alle Risiken selbst tragen:
    • Marktrisiko
    • Investitionsrisiko
    • Liquiditätsengpässe
    • 👉 Fazit: Arbeitnehmer „kaufen“ sich Sicherheit – und zahlen dafür mit Autonomieverlust.

  1. ⚙️ Produktivitätsvorteile durch Kombination von Ressourcen
    • Der AG stellt Produktionsmittel zur Verfügung:
    • Maschinen, Technologien, Büros, Software, Netzwerke
    • Teammitglieder (Kollegen)
    • Die Kombination von Arbeitskraft mit diesen Ressourcen führt zu höherer Produktivität:
      Ein Programmierer ohne Rechner, Server, Datenzugang und Team kann weniger leisten als im Unternehmen.
    • 👉 Fazit: Der AN „leiht“ sich die Infrastruktur des Unternehmens und ist im Gegenzug weisungsgebunden.

  1. 👥 Arbeitsteilige Organisation ist effizienter
    • Innerhalb eines Unternehmens werden Aufgaben koordiniert und komplementär verteilt.
    • Einzelne könnten das alleine nicht leisten oder koordinieren (z.B. Flugzeugbau, Krankenhausbetrieb).
    • 👉 Durch Unterordnung unter eine Führung wird der/die Einzelne Teil eines größeren, funktionierenden Systems.

  1. 💡 Spezialisierungsvorteile
    • Durch die Anstellung kann sich der AN auf seine Kerntätigkeit konzentrieren:
    • z.B. eine Pflegekraft pflegt – sie muss sich nicht um Buchhaltung, Kundenakquise oder IT kümmern.
    • 👉 Der Arbeitgeber übernimmt den „Rest“.

📌 Merksatz für die Klausur:

Arbeitnehmer:innen übertragen freiwillig Verfügungsrechte an Arbeitgeber, weil sie dadurch Risiken vermeiden, Zugang zu produktionsrelevanten Ressourcen erhalten und von Spezialisierung sowie Koordination profitieren.

📊 Vergleich: Selbstständigkeit vs. Arbeitsvertrag (aus Sicht AN)

Kriterium
Selbstständig
Arbeitnehmer:in

Einkommenssicherheit
gering (unsicher)
hoch (Lohnzahlung)

Risiko
komplett selbst getragen
teilweise auf AG übertragen

Zugang zu Ressourcen
selbst bereitzustellen
AG stellt zur Verfügung

Autonomie/Weisungsfreiheit
sehr hoch
eingeschränkt

Soziale Absicherung
selbst organisieren
automatisch über Arbeitgeber

Koordination mit anderen
schwierig/selbst
über Unternehmensstruktur

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2.1 Zur Notwendigkeit der Personalführung

Notwendigkeit der Personalführung in der
Sicht der Theorie der Verfügungsrechte

A
  • Personalführung hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass
    die an den AG übertragenen Verfügungsrechte über
    Arbeitsvermögen in konkrete Arbeitsleistungen und
    -ergebnisse umgesetzt werden!
  • Voraussetzungen dieser Begründung der Notwendigkeit
    der Personalführung:
    – Abschluss von Arbeitsverträgen mit Übertragung von
    Verfügungsrechten über das Arbeitsvermögen an den
    AG
    – (Partielles) Auseinanderfallen der Ziele von AG und AN

🧩 Ausgangslage aus vertragstheoretischer Sicht:
1. Ein Arbeitsvertrag überträgt dem Arbeitgeber (AG) bestimmte Verfügungsrechte über das Arbeitsvermögen des Arbeitnehmers (AN).
2. Aber: Arbeitsvermögen ≠ Maschine
→ Es bleibt an den Willen und das Verhalten des AN gebunden.
3. Damit wird der Vertrag zum unvollständigen Vertrag (incomplete contract).

🎯 Zentrale Herausforderung:

Wie kann der AG sicherstellen, dass aus dem übertragenen Verfügungsrecht auch tatsächlich die gewünschte Arbeitsleistung wird?

🛠️ Antwort der Theorie: Die Personalführung ist notwendig!

Die Funktion der Personalführung ist:

Die Umsetzung des Verfügungsrechts in reale Leistung und Ergebnisse zu ermöglichen.

Das bedeutet ganz konkret:
* Führungskräfte motivieren, koordinieren und kontrollieren
* Sie sorgen für Zielkongruenz trotz Interessensdivergenzen
* Sie übersetzen abstrakte Vertragsinhalte (z. B. „du arbeitest als Marketingassistenz“)in konkretes Verhalten („du gestaltest die neue Kampagne, achtest auf das Budget und machst die Präsentation fertig“)

🧱 Zwei Voraussetzungen für diese Führungsnotwendigkeit:

Voraussetzung
Erläuterung

  1. Übertragung von Verfügungsrechten
    Arbeitsvertrag überträgt Teile des Rechts auf Nutzung und Steuerung der Arbeitskraft an den AG – jedoch unvollständig.
  2. Zieldivergenz AG ↔ AN
    Der AG will Effizienz, Gewinn, Qualität, während der AN Sicherheit, Freizeit, Sinn, Gesundheit etc. will. Führung wird notwendig, um diese Zielkonflikte zu managen.

💬 Beispiel:

Stell dir vor, du arbeitest als Barista bei Espresso House:
* Im Vertrag steht: „Sie arbeiten im Servicebereich und an der Maschine.“
* Du willst: „möglichst pünktlich Feierabend, keine Überstunden, angenehmes Klima.“
* Dein Chef will: „Produktivität, Schnelligkeit, Sauberkeit, Kundenzufriedenheit.“

Damit das funktioniert, braucht es Führung – etwa durch:
* Feedback
* Dienstpläne
* Einsatzbesprechungen
* Motivation (Teamkultur, Lob, Bonus)

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2.1 Zur Notwendigkeit der Personalführung

Bewertungskriterien für die Personal-
führung in der Sicht der Theorie der
Verfügungsrechte

A
  • In der Sichtweise der Theorie der Verfügungsrechte
    kann die Güte der Personalführung daran gemessen
    werden, inwieweit der AG seine Ziele erreicht, d.h. wie
    weitgehend er sein Verfügungsrecht über
    Arbeitsvermögen auch seinen Zielen entsprechend in
    Arbeitsleistungen und -ergebnisse umsetzen kann.

🔍 Kriterium der Zielerreichung:

Die Güte (Qualität) der Personalführung wird allein aus Sicht des Arbeitgebers (AG) daran gemessen, …

🟩 … wie gut das übertragene Verfügungsrecht tatsächlich
➡️ in Arbeitsleistung
➡️ und Arbeitsresultate
übersetzt werden konnte.

💡 Beispielhafte Indikatoren für gute Personalführung:

Bereich
Mögliche Messgröße

Produktivität
Anzahl bearbeiteter Kunden / produzierter Güter

Zuverlässigkeit
Termintreue, Fehlzeiten, Krankheitstage

Qualität
Reklamationsquote, Kundenzufriedenheit

Kosten
Lohnstückkosten, Effizienz der Ressourcennutzung

Verhalten
Engagement, Eigeninitiative, Innovationsfreude

⚠️ Achtung in der Klausur:

In dieser Perspektive spielt nicht die Zufriedenheit des Mitarbeiters eine direkte Rolle bei der Bewertung von Führung!
→ Sie kann aber indirekt wichtig sein, wenn Unzufriedenheit zu Leistungsabfall oder Kündigung führt (und damit Zielverfehlung des AG).

📌 Merksatz für die Klausur:

Aus Sicht der Verfügungsrechtetheorie ist Personalführung dann gut, wenn sie es dem Arbeitgeber ermöglicht, seine wirtschaftlichen Ziele durch Nutzung des übertragenen Arbeitsvermögens effektiv zu erreichen.

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2.1 Zur Notwendigkeit der Personalführung

Exkurs I: Basisthesen
Verfügungsrechtstheorie

A

Exkurs I: Basisthesen
Verfügungsrechtstheorie

Die Zuordnung der Verfügungsrechte auf eine oder auf mehrere Personen und deren genaue Spezifikation beeinflusst den Wert eines Gutes.

Der Wert eines Gutes ist um so höher, je vollständiger die Verfügungsrechte über dieses Gut an den Käufer bzw. Eigentümer übertragen werden, bzw. der Wert eines Gutes ist aus Sicht der potentiellen Eigentümer um so niedriger, je stärker verdünnt die Verfügungsrechte sind.

Eine fehlende Definition von Verfügungsrechten für bestimmte Güter führt dazu, dass Auswirkungen von Handlungen auf diese Güter nicht in den Vertragsabschlüssen und -verhandlungen erfasst werden.

1️⃣ Zentrale Grundannahme:

Die Verfügungsrechtstheorie geht davon aus, dass der ökonomische Wert eines Gutes maßgeblich davon abhängt, wie die Verfügungsrechte (engl. property rights) über dieses Gut geregelt sind.

Das bedeutet:
* Wer was mit einem Gut tun darf, ist entscheidend für dessen ökonomische Nutzbarkeit.
* Wenn diese Rechte klar und vollständig definiert sind → ist das Gut wertvoller.
* Wenn diese Rechte unklar oder aufgeteilt sind → ist das Gut weniger wert.

2️⃣ Je vollständiger die Verfügungsrechte, desto höher der Wert des Gutes

Beispiel:

Fall
Verfügungsrechte
Wert des Gutes

A
Du darfst ein Grundstück nutzen, verkaufen, umbauen, vermieten
Sehr hoher Wert

B
Du darfst das Grundstück nur nutzen, nicht verkaufen oder umbauen
Eingeschränkter Wert

C
Niemand weiß, wem das Grundstück gehört (Rechtsunsicherheit)
Sehr niedriger oder kein Wert

→ “Vollständige Verfügungsrechte = maximale ökonomische Ausschöpfung.”

3️⃣ Verdünnte Verfügungsrechte = geringerer Wert

“Verdünnt” bedeutet:
* Mehrere Personen teilen sich Rechte (z. B. eine Person darf nutzen, eine andere besitzt das Verkaufrecht)
* Oder: Der Eigentümer darf nicht alles mit dem Gut tun (z. B. durch Gesetze, Mietverträge, Umweltauflagen etc.)

→ Dadurch kann das Gut oft nicht effizient oder gewinnbringend verwendet werden, was den Marktwert verringert.

4️⃣ Fehlende Definition von Verfügungsrechten = „niemand fühlt sich zuständig“

Wenn es keine klare Regelung gibt, wer über ein Gut verfügen darf, dann entstehen keine Anreize, Verantwortung zu übernehmen.
Das nennt man auch das „Tragik der Allmende“-Problem (tragedy of the commons).

🔍 Beispiel:
* Luftverschmutzung: Wenn niemand Eigentümer der Luft ist → berücksichtigt niemand die Kosten seiner Verschmutzung.
* Das Gut „saubere Luft“ verliert an Wert, weil es nicht in Verhandlungen oder Verträgen berücksichtigt wird.

📌 Merksatz für deine Klausur:

Der ökonomische Wert eines Gutes hängt von der Klarheit und Vollständigkeit der zugeordneten Verfügungsrechte ab. Unvollständige oder unklare Rechte führen zu Ineffizienz, Wertverlust und fehlender Verantwortlichkeit.

EX-KURS:

Tragik der Allmende
Die “Tragik der Allmende” beschreibt das Problem begrenzter Ressourcen, welche zugleich frei verfügbar sind. Die Allmende bezeichnete im Mittelalter die Dorfwiese, auf der jeder Dorfbewohner sein Vieh weiden lassen konnte. Die Allmende ist heute die Bezeichnung für alle Güter mit den Eigenschaften der Nicht-Ausschließbarkeit und der Rivalität im Konsum.

Das Konzept der Tragik der Allmende wurde von Garrett Hardin im Jahr 1968 populär gemacht. Er beschrieb ein Szenario, in dem jeder Nutzer versucht, so viel wie möglich von einer gemeinsamen Ressource zu nutzen, was letztendlich zur Übernutzung und Zerstörung der Ressource führt.
Hardin betonte, dass die freie Verfügbarkeit von Kollektivgütern eingeschränkt werden müsse, um sie zu bewahren.

Die Tragik der Allmende ist ein sozioökonomisches Dilemma, bei dem eine begrenzte, gemeinschaftlich genutzte Ressource durch individuelle Übernutzung erschöpft wird. Es zeigt, wie das Streben einzelner Akteure nach maximalem persönlichen Nutzen langfristig zum Schaden der gesamten Gemeinschaft führen kann.
Lösungen werden oft in der Einführung von Privateigentum oder internationalen Beschränkungen gesehen, diese bleiben jedoch umstritten.

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Q

2.1 Zur Notwendigkeit der Personalführung

Exkurs II: Implikationen dieser Basisthesen
für Unternehmensführung und Arbeitsrecht

A
  • Das Arbeitsrecht stellt eine „Verdünnung“ von Verfü-
    gungsrechten dar und mindert daher den Wert des
    Arbeitsvermögens auf dem Arbeitsmarkt
  • Arbeitsrechtliche Regulierungen nutzen also den AN
    nicht nur, sondern kosten sie möglicherweise auch
    etwas, nämlich partiellen Wertverlust ihres
    Arbeitsvermögens!
  • Voraussetzung dieser Interpretation: funktionierender
    Markt für Verfügungsrechte über Arbeitsvermögen mit
    Abwanderungsmöglichkeiten für beide Seiten!
  • Ob diese Voraussetzung empirisch erfüllt ist, ist
    umstritten!

Überlegen Sie für sich selbst.
Notieren Sie Ihre Ideen und Einsichten in Ihrem Lernjournal.
Wie beurteilen Sie die Regulierung durch das
Arbeitsrechts? Was spricht für eine (partielle)
Deregulierung, was für eine stärkere
Regulierung?

📘 Exkurs II: Implikationen dieser Basisthesen

für Unternehmensführung und Arbeitsrecht

🔧 1. Was bedeutet “Verdünnung” von Verfügungsrechten durch das Arbeitsrecht?

In der Theorie der Verfügungsrechte gilt:
* Je kompletter die Verfügungsrechte, desto höher der ökonomische Wert.
* Das Arbeitsrecht beschränkt jedoch die Verfügungsrechte des Arbeitgebers über das Arbeitsvermögen seiner Beschäftigten.

➡️ Beispiel:
* Ein Arbeitgeber darf dich zwar einstellen, aber nicht alles mit dir machen, z. B.:
* Kündigungsschutz (§ 1 KSchG),
* Arbeitszeitregelungen (§ 3 ArbZG),
* Mutterschutz, Betriebsverfassungsgesetz etc.

→ Aus Sicht der Verfügungsrechtstheorie: Der Arbeitgeber bekommt kein „volles Paket“ an Verfügungsrechten.
→ Das Arbeitsvermögen wird aus Sicht des Arbeitgebers dadurch weniger flexibel einsetzbar → geringerer Marktwert.

💰 2. Wertminderung für den Arbeitnehmer?

Das klingt kontraintuitiv – aber in dieser Theorie gilt:
* Wenn durch das Arbeitsrecht das Verfügungsrecht des Arbeitgebers eingeschränkt wird, kann es sein, dass dieser bereit ist, weniger zu zahlen, weil er mehr Einschränkungen hinnehmen muss.

➡️ Beispiel:
* Zwei Personen mit exakt denselben Fähigkeiten – eine im hoch regulierten deutschen Arbeitsmarkt, die andere im liberaleren US-Arbeitsmarkt.
* Der deutsche Arbeitgeber kann bei Kündigungen, Umstrukturierungen etc. weniger flexibel reagieren, trägt mehr Risiken → zahlt tendenziell weniger.

→ Arbeitsrecht „schützt“, kann aber den ökonomischen Marktwert des Arbeitsvermögens senken.

⚖️ 3. Wann gilt diese Logik überhaupt?

Das ist entscheidend für die Klausur:

Die Theorie setzt einen funktionierenden Markt für Arbeitskraft voraus – d. h.:
* Arbeitgeber könnten frei wechseln
* Arbeitnehmer könnten ebenfalls frei wechseln
* Arbeitskraft ist handelbar wie ein Gut
* Es gibt Transparenz über Leistungen und Preise

Aber:
* Der Arbeitsmarkt ist kein vollkommen freier Markt!
* Es gibt:
* Informationsasymmetrien
* Machtungleichgewichte
* Mobilitätshürden
* Fachkräftemangel oder strukturelle Arbeitslosigkeit

→ Diese Theorie funktioniert nur unter idealisierten Marktbedingungen.
→ Deshalb ist es umstritten, ob sie realitätsnahe Aussagen über den Arbeitsmarkt trifft.

📌 Fazit für deine Klausur:

Aus Sicht der Verfügungsrechtstheorie stellt das Arbeitsrecht eine Einschränkung („Verdünnung“) der Arbeitgeberrechte dar, was ökonomisch zu einem Wertverlust des Arbeitsvermögens auf dem Markt führen kann. Diese Aussage setzt aber funktionierende, wettbewerbliche Arbeitsmärkte voraus – ob diese existieren, ist empirisch umstritten.

🧭 Eigene Einschätzung zur Regulierung

Ich beurteile die Regulierung durch das Arbeitsrecht grundsätzlich als notwendig und sinnvoll, da sie Machtasymmetrien zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ausgleicht. Ohne rechtliche Rahmenbedingungen bestünde die Gefahr von Ausbeutung, Diskriminierung und unsicheren Arbeitsverhältnissen – besonders bei strukturell schwächeren Gruppen (z. B. Geringqualifizierte, Migrant:innen, junge oder ältere Beschäftigte).

Gleichzeitig sehe ich auch, dass zu starke Regulierung zu Ineffizienzen, Investitionszurückhaltung oder Einschränkung unternehmerischer Freiheit führen kann – z. B. bei Kündigungsschutz oder starren Arbeitszeitmodellen.

⚖️ Was spricht für eine stärkere Regulierung?
1. Schutz der Arbeitnehmer:innen
→ besonders in asymmetrischen Arbeitsverhältnissen (Machtungleichgewicht)
2. Rechtsstaatlichkeit und Gleichbehandlung
→ klare Regeln schaffen Transparenz, Verlässlichkeit und Sicherheit
3. Gesellschaftlicher Frieden und Vertrauen
→ betriebliche Mitbestimmung, Diskriminierungsverbote, Tarifbindung
4. Langfristige Produktivität
→ durch Förderung von Weiterbildung, gesunder Arbeitsumgebung, Loyalität
5. Gegenmacht zur „Verfügungsrechte-Logik“
→ Arbeitnehmer sind keine Waren, sondern Menschen mit Grundrechten

🔓 Was spricht für (partielle) Deregulierung?
1. Flexibilisierung für Arbeitgeber
→ schnellere Anpassung an Marktveränderungen (z. B. durch Digitalisierung, Globalisierung)
2. Abbau von Bürokratie und Transaktionskosten
→ z. B. beim Kündigungsschutz, Dokumentationspflichten, Mitbestimmungsverfahren
3. Förderung von Innovation und Start-ups
→ insbesondere junge Unternehmen könnten durch zu starke Regulierung abgeschreckt werden
4. Individuellere Arbeitsverhältnisse ermöglichen
→ nicht jeder Arbeitnehmer wünscht volle Schutzpakete (z. B. bei Freelancern)

🧠 Eigene Einsicht / Schlussfolgerung

Eine kluge Balance zwischen Regulierung und Flexibilität ist entscheidend. Das Arbeitsrecht soll nicht jeden Einzelfall regeln, aber auch nicht entfallen. Vielmehr sollten Rahmenbedingungen so gestaltet sein, dass sie Schutz, Verhandlungsmacht und Entwicklungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer:innen bieten – ohne die Dynamik und Anpassungsfähigkeit von Unternehmen übermäßig zu behindern.

Gerade in einer VUCA-Welt (volatil, unsicher, komplex, mehrdeutig) braucht es kluge Spielregeln – keine totale Freiheit, aber auch keine völlige Starrheit.

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2.1 Zur Notwendigkeit der Personalführung

Arbeitsverhältnisse als Kombination
aus impliziten Vereinbarungen
und expliziten Verträgen

A
  • Offenheit der expliziten Arbeitsverträge: lässt Platz für
    einen ergänzenden sog. impliziten/psychologischen
    „Vertrag“
    – der aus (Verhaltens-)Erwartungen besteht,
    – die den expliziten/juristischen Vertrag ergänzen.
  • Das Arbeitsverhältnis besteht aus der Kombination
    – eines expliziten (juristischen) (Arbeits-)Vertrages mit
    – einer impliziten (psychologischen) Vereinbarung.
  • Ausgestaltung beider Bestandteile beeinflusst die
    Effizienz der Arbeitsbeziehung.
  • Die konkrete Spezifizierung der “Tauschbedingungen” im
    Arbeitsvertrag entwickelt sich erst im Zeitablauf.
  • Mit zunehmender Dauer eines Vertrags sind die konkreten
    Tauschbedingungen häufig weniger direkt von Angebot und
    Nachfrage auf dem Markt abhängig.
  • Statt dessen wirken potenziell andere Faktoren auf die
    Tauschbedingungen und das Verhalten ein:
    – emotionale Bindungen,
    – soziale Normen,
    – rechtliche Regelungen,
    – Drohpotenziale,
    – Anreize,
    – Reputationsaspekte.

🎓 Thema: Arbeitsverhältnisse = Expliziter Vertrag + Implizite Vereinbarung

🧾 1. Expliziter Arbeitsvertrag

Das ist der klassische, juristische Teil eines Arbeitsverhältnisses – geregelt durch das BGB, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen usw.

Beispielhafte Inhalte:
* Arbeitszeit: z. B. 40 Std./Woche
* Gehalt: z. B. 3.000 € brutto
* Urlaub: 30 Tage
* Aufgaben: z. B. Kundenberatung, Schichtdienst
* Weisungsgebundenheit (→ Arbeitgeber kann bestimmte Inhalte konkretisieren)

🔎 Wichtig: Der Arbeitsvertrag kann nicht alle Situationen regeln, z. B. wie viel Eigeninitiative oder Engagement ein Mitarbeiter zeigt. Hier kommt die implizite Ebene ins Spiel.

🧠 2. Impliziter/psychologischer Vertrag

Dieser Teil ist nicht schriftlich fixiert, sondern besteht aus gegenseitigen Erwartungen, Vertrauen, unausgesprochenen Vereinbarungen.

Beispiele:
* Ich als Mitarbeiter erwarte: faire Behandlung, Weiterentwicklung, Lob bei guter Leistung.
* Der Arbeitgeber erwartet: Loyalität, Eigeninitiative, Engagement „über das Minimum hinaus“.

💡 → Wird dieser unausgesprochene Vertrag verletzt (z. B. durch Kündigung nach großer Einsatzbereitschaft), kann Demotivation, innere Kündigung oder Fluktuation folgen.

⚖️ 3. Kombination beider Ebenen: Das vollständige Arbeitsverhältnis

Das reale Arbeitsverhältnis besteht immer aus beidem:

Ebene
Inhalt
Wirkung

Explizit
Vertrag, Lohn, Arbeitszeit, Urlaub
Rechtsverbindlich, kontrollierbar

Implizit
Vertrauen, Fairness, Engagement
Psychologisch, motivierend

Nur wenn beide Ebenen zusammenpassen, ist die Arbeitsbeziehung effizient, stabil und langfristig erfolgreich.

🕰️ 4. Entwicklung im Zeitverlauf

Mit der Dauer des Arbeitsverhältnisses werden die „Tauschbedingungen“ (was gebe ich, was bekomme ich?) weniger marktbestimmt und mehr durch folgende Faktoren beeinflusst:

Einflussfaktor
Beispiel

Emotionale Bindung
„Ich arbeite gern hier, weil ich mich wertgeschätzt fühle.“

Soziale Normen
„Im Team ist es normal, sich gegenseitig zu helfen.“

Rechtliche Regeln
z. B. Kündigungsschutz, Elternzeitrecht

Drohpotenziale
z. B. Angst vor Jobverlust oder Versetzung

Anreize
z. B. Boni, Weiterbildungschancen

Reputation
„Wer hier Leistung zeigt, wird gefördert.“

🧩 5. Fazit / Prüfungsrelevant
* Arbeitsverhältnisse sind mehrdimensional: rein rechtlich ≠ wirklich gelebte Realität.
* Der implizite Vertrag ist zentral für Motivation, Loyalität und Bindung.
* Die Kunst der Personalführung liegt darin, beide Ebenen im Gleichgewicht zu halten.

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Q

2.1 Zur Notwendigkeit der Personalführung

Implizite Vereinbarungen

Wichtige psychologische Aspekte des
impliziten Vertrages

A

Implizite Vereinbarungen
* Implizite Vereinbarungen bestehen aus den Verhaltens-
erwartungen von AG und AN.
* sind in aller Regel nicht explizit ausgehandelt oder
besprochen!
* nicht sicher, dass Inhalt (Erwartungen, Interpretation der
Vereinbarung) für beide Vertragsparteien überein-
stimmt.
* enthalten nicht zwingend alle offenen Aspekte des
Arbeitsverhältnisses!
* in der Regel nicht juristisch einklagbar bzw. durch-
setzbar. Ausnahme: Konstrukt der betrieblichen Übung!

Wichtige psychologische Aspekte des
impliziten Vertrages
* Erwartungen können
– sich individuell unterscheiden und
– auch dynamisch sein,
* da sie auch im Kontext von Referenzpunkten gebildet
werden, z.B.
– Leistungsstandards
– Üblichkeiten
– soziale Vergleichspunkte
– Fairness- und Gerechtigkeitswahrnehmungen
* bzw. soziale Vergleichsprozesse eine Rolle spielen, da
für Menschen
– nicht nur die absolute Höhe der eigenen „Ergebnisse“,
– sondern auch relative Ergebnisse im Vergleich zu anderen
zählen

Implizite Verträge bestehen aus gegenseitigen Erwartungen – diese sind aber nicht stabil, nicht objektiv und nicht überall gleich.

Warum? Weil Erwartungen psychologisch konstruiert sind – also auf Wahrnehmung, Vergleichen und Interpretationen beruhen.

🎓 Implizite Vereinbarungen im Arbeitsverhältnis – psychologischer Vertrag

🧠 Was sind implizite Vereinbarungen?

Implizite Vereinbarungen sind nicht schriftlich fixiert, nicht explizit besprochen und beruhen auf gegenseitigen Erwartungen, die sich im Alltag und durch Erfahrungen bilden. Sie sind ein zentraler Bestandteil des sogenannten “psychologischen Vertrags”.

Beispiele:
* Der AN erwartet: Wertschätzung, Fairness, Karrierechancen.
* Der AG erwartet: Engagement, Loyalität, eigenständige Problemlösung.

→ Diese Erwartungen werden oft nie explizit geäußert, aber als selbstverständlich vorausgesetzt.

📌 Wesentliche Merkmale

Merkmal
Erklärung

Nicht schriftlich fixiert
Kein Teil des formalen Vertrags

Nicht explizit verhandelt
Meist stillschweigend entstanden

Unsichere Interpretation
AG und AN könnten die Vereinbarung unterschiedlich verstehen

Unvollständig
Nicht alle offenen Aspekte des Arbeitsverhältnisses werden abgedeckt

Nicht einklagbar
Kein Rechtsanspruch – Ausnahme: betriebliche Übung (siehe unten)

⚠️ Gefahren impliziter Vereinbarungen

Wenn Erwartungen enttäuscht oder nicht erfüllt werden, obwohl sie nicht explizit vereinbart wurden, kann das gravierende Folgen haben:
* Vertrauensverlust
* „Innere Kündigung“
* Demotivation
* Kündigung durch AN (Exit)
* Konflikte oder Misstrauen

💡 Beispiel:
Ein AN bleibt über Monate hinweg regelmäßig länger und übernimmt zusätzliche Aufgaben. Er erwartet stillschweigend eine Beförderung – diese bleibt aus. Der AN ist enttäuscht und zieht sich zurück. Der AG wundert sich über den Leistungsabfall.

⚖️ Ausnahme: Betriebliche Übung

Eine betriebliche Übung kann eine implizite Vereinbarung rechtlich wirksam machen, wenn der AG ein bestimmtes Verhalten über einen längeren Zeitraum wiederholt, z. B.:

*	Immer Weihnachtsgeld gezahlt → Anspruch entsteht
*	Immer Homeoffice erlaubt → kann ggf. einklagbar werden

▶ Rechtliche Voraussetzung: Wiederholung + Vertrauen der Arbeitnehmer auf Fortsetzung

📚 Klausurrelevanz / Wichtig fürs Verständnis
* Implizite Vereinbarungen sind ein zentraler Bestandteil moderner Arbeitsverhältnisse.
* Sie erklären, warum Motivation nicht allein durch Geld geregelt wird, sondern stark durch Wertschätzung, Fairness und Kommunikation beeinflusst ist.
* Personalführung muss diese impliziten Erwartungen erkennen und aktiv managen.

🧠 Psychologische Aspekte des impliziten Vertrags

📍 Grundidee

Implizite Verträge bestehen aus gegenseitigen Erwartungen – diese sind aber nicht stabil, nicht objektiv und nicht überall gleich.

Warum? Weil Erwartungen psychologisch konstruiert sind – also auf Wahrnehmung, Vergleichen und Interpretationen beruhen.

🌀 1. Erwartungen sind individuell verschieden
* Was der eine fair findet, empfindet der andere als unfair.
* Beispiel: Zwei Mitarbeitende bekommen beide keine Gehaltserhöhung. Der eine akzeptiert das – der andere empfindet es als Verletzung seiner Erwartungen.

➡️ Erwartungen entstehen subjektiv, basierend auf eigenen Erfahrungen, Werthaltungen und der sozialen Umgebung.

🔁 2. Erwartungen sind dynamisch

Erwartungen verändern sich über Zeit – sie sind nicht konstant:
* Nach einem besonders guten Jahr erwartet der AN z. B. eine Gehaltserhöhung oder Beförderung.
* Wenn das Team oft Überstunden macht, entsteht bald eine unausgesprochene Erwartung: „Wer früher geht, leistet weniger.“

🎯 3. Referenzpunkte als Anker für Erwartungen

Menschen bilden Erwartungen anhand von Vergleichsmaßstäben:

Referenzpunkt
Beispiel

Leistungsstandards
Was im Unternehmen als „normal“ oder „erfolgreich“ gilt

Üblichkeiten
Z. B. jährlich ein Bonus oder flexible Arbeitszeiten

Soziale Vergleichspunkte
Wer bekommt was? Wer wird befördert? Wer darf Homeoffice?

Fairness- und Gerechtigkeitswahrnehmungen
Wird Leistung gleich honoriert? Wird transparent entschieden?

⚖️ 4. Bedeutung relativer Wahrnehmung

Für die Motivation ist nicht nur das absolute Ergebnis wichtig, sondern besonders der Vergleich mit anderen:

„Ich bekomme 3.000 €, aber mein Kollege mit weniger Erfahrung bekommt 3.200 €?“

🧠 Dieses psychologische Phänomen nennt man relative Deprivation.

💥 Folgen unerfüllter Erwartungen

Wenn die subjektiv erwartete Gegenleistung (z. B. Wertschätzung, Entwicklung, Gehalt) nicht eintritt, obwohl der AN sich „fair“ verhalten hat, drohen:
* Frustration
* Leistungsabfall
* Vertrauensverlust
* Kündigungsabsicht („Exit“)
* oder sogar kontraproduktives Verhalten (z. B. „Dienst nach Vorschrift“)

🧪 Klausurrelevanz

Diese Inhalte sind oft Grundlage für Verständnisfragen, wie z. B.:
* „Warum ist die Berücksichtigung impliziter Erwartungen in der Personalführung so wichtig?“
* „Welche Rolle spielen soziale Vergleichsprozesse für die Motivation?“
* „Weshalb kann Fairness als psychologischer Faktor über Produktivität entscheiden?“

18
Q

2.1 Zur Notwendigkeit der Personalführung

Notwendigkeit der Personalführung aus
der Sicht der Theorie impliziter
Vereinbarungen

A
  • Aufgrund der Notwendigkeit, die Austauschbedingungen in
    der Arbeitsbeziehung
    – auch ex post (nach Vertragsabschluss)
    – trotz der bestehenden Abhängigkeitsverhältnisse
    – laufend
    an veränderte Situationen anzupassen und Investitionen in
    Humankapital zu tätigen, spielen neben ökonomischen und
    juristischen Einflussfaktoren psychologische Effekte und
    nicht-juristische Sicherungsmechanismen (z.B. Macht- und
    Reputationseffekte) eine wichtige Rolle in der
    Arbeitsbeziehung.
  • Personalführung hat die Aufgabe, den impliziten Vertrag
    laufend auszugestalten, z.B. einzuwirken auf
    – laufende Anpassung der Austauschverhältnisse und
    deren Legitimität
    – Gerechtigkeitswahrnehmungen, Referenzpunkte und
    Erwartungen der AN
    – die psychologischen Effekte und nicht-juristischen
    Sicherungselemente für die Arbeitsbeziehung
  • Voraussetzungen der Notwendigkeit von Personal-
    führung:
    – Abschluss von Arbeitsverträgen als offene
    Rahmenverträge
    – Gestaltung der impliziten Verträge erfolgt durch die
    Personalführung und nicht durch andere Instrumente
    (z.B. Normen vom externen Arbeitsmarkt etc.)

📚 Notwendigkeit der Personalführung aus Sicht der Theorie impliziter Vereinbarungen

🧩 Grundgedanke

Ein Arbeitsverhältnis besteht nicht nur aus einem klar geregelten Arbeitsvertrag, sondern auch aus einem offenen, wandelbaren Erwartungssystem zwischen Arbeitgeber (AG) und Arbeitnehmer (AN).

Diese „unsichtbare Ebene“ ist nicht rechtlich einklagbar, aber essentiell für die Motivation, das Commitment und die langfristige Kooperation.

🧠 1. Warum braucht es überhaupt Personalführung laut dieser Theorie?

Weil:
* Arbeitsverträge offen und unvollständig sind (Stichwort: Rahmenvertrag).
* Arbeitsbeziehungen dynamisch sind: Erwartungen, Arbeitsinhalte, Ziele verändern sich.
* Es in Arbeitsbeziehungen Abhängigkeiten gibt: AN sind auf Lohn, AG auf Leistung angewiesen.
* Es Investitionen in Humankapital gibt, die langfristige Zusammenarbeit lohnend machen – aber auch verletzlich.

👉 Implizite Vereinbarungen füllen diese Lücken und machen eine stabile Zusammenarbeit erst möglich.

🧭 2. Rolle der Personalführung

In dieser Perspektive ist Personalführung nicht nur Kontrolle oder Anweisung, sondern:

🧱 Gestalter des psychologischen Vertrags

Personalführung baut und pflegt das unausgesprochene Beziehungsgeflecht – jeden Tag aufs Neue!

Sie wirkt ein auf:

🔧 Aufgabenbereich
📌 Erläuterung

Anpassung der Austauschverhältnisse
Löhne, Aufgaben, Erwartungen im Zeitverlauf neu austarieren

Legitimität der Austauschbedingungen
Handlungen müssen als fair und nachvollziehbar empfunden werden

Gerechtigkeitswahrnehmung steuern
Führung muss Verständnis und Transparenz schaffen – bei Beförderungen, Boni, etc.

Erwartungsmanagement
Unausgesprochene Erwartungen erkennen und offen adressieren

Referenzpunkte berücksichtigen
Was in anderen Abteilungen/Unternehmen „normal“ ist, beeinflusst die Motivation

Nicht-juristische Sicherungen
Vertrauen, Reputation, Führungskultur ersetzen formaljuristische Kontrolle

🔍 3. Woraus ergibt sich die Notwendigkeit von Personalführung konkret?

Zwei wesentliche Voraussetzungen:
1. 🧾 Abschluss eines Arbeitsvertrags als offener Rahmenvertrag
* Es ist nicht alles geregelt.
* Vieles ergibt sich erst „im Tun“.
2. 🧠 Gestaltung des impliziten Vertrags erfolgt intern – nicht durch den Markt
* Externe Normen (wie Branchenüblicher Lohn) reichen nicht aus.
* Führungskräfte müssen aktiv in das psychologische Gleichgewicht eingreifen.

🧪 Klausurrelevanz und Prüfungsfrage

Sehr häufig ist dies Stoff für Transferfragen oder Theoriediskussionen. Beispiel:

„Erläutern Sie aus Sicht der Theorie impliziter Vereinbarungen, weshalb Personalführung in modernen Organisationen notwendig ist.“
(Tipp: Immer Bezug auf Dynamik, Unsicherheit, Erwartungen, psychologische Faktoren und offene Vertragsstruktur nehmen.)

✅ Antwort:

Aus Sicht der Theorie impliziter Vereinbarungen ist Personalführung in modernen Organisationen notwendig, weil Arbeitsverhältnisse durch offene Vertragsstrukturen, Dynamik, Unsicherheit und psychologische Einflussfaktoren geprägt sind.

🔹 1. Offene Vertragsstruktur (Unvollständigkeit von Arbeitsverträgen)
* Arbeitsverträge in modernen Organisationen sind nicht vollständig – sie können nicht alle möglichen Situationen, Aufgaben oder Verhaltensweisen im Voraus regeln.
* Viele Aspekte der Arbeitsbeziehung – wie Engagement, Loyalität, Veränderungsbereitschaft oder Umgang mit unerwarteten Anforderungen – bleiben implizit, also unausgesprochen und nicht schriftlich fixiert.

➡️ Daraus entsteht ein Steuerungsbedarf, den Personalführung übernimmt: Sie interpretiert, ergänzt und vermittelt zwischen expliziten Erwartungen und impliziten Anforderungen.

🔹 2. Dynamik und Unsicherheit
* Moderne Organisationen sind mit hoher Veränderungsgeschwindigkeit, technologischem Wandel und Marktdynamiken konfrontiert.
* Die Anforderungen an Mitarbeitende verändern sich laufend – z. B. durch neue Aufgaben, Rollen, Teams oder Strukturen.

➡️ Personalführung ist notwendig, um diese Veränderungen kommunikativ zu begleiten, Sinn zu vermitteln und Orientierung in unsicheren Situationen zu geben.

🔹 3. Erwartungen und Wahrnehmung von Gerechtigkeit
* Arbeitnehmende entwickeln Erwartungen an Fairness, Anerkennung, Entwicklungsmöglichkeiten – diese sind nicht vertraglich festgelegt, aber für die Motivation zentral.
* Wenn diese Erwartungen verletzt werden, kann das zu Demotivation, Frustration oder innerer Kündigung führen.

➡️ Personalführung muss die unausgesprochenen Erwartungen erkennen, Vertrauen schaffen, Gerechtigkeit vermitteln und gegenseitige Verpflichtungen aushandeln.

🔹 4. Psychologische Faktoren und Sicherungsmechanismen
* Neben juristischen Regelungen spielen Vertrauen, Reputation, emotionale Bindung, Machtverhältnisse und subjektive Deutungen eine große Rolle.
* Diese psychologischen Prozesse beeinflussen die Leistungsbereitschaft, das Commitment und die Zusammenarbeit maßgeblich.

➡️ Personalführung gestaltet diese Beziehungen aktiv mit – durch Feedback, Kommunikation, Coaching, Vorbildfunktion, etc.

🎯 Fazit:

Personalführung ist in modernen Organisationen unerlässlich, weil sie die Lücke zwischen formalen Arbeitsverträgen und der realen, dynamischen Arbeitswelt füllt.
Sie steuert die Beziehung zwischen Organisation und Mitarbeitenden unter Bedingungen von Unsicherheit, offenen Erwartungen und psychologischer Komplexität – und trägt damit entscheidend zur Stabilität, Leistungsfähigkeit und Weiterentwicklung von Organisationen bei.

19
Q

2.1 Zur Notwendigkeit der Personalführung

Bewertungskriterien für die Personalführung in
der Sicht der Theorie impliziter Vereinbarungen

A
  • Die Güte der Personalführung lässt sich in dieser Sichtweise
    daran messen, dass
    – erstens eine flexible Anpassung der Austauschbe-
    dingungen an - auch kurzfristig - geänderte Markt-
    bedingungen möglich ist,
    – zweitens langfristig orientierte Investitionen in das
    Arbeitsverhältnis aufrecht erhalten und gefördert werden,
    und
    – drittens kurzfristige Eigennutzmaximierung zu Gunsten der
    Verfolgung langfristiger gemeinsamer Interessen der
    Vertragspartner zurück gedrängt wird.
  • Insgesamt: In dieser Sichtweise kann Effizienz in Arbeits-
    beziehungen nicht an den klassischen ökonomischen
    Effizienzkriterien gemessen werden, sondern muss sehr weit
    gefasst werden!

📚 Bewertungskriterien für die Personalführung aus Sicht der Theorie impliziter Vereinbarungen

🧠 Grundgedanke:

In dieser Theorie zählt nicht nur kurzfristige Effizienz, sondern vor allem die Fähigkeit der Personalführung, komplexe, langfristige und instabile Austauschverhältnisse konstruktiv zu gestalten.

Das klassische Effizienzkriterium („maximaler Output bei minimalem Input“) greift hier zu kurz! Stattdessen geht es um Beziehungsqualität und Langfristigkeit.

✅ Drei Bewertungskriterien im Fokus:

  1. Flexible Anpassungsfähigkeit

„…eine flexible Anpassung der Austauschbedingungen an – auch kurzfristig – geänderte Marktbedingungen“

*	Personalführung muss schnell auf Veränderungen reagieren können: z. B. Fachkräftemangel, Krisen, neue Kundenanforderungen.
*	Dazu gehört:
*	Anpassung von Aufgaben, Arbeitszeiten, Teamstrukturen.
*	Offenheit gegenüber Homeoffice, Weiterbildung, Aufgabenrotation.
*	Ziel: Anpassungsfähigkeit ohne Vertrauensverlust.

📌 Beispiel Klausurformulierung:

„Eine gute Personalführung erkennt veränderte Marktbedingungen frühzeitig und schafft es, die impliziten Austauschbedingungen so weiterzuentwickeln, dass keine Beziehungsstörungen mit Beschäftigten entstehen.“

  1. Förderung langfristiger Investitionen

„…langfristig orientierte Investitionen in das Arbeitsverhältnis aufrechterhalten und fördern“

*	Gemeint sind:
*	Weiterbildungsmaßnahmen
*	Bindung durch Vertrauen
*	Karriereentwicklung
*	Förderung von Unternehmenskultur
*	Eine gute Führung verhindert, dass Mitarbeiter ihre Energie nur auf den nächsten Bonus oder Jobwechsel richten, sondern in das bestehende Arbeitsverhältnis investieren.

📌 Beispiel: Wenn ein Vorgesetzter gezielt Mitarbeiter fördert und ihnen Entwicklungsperspektiven bietet, bleiben sie loyal – selbst in schwierigen Zeiten.

  1. Verzicht auf kurzfristige Eigennutzmaximierung

„…kurzfristige Eigennutzmaximierung zugunsten langfristiger gemeinsamer Interessen zurückgedrängt wird“

*	Mitarbeiter sollen nicht nur auf ihr eigenes maximales Gehalt oder die minimale Arbeitszeit fokussiert sein – und auch Führungskräfte nicht auf kurzfristige Zielzahlen!
*	Stattdessen:
*	Orientierung an gemeinsamen Interessen
*	Aufbau von Vertrauen und Reziprozität
*	Bereitschaft, sich auch mal kurzfristig zurückzunehmen, wenn es der Beziehung dient

📌 Beispiel: Mitarbeitende nehmen freiwillig Überstunden auf sich, wenn sie wissen, dass dies später fair ausgeglichen wird.

📈 Gesamtbewertung: „Effizienz“ neu denken

„…Effizienz […] muss sehr weit gefasst werden!“

*	Klassische betriebswirtschaftliche Kennzahlen (Kosten, Zeit, Output) sind nicht ausreichend, um Personalführung zu bewerten.
*	Es geht um:
*	Stabilität der Arbeitsbeziehungen
*	Vertrauen und Reziprozität
*	Investitionsbereitschaft in Humankapital
*	Organisationale Resilienz

📝 Fazit (Klausurfazit oder Lernsatz)

Aus Sicht der Theorie impliziter Vereinbarungen ist Personalführung dann gut, wenn sie Beziehungen stabil, anpassungsfähig und auf Langfristigkeit ausgerichtet gestaltet – und dabei nicht auf kurzfristige Effizienz, sondern auf nachhaltige Kooperation achtet.

20
Q

2.1 Zur Notwendigkeit der Personalführung

Ist die von der Theorie impliziter
Vereinbarungen formulierte
Begründung für die Notwendigkeit
der Personalführung ideologisch?
Warum? Warum nicht?

A

🔴 Nein – nicht im engeren, ideologiekritischen Sinne.

Begründung:
* Die Theorie impliziter Vereinbarungen ist keine normative Theorie darüber, wie Arbeitsverhältnisse sein sollen (wie es z. B. bei marxistischen oder gewerkschaftlichen Perspektiven der Fall sein könnte).
* Sie ist vielmehr eine realistische Beschreibung, wie Arbeitsverträge faktisch funktionieren, insbesondere in wissensintensiven, dynamischen Kontexten.
* Sie erkennt die Begrenztheit juristischer Verträge an und verweist auf die Komplexität der Arbeitsbeziehung, ohne einseitig Partei zu ergreifen.

✅ 3. Warum könnte man sie trotzdem als ideologisch interpretieren? (Kritische Perspektive)

Ein ideologiekritischer Ansatz könnte sagen:
* Die Theorie verschiebt Verantwortung vom System (Recht, Organisation) auf die Führungskraft und das individuelle Verhalten.
* Sie vermeidet systemische Kritik (z. B. an Machtverhältnissen oder Ausbeutungsstrukturen) und stellt Führung eher als Lösung denn als Problem dar.
* Die Betonung auf Vertrauen, Gerechtigkeitsempfinden, emotionale Bindung etc. könnte instrumentell genutzt werden, um Anpassung und Leistungsbereitschaft zu fördern, ohne echte Mitsprache oder Kontrolle zu ermöglichen.

➡️ In diesem Sinne könnte man sagen: Die Theorie ist “ideologisch anschlussfähig”, ohne selbst ideologisch zu sein.

🟢 Fazit (klausurtauglich):

Die von der Theorie impliziter Vereinbarungen formulierte Begründung für die Notwendigkeit von Personalführung ist nicht ideologisch im engeren Sinn, da sie deskriptiv erklärt, warum Führung notwendig ist, wenn Verträge unvollständig sind und psychologische Faktoren eine Rolle spielen.
Jedoch kann die Theorie kritisch hinterfragt werden, da sie systemische Machtverhältnisse nicht thematisiert und sich somit ideologisch instrumentalisieren lässt – z. B. um Personalführung als Mittel zur Leistungssicherung ohne Mitsprache zu rechtfertigen.

21
Q

2.2. Begriff Personalführung

Definitionen

A
  • definieren enthält das lateinische Wort „finis“ = Grenze;
  • bedeutet also: ab- oder eingrenzen
  • Definitionen sind daher nie richtig oder falsch, sondern
    sie grenzen ab oder ein, worüber man in einem
    bestimmten Kontext spricht (oder eben nicht spricht);
  • sie sind damit immer nur einem bestimmten Untersu-
    chungs- oder Verständigungskontext angemessen oder
    nicht
  • Unser Kontext hier: diese Vorlesung!
22
Q

2.2. Begriff Personalführung

Definition Personalführung

A

Definition Personalführung
Personalführung in Wirtschaftsorganisationen ist die
* legitime Beeinflussung des Verhaltens individueller und
kollektiver Akteure,
* mit der der Arbeitgeber oder von ihm beauftragte
Personen (Führungspersonen, Projektleiterinnen,…)
versuchen,
* die Umsetzung der im Arbeitsvertrag an den AG
übertragenen Verfügungsrechte über Arbeitsvermögen
in konkrete Arbeitsleistungen und Arbeitsergebnisse zu
erreichen, und
* die impliziten Vereinbarungen in Arbeitsbeziehungen im
Sinne des AG zu beeinflussen

🧾 Definition Personalführung in Wirtschaftsorganisationen

📌 1. „Legitime Beeinflussung des Verhaltens“

Personalführung ist keine Machtausübung „einfach so“, sondern eine legitime (also rechtlich, moralisch und organisatorisch akzeptierte) Einflussnahme.

*	Legitimation kommt durch:
*	Arbeitsvertrag
*	betriebliche Hierarchie
*	gesetzliche Rahmenbedingungen (z. B. Weisungsrecht)
*	Es geht nicht um Zwang oder Manipulation, sondern um geordnete, institutionalisierte Führung.

📌 Klausurhinweis:

Nenne und unterscheide zwischen legitimer und illegitimer Führung. Letzteres wäre z. B. Ausnutzen von Macht ohne Rückbindung an Arbeitsvertrag oder Werte der Organisation.

📌 2. „…des Verhaltens individueller und kollektiver Akteure“

Es wird nicht nur das Verhalten einzelner Mitarbeiter, sondern auch ganzer Gruppen (Teams, Abteilungen, Standorte) beeinflusst.

*	Individuelle Akteure = einzelne Mitarbeitende
*	Kollektive Akteure = Teams, Betriebsrat, ganze Organisationseinheiten

📌 Beispiel: Eine Führungskraft gestaltet nicht nur Einzelgespräche, sondern auch Teamprozesse, Zielvereinbarungen, Gruppendynamiken.

📌 3. „…durch den Arbeitgeber oder beauftragte Personen“

Personalführung geschieht nicht nur „von oben“ durch die Unternehmensleitung, sondern auch durch:

*	Führungskräfte auf allen Ebenen (Teamleiter, Abteilungsleiter, etc.)
*	Projektleiter:innen
*	mittleres Management

➡️ Immer im Auftrag oder im Interesse des Arbeitgebers

📌 Beispiel: Eine Projektleiterin führt ein interdisziplinäres Team ohne disziplinarische Macht – aber mit legitimem Führungsauftrag.

📌 4. „…Versuch, die Umsetzung der übertragenen Verfügungsrechte in Arbeitsleistungen zu erreichen“

Hier kommt die Verfügungsrechtstheorie ins Spiel:

*	Durch den Arbeitsvertrag überträgt der Arbeitnehmer bestimmte Verfügungsrechte über sein Arbeitsvermögen (Leistungskraft, Know-how, Zeit) an den Arbeitgeber.
*	Aufgabe der Führung ist, diese Rechte tatsächlich in Arbeitsergebnisse umzusetzen.

📌 Klausurformulierung:

„Personalführung operationalisiert die im Arbeitsvertrag übertragenen Verfügungsrechte in konkreten produktiven Leistungen.“

📌 5. „…und die impliziten Vereinbarungen im Sinne des AG zu beeinflussen“

Jetzt wird die Verbindung zur Theorie impliziter Vereinbarungen hergestellt:

*	Führung bedeutet auch: Erwartungsmanagement, psychologische Verträge, Fairnessempfinden, Gerechtigkeit, Vertrauen gestalten.
*	Diese Aspekte sind nicht im Vertrag fixiert, aber entscheidend für die tatsächliche Leistungsbereitschaft.

📌 Beispiel: Wenn eine Führungskraft ihre Zusage zur Weiterbildung nicht einhält, kann das Vertrauen brechen – auch wenn kein rechtlicher Anspruch bestand.

23
Q

2.2. Begriff Personalführung

Teilaufgaben der Personalführung I

A

Umsetzung des Verfügungsrechts über Arbeits-
vermögen:
* Auftragserteilung/Aufgabenverteilung in der Arbeitsgruppe
* Koordination der Arbeitsaufgaben zwischen den Mitgliedern der
Arbeitsgruppe
* Kontrolle der Arbeitsergebnisse und Einleitung von Änderungen bei
unzureichenden Arbeitsergebnissen (incl. Beeinflussung
Gruppenstruktur, Konflikte, Zusammenarbeit, Klima…..)
* Motivation der Mitarbeiter:innen
Beeinflussung der Impliziten Vereinbarungen
* Motivation der Mitarbeiter:innen
* Beeinflussung des Gruppenklimas und der Erwartungsstrukturen
* Beeinflussung von Normen und Referenzpunkten zur Bewertung von
Leistungen und Gegenleistungen
* ggf. Regelung von Konflikten zwischen den Gruppenmitgliedern

🧩 Teilaufgaben der Personalführung I

🔹 1. Umsetzung des Verfügungsrechts über Arbeitsvermögen

Das bezieht sich direkt auf den expliziten Arbeitsvertrag:
Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber Nutzungsrechte an seiner Arbeitskraft übertragen.
Personalführung soll diese Rechte in produktive Leistung übersetzen.

📌 a) Auftragserteilung / Aufgabenverteilung in der Arbeitsgruppe
* Wer macht was?
* Welche Aufgaben bekommen welche Priorität?
* Wer bekommt Sonderaufgaben, wer Routine?

🧠 Führungsaufgabe: Sinnvolle Zuordnung nach Kompetenzen, Motivation und Kapazität

📌 b) Koordination der Arbeitsaufgaben zwischen den Gruppenmitgliedern
* Vermeidung von Doppelarbeit, Leerlauf, Wartezeiten
* Sicherstellung, dass Aufgaben logisch aufeinander aufbauen
* Vermeidung von Missverständnissen und Verantwortungsdiffusion

🧠 Führungsaufgabe: Schnittstellen klären, Zeitpläne abstimmen, Kommunikation sicherstellen

📌 c) Kontrolle der Arbeitsergebnisse & Einleitung von Änderungen
* Leistungskontrolle = Soll-Ist-Vergleich
* Was passiert bei mangelhafter Leistung?
* Feedback?
* Anpassung der Aufgaben?
* Training?

🧠 Führungsaufgabe: Kritik üben, ohne Motivation zu zerstören – und Konflikte professionell lösen

📌 d) Motivation der Mitarbeiter:innen

➡️ Doppelrolle!
Diese Teilaufgabe taucht sowohl bei der Umsetzung des Verfügungsrechts als auch bei der Beeinflussung impliziter Vereinbarungen auf – das ist wichtig!

🧠 Warum?
* Ohne Motivation wird das Verfügungsrecht nicht „produktiv genutzt“
* Motivation ist gleichzeitig Ergebnis und Katalysator einer gelungenen Arbeitsbeziehung

🔹 2. Beeinflussung der impliziten Vereinbarungen

Jetzt geht es um das, was nicht im Vertrag steht, aber entscheidend ist:

📌 a) Motivation der Mitarbeiter:innen (erneut!)

Aber diesmal aus psychologischer Perspektive:
* Vertrauen
* Wertschätzung
* Fairness
* Persönliche Zielorientierung

🧠 Motivation entsteht durch:

Klarheit + Anerkennung + Gerechtigkeit + persönliche Entwicklung

📌 b) Beeinflussung des Gruppenklimas und der Erwartungsstrukturen
* Gruppenkultur: kollegial oder toxisch?
* Wird Offenheit geschätzt oder bestraft?
* Unterstützen sich Kolleg:innen oder herrscht Ellenbogenmentalität?

🧠 Führungsaufgabe: Vorbild sein + Eingreifen bei negativen Dynamiken

📌 c) Beeinflussung von Normen & Referenzpunkten zur Bewertung von Leistung
* Was ist „gute“ Leistung?
* Wie viel Engagement wird als „normal“ erwartet?
* Welche Maßstäbe gelten im Team?

📌 Beispiel:
Wenn alle Überstunden machen, sieht normale Arbeitszeit plötzlich nach „wenig Einsatz“ aus.

🧠 Führungsaufgabe: Klare Orientierung bieten – was ist erwünscht, was nicht?

📌 d) Regelung von Konflikten zwischen Gruppenmitgliedern (ggf.)
* Implizite Vereinbarungen brechen oft in Konflikten auf
* Führung muss:
* Zuhören
* Vermitteln
* Grenzen setzen
* Lösungen entwickeln

🧠 Ziel: Leistungsfähigkeit und Vertrauen im Team erhalten

📘 Zusammengefasst:

Bereich
Zentrale Aufgaben

Umsetzung expliziter Verträge
Aufgabenverteilung, Koordination, Kontrolle, Motivation

Beeinflussung impliziter Vereinbarungen
Gruppennormen, Motivation, Klima, Gerechtigkeit, Konflikte

24
Q

2.2. Begriff Personalführung

Teilaufgaben der Personalführung II

A

In der Praxis übernehmen Führungspersonen in aller
Regel auch Managementaufgaben, die neben den
Personalführungsaufgaben stehen, z.B:
* Beschaffung und Verteilung von Ressourcen und
Informationen für bzw. in der Arbeitsgruppe
* Vertretung der Arbeitsgruppe nach außen

🔧 Teilaufgaben der Personalführung II – Managementnahe Aufgaben

Auch wenn sich der Begriff Personalführung eigentlich auf die legitime Verhaltensbeeinflussung bezieht, übernehmen Führungskräfte in der betrieblichen Realität zusätzlich viele Aufgaben, die eher zum klassischen Management gehören.

🔹 1. Beschaffung und Verteilung von Ressourcen und Informationen

Führungskräfte stellen sicher, dass ihre Mitarbeitenden über alles verfügen, was sie für die Aufgabenerfüllung brauchen:

📌 Ressourcen:
* Arbeitsmaterialien (z.B. Geräte, Tools, Zugänge)
* Zeit (z.B. Planungsspielräume, Deadlines)
* Personal (z.B. Aushilfen, neue Teammitglieder)
* Budget (für Projekte, Weiterbildungen etc.)

📌 Informationen:
* Strategische Unternehmensziele
* Projektstände
* Änderungen von Abläufen oder Zuständigkeiten
* Rückmeldungen von Kunden oder oberen Ebenen

🧠 Führungslogik:

Nur wer Zugang zu den notwendigen Ressourcen und Infos hat, kann selbstständig und verantwortlich arbeiten.
Fehlende Informationen = Demotivation + Fehlerquelle.

🔹 2. Vertretung der Arbeitsgruppe nach außen

Führungskräfte sind auch Schnittstelle zwischen Team und Außenwelt. Sie vertreten ihr Team nach außen gegenüber:

📌 Intern:
* Höheren Hierarchieebenen (z. B. Bereichsleitung)
* Anderen Abteilungen (z. B. Einkauf, IT, Marketing)

📌 Extern:
* Kunden
* Lieferanten
* Kooperationspartnern

🧠 Führungslogik:

Die Führungskraft ist Sprachrohr und Schutzschild des Teams:
Sie schützt vor unklaren Anforderungen und sorgt dafür, dass Teamleistungen gesehen und anerkannt werden.

🧠 Wichtiger Gesamtgedanke:

Führung = mehr als nur Menschen lenken.

In der Praxis umfasst es auch klassische Managementfunktionen, wie:
* Ressourcensteuerung
* Koordination über Abteilungsgrenzen hinweg
* Strategiekommunikation
* „Übersetzung“ zwischen oberen und unteren Ebenen

✅ Zusammenfassung als Tabelle:

Aufgabe
Beispiele & Zielsetzung

Ressourcenbeschaffung und -verteilung
Materialien, Zeit, Personal bereitstellen

Informationsverteilung innerhalb der Gruppe
Projektinfos, Strategien, Feedback weitergeben

Vertretung der Gruppe nach innen und außen
Für das Team sprechen, Interessen vertreten, Kontakte managen

25
# 2.2. Begriff Personalführung Arten der Personalführung
* Interaktive Führung durch Führungspersonen und * Strukturelle Personalführung durch sog. Führungssub- stitute („Substituierung“ der interaktiven Personalführung durch Strukturen und organisatorische Instrumente).
26
# 2.2. Begriff Personalführung Interaktive Personalführung
* ein Interaktionsprozess, bei dem eine Person in einem bestimmten organisationalen Kontext das Handeln individueller oder kollektiver Akteure legitimer Weise beeinflusst, und * zugleich eine kommunikative Einflussbeziehung mit einem nicht abschließend spezifizierten Verhaltens- repertoire, * in welchem der Arbeitgeber oder von ihm beauftragte Führungspersonen die Umsetzung von Verfügungsrechten über Arbeitsvermögen in Arbeitsleistungen und –ergebnisse sowie die Beeinflussung der impliziten Vereinbarungen anstreben, 4. Nicht abschließend spezifiziertes Verhaltensrepertoire 👉 Führung ist nicht vollständig planbar oder standardisierbar. * In der Praxis ergeben sich immer neue Situationen (z. B. Konflikte, Motivationseinbrüche, neue Projektanforderungen) * Daher muss die Führungskraft flexibel, kommunikativ und situativ agieren ⸻
27
# 2.2. Begriff Personalführung Strukturelle Personalführung
* die legitime Beeinflussung des Handelns individueller oder kollektiver Akteure im organisationalen Kontext durch den Einsatz von sog. Führungssubstituten, * mit welcher der AG oder von ihm beauftragte Führungs:personen oder Manager:innen – die Umsetzung von Verfügungsrechten über Arbeitsvermögen in Arbeitsleistungen und -ergebnisse, und – die Beeinflussung der impliziten Vereinbarungen * anstreben
28
# 2.2. Begriff Personalführung Führungssubstitute
* alle Instrumente und Institutionen, die zur (legitimen) Verhaltensbeeinflussung in Wirtschaftsorganisationen eingesetzt werden können, z.B. – monetäre Anreizsysteme, – technische Regelungs- oder Kontrollsysteme wie Kameras, Zeiterfassungs- oder Leistungserfassungs- systeme, Zutrittsregelungen, technische Qualitäts- kontrollen – organisatorische Abstimmungsinstrumente wie Routine- und Zweckprogramme – geteilte Normen, Werte und Verhaltensstandards sowie die Unternehmenskultur insgesamt. 🎓 Was sind Führungssubstitute? 👉 Führungssubstitute sind alle Instrumente und Institutionen, die in einer Organisation legitim zur Verhaltensbeeinflussung von Mitarbeitenden eingesetzt werden, ohne dass eine Führungskraft direkt eingreifen muss. Man kann auch sagen: „Führung ohne Führende“ – durch Strukturen. ⸻ 🔍 Typologie der Führungssubstitute Substituttyp Beispiele Funktion 💰 Monetäre Anreizsysteme Prämien, Boni, Zielvereinbarungen, Provisionen Motivieren über finanzielle Anreize, Leistung sichtbar und belohnbar machen ⚙️ Technische Systeme Zeiterfassung, Kameras, Zugangssysteme Kontrollieren, dokumentieren, standardisieren 🗂 Organisatorische Programme Checklisten, Arbeitsanweisungen, SOPs Routinen schaffen, Handlungsspielräume begrenzen 📏 Zweck- & Routineprogramme z. B. „Wenn X, dann Y“ – Entscheidungsregeln Steuerung von Abläufen, Konsistenz & Effizienz 🤝 Normen & Werte / Unternehmenskultur z. B. “Kunden zuerst”, Teamspirit, Lean Culture Orientierung, emotionale Bindung, Verhaltenserwartungen 📘 Beispiele aus der Praxis: Organisationstyp Beispiel für Führungssubstitut Gastronomie (z. B. Espresso House) Zeiterfassung, Reinigungschecklisten, Verkaufsziel-Reports IT-Unternehmen Agile-Scrum-Prozesse, Daily Standups als Routine Produktionsbetrieb Qualitätskontroll-Systeme, Ampelkennzahlen Banken/Versicherungen Compliance-Vorgaben, Scorecard-basierte Zielvereinbarungen Konzernstruktur Wertemanifest („Code of Conduct“), einheitliche Leadership Principles 🎯 Warum sind Führungssubstitute wichtig? 🔹 Sie entlasten Führungskräfte, weil nicht alles über direkte Kommunikation läuft 🔹 Sie sorgen für Konsistenz, Transparenz und Fairness 🔹 Sie sind skalierbar – auch in großen Organisationen anwendbar 🔹 Sie geben Mitarbeitenden Orientierung – besonders in wiederkehrenden Situationen Aber: 👉 Sie ersetzen nicht alles. Bei komplexen oder emotionalen Herausforderungen braucht es interaktive Führung – also das persönliche Gespräch, Empathie, Feedbackkultur usw.
29
# 2.2. Begriff Personalführung Verhältnis interaktive und strukturelle Personalführung I
* Interaktive und strukturelle Personalführung eignen sich für unterschiedliche Aufgabentypen: – Strukturelle Führung kann eher bei gut strukturierten, klar definierten oder häufig anfallenden, sich wieder- holenden Aufgaben eingesetzt werden. – Interaktive Führung kann auch bei schlecht struktu- rierten, selten anfallenden und zeitkritischen Aufgaben eingesetzt werden. – Beide Formen der Führung können für mittelmäßig strukturierte und regelmäßig anfallende Aufgaben eingesetzt werden, daher besteht ein großer Bereich an Aufgaben, für den der AG die Wahl zwischen beiden Führungsformen hat. ⸻ 🎯 Zentrale Frage: Wann ist welche Führungsform sinnvoll? Es gibt zwei Hauptformen der Führung, wie du weißt: 1. Interaktive Personalführung → direkte Kommunikation, persönliche Interaktion, Führung durch Menschen 2. Strukturelle Personalführung → Führung über Systeme, Programme, Regeln und Kultur (also „Führungssubstitute“) ⸻ ⚖️ Verhältnis der beiden Führungsformen Die beiden Führungsformen sind nicht gegensätzlich, sondern komplementär: Aufgabentyp Geeignete Führungsform Begründung / Beispiel ✅ Gut strukturierte, klare Routineaufgaben ✅ Strukturelle Führung z. B. Kassiervorgang, Zeiterfassung, Maschinenbedienung ⚠️ Schlecht strukturierte, unklare Aufgaben ✅ Interaktive Führung z. B. Krisenentscheidungen, Konfliktklärung, Strategieentwicklung 🔁 Mittlere Strukturierung, regelmäßige Aufgaben ✅ Kombinierbar – Wahl zwischen beiden Formen z. B. Schichtplanung, Jahreszielgespräch, Prozessverbesserung 🧠 Warum diese Differenzierung wichtig ist: 🔹 Nicht jede Aufgabe braucht eine persönliche Führung – manche sind effizienter automatisierbar 🔹 Andere Aufgaben hingegen erfordern zwischenmenschliche Intelligenz, Anpassung und Dynamik 🔹 Unternehmen müssen also situativ entscheiden, wo Ressourcen für Interaktion eingesetzt werden und wo Strukturen tragen können
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# 2.2. Begriff Personalführung Verhältnis interaktive und strukturelle Personalführung II
* Komplementäres Verhältnis:  Interaktive Führung kann durch strukturelle Führung in ihrer Wirkung unterstützt und verstärkt werden * Substitutives Verhältnis: – Interaktive Führung kann durch strukturelle Führung ersetzt oder überflüssig gemacht werden (gleichgerichtetes, positives Verhältnis) – Interaktive Führung kann durch strukturelle Führung konterkariert oder zunichte gemacht werden (gegenläufiges, negatives Verhältnis) 🟢 1. Komplementäres Verhältnis Interaktive und strukturelle Führung ergänzen sich sinnvoll. Die Wirkung der einen wird durch die andere verstärkt. 📌 Beispiel: Ein Unternehmen nutzt ein Zielvereinbarungssystem (strukturell) und führt regelmäßig persönliche Feedbackgespräche (interaktiv). → Die Gespräche werden dadurch zielorientierter, gleichzeitig werden die Ziele menschlicher vermittelt. ⸻ 🔄 2. Substitutives Verhältnis – positiv/gleichgerichtet Strukturelle Führung ersetzt interaktive Führung, weil sie gut funktioniert. Beide wirken in dieselbe Richtung. 📌 Beispiel: Ein Unternehmen nutzt ein digitales Zeiterfassungssystem. Führungskräfte müssen keine persönlichen Absprachen mehr über Anwesenheitszeiten führen. → Das System übernimmt eine Führungsaufgabe, die vorher interaktiv geregelt war. ⸻ ❌ 3. Substitutives Verhältnis – negativ/gegenläufig (konterkarierend) Strukturelle Führung untergräbt interaktive Führung. Beide wirken gegeneinander. 📌 Beispiel: Ein Unternehmen betont in persönlichen Gesprächen Vertrauen und Selbstverantwortung (interaktiv), aber gleichzeitig wird jede kleine Abweichung per Kontrollsoftware dokumentiert (strukturell). → Mitarbeitende erleben einen Widerspruch, fühlen sich kontrolliert → Demotivation!
31
# 2.2. Begriff Personalführung Interaktive Personalführung als Residualfaktor? These von Türk
* These von Türk: Interaktive Personalführung sollte als Residualfaktor nur insoweit eingesetzt werden, als die strukturelle Personalführung zur Verhaltensbeeinflussung nicht ausreicht; sonst nicht. * Begründung: – Interaktive Führung geht mit „Unterwerfung“ der Mitarbeiter:innen unter die Herrschaft von Vorgesetzten einher. – idiosynkratische, subjektive, persönliche Elemente lassen sich aus der interaktiven Personalführung nicht fernhalten. – Interaktive Personalführung passt damit weniger gut in demokratisch strukturierte Gesellschaften, bei der in der Regel gleichberechtigte Bürger:innen „auf Augenhöhe“ miteinander umgehen sollten. 📌 Interaktive Personalführung als Residualfaktor Zentrale These (nach Türk): Interaktive Personalführung soll nur dann eingesetzt werden, wenn strukturelle Führung nicht ausreicht, um Verhalten effektiv zu beeinflussen. ⸻ 🧠 Was meint **“Residualfaktor”? Ein Residualfaktor ist das, was übrig bleibt, nachdem alle anderen Mittel ausgeschöpft wurden. 👉 Also: Interaktive Führung wird nicht als erste Wahl, sondern nur als ergänzende Notwendigkeit gesehen, wenn strukturelle Führung (wie Regeln, Systeme, Anreize) nicht ausreicht. ⸻ 🧾 Begründungen für diese Sichtweise 1. ⚠️ “Unterwerfung” unter Herrschaft * Interaktive Führung ist asymmetrisch: Eine Person (Führungskraft) ordnet an, die andere folgt. * Das kann als unzeitgemäß autoritär gelten – besonders in einer demokratisch orientierten Gesellschaft mit Gleichheitsanspruch. 2. 🎭 Subjektivität und Idiosynkrasie * Interaktive Führung kann nicht objektiv erfolgen. Sie ist immer geprägt von persönlichen Eigenheiten: * z.B. Führungsstil, Stimmung, Menschenbild, persönliche Machtinteressen * Das führt zu Intransparenz und Willkürgefahr. 3. 🧑‍🤝‍🧑 Unpassend für demokratische Gesellschaften * In demokratischen Gesellschaften herrscht das Ideal von Augenhöhe, Gleichberechtigung und gegenseitigem Respekt. * Interaktive Führung widerspricht diesem Ideal, weil sie oft eine Hierarchie und Ungleichheit zementiert. ⸻ 🔄 Rückblick zur Einordnung: Führungsform Beurteilung nach Türk Strukturelle Führung Neutral, sachlich, objektivierbar Interaktive Führung Risiko: subjektiv, hierarchisch, autoritär Fazit Nur wenn strukturelle Instrumente nicht reichen, ist interaktive Führung notwendig (Residualfaktor) 🧩 Kritische Diskussion: Natürlich ist diese Sichtweise nicht alternativlos. Moderne Führungsansätze (z. B. transformationale Führung) zeigen, dass interaktive Elemente wie Inspiration, Kommunikation, Fairness wichtig und wertschätzend sein können. Aber Türk betont die Gefahr einer zu starken personengebundenen Machtausübung, die schwer kontrollierbar ist und in modernen Organisationen problematisch wirken kann. ⸻ ✅ Merksatz: Interaktive Führung ist kein Allheilmittel. Laut Türk sollte sie nur eingesetzt werden, wenn strukturierte Systeme an ihre Grenzen stoßen.
32
# 2.3. Macht und Einfluss Macht und Einfluss
* Zentraler Kern der Personalführung ist die Beeinflussung des Verhaltens von Mitarbeiter:innen durch die Führungsperson * findet in Wirtschaftsorganisationen innerhalb eines hierarchischen Verhältnisses statt, nicht durch freien Austausch zwischen gleichberechtigten und gleichstarken Partner:innen * Macht und Einfluss sind auf die Rollen von Vorgesetzten und Mitarbeiter:innen ungleich verteilt → Relevanz der Fragen nach Macht und Einfluss, ihren Quellen und Mitteln für die Personalführung
33
# 2.3. Macht und Einfluss Begriffe Macht und Einfluss
* Macht – Potential, das Verhalten anderer zu beeinflussen, ggf. auch gegen deren Widerstreben – notwendige Voraussetzung von Einfluss * Einfluss – tatsächliche Nutzung des (Macht-)Potentials – tatsächliche Absicherung/Sicherstellung des Beitrags von anderen Personen, um ein Ziel zu erreichen 🧠 1. Begriff: Macht Definition: Macht ist ein Potenzial, das Verhalten anderer Personen zu beeinflussen – auch gegen deren Willen oder Widerstand. Merkmale: * Macht ist eine Möglichkeit, aber keine Handlung an sich. * Sie basiert auf: * Ressourcen (z. B. Geld, Information, Netzwerk) * Position (z. B. Hierarchieebene) * Wissen oder Kontrolle * Macht ist nicht immer sichtbar, aber sie ist wirksam, wenn nötig. Beispiel: Ein Abteilungsleiter hat die Macht, einem Mitarbeiter Urlaub zu verweigern – auch wenn der Mitarbeiter das nicht will. ⸻ 🧠 2. Begriff: Einfluss Definition: Einfluss ist die tatsächliche Ausübung dieses Machtpotenzials – also die konkrete Verhaltensbeeinflussung einer anderen Person. Merkmale: * Einfluss ist sichtbar: Man sieht, dass jemand auf jemand anderen einwirkt. * Einfluss bedeutet, dass jemand versucht, andere zur Mitarbeit zu bewegen, um ein Ziel zu erreichen. * Einfluss kann auch ohne Widerstand ausgeübt werden. Beispiel: Die Führungskraft nutzt ein Gespräch, um den Mitarbeiter zu motivieren, an einem unangenehmen Projekt zu arbeiten. Das ist Einfluss, auch ohne Zwang.
34
# 2.3. Macht und Einfluss Machtorientierungen
* Institutionelle Machtorientierung: Einsatz von Macht, um organisationale Ziele zu erreichen * Persönliche Machtorientierung: Einsatz von Macht, um persönliche, individuelle Ziele zu erreichen → Bewertung des Einsatzes von Macht hängt von Machtorientierungen/ den verfolgten Zielen ab → Ziele des Einsatzes von Macht können situativ schwanken
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# 2.3. Macht und Einfluss Machtbasen nach French/Raven **S71**
**S71** 🟣 1. Sanktionsmacht (reward & coercive power) ➤ „Macht durch Belohnung oder Bestrafung“ Erklärung: Die mächtige Person kann andere belohnen (z. B. Prämien, Beförderung) oder bestrafen (z. B. Kritik, Kürzung von Privilegien). Diese Macht wirkt über Verhaltenssteuerung durch Konsequenzen. Praxisbezug: * „Wenn du das nicht machst, bekommst du keine Schicht am Wochenende (mit Trinkgeld).“ * „Wer gut arbeitet, bekommt eine Bonuszahlung.“ Risiko: Führt schnell zu extrinsischer Motivation, aber nicht unbedingt zu Loyalität. ⸻ 🔵 2. Positionsmacht (legitime Macht) ➤ „Macht durch formale Stellung“ Erklärung: Die mächtige Person hat aufgrund ihrer organisatorischen Position das Recht, Anweisungen zu geben. Praxisbezug: * „Ich bin die Filialleitung, also entscheide ich, wer Frühschicht hat.“ * Mitarbeiter akzeptieren diese Macht, weil sie „systemisch legitim“ ist. Wichtig: Diese Macht wird durch Organisation verliehen, nicht durch persönliche Fähigkeiten. ⸻ 🟠 3. Expertenmacht (expert power) ➤ „Macht durch Wissen“ Erklärung: Die mächtige Person besitzt Wissen oder Fähigkeiten, die andere brauchen – sie gilt als kompetent und zuverlässig. Praxisbezug: * „Ich frage Sarah, weil sie die Einzige ist, die Excel wirklich versteht.“ * Menschen folgen freiwillig, weil sie glauben, dass die Person den besten Weg kennt. Sehr nachhaltige Machtbasis – oft verbunden mit Respekt. ⸻ 🟢 4. Charismatische Macht / Vorbildmacht (referent power) ➤ „Macht durch Bewunderung und Identifikation“ Erklärung: Die mächtige Person wird bewundert – wegen Persönlichkeit, Auftreten oder Werten. Andere wollen so sein wie sie oder ihr gefallen. Praxisbezug: * „Ich mache das für meinen Teamleiter, weil er sich immer für uns einsetzt.“ * Diese Macht wirkt über emotionale Bindung. Besonders stark in Start-ups oder in kulturell geführten Organisationen. ⸻ 🧩 Ergänzung (nicht in der Tabelle): 🔘 Informationsmacht – basiert darauf, dass jemand den Zugang zu Informationen kontrolliert. – Beispiel: „Nur ich habe die Zahlen aus dem letzten Meeting – alle müssen zu mir kommen.“ ⸻ 📊 Zusammengefasst in einer Matrix: Machtbasis Erzeugt Gefolgschaft durch … Typisch für … Sanktionsmacht Angst vor Strafe / Hoffnung auf Belohnung autoritäre Führung Positionsmacht formale Autorität klassische Hierarchie Expertenmacht Vertrauen in Kompetenz Fachkräfte, Beratende, Coaches Charismatische Macht Identifikation, Bewunderung charismatische Persönlichkeiten, Visionäre Informationsmacht (ergänzt) Zugang zu exklusiven Informationen Strategisches Management, „Gatekeeper“
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# 2.3. Macht und Einfluss Formen der Macht und Machtbasen **S72**
**S72** 🟦 PERSONENBEZOGENE MACHT Hier kommt die Macht aus der Person selbst – ihrem Verhalten, ihrer Ausstrahlung oder ihrem Wissen. Machtbasis Erklärung Expert:innenmacht Macht durch spezifisches Wissen und Erfahrung, das andere brauchen. Beispiel: „Nur Lisa weiß, wie die neue Kaffeemaschine funktioniert.“ Persönliche Attraktivität Macht durch Sympathie, Freundlichkeit, Erscheinung, Humor. Führt zu freiwilliger Gefolgschaft. Beispiel: „Mit David arbeite ich gern zusammen – der ist immer gut drauf.“ Einsatz und Anstrengung Macht durch hohe Einsatzbereitschaft, Engagement, Verlässlichkeit. Beispiel: „Man kann sich auf Ayla immer verlassen – sie gibt 110 %.“ Legitimität des Verhaltens Macht durch Werte- und Zielorientierung. Man folgt der Person, weil sie sich „richtig“ verhält. Beispiel: „Er steht für das, was das Unternehmen will.“ 🟪 POSITIONSBEZOGENE MACHT Hier entsteht Macht durch die Funktion oder Rolle in der Organisation. Machtbasis Erklärung Zentralität der Position Macht durch gute Vernetzung, zentrale Schnittstellen. Beispiel: „Sarah sitzt im Einkauf – sie kennt alle und hat Einblick in fast alles.“ Flexibilität der Position Macht durch großen Entscheidungsspielraum. Beispiel: „In meiner Rolle als Schichtleitung kann ich spontan entscheiden, wie wir Pausen machen.“ Sichtbarkeit der Position Macht, weil eigene Leistungen für relevante Entscheider:innen sichtbar sind. Beispiel: „Der arbeitet direkt mit der Geschäftsführung – was er macht, fällt auf.“ Relevanz der Position Macht durch strategische Bedeutung der Aufgabe. Beispiel: „Marketing bringt uns neue Kunden – wenn sie versagen, verliert die Firma Umsatz.“ 📌 Anwendungstipp für die Klausur: Diese Tabelle hilft dir z. B. bei Fragen wie: * „Wie kann eine Führungskraft ohne formale Autorität trotzdem Macht ausüben?“ → Antwort: über personenbezogene Machtbasen (Expertise, Sympathie, Einsatz). * „Welche strukturellen Bedingungen erhöhen die Macht einer Position?“ → Antwort: Zentralität, Sichtbarkeit, Relevanz und Flexibilität.
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# 2.3. Macht und Einfluss Abhängigkeit als Schlüssel zu Macht(basen)
* Alle Machtbasen lassen sich auf ein gemeinsames Konstrukt zurückführen: Abhängigkeit * Macht ist eine Funktion der Abhängigkeit anderer Personen: Je größer die Abhängigkeit des A von B, desto größer die Macht des B gegenüber A * Die Abhängigkeit einer Person A von Person B steigt mit – höherer Bedeutung, – stärkerer Knappheit und – stärkerer Unersetzbarkeit der durch Person B kontrollierten Ressourcen oder Fähigkeiten (jeweils aus der Sicht von A)
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# 2.3. Macht und Einfluss Strategien der Einflussnahme – Die drei „R‘s“ - **S74**
**S74** 🔵 1. Retribution (Vergeltung, Bestrafung, Einschüchterung) Ziel: Andere zwingen, das zu tun, was man selbst will. * Direkte Form: – Zwang – Drohung * Indirekte Form: – Einschüchterung – Druck ausüben ➡️ Diese Strategie beruht auf der Ausnutzung von Macht, z. B. über Sanktionen oder Kontrolle. ⸻ 🟣 2. Reciprocity (Reziprozität, Aushandlung) Ziel: Andere dazu bringen, das tun zu wollen, was man selbst will. * Direkte Form: – Verhandeln – Belohnungen anbieten im Austausch für bestimmtes Verhalten * Indirekte Form: – Einschmeicheln – Sich verpflichten durch Gefälligkeiten ➡️ Diese Strategie basiert auf Austauschlogik und wechselseitigem Geben und Nehmen. ⸻ 🔵 3. Reason (Überzeugung, Vernunft) Ziel: Andere überzeugen, dass es sinnvoll ist, das zu tun, was man selbst will. * Direkte Form: – Präsentation von Fakten und sachlichen Argumenten * Indirekte Form: – Appellieren an persönliche Werte oder Ziele ➡️ Diese Strategie nutzt rationale Argumente und persönliche Überzeugungskraft.
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# 2.3. Macht und Einfluss Vor- und Nachteile der Einflussstrategien **S75**
**S75** 🔴 1. Retribution (Vergeltung, Bestrafung, Einschüchterung) Kategorie Inhalt Zwingende Voraussetzungen Ungleiche Machtverteilung zugunsten des Beeinflussers; Machtmittel müssen vorhanden sein Mögliche Vorteile Schnelle, direkte Aktion möglich Mögliche Nachteile Führt zu Ressentiments, Drohungen müssen ggf. wahrgemacht werden, behindert Commitment und Kreativität Mögliche Beschwerden Verletzung von Rechten und ethischen Prinzipien 🟣 2. Reciprocity (Reziprozität, Aushandlung) Kategorie Inhalt Zwingende Voraussetzungen Verhandlungszeit vorhanden; beide Parteien verfügen über Ressourcen, die für die andere interessant sind Mögliche Vorteile Löst wenig Ressentiments aus, geringer Rechtfertigungsbedarf Mögliche Nachteile Fördert instrumentelle Haltung (jede Leistung braucht eine Gegenleistung); ständige Verhandlungen nötig Mögliche Beschwerden Mangelnde Fairness, zerstörte Erwartungen, Manipulation 🔵 3. Reason (Überzeugung, Vernunft) Kategorie Inhalt Zwingende Voraussetzungen Gemeinsame Ziele, Zeit für Diskussion vorhanden Mögliche Vorteile Weniger Kontrollaufwand, nachhaltigere Wirkung Mögliche Nachteile Kann zeitaufwändig sein Mögliche Beschwerden Verwendung von Herrschaftswissen (Expertenwissen als Machthebel)
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# 2.3. Macht und Einfluss Einflusstaktiken (Kipnis et.al. 1984)
* Vernunft anwenden (eigenen Vorschlag mit Daten und Fakten unterlegt vertreten) * Freundlichkeit zeigen (eigenen Vorschlag durch Einschmeicheln, zuvorkommendes und respektvolles Verhalten befördern) * Koalition bilden (eigenen Vorschlag durch das Einholen der Unterstützung anderer befördern) * verhandeln (eigenen Vorschlag durch Angebot von Vergünstigun- gen oder Gefälligkeiten befördern) * Durchsetzungsstärke zeigen (direkt und nachdrücklich Gehorsam fordern, an Zusagen erinnern, auf Regeln hinweisen) * an höhere Autoritäten appellieren (übergeordnete Autoritäten um Unterstützung anrufen) * Sanktionen androhen (verfügbare Belohnungen und Bestrafungen einsetzen) 🧠 1. Vernunft anwenden * Taktik: Den eigenen Vorschlag durch Daten, Fakten, logische Argumente stützen. * Ziel: Überzeugung durch Rationalität und Sachlichkeit. * Beispiel: „Diese Maßnahme spart laut Analyse 20 % der Kosten.“ ⸻ 😊 2. Freundlichkeit zeigen * Taktik: Einschmeicheln, höfliches, respektvolles, zwischenmenschlich angenehmes Verhalten. * Ziel: Aufbau von Sympathie und Wohlwollen. * Beispiel: „Ich weiß, wie sehr du dich immer für das Projekt einsetzt…“ ⸻ 🤝 3. Koalition bilden * Taktik: Verbündete suchen, Unterstützung Dritter einholen. * Ziel: Gruppendruck oder kollektive Legitimation erzeugen. * Beispiel: „Anna und Felix unterstützen meinen Vorschlag auch.“ ⸻ 💬 4. Verhandeln * Taktik: Gegenseitige Vorteile anbieten, z. B. Tausch von Gefälligkeiten oder Belohnungen. * Ziel: Anreize schaffen, um Zustimmung zu fördern. * Beispiel: „Wenn du das übernimmst, kann ich dir nächste Woche helfen.“ ⸻ ⚠️ 5. Durchsetzungsstärke zeigen * Taktik: Klarheit, Nachdruck, auf Regeln oder Zusagen verweisen. * Ziel: Autorität geltend machen, Druck ausüben. * Beispiel: „Wie vereinbart, musst du das heute abgeben.“ ⸻ 🧑‍⚖️ 6. An höhere Autoritäten appellieren * Taktik: Unterstützung durch übergeordnete Stellen einfordern. * Ziel: Legitimation oder Druck durch Hierarchie. * Beispiel: „Die Geschäftsführung hat diese Vorgehensweise genehmigt.“ ⸻ 🔒 7. Sanktionen androhen * Taktik: Belohnungen in Aussicht stellen oder Strafen androhen. * Ziel: Verhalten durch Aussicht auf Konsequenzen beeinflussen. * Beispiel: „Wenn das nicht erledigt wird, gibt es Konsequenzen bei der Leistungsbewertung.“ ⸻ 📌 Hinweis: Diese Taktiken lassen sich den vorher besprochenen Einflussstrategien (Retribution, Reciprocity, Reason) zuordnen: Taktik Strategie Vernunft anwenden Reason Freundlichkeit, Verhandeln Reciprocity Koalition, Appell an Autorität Mischformen Durchsetzungsstärke, Sanktionen Retribution
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# 2.3. Macht und Einfluss Mikropolitik: Macht in Aktion
* Ausübung von Macht in Organisationen wird häufig auch als „Mikropolitik“ bezeichnet. Manche Autor:innen bezeichnen sämtliches Verhalten, in dem Macht eine Rolle spielt, als mikropolitisches Verhalten, andere nur negativ bewertetes Verhalten. * Mögliche konzeptionelle Abgrenzung: Mikropolitik ist – Verhalten, welches nicht zu den formalen Rollenanforderungen gehört, bzw. – Verhalten, welches (nur) aus einer persönlichen Machtorientierung und nicht aus einer institutionellen Machtorientierung entsteht. * Im empirischen Einzelfall lässt sich diese Unterscheidung jedoch in der Realität kaum sicher treffen: Wo Menschen in Gruppen zusammen sind, wird Macht ausgeübt. Rollenanforderungen sind häufig nicht genau definiert. 📌 Mikropolitik – Macht in Aktion 🧠 Was bedeutet Mikropolitik? * Mikropolitik bezeichnet die konkrete Ausübung von Macht in Organisationen – also wie Macht in der täglichen Praxis wirkt. * Der Begriff wird nicht einheitlich verwendet: * Weite Definition: Jede Machtausübung ist Mikropolitik. * Enge/negative Definition: Nur strategisches, eigennütziges, oft verdecktes Verhalten gilt als Mikropolitik (z. B. Intrigen, Manipulation). ⸻ 🔍 Abgrenzung zur offiziellen Macht Mikropolitik ist… * nicht Teil der formalen Rolle (z. B. eine Führungskraft beeinflusst informell ein Projektteam, ohne offiziellen Auftrag), * nicht institutionell legitimiert, sondern persönlich motiviert (z. B. Selbstprofilierung, Machterhalt, Zugang zu Ressourcen). 💡 Beispielhafte mikropolitische Verhaltensweisen: * „Kaffeeküchen-Koalitionen“ schmieden, * Informationen strategisch weitergeben oder zurückhalten, * Sympathien beeinflussen oder Allianzen bilden. ⸻ ⚠️ Empirisches Problem: * In der Praxis schwer zu trennen, ob Verhalten: * legitim oder eigennützig motiviert ist, * Teil der Aufgabe oder mikropolitisch ist – Rollen sind oft unscharf definiert. — 🧩 Fazit: Mikropolitik ist unausweichlich, wo Menschen zusammenarbeiten – sie ist ein Teil organisationaler Realität. Ihre Bewertung hängt vom Kontext und der Wirkung ab: sie kann produktiv oder destruktiv wirken.
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# 2.3. Macht und Einfluss