4 Interaktive Personalführung Flashcards

(56 cards)

1
Q

4.1. Eigenschaftsansatz der Führung

Eigenschaftsansatz der Führung

A
  • vorwiegend auf die individuellen, charakterlichen
    Einflussfaktoren
    auf das Führungsverhaltens konzentriert
  • Mittelpunkt der Aufmerksamkeit: Führungsperson mit
    ihren Eigenschaften
  • Zentrales Erkenntnisinteresse der Theorie: Identifizierung
    von solchen Persönlichkeitseigenschaften und Charak-
    terzügen, die erfolgreiche von erfolglosen Führungs-
    personen unterscheiden
  • Zentrale Hypothesen:
    Eigenschaften determinieren die Möglichkeit, Führungshand-
    lungen auszuführen
    ;
    Determinanten aus der Situation, in der geführt wird, und
    Determinanten aus dem Bereich der Geführten kommt im
    Vergleich zu den Eigenschaften der Führungsperson eine
    untergeordnete Rolle zu.

😃 😃 😃 😃 😃 😃 😃 😃CHAT 😃 😃 😃 😃 😃 😃 😃 😃 😃

🧭 Was ist der Eigenschaftsansatz der Führung?

Der Eigenschaftsansatz geht davon aus, dass Führungserfolg auf bestimmten stabilen Persönlichkeitsmerkmalen einer Führungsperson beruht.
Im Fokus steht also die Führungskraft selbst, nicht ihre Umgebung oder die Geführten.

🧑‍💼 Kernaussagen des Ansatzes:

🎯 Ziel der Theorie:
* Identifikation jener Persönlichkeitseigenschaften, die erfolgreiche Führungskräfte von weniger erfolgreichen unterscheiden.

🔍 Zentrale Hypothesen:
1. Persönlichkeitseigenschaften bestimmen, ob eine Person überhaupt fähig ist zu führen.
2. Situative Faktoren (z. B. Merkmale der Gruppe, Organisationskultur) oder Merkmale der Geführten sind weniger relevant als die Eigenschaften der Führungsperson.

🧠 Beispiele für typische untersuchte Eigenschaften:
* Intelligenz
* Selbstvertrauen
* Durchsetzungsfähigkeit
* Dominanz
* Sozialkompetenz
* Integrität

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Q

4.1. Eigenschaftsansatz der Führung

Begriff der Eigenschaften

Halo-Effekt

A

Begriff der Eigenschaften

* relativ breite und zeitlich relativ stabile Dispositionen zu
bestimmten Verhaltensweisen, die konsistent in
verschiedenen Situationen
bei einer Person auftreten.

  • Eigenschaft selbst** lässt sich nicht beobachten, sondern
    nur aus einem
    beobachteten Verhalten** schlussfolgern
  • Eigenschaften als soziale Konstrukte (Eigenschaft als
    das soziale Konstrukt, mit welchem die Beobachtenden
    ein beobachtetes Verhalten erklären/interpretieren)
  • Breites Feld von Personenmerkmalen wurde in der
    Vergangenheit untersucht - darunter auch Eigenschaf-
    ten, die keine überzeugenden kausalen Einflussfaktoren
    auf Führungserfolg darstellen können, wohl aber mit
    Führungserfolg korrelieren könnten (z.B. Alter, Gewicht,
    Körpergröße,…)

🧬 Begriff der Eigenschaften (in der Führungstheorie)

📌 Definition:
* Eigenschaften sind zeitlich relativ stabile, über Situationen hinweg konsistente Dispositionen (Neigungen), bestimmte Verhaltensmuster zu zeigen.
* Sie beschreiben nicht das Verhalten selbst, sondern eine verhaltensprägende Tendenz.

👁️‍🗨️ Beobachtbarkeit:
* Eigenschaften sind nicht direkt beobachtbar.
* Sie werden aus dem Verhalten indirekt erschlossen – z. B.:
„Diese Führungskraft zeigt oft Selbstsicherheit → sie scheint extravertiert zu sein.“

🧠 Eigenschaften als soziale Konstrukte:
* Eigenschaften sind oft Interpretationen von Beobachtenden, um Verhalten zu erklären.
* Beispiel: Wenn jemand oft Verantwortung übernimmt, sagen wir, er oder sie sei „verantwortungsbewusst“ – aber das ist eine Zuschreibung, kein objektives Merkmal.

⚠️ Wissenschaftlicher Hinweis:
* Manche körperliche oder demografische Merkmale (z. B. Größe, Alter, Geschlecht) korrelieren statistisch schwach mit Führungserfolg –
→ aber sie sind keine kausalen Eigenschaften, die Führung direkt beeinflussen!
* Sie können allerdings soziale Wahrnehmung oder Zuschreibungen beeinflussen (→ z. B. Halo-Effekt).

🧠 Klausur-Merksatz:

Eigenschaften sind dauerhafte Verhaltenstendenzen, die man nicht sieht, sondern aus Verhalten erschließt – sie helfen, Führungserfolg zu verstehen, aber nicht immer zu erklären.

Ex-Kurs:

Halo effekt
Der Halo-Effekt ist ein kognitiver Verzerrung, bei dem eine Person anhand eines ausgewählten Merkmals beurteilt wird, wobei dieses Merkmal das gesamte Bild der Person beeinflusst.
Zu den klassischen Beispielen für den Halo-Effekt zählt das Beurteilen von Menschen nach ihrer Kleidung.
Der Halo-Effekt kann dazu führen, dass andere Eigenschaften einer Person in den Hintergrund rücken oder sogar falsch eingeschätzt werden.
Ein Beispiel dafür ist, wenn jemand aufgrund eines positiven Eindrucks, wie Attraktivität oder guter Kleidung, annimmt, dass die Person auch andere positive Eigenschaften hat.
Der Effekt kann auch im Rekrutierungsprozess auftreten, wenn der erste Eindruck die echten Eigenschaften von Bewerbern überschattet.

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3
Q

4.1. Eigenschaftsansatz der Führung

Merkmale von Führungspersonen, die
effektive Führung begünstigen

A

Merkmale von Führungspersonen, die
effektive Führung begünstigen

  1. high energy level and stress tolerance (Stresstoleranz, Belastbarkeit)
  2. self-confidence (Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen)
  3. internal locus of control orientation (hohe interne
    Kontrollüberzeugung)
  4. emotional maturity (emotionale Reife)
  5. personal integrity (persönliche Integrität, Anstand,
    Rechtschaffenheit)
  6. socialized power motivation ( „sozialisiertes“ Machtmotiv)
  7. moderately high achievement orientation (mittelhohe
    Leistungsorientierung)
  8. low need for affiliation (geringes Zugehörigkeitsbedürfnis)

⭐ Schlüsselmerkmale effektiver Führungspersonen

Nr.
Merkmal
Bedeutung / Erklärung
1
High energy level & stress tolerance(Stresstoleranz, Belastbarkeit)
Fähigkeit, auch unter Druck leistungsfähig und handlungsfähig zu bleiben
2
Self-confidence(Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen)
Glaube an die eigene Fähigkeit, andere zu führen; wirkt sich positiv auf das Auftreten aus
3
Internal locus of control(Interne Kontrollüberzeugung)
Überzeugung, dass man das eigene Schicksal selbst beeinflussen kann – nicht von äußeren Umständen abhängig
4
Emotional maturity(Emotionale Reife)
Fähigkeit zur Selbstreflexion, Impulskontrolle und konstruktivem Umgang mit Emotionen
5
Personal integrity(Integrität, Anstand)
Ehrlichkeit, Verlässlichkeit, moralische Prinzipientreue → schafft Vertrauen
6
Socialized power motivation(„Sozialisiertes“ Machtmotiv)
Wunsch, Einfluss zum Wohl der Gruppe auszuüben (nicht egoistisch)
7
Moderately high achievement orientation(Mittelhohe Leistungsorientierung)
Ehrgeiz, Ziele zu erreichen, ohne dabei ungeduldig oder überambitioniert zu sein
8
Low need for affiliation(Geringes Zugehörigkeitsbedürfnis)
Fähigkeit, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen; nicht zu stark vom Wunsch nach Harmonie getrieben

📚 Hinweis zur Motivationstheorie von McClelland:

Diese Merkmale spiegeln zentrale Motive aus McClellands Theorie wider:
* Leistungsmotiv (achievement)
* Machtmotiv (power)
* Anschlussmotiv (affiliation)

👉 Effektive Führungskräfte haben laut McClelland typischerweise:
* hohes Machtmotiv (sozialisiert!)
* mittelhohes Leistungsmotiv
* geringes Anschlussmotiv

🧠 Klausur-Merksatz:

Gute Führung braucht Energie, Selbstvertrauen, innere Steuerung, Reife und den Willen, für andere Verantwortung zu übernehmen – nicht, allen gefallen zu wollen.

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4
Q

4.1. Eigenschaftsansatz der Führung

Personale Determinanten von
Führungserfolg (vgl. Felfe 2009, S. 24f)

A
  • Felfe untersucht Zusammenhang Führungserfolg und BIG
    FIVE Persönlichkeitsmerkmale aus der Psychologie
  • Alle fünf Dimensionen des sog. BIG FIVE-Modells weisen
    eine positive Korrelation mit Führungserfolg auf:

– Gewissenhaftigkeit (r = 0,16)
– Emotionale Stabilität ( = 0,22)
– Verträglichkeit (r = 0,21)
– Extraversion (r = 0,24)
– Offenheit (r = 0,24)

  • Aber man findet partiell höhere Korrelationen für:

– Durchsetzungsvermögen (r = 0,37)
– Leistungsmotivation (r = 0,35)
– Selbstbewusstsein (r = 0,19)
– Intelligenz (r = 0,52)

🧾 Interpretation: Alle Merkmale sind förderlich, aber nicht allein entscheidend für Führungserfolg.

❗ Intelligenz ist der stärkste Einzelprädiktor für Führungserfolg in Felfes Untersuchung.

🧠 Fazit für die Klausur:

Führungserfolg ist mehrdimensional bedingt – Persönlichkeit (Big Five), kognitive Fähigkeiten, sowie Leistungsmotivation und Durchsetzungsfähigkeit wirken zusammen.

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5
Q

4.1. Eigenschaftsansatz der Führung

Emotionale Intelligenz

A
  • Emotionale Intelligenz bezeichnet ein Bündel von nicht-
    kognitiven Merkmalen einer Person:

– Selbstwahrnehmung: erkennen der eigenen Gefühle
– Selbstmanagement: eigene Gefühle und Impulse handhaben
– Selbstmotivation: bei Rückschlägen und Misserfolgen
standhalten
– Empathie: erkennen, was andere fühlen
– Soziale Fähigkeiten: mit den Emotionen anderer umgehen

  • Grundthese der jüngeren Forschung zu Emotionaler
    Intelligenz: „Menschen mit hoher Emotionaler Intelligenz
    sind beruflich erfolgreicher“
  • Diese Grundthese findet empirisch durchaus einiges an
    Unterstützung

📈 Bedeutung im Berufsleben:
* Die Grundthese vieler Studien:
„Menschen mit hoher emotionaler Intelligenz sind im Beruf erfolgreicher.“
* Warum?
* Sie können besser führen, besser mit Konflikten umgehen, bessere Beziehungen aufbauen.
* Sie sind stressresistenter, kommunikationsstärker, und oft besser im Team.
* Empirische Studien zeigen:
* Positive Korrelation zwischen emotionaler Intelligenz und Führungserfolg, Teamleistung und beruflichem Aufstieg.

🧠 Klausur-Merksatz:

Emotionale Intelligenz bedeutet, eigene und fremde Gefühle klug zu steuern – sie ist eine Schlüsselkompetenz moderner Führung.

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6
Q

4.1. Eigenschaftsansatz der Führung

Kritische Würdigung

A
  • Über „Eigenschaften“ kann ein Teil der Varianz im Führungserfolg
    erklärt werden
  • Als zentrale bzw. dominant verwendete Führungstheorie gilt die
    Eigenschaftstheorie dennoch als veraltet und überholt, weil auch
    Verhalten, Geführte, Situationsbedingungen etc. Führungserfolg
    jeweils partiell erklären:
  • Eigenschaften spielen in relativ unstrukturierten (sog. „schwachen“)
    Situationen eine potentielle größere Rolle für das Verhalten und den
    Führungserfolg als in strukturierten (sog. „starken“) Situationen
  • Sind Verhältnisse in Organisationen relativ stark strukturiert, sinkt
    der potentielle Beitrag der Eigenschaften zur Prognose von
    Führungserfolg
  • In der Personalauswahl wird häufig nach Eigenschaften von
    Personen gesucht, die Führungserfolg prognostizieren können.
  • In verschiedenen politischen Arenen spielt die eigenschaftsge-
    steuerte Suche nach dem „Great Man“ eine bedeutende Rolle;
    (historisch relevanter) Zusammenhang zu Unsicherheit?
  • Das Kriterium des Führungserfolges muss spezifiziert
    werden, um die Prognose- und Erklärungskraft von
    Eigenschaften zu spezifizieren.
  • Genereller Führungserfolg ist z.B. schlechter
    vorhersagbar als spezifischer Erfolg in der
    Nachwuchsförderung oder bei der Steigerung von
    Verkaufszahlen.
  • Messung von Eigenschaften ist häufig noch höchst
    invalide (Validität: Gültigkeit, beantwortet die Frage, ob
    das gemessen wird, was gemessen werden soll).
  • Unterschiedliche Eigenschaften können ggf. unter-
    schiedliche Grade von Stabilität aufweisen.
  • Als Abstraktionen von Person-Situations-Interaktionen
    könnten Eigenschaften auch situationsvariabel sein – in
    bestimmten Situationen zeigt jemand dieses Verhalten,
    aus dem Eigenschaft X gefolgert wird, in anderen
    Situationen jenes Verhalten, aus dem Eigenschaft Z
    gefolgert wird.

🧠 Kritische Würdigung der Eigenschaftstheorie der Führung

✅ Stärken:
* Eigenschaften können einen Teil des Führungserfolgs erklären, z. B. durch Big Five, Intelligenz, emotionale Intelligenz.
* Besonders in unstrukturierten („schwachen“) Situationen können Persönlichkeitseigenschaften stark wirken, da es wenig klare Regeln gibt (z. B. Start-ups, Krisensituationen).
* Auch heute noch relevant in der Personalauswahl und in öffentlichen Erwartungshaltungen („Great Man“-Narrativ).

❌ Schwächen / Kritikpunkte:

Kritikpunkt
Erklärung

🔸 Nicht allein entscheidend
Führungserfolg hängt nicht nur von Eigenschaften ab, sondern auch von Verhalten, Situation und Merkmalen der Geführten.
🔸 Begrenzte Prognosekraft in strukturierten Organisationen
In stark geregelten Umfeldern („starke Situationen“) wird das Verhalten weniger durch Persönlichkeit, mehr durch Regeln, Rollen oder Technik bestimmt.
🔸 Messprobleme
Die Validität (Gültigkeit) der Eigenschaftsmessung ist oft fraglich – misst man wirklich das, was man zu messen glaubt?
🔸 Unklare Definition von Führungserfolg
Was heißt „erfolgreiche Führung“? → Ohne genaue Erfolgskriterien (z. B. Mitarbeiterbindung vs. Umsatzziele) sind Eigenschaften schwer einzuordnen.
🔸 Eigenschaften sind kontextabhängig
Verhalten (und damit zugeschriebene Eigenschaften) ist oft situationsspezifisch: dieselbe Person kann je nach Kontext ganz unterschiedlich erscheinen.

📌 Fazit:

Die Eigenschaftstheorie bietet wichtige Grundlagen, ist aber nicht hinreichend, um Führungserfolg umfassend zu erklären.
Moderne Ansätze kombinieren sie mit Verhaltens-, situativen und interaktionistischen Modellen.

🧠 Klausur-Merksatz:

Eigenschaften sind wichtig – aber ohne Kontext bleiben sie blind. Führung entsteht im Zusammenspiel von Person, Situation und Verhalten.

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7
Q

4.2.1. Definition und Klassifikation von Führungsstilansätzen

Definition Führungsstil

A

Führungsstil:

  • die typische, dauerhaft bzw. wiederkehrend gezeigte Art
    und Weise
    , in der Vorgesetzte ihre Mitarbeiter führen.
  • Verhalten, welches von Führungspersonen gegenüber
    ihren Mitarbeitern im Führungsalltag typischer Weise
    gezeigt wird; erkennbare Muster oder Grundaus-
    richtungen im Führungsverhalten.
  • Es geht damit** nicht um das gesamte Spektrum **der
    Verhaltensweisen, die im Verhalten eines Vorgesetzten
    möglicherweise auftreten: z.B. gehört Verhalten in
    Extremsituationen,
    unter besonderer Anspannung oder
    in außerordentlich kritischen Situationen
    bzw. nur
    vereinzelt oder selten auftretendes Verhalten nicht zum
    Führungsstil.

🔍 Kernaussagen zur Definition:

Aspekt
Beschreibung

🎯 Kernidee
Der Führungsstil ist ein erkennbares Verhaltensmuster einer Führungskraft im Alltag.
🔁 Stabilität
Er ist nicht situativ oder spontan, sondern zeigt sich dauerhaft und regelmäßig.
👥 Beziehungsorientierung
Bezieht sich immer auf das Verhalten gegenüber den Mitarbeitenden – also auf die Führung der Menschen, nicht auf z. B. Technik, Prozesse o. Ä.
🚫 Abgrenzung
Verhalten in Ausnahme- oder Extremsituationen (z. B. Krisen, Notfälle) gehört nicht zum Führungsstil – weil es nicht typisch oder dauerhaft ist.

🧠 Klausur-Merksatz:

Der Führungsstil beschreibt das typische und wiederkehrende Verhalten einer Führungskraft gegenüber Mitarbeitenden – nicht das Verhalten in Ausnahmesituationen.

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8
Q

4.2.1. Definition und Klassifikation von Führungsstilansätzen

Merkmale zur Unterscheidung von
Führungsstilen

A

Häufig verwendete Merkmale zur Unterscheidung von
Führungsstilen:

Eindimensionale Führungsstilansätze:
* Aufteilung der Entscheidungskompetenzen zwischen
Mitarbeitern und Vorgesetzten

Mehrdimensionale Führungsstilansätze:
* Ausmaß der Mitarbeiterorientierung, Betonung der
Mitarbeiterinteressen, Eingehen auf soziale Belange der
Mitarbeiter
* Ausmaß der Sachorientierung, Betonung der sachlichen
Ziele der Arbeitsgruppe, Verfolgung der wirtschaftlichen
Interessen des Unternehmens

Häufig verwendete Merkmale zur Unterscheidung von
Führungsstilen:

Normative Führungsstilansätze:
* Geben Empfehlungen zu gutem oder optimalem
Führungsverhalten

Deskriptive Führungsstilansätze:
* Unterscheiden und beschreiben in der Realität
auftretende Führungsstile, ohne diese zu bewerten bzw.
ohne „beste“ Stile zu empfehlen

  1. 🔹 Eindimensionale vs. Mehrdimensionale Ansätze

Merkmal
Beschreibung

Eindimensional
Fokus auf ein zentrales Kriterium – z. B. Grad der Entscheidungsbeteiligung (autoritär vs. demokratisch).
Beispiel
Lewins Führungsstile (autoritär – demokratisch – Laissez-faire).

Mehrdimensional
Berücksichtigt mehrere Kriterien gleichzeitig, z. B.:– Mitarbeiterorientierung (soziale Aspekte, Fürsorge)– Aufgaben-/Sachorientierung (Zielerreichung, Effizienz).
Beispiel
Managerial Grid nach Blake & Mouton.

  1. 🧭 Normativ vs. Deskriptiv

Merkmal
Beschreibung

Normativ
Gibt Empfehlungen, wie gute Führung aussehen sollte.→ Ziel: Optimierung des Führungsverhaltens.
Beispiel
Situativer Führungsstil nach Hersey & Blanchard: Führung soll sich je nach Reifegrad der Mitarbeitenden anpassen.

Deskriptiv
Beschreibt, welche Führungsstile es tatsächlich gibt, ohne zu bewerten.→ Fokus liegt auf Analyse & Verständnis.
Beispiel
Soziologische oder empirische Untersuchungen zu beobachtbaren Führungsstilen.

🧠 Klausur-Merksatz:

Eindimensionale Modelle fokussieren auf ein Merkmal wie Machtverteilung; mehrdimensionale Modelle kombinieren z. B. Mitarbeiter- und Sachorientierung.
Normative Ansätze geben Empfehlungen, deskriptive Ansätze beschreiben nur.

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9
Q

4.2.1. Definition und Klassifikation von Führungsstilansätzen

Führungsstile - Situationsvariablen

A

Ansätze, die normative Empfehlungen oder deskriptive
Aussagen zum situativen Einsatz von Führungsstilen geben,
verwenden häufig folgende Variablengruppen zur
Beschreibung der Situation i.w.S.:

  • Charakteristika der Vorgesetztenseite (z.B.
    Positionsmacht, Erfahrungen, Wissensstand)
  • Charakteristika der Mitarbeiterseite (z.B. Qualifikation,
    Motivation, Reife der Mitarbeiter)
  • Charakteristika der Führungsbeziehung (z.B. Qualität der
    Führungsbeziehung)
  • Charakteristika der Führungssituation i.e.S. (z.B.
    Beschaffenheit der Entscheidungssituation,
    Aufgabenstruktur).

📘 Führungsstile – Situationsvariablen

Situative Führungsansätze (z. B. Hersey & Blanchard, Fiedler, Vroom & Yetton) gehen davon aus, dass kein Führungsstil per se „richtig“ oder „falsch“ ist – sondern dass der passende Führungsstil von der konkreten Situation abhängt.

Um diese Situation zu beschreiben, werden vier Variablengruppen herangezogen:

  1. 👤 Charakteristika der Vorgesetztenseite

Was bringt die Führungskraft selbst an Voraussetzungen mit?

*	Beispiele:
*	Positionsmacht (formale Autorität)
*	Erfahrung in Führungssituationen
*	Fachwissen und Problemlösekompetenz
*	Persönlichkeitsmerkmale (z. B. Selbstvertrauen, Stressresistenz)

  1. 👥 Charakteristika der Mitarbeiterseite

Wie „fähig“ und „willig“ sind die Geführten?

*	Beispiele:
*	Qualifikation (Fachkenntnisse, Berufserfahrung)
*	Motivation (Leistungsbereitschaft, Zielbindung)
*	Reifegrad (Selbstständigkeit, Verantwortungsbereitschaft)
*	Bedürfnis nach Anleitung oder Autonomie

  1. 🔄 Charakteristika der Führungsbeziehung

Wie ist die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden?

*	Beispiele:
*	Vertrauen und Loyalität
*	Kommunikationsqualität
*	Konflikthäufigkeit oder Harmonie
*	Gegenseitige Akzeptanz

  1. 🏗️ Charakteristika der Führungssituation im engeren Sinne

Wie sieht die konkrete Führungssituation aus?

*	Beispiele:
*	Aufgabenstruktur (klar vs. unklar)
*	Entscheidungskomplexität
*	Zeitdruck
*	Innovationsgrad / Routinegrad der Aufgabe

🧠 Klausur-Merksatz:

Situative Führungsstile passen den Führungsstil an die Eigenschaften der Führungskraft, der Mitarbeitenden, der Beziehung und der konkreten Aufgabe an.

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Q

4.2.2. Eindimensionale Führungsstilansätze

IOWA-Studien (Lewin et. al.)

A

IOWA-Studien (Lewin et. al.)
* Laborexperimente mit Kindern zur Wirkung
verschiedener Führungsstile
* 3 Führungsstile:
– Demokratischer Führungsstil (vorgegeben)
– Autokratischer Führungsstil (vorgegeben)
– Lassez-Faire-Führungsstil (im Experiment
entstanden)
* Unterscheidungsmerkmal der Führungsstile: Aufteilung
der Entscheidungskompetenz zwischen Mitarbeitenden
und Führungsperson

Zentrale Ergebnisse der IOWA-Studien

S157

🔬 Studienaufbau:
* Ort: Universität Iowa, USA
* Methode: Laborexperimente mit Kindergruppen (z. B. beim Basteln, Malen)
* Ziel: Untersuchung der Wirkung verschiedener Führungsstile auf Leistung, Motivation und Gruppenklima

🎭 Die drei Führungsstile (in der Studie):

Führungsstil
Merkmale
Wirkung (Beobachtungen im Experiment)

Autokratisch (autoritäres Verhalten)
- Alle Entscheidungen durch die Leitung- Klare Kontrolle, kaum Mitsprache- Stark strukturierter Ablauf
🔹 Höhere kurzfristige Leistung🔹 Wenig Eigeninitiative🔹 Geringe Motivation🔹 Aggressives Gruppenklima

Demokratisch
- Leitung bezieht Kinder ein- Gemeinsame Entscheidungen- Viel Feedback, Unterstützung
🔹 Hohe Motivation🔹 Eigenständigkeit🔹 Positives Klima🔹 Gutes Gruppenzusammengehörigkeitsgefühl

Laissez-Faire
- Keine Führung, keine Struktur- Kinder „machen einfach“
🔹 Geringe Leistung🔹 Verwirrung, Orientierungslosigkeit🔹 Kaum Zusammenarbeit

S157

📌 Fazit der Studien (Verallgemeinerung):

Demokratischer Führungsstil ist deutlich besser als die anderen Stile – insbesondere hinsichtlich Motivation, Originalität, Gruppenklima und Stabilität der Leistung.

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11
Q

4.2.2. Eindimensionale Führungsstilansätze

Kritik an der Verallgemeinerung der
Ergebnisse der IOWA-Studien

A
  • Verallgemeinerung der empirischen Ergebnisse ist u.a.
    deswegen problematisch, weil in den IOWA-Studien
    – Kinder statt Erwachsene
    – bei nichtexistentiellen Tätigkeiten statt bei
    Einkommenserwerb
    – in Kurzzeitinteraktionen statt langfristigen
    Beziehungen
    – in Laborexperimenten statt in der realen Welt
    untersucht wurden.
  • Die Übertragbarkeit der Ergebnisse in andere Kontexte
    ist nicht gesichert.

❗ Kritik an der Verallgemeinerung der Ergebnisse der IOWA-Studien

Die Studien von Lewin et al. gelten als wegweisend, stoßen aber auf methodische und kontextuelle Kritik:

🔍 1. Untersuchungsgruppe:
* Kinder statt Erwachsene
→ Kinder reagieren anders auf Autorität und Gruppenprozesse als erwachsene Mitarbeitende in Betrieben.

⚒️ 2. Aufgabencharakter:
* Nichtexistentielle Tätigkeiten
→ Die Aufgaben im Experiment waren spielerischer Natur (z. B. Bastelarbeiten) und nicht mit echter ökonomischer Notwendigkeit wie beim Einkommenserwerb verbunden.

⏱️ 3. Zeitliche Dimension:
* Kurzzeitinteraktionen statt langfristiger Beziehungen
→ Führung im Arbeitsleben beruht oft auf langfristigem Vertrauen, was in einem kurzfristigen Laborumfeld nicht abgebildet werden kann.

🧪 4. Setting:
* Laborexperiment statt betriebliche Realität
→ Die künstliche Laborumgebung ist wenig vergleichbar mit den komplexen sozialen und wirtschaftlichen Realitäten in Unternehmen.

🧩 Fazit:

Die Ergebnisse der IOWA-Studien sind nicht ohne Weiteres auf die Arbeitswelt übertragbar. Für fundierte Aussagen zur Wirksamkeit von Führungsstilen im Berufsleben sind realitätsnähere, langfristig angelegte Studien mit erwachsenen Proband:innen erforderlich.

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Q

4.2.2. Eindimensionale Führungsstilansätze

Führungsstilkontinuum nach
Tannenbaum/Schmidt

A

Führungsstile nach Tannenbaum/Schmidt
1. Autoritärer Führungsstil: Vorgesetzte entscheidet ohne
Konsultation der Mitarbeitenden.

  1. Patriarchalischer Führungsstil: Vorgesetzte entscheidet,
    versucht aber, Mitarbeitenden von seinen Entscheidungen
    zu überzeugen, bevor angerodnet wird.
  2. Informierender Führungsstil: Vorgesetzte entscheidet,
    gestattet jedoch Fragen zu Entscheidungen, um dadurch
    die Akzeptanz der Entscheidungen bei den Mitarbeitenden
    zu erhöhen.
  3. Beratender Führungsstil: Vorgesetzte informiert
    Mitarbeitende über zu treffende Entscheidungen; diese
    können ihre Meinungen äußern, bevor Vorgesetzte die
    endgültige Entscheidung trifft.
  4. Kooperativer Führungsstil: Mitarbeitende/
    Arbeitsgruppe entwickelt Vorschläge; Vorgesetzte
    entscheidet sich für Alternative aus dem Kreis dieser
    Vorschläge.
  5. Delegativer Führungsstil: Mitarbeitende/Arbeitsgruppe
    entscheidet, nachdem Vorgesetzte die Probleme
    aufgezeigt und Grenzen des Entscheidungsspielraums
    festgelegt hat.
  6. Autonomer Führungsstil: Mitarbeitende/Arbeitsgruppe
    entscheidet, Vorgesetzte fungiert nach innen und nach
    außen nur koordinierend.
    Quelle: Wunderer (1995); HWF, Sp. 1379/1380

Auswahl des Führungsstils
Nach Tannenbaum und Schmidt (1959) sollen
Führungspersonen ihren Führungsstil wählen jeweils in
Abhängigkeit von
– eigenen Merkmalen
(Erfahrungen, Kenntnissen, Werten etc.)
– Merkmalen der Mitarbeitendengruppe
(Qualifikation, Motivation, Zusammensetzung etc.)
– Merkmalen der Situation
(Aufgabe, Umwelt etc.)

🎯 Führungsstilkontinuum nach Tannenbaum & Schmidt

Dieses Modell beschreibt sieben Abstufungen zwischen einer autoritären und einer autonomen Führung. Es zeigt, wie stark Mitarbeitende in Entscheidungen eingebunden werden.
🔴 1. Autoritärer Führungsstil
* Vorgesetzte entscheidet allein – ohne Rücksprache.
* Mitarbeitende führen lediglich aus.
* Merkmal: Null Partizipation.
* → z. B. in Notfällen, Krisensituationen.

🔴 2. Patriarchalischer Führungsstil
* Vorgesetzte entscheidet allein, versucht aber, zu überzeugen, bevor sie anordnet.
* Mitarbeitende sollen Verständnis entwickeln, aber nicht mitentscheiden.
* → z. B. in traditionell hierarchischen Strukturen.

🟠 3. Informierender Führungsstil
* Entscheidung wird einseitig getroffen, aber erklärt.
* Fragen sind erlaubt, um Akzeptanz zu fördern.
* → Stärkung der Motivation durch Information.

🟡 4. Beratender Führungsstil
* Mitarbeitende werden vor der Entscheidung informiert.
* Sie können ihre Meinung äußern, Vorgesetzte trifft aber finale Entscheidung.
* → erste echte Einbindung der Mitarbeitenden.

🟢 5. Kooperativer Führungsstil
* Mitarbeitende bringen eigene Vorschläge ein.
* Vorgesetzte wählt aus dem Vorschlagspool aus.
* → geteilte Verantwortung, höhere Motivation.

🔵 6. Delegativer Führungsstil
* Vorgesetzte legt Rahmen und Ziele fest.
* Mitarbeitende entscheiden selbst innerhalb dieses Spielraums.
* → Vertrauen, Eigenverantwortung, Empowerment.

⚪ 7. Autonomer Führungsstil
* Mitarbeitende entscheiden völlig selbstständig.
* Vorgesetzte ist nur koordinierend tätig, fungiert als Coach oder Moderator.
* → z. B. bei selbstorganisierten Teams oder agilen Arbeitsformen.

📈 Einordnung & Anwendung:
* Das Modell ist situationsabhängig anwendbar.
* Es zeigt eine Kontinuität, nicht starre Kategorien.
* Gute Führung bedeutet: den Stil flexibel an Reifegrad, Aufgabe, Zeitdruck usw. anpassen.

🧭 Auswahl des Führungsstils nach Tannenbaum & Schmidt (1959)

Tannenbaum & Schmidt betonen, dass kein Führungsstil immer optimal ist. Stattdessen hängt die passende Führungsweise von drei zentralen Einflussfaktoren ab:

  1. 🧑‍💼 Eigenschaften der Führungsperson
    • Erfahrung mit Führung
    • Fachliche Kompetenz
    • Persönliche Werte und Haltung zur Partizipation
    • Selbstvertrauen in sich und die Gruppe

→ Je selbstsicherer und partizipationsorientierter eine Führungskraft ist, desto eher wird sie kooperative oder delegative Stile bevorzugen.

  1. 👥 Merkmale der Mitarbeitenden
    • Fachliche Qualifikation: Können die Mitarbeitenden Entscheidungen fundiert treffen?
    • Motivation und Leistungsbereitschaft
    • Reifegrad und Verantwortungsbereitschaft
    • Teamzusammensetzung und Kommunikationskultur

→ Je kompetenter und engagierter die Mitarbeitenden sind, desto eher können sie in Entscheidungen einbezogen werden.

  1. 🌍 Situationsmerkmale
    • Art der Aufgabe: Komplexität, Kreativität, Dringlichkeit
    • Zeitdruck: In Notfällen eher autoritärer Stil
    • Organisationskultur: Wie stark sind Mitbestimmung und Offenheit üblich?
    • Externe Rahmenbedingungen: Marktveränderungen, rechtliche Vorschriften

→ Je strukturierter und stabiler die Situation, desto besser lassen sich partizipative Stile umsetzen.

📌 Fazit:

Der Führungsstil ist kein statisches Persönlichkeitsmerkmal, sondern eine bewusste Entscheidung, die sich an Menschen und Kontexten orientiert.

🧠 Merksatz für die Klausur:
Der optimale Führungsstil ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Person, Mitarbeitenden und Situation.

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Q

4.2.2. Eindimensionale Führungsstilansätze

Das Führungsmodell von
Vroom, Yetton und Jago
Überblick:

A

Das Führungsmodell von
Vroom, Yetton und Jago
Überblick:

– Normatives Entscheidungsmodell
– 5 Führungsstile bzw. Entscheidungsmethoden werden
unterschieden
– 7 Determinanten der Entscheidungssituation werden
abgebildet
– 7 Entscheidungsregeln für die Auswahl eines
Führungsstils in einer Entscheidungssituation werden
formuliert
– Abgrenzung von zulässigen Führungsstilen in
bestimmten Situationen
– Auswahl zwischen den zulässigen Stilen anhand der
Metamodelle A und B

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4.2.2. Eindimensionale Führungsstilansätze

Das Führungsmodell von
Vroom, Yetton und Jago

Führungsstile/ Entscheidungsmethoden:

A

Das Führungsmodell von
Vroom, Yetton und Jago

Führungsstile/ Entscheidungsmethoden:
* AI - Autoritäre Alleinentscheidung
* AII - Autoritäre Entscheidung nach
Information durch die Mitarbeiter
* CI/BI- Consultative/Beratende Entscheidung nach
Einzelberatung mit Untergebenen
* CII/BII - Consultative/Beratende Entscheidung nach
Gruppenbesprechung
* GII - Problemlösung und Entscheidung durch die
Gruppe

🔍 1. Grundidee

Das Modell zeigt, welcher Führungsstil in einer bestimmten Entscheidungssituation sinnvoll ist – also:

Wie stark sollen Mitarbeitende in Entscheidungsprozesse einbezogen werden, um Effektivität & Akzeptanz zu maximieren?

🧭 2. Die 5 Entscheidungsstile

Diese Stile unterscheiden sich im Grad der Mitarbeiterbeteiligung:

Stil
Bezeichnung
Beschreibung

AI
Autokratisch I
Führungskraft trifft Entscheidung allein, ohne Info von MA

AII
Autokratisch II
Entscheidung wird alleine getroffen, aber nach Einholung von Informationen der MA

CI
Konsultativ I
Führungskraft trifft Entscheidung nach Einzelgesprächen mit MA

CII
Konsultativ II
Entscheidung nach Gruppendiskussion mit MA, aber Entscheidung liegt bei der Führungskraft

GII
Gruppenentscheidung
MA erarbeiten gemeinsam mit der Führungskraft eine Entscheidung – Konsens oder Mehrheitsbeschluss

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4.2.2. Eindimensionale Führungsstilansätze

Das Führungsmodell von
Vroom, Yetton und Jago

Entscheidungsbedingungen

A

Entscheidungsbedingungen

A- Spielt die Qualität der Lösung eine wichtige Rolle
bzw. ist eine Entscheidung vermutlich sachlich
besser als eine andere?

B- Hat Vorgesetzte selbst alle Informationen für eine
richtige Entscheidung?

C- Ist das Problem strukturiert bzw. ist es bekannt,
welche Informationen fehlen, wie das Problem zu
lösen ist und wo die fehlenden Informationen
gefunden werden können?

D- Müssen die Mitarbeitenden die Entscheidung
akzeptieren, weil sie diese ausführen müssen (oder
wird sie von anderen ausgeführt?)

E- Wenn Vorgesetzte die Entscheidung alleine trifft
wird sie dann von seinen Mitarbeitenden akzeptiert?

F- Verfolgen die Mitarbeitenden ihre eigenen
Interessen oder akzeptieren sie die Organisations-
ziele?

G- Wird es unter den Mitarbeitenden vermutlich zu Kon-
flikten kommen, welche Lösung die bevorzugte
ist?

🧠 Die 7 Entscheidungsbedingungen (Fragen A–G) im Überblick

Kürzel
Entscheidungsfrage
Bedeutung
A
Ist die Qualität der Lösung wichtig?
Wenn ja, ist eine sachlich gute Entscheidung entscheidend, z. B. bei technischen Problemen, rechtlichen Fragen etc.
B
Hat die Führungskraft alleine genug Wissen?
Wenn nein, muss man andere einbeziehen, um Informationslücken zu schließen.
C
Ist das Problem strukturiert?
Wenn ja, ist klar, wie man das Problem lösen kann. Wenn nicht, sind mehr Perspektiven sinnvoll.
D
Müssen Mitarbeitende die Entscheidung mittragen/ausführen?
Wenn ja, braucht man Akzeptanz – also eher partizipative Stile.
E
Wird eine alleinige Entscheidung akzeptiert?
Wenn nein, steigt das Risiko für Widerstand → eher Einbezug notwendig.
F
Verfolgen MA dieselben Ziele wie die Organisation?
Wenn nein, braucht es Kontrolle oder Beteiligung, um Interessenkonflikte zu lösen.
G
Gibt es Meinungsverschiedenheiten unter MA?
Wenn ja, ist Moderation nötig, um Konsens zu fördern.

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4.2.2. Eindimensionale Führungsstilansätze

Das Führungsmodell von
Vroom, Yetton und Jago

Entscheidungsregeln

Grafische Abbildung des Entscheidungsmodells von
Vroom und Yetton S169

A

Entscheidungsregeln

  1. Informationsregel:
    Wenn die Entscheidungsqualität wichtig ist und
    Vorgesetzte nicht alle relevanten Informationen selber
    hat, so ist AI auszuscheiden.
  2. Zielübereinstimmungsregel:
    Wenn die Entscheidungsqualität wichtig ist, die
    Mitarbeitenden aber die Organisationsziele nicht teilen,
    ist G II auszuscheiden.
  3. Regel für unstrukturierte/unklare Probleme:
    Wenn bei notwendiger Entscheidungsqualität den
    Vorgesetzten wichtige Informationen fehlen, dann
    müssen diese auf effiziente Weise von Mitarbeitenden
    eingeholt werden; deshalb entfallen neben AI auch die
    aufwendigen, an Einzelgespräche gebundenen Stile A II
    und CI.
  4. Akzeptanzregel:
    Wenn die Akzeptanz der Entscheidung durch die
    Mitarbeitenden wichtig ist und diese eine autokratische
    Entscheidung vermutlich nicht akzeptieren werden,
    fallen A I und A II aus.
  5. Konfliktregel:
    Wenn die Akzeptanz der Entscheidung wichtig ist, die
    Mitarbeitenden eine Alleinentscheidung vermutlich nicht
    akzeptieren werden und vermutlich über die beste
    Lösung uneins sein werden, dann muss eine
    Gruppenbesprechung stattfinden, in der über das beste
    Vorgehen diskutiert werden kann. Damit bleiben nur C II
    und G II als Führungsstile übrig.
  6. Fairness-Regel:
    Wenn die Entscheidungsqualität unwichtig ist, aber
    gleichzeitig die Akzeptanz wichtig ist und
    Alleinentscheidungen abgelehnt werden, soll der Stil G II
    gewählt werden, um eine möglichst hohe Zustimmung
    zu erreichen.
  7. Akzeptanz-Vorrang-Regel:
    Wenn Mitarbeitende die Organisationsziele teilen und
    die Akzeptanz wichtig, aber bei einer Alleinentscheidung
    nicht wahrscheinlich ist, dann müssen AI, AII, CI und CII
    außer Betracht bleiben, d.h. nur noch G II kommt in
    Frage.

🧠 Die 7 Entscheidungsregeln einfach erklärt:

  1. Informationsregel

Wenn Qualität wichtig ist und die Führungskraft nicht alle Infos hat → AI (autokratische Entscheidung ohne Konsultation) ist ausgeschlossen.

📌 Beispiel: Du musst ein technisches Problem lösen, kennst aber nicht alle Details → dann kannst du nicht alleine entscheiden.

  1. Zielübereinstimmungsregel

Wenn Qualität wichtig ist, aber die Mitarbeitenden die Organisationsziele nicht teilen → GII (Entscheidung durch die Gruppe) ist ausgeschlossen.

📌 Beispiel: Wenn Mitarbeitende eigene Interessen verfolgen (z. B. Gewerkschaft gegen Geschäftsleitung), dann ist eine Gruppenentscheidung nicht sinnvoll – sie könnte sabotiert werden.

  1. Regel für unstrukturierte/unklare Probleme

Wenn Qualität wichtig ist, Infos fehlen und das Problem unstrukturiert ist → dann sind AI, AII und CI zu aufwendig oder ineffizient.

📌 Beispiel: Du hast ein neues, unbekanntes Problem und brauchst schnell gute Ideen → Einzelgespräche dauern zu lange, also: lieber direkt ein Gruppengespräch (CII oder GII).

  1. Akzeptanzregel

Wenn Akzeptanz wichtig ist und eine alleinige Entscheidung nicht akzeptiert würde → AI und AII entfallen.

📌 Beispiel: Wenn ein Team über seine neue Arbeitszeit mitentscheiden soll, funktioniert ein Befehl von oben nicht gut.

  1. Konfliktregel

Wenn Akzeptanz wichtig ist, Alleinentscheidung nicht akzeptiert wird und Konflikte unter Mitarbeitenden drohen → nur CII oder GII möglich.

📌 Beispiel: Im Team gibt’s Streit über den besten Projektplan. Nur ein Gruppengespräch hilft, um alle mitzunehmen.

  1. Fairness-Regel

Wenn Qualität nicht wichtig, aber Akzeptanz schon → GII bevorzugt, damit alle zufrieden sind.

📌 Beispiel: Es geht um die Auswahl der Weihnachtsfeier – Qualität egal, aber Zustimmung der Gruppe wichtig → Gruppe soll selbst entscheiden.

  1. Akzeptanz-Vorrang-Regel

Wenn Mitarbeitende die Organisationsziele teilen, Akzeptanz aber nicht sicher ist → dann bleibt nur GII übrig.

📌 Beispiel: Mitarbeitende stehen hinter dem Unternehmen, aber eine Entscheidung könnte trotzdem schlecht aufgenommen werden → gemeinsam in der Gruppe entscheiden.

🧩 Fazit

Diese Regeln helfen dir systematisch:
* schlechte Stile auszuschließen,
* akzeptable Alternativen einzugrenzen,
* den optimalen Stil abhängig von Qualität, Information, Akzeptanz und Konfliktlage zu finden.

Grafische Abbildung des Entscheidungsmodells von
Vroom und Yetton S169

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4.2.2. Eindimensionale Führungsstilansätze

Metamodelle bei Vroom/Yetton und Jago

A
  • Für mehrere Entscheidungssituationen gibt es mehrere
    zulässige Stile. Meta-Modelle sollen dann die Auswahl
    bestimmen:
  • Meta-Modell A: Wähle den zulässigen Führungsstil, der
    den geringsten Grad an Entscheidungspartizipation auf-
    weist! (zielt auf Schnelligkeit der Entscheidungsfindung)
  • Meta Modell B: Wähle den zulässigen Führungsstil, der
    den höchsten Grad an Entscheidungspartizipation
    aufweist! (zielt auf Teamentwicklung und unterstellte
    Entwicklungs- und Mitentscheidungsbedürfnisse der
    Mitarbeiter)

📌 Meta-Modell A (Minimalpartizipation)

Wähle den Führungsstil mit dem geringsten Partizipationsgrad, der noch zulässig ist.

*	Beispiel: Wenn es dringend ist, etwa bei einem IT-Sicherheitsproblem oder einer Lieferkrise, zählt schnelles Entscheiden → AI oder AII wird bevorzugt.
*	Ziel: Effizienz, Schnelligkeit, klare Zuständigkeiten.

📌 Meta-Modell B (Maximalpartizipation)

Wähle den Führungsstil mit dem höchsten Partizipationsgrad, der noch zulässig ist.

*	Beispiel: Bei einem Projekt, das Innovationsideen braucht oder bei dem Mitarbeitende stark einbezogen werden sollen, nimmst du GII.
*	Ziel: Motivation, Teambuilding, Förderung von Selbstverantwortung.
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4.2.2. Eindimensionale Führungsstilansätze

Kritische Würdigung

A
  • gibt viel Handlungsorientierung und damit ggf. Sicherheit
  • führt zu „Programmierung“ der Vorgesetzten –
    verträglich mit Autonomiestreben und Statusbedürf-
    nissen?
  • Praxis:
    – ggf. nicht alle Fragen mit Ja oder Nein klar zu
    beantworten; teils/teils oder
    Wahrscheinlichkeitsangaben aber nicht zugelassen
    – Ggf. weitere Entscheidungsbedingungen relevant?
    (Ausblendung vieler Kombinationen)

🧐 Kritische Würdigung des Vroom-Yetton-Jago-Modells

✅ Stärken:
1. Hohe Handlungsorientierung:
* Das Modell gibt klare Entscheidungsregeln, die Führungskräften helfen, in komplexen Situationen schnell und systematisch einen passenden Führungsstil zu wählen.
* Das schafft Sicherheit, gerade für weniger erfahrene Führungskräfte oder in unübersichtlichen Lagen.
2. Differenzierung nach Situation:
* Anders als starre Führungsstil-Modelle berücksichtigt dieses Modell die Situation, z.B. wie wichtig die Entscheidung ist oder ob Mitarbeitende eingebunden werden müssen.

❗ Schwächen / Kritikpunkte:
1. Gefahr der „Programmierung“ von Führungskräften:
* Führung wird hier zu einem technischen Ablaufplan – Führungskräfte könnten sich zu stark an Regeln klammern, statt flexibel und kreativ zu agieren.
* Dies könnte Autonomiestreben und Statusbedürfnisse von Führungskräften beeinträchtigen – denn sie „dürfen“ nicht mehr frei führen, sondern sollen nur eine vorgegebene „Logik“ abarbeiten.
2. Eingeschränkte Antwortmöglichkeiten:
* Die Fragen zu den Entscheidungsbedingungen (A-G) sind nur mit Ja oder Nein zu beantworten.
* In der Realität sind Situationen oft ambivalent („teils/teils“, „kommt darauf an“), was vom Modell nicht abgebildet wird. Die Komplexität wird reduziert.
3. Nicht alle relevanten Faktoren werden berücksichtigt:
* Weitere wichtige Einflussgrößen wie Unternehmenskultur, individuelle Persönlichkeit, emotionale Dynamik im Team, etc., bleiben außen vor.
* Außerdem werden nicht alle möglichen Entscheidungssituationen erfasst – viele Mischformen oder seltene Fälle werden „ausgeblendet“.

🔍 Fazit:

Das Vroom-Yetton-Jago-Modell bietet gute Orientierung, aber es ist kein starres Rezept, das jede Realität perfekt abbildet. Führung erfordert neben Analyse auch Intuition, Erfahrung und Fingerspitzengefühl – Aspekte, die das Modell nur begrenzt berücksichtigt.

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4.2.3. Mehrdimensionale Führungsstilansätze

Das Managerial Grid (Verhaltensgitter) nach Blake und Mouton

A

Das Managerial Grid (Verhaltensgitter) nach Blake und Mouton S173

Grundmodell des Managerial Grid
Wichtige Führungsstile im Verhaltensgitter-Ansatz:

  • 1,1 - Führungsstil - Impoverished Management:
    Betonung der Produktion und Betonung der Menschen
    gering ausgeprägt; Führungsperson zeigt nur eine
    minimale Führungs-Arbeitsleistung, Verbleib in der
    Organisation wird gerade noch gesichert
  • 1,9 - Führungsstil - Country-Club-Management:
    Betonung der Menschen sehr hoch, Betonung der
    Produktion sehr gering bis nicht vorhanden; Befriedigung
    der Mitarbeitendenbedürfnisse im Mittelpunkt des
    Führungsverhaltens; Erzielung von Leistungsergebnissen
    tritt in den Hintergrund
  • 9,1 - Führungsstil - Authority-Compliance: Betonung
    der Produktion/der Leistungsergebnisse sehr stark,
    Betonung der Menschen sehr gering; Führungspersonen
    orientieren ihr Verhalten ausschließlich an den
    Leistungsergebnissen
  • 5,5 - Führungsstil - Middle of the Road Management:
    Beide Orientierungen mittelstark ausgeprägt;
    Führungsperson geht davon aus, dass angemessene
    Organisationsleistung nur bei ausgewogener
    Berücksichtigung beider Dimensionen möglich ist;
    ständige Kompromisse zwischen den Leistungszielen
    und den Mitarbeitendenbedürfnissen/-zielen.
  • 9,9 - Führungsstil - Team-Management:
    Führungsperson geht von der zentralen Prämisse aus,
    dass gute Arbeitsleistungen von zufriedenen und
    engagierten Mitarbeitenden erbracht werden, deren
    Bedürfnisse am Arbeitsplatz realisiert werden können;
    Produktion und Verhaltensebene werden maximal betont

Aussagen des Verhaltensgitter-Ansatzes auf
der normativen Ebene:
* Normative Empfehlung des 9,9-Führungsstiles
(Teammanagement) für alle denkbaren
Führungssituationen

Aussagen des Verhaltensgitter-Ansatzes auf
der deskriptiven Ebene:
* Instrument zur Beschreibung des in der Realität
auftretenden Führungsverhalten von Vorgesetzten
(Selbstbeschreibung/Fremdbeschreibung)
* fördert die Reflexion über das eigene Führungsverhalten

🔲 1,1 – Impoverished Management (verarmte Führung)
* Wenig Interesse an Leistung und wenig Interesse an Mitarbeitenden
* Führungskraft zeigt kaum Initiative, nur das Nötigste wird getan
* Ziel: Selbsterhalt in der Organisation, kein echter Führungsanspruch
🔧 Beispiel: Dienst nach Vorschrift, keine klaren Ziele, keine Unterstützung

🏡 1,9 – Country Club Management (Kaffeekränzchen-Führung)
* Hohe Mitarbeiterorientierung, aber kaum Leistungsorientierung
* Führungskraft will vor allem harmonisches Arbeitsklima und Zufriedenheit
* Leistung tritt in den Hintergrund
🫱 Beispiel: “Solange alle sich wohlfühlen, passt schon” – keine Zielverfolgung

📈 9,1 – Authority-Compliance (harte Leistungsorientierung)
* Maximale Leistungsorientierung, aber kaum Rücksicht auf Menschen
* Mitarbeitende gelten als Mittel zum Zweck
* Effizienz, Kontrolle, Disziplin im Vordergrund
⚠️ Beispiel: autoritärer Vorgesetzter mit Fokus auf Zahlen, Druck und Zielerreichung

⚖️ 5,5 – Middle of the Road Management (Kompromissführung)
* Ausgewogenheit zwischen Leistung und Menschenorientierung
* Führungskraft sucht ständige Kompromisse
* Kein besonders starkes Engagement für eines der beiden Ziele
🔄 Beispiel: Konflikte werden moderat gelöst, aber weder Höchstleistung noch höchste Zufriedenheit entstehen

🌟 9,9 – Team Management (idealer Führungsstil)
* Hohe Leistungsorientierung UND hohe Mitarbeiterorientierung
* Prämisse: Zufriedene, eingebundene Mitarbeitende leisten mehr
* Gemeinsame Zielverfolgung im Teamgedanken
💡 Beispiel: Partizipative Führung, starkes Teamgefühl, hohe Motivation und Leistungsbereitschaft

📌 Fazit:

Das Managerial Grid ist diagnostisch wertvoll, da es zeigt:
* Führung ist nicht eindimensional
* Effektivität entsteht durch die Balance beider Orientierungen
* Der 9,9-Stil wird als Ideal angesehen, ist aber in der Praxis nicht immer umsetzbar (z. B. bei Zeitdruck oder in Krisensituationen)

🔷 Normative Ebene (Was sollte sein?)
* Der Ansatz empfiehlt aktiv den 9,9-Führungsstil (Teammanagement) als den idealen Führungsstil.
* Dieser Stil verbindet eine hohe Mitarbeiterorientierung mit einer hohen Sach- bzw. Leistungsorientierung.
* Normative Grundannahme:
→ Führung ist dann am effektivsten, wenn sowohl die Ziele des Unternehmens als auch die Bedürfnisse der Mitarbeitenden gleichermaßen im Fokus stehen.
* Der Stil soll in allen Führungssituationen anwendbar und überlegen sein.

📌 Kritik: Diese Generalisierung gilt als problematisch, da sie kontextuelle Unterschiede (z. B. Aufgabenstruktur, Zeitdruck, Reifegrad der Mitarbeitenden) nicht ausreichend berücksichtigt.

🔷 Deskriptive Ebene (Was ist tatsächlich?)
* Der Verhaltensgitter-Ansatz dient als Analyse- und Diagnoseinstrument:
* Führungskräfte können ihr eigenes Führungsverhalten selbst einschätzen (Selbstbeschreibung).
* Mitarbeitende können das Führungsverhalten ihrer Vorgesetzten beurteilen (Fremdbeschreibung).
* Die tatsächlichen Verhaltensmuster von Führungskräften lassen sich mithilfe des Grids beschreiben und grafisch einordnen.
* Ziel: Förderung der Selbstreflexion und ggf. Verhaltensanpassung in Richtung 9,9.

📌 Nutzen: Gerade in Trainings und Coachings wird das Modell verwendet, um Bewusstsein für Führungsverhalten zu schaffen und gezielte Weiterentwicklung anzuregen.

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4.2.3. Mehrdimensionale Führungsstilansätze

Ergänzungen des Verhaltensgitters
(deskriptive Ebene)

Anwendung des Grids

A

Ergänzungen des Verhaltensgitters
(deskriptive Ebene)

Aufnahme von drei weiteren Führungsstilen, die neben
dem dominierenden Führungsstil einer Person auch
einen oder mehrere Ersatzstile zulassen:
– Paternalismus/Maternalismus-Stil (Wechsel
zwischen 9,1- und 1,9 -Stil)

– Opportunismus-Stil (Vorgesetzte wenden drei oder
mehr Stile an, je nach Person in der Arbeitsgruppe)

– Fassadenbau-Stil (Anspruch, mit dem 9,9-Stil zu
führen, dahinter wird aber ein ganz anderes
Führungsverhalten gepflegt, z.B. Paternalis-
mus/Maternalismus-Stil oder Opportunismus-Stil)

Anwendung des Grids
* Auf deskriptiver Ebene:
– zur Beschreibung, Einordnung und Reflexion von
tatsächlichem Führungsverhalten
* Auf normativer Ebene:
– zum Training des 9,9-Stils des Teammanagements

🔷 Ergänzungen des Verhaltensgitters (deskriptiv)

Zur Erfassung realen Führungsverhaltens wurde das ursprüngliche Grid um drei komplexere Stile erweitert, die abweichende oder inkonsistente Führung beschreiben:

Führungsstil
Beschreibung
Beispielhaftes Verhalten

Paternalismus/Maternalismus
Pendelt zwischen autoritär (9,1) und mitarbeiterfreundlich (1,9) — aber ohne Integration beider Pole
Führungskraft lobt fürsorglich, erwartet aber gleichzeitig unbedingten Gehorsam

Opportunismus
Situations- oder personenbezogene Stilwahl — Vorgesetzte nutzen unterschiedliche Stile je nach Kontext oder Person
Mitarbeitende werden je nach Sympathie, Hierarchie oder Zielkonflikt unterschiedlich behandelt

Fassadenbau
Es wird äußerlich der 9,9-Stil kommuniziert, tatsächlich wird aber ein ganz anderer Stil praktiziert
Nach außen „moderne Teamführung“ propagiert, intern aber stark kontrollierende Führung

🔷 Anwendung des Managerial Grids

Einsatzbereich
Funktion

Deskriptiv (beschreibend)
Analyse des tatsächlichen Führungsverhaltens durch Selbst- und Fremdeinschätzung

Normativ (vorschreibend)
Zielgerichtetes Training hin zum 9,9-Teammanagement-Stil – Idealbild einer effektiven und motivierenden Führung

🧭 Zusammenfassung

Das Grid ist mehr als ein einfaches Klassifikationsmodell. Mit den drei Zusatzstilen wird deutlich, dass Führungsverhalten nicht immer konsistent ist und Rollen- bzw. Kontextanpassung eine große Rolle spielt. Gerade Fassadenverhalten weist auf eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität hin – ein häufiges Thema in Change-Management und Organisationsdiagnose.

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Q

4.2.3. Mehrdimensionale Führungsstilansätze

Würdigung des Grids

A
  • Einfaches, transparentes Modell des
    Führungsverhaltens; Basis für Reflexion und Training
    von Führungsverhalten
  • Unabhängigkeit der Dimensionen und Realisierbarkeit
    des 9,9-Stils fraglich
  • Wenig Aussagen zu den Wirkungen des 9,9-Stils auf
    Produktivität, Qualität, Arbeitszufriedenheit etc.
  • Situative Differenzierung fehlt völlig

🔍 Kritische Würdigung des Managerial Grid (Verhaltensgitter) nach Blake & Mouton

✅ Stärken:
* Einfach & anschaulich: Zwei Dimensionen (Menschen- und Aufgabenorientierung) machen das Modell leicht verständlich.
* Gute Grundlage für Führungstrainings: Besonders geeignet zur Selbstreflexion des eigenen Führungsverhaltens.
* Normatives Leitbild: Der 9,9-Stil (Team-Management) vermittelt ein positives Idealbild von Führung.

❌ Schwächen:
* Fehlende Situationsabhängigkeit: Das Modell ignoriert Kontextfaktoren wie Teamreife, Aufgabenkomplexität oder Zeitdruck.
* Fragwürdige Realisierbarkeit: Ob Führungskräfte wirklich dauerhaft den 9,9-Stil leben können, ist umstritten.
* Empirische Schwächen: Es fehlen klare Belege, dass der 9,9-Stil tatsächlich bessere Ergebnisse bringt (z. B. Produktivität, Motivation).
* Unklare Dimensionen: Die Unabhängigkeit von Menschen- und Aufgabenorientierung ist in der Praxis nicht immer gegeben.
* Widersprüchliche Ergänzungsstile (z. B. Opportunismus-Stil) zeigen: Führung ist oft nicht so konstant, wie das Grid annimmt.

🧭 Fazit:

Das Managerial Grid ist ein nützliches Reflexionsinstrument, aber als universelles Führungsmodell zu statisch und zu wenig kontextsensitiv. Es eignet sich vor allem für Trainings und zur Diskussion von Führungsstilen, nicht aber als alleinige Grundlage für Führungshandeln.

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4.2.3. Mehrdimensionale Führungsstilansätze

Das Führungsmodell von Hersey/Blanchard

A

Das Führungsmodell von Hersey/Blanchard

Führungsstile:
* autoritärer Führungsstil S 1: hohe Aufgabenorientierung
mit niedriger Personenorientierung
* integrierender Führungsstil S 2: hohe
Aufgabenorientierung mit hoher Personenorientierung
* partizipativer Führungsstil S 3: hohe
Personenorientierung mit geringer Aufgabenorientierung
* delegativer Führungsstil S 4: niedrige
Personenorientierung mit niedriger Aufgabenorientierung

📘 Das situative Führungsmodell von Hersey & Blanchard

Dieses Modell basiert auf der Annahme, dass der passende Führungsstil vom Reifegrad (Reife/Maturity) bzw. der Entwicklungsstufe der Mitarbeitenden abhängt – also deren Fähigkeit und Bereitschaft, eine Aufgabe zu übernehmen.

🔧 Die vier Führungsstile:

Stil
Bezeichnung
Aufgabenorientierung
Personenorientierung
Beschreibung

S1
Autoritärer Stil
Hoch
Niedrig
Der Vorgesetzte sagt genau, was zu tun ist, wie es zu tun ist und wann – ohne viel Rücksprache. Geeignet bei unerfahrenen oder unsicheren Mitarbeitenden.

S2
Integrierender Stil
Hoch
Hoch
Der Vorgesetzte erklärt, motiviert und fördert Verständnis. Entscheidungen werden weiterhin vorgegeben, aber mit hoher Unterstützung.

S3
Partizipativer Stil
Niedrig
Hoch
Entscheidungen werden gemeinsam getroffen. Die Führungskraft fördert Eigenverantwortung und beteiligt die Mitarbeitenden aktiv.

S4
Delegativer Stil
Niedrig
Niedrig
Mitarbeitende entscheiden und handeln selbstständig. Die Führungskraft hält sich zurück. Geeignet für sehr reife Mitarbeitende.

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4.2.3. Mehrdimensionale Führungsstilansätze

Das Führungsmodell von Hersey/Blanchard

Situative Komponente

Reifegrade der Mitarbeitenden
bei Hersey/Blanchard

A

Situative Komponente

  • Reife der Mitarbeitenden:
    – definiert als Mischung aus der „psychologischen
    Reife“ und der „Funktionsreife“

– psychologische Reife: Motivationsgröße; drückt
aus, wie leistungsorientiert, selbstvertrauend und
verantwortungsbereit die Mitarbeitenden im Hinblick
auf ihre Arbeitsaufgaben sind;

– Funktionsreife: Qualifikationsgröße; drückt aus, wie
gut die Fähigkeiten, die Erfahrungen und die
Kenntnisse der Mitarbeitenden gemessen an den
Aufgaben, die sie erledigen sollen, sind.

Reifegrade der Mitarbeitenden
bei Hersey/Blanchard

  • Niedrige Reife der AN M 1
     geringe Motivation, geringe Qualifikation
  • Geringe bis mittlere Reife der AN M 2
     ausreichende Motivation, geringe Qualifikation
  • Mittlere bis hohe Reife der AN M 3
     hohe Qualifikation, geringe Motivation
  • Hohe Reife der AN M 4
     hohe Motivation, hohe Qualifikation

🧩 Situative Komponente: Reife der Mitarbeitenden

Im Modell von Hersey/Blanchard ist die Wahl des Führungsstils abhängig von der Reife (Maturity) der Mitarbeitenden – diese umfasst:

🔸 1. Psychologische Reife (Motivationsebene)
* Leistungswille
* Selbstvertrauen
* Verantwortungsbereitschaft

🔸 2. Funktionsreife (Qualifikationsebene)
* Fachliche Fähigkeiten
* Berufserfahrung
* Wissen über die Aufgabe

📊 Reifegrade der Mitarbeitenden (M1–M4)

Reifegrad Merkmale Interpretation

M1
Geringe Motivation, geringe Qualifikation
Weder wollen noch können – brauchen klare Anweisungen

M2
Gute Motivation, aber geringe Qualifikation
Wollen, aber können (noch) nicht – brauchen Anleitung + Ermutigung

M3
Hohe Qualifikation, aber geringe Motivation
Können, aber wollen nicht richtig – brauchen Beteiligung und Wertschätzung

M4
Hohe Motivation & hohe Qualifikation
Können und wollen – brauchen Freiraum & Vertrauen

🔁 Führungsstil passend zum Reifegrad:

Reifegrad (M)
Passender Führungsstil (S)
Führungsverhalten

M1
S1: autoritär
klare Aufgabenverteilung, Anweisung

M2
S2: integrierend
erklären, motivieren, begleiten

M3
S3: partizipativ
zuhören, einbeziehen, gemeinsam entscheiden

M4
S4: delegierend
Verantwortung übergeben, Vertrauen zeigen

✅ Fazit:

Das Modell zeigt: Führung ist keine Einheitslösung, sondern sollte situativ angepasst werden – an Motivation und Kompetenz der Mitarbeitenden. Ziel ist es, den idealen Reifegrad zu fördern und situativ angemessen zu führen.

24
Q

4.2.3. Mehrdimensionale Führungsstilansätze

Das Reifegradmodell der
Führung von Hersey und Blanchard S184

A

Das Reifegradmodell der
Führung von Hersey und Blanchard S184

Führungsstilempfehlungen

bei Hersey/Blanchard
* Niedrige Reife der Mitarbeitenden M 1
(niedrige Motivation, niedrige Qualifikation)
 autoritärer Führungsstil

  • Geringe bis mittlere Reife der Mitarbeitenden M 2
    (ausreichende Motivation, aber geringe Qualifikation)
     integrierender Führungsstil.
  • Mittlere bis hohe Reife der Mitarbeitenden M 3
    (hohe Qualifikation, geringe Motivation)
     partizipativer Führungsstil
  • Hohe Reife der Mitarbeitenden M 4
    (hohe Motivation, hohe Qualifikation
     delegativer Führungsstil
25
# 4.2.3. Mehrdimensionale Führungsstilansätze Würdigung des Reifegradmodells
Würdigung des Reifegradmodells * Setzt hohe Führungsstilflexibilität und Diagnoseleistung der Führungspersonen voraus * Führt zu Ungleichbehandlung der Mitarbeitenden in Abhängigkeit von ihrer Reife * Ideologischer Gehalt hinsichtlich der „Reife“ der Mitarbeitenden i.S.v. „Funktionieren in Bezug auf AG- Ziele“ * Situative Differenzierung setzt an nur einem Merkmal an; andere Merkmale der Situation, Aufgabe, der Vorgesetzten etc. fehlen * Fehlende empirische Belege für Effizienz der normativen Empfehlung 📌 Kritische Würdigung des Reifegradmodells 1. Hohe Anforderungen an Führungskräfte * Das Modell verlangt von Führungspersonen eine präzise Einschätzung des Reifegrads jedes Mitarbeitenden. * Außerdem wird eine hohe Flexibilität im Führungsverhalten vorausgesetzt. * ➤ In der Praxis sind solche situativen Anpassungen oft nicht leicht umsetzbar. 2. Ungleichbehandlung von Mitarbeitenden * Je nach Reifegrad werden Mitarbeitende unterschiedlich geführt. * ➤ Das kann zu Ungerechtigkeitsempfinden oder Demotivation führen – gerade in Teams mit stark gemischtem Reifegrad. 3. Ideologischer Gehalt des Reifebegriffs * Reife wird hier stark arbeitgeberorientiert verstanden: „reif“ ist, wer leistungsbereit und qualifiziert ist. * ➤ Das ist eine wertende Sichtweise, die kritisiert wird, weil sie abweichendes Verhalten negativ konnotiert. 4. Eindimensionale Situationsbetrachtung * Die Führungsentscheidung basiert allein auf dem Reifegrad. * ➤ Andere wichtige Einflussfaktoren wie Aufgabentyp, Zeitdruck, Teamkultur, Vorgesetztenrolle etc. bleiben außen vor. 5. Fehlende empirische Evidenz * Die Wirksamkeit der empfohlenen Führungsstile je Reifestufe ist nicht eindeutig wissenschaftlich belegt. * ➤ Die normativen Zuordnungen (M1→S1 usw.) wurden empirisch kaum bestätigt. ⸻ ✅ Fazit: Das Modell ist praktisch leicht verständlich und eignet sich gut für Trainings und Reflexion, ist aber theoretisch und empirisch begrenzt. Es vermittelt eher eine didaktische Orientierung als ein wissenschaftlich belastbares Führungsinstrument.
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# 4.2.3. Mehrdimensionale Führungsstilansätze 3-D-Konzept von Reddin
3-D-Konzept von Reddin Zweidimensionales Führungsstilmodell Grundstile des Führungsverhaltens: 1. niedrige Aufgaben und niedrige Beziehungsorientierung: „Separated“ - sich heraushalten 2. hohe Aufgaben- und niedrige Beziehungsorientierung: „dedicated“ - sich den Aufgaben widmen 3. hohe Beziehungs- und niedrige Aufgabenorientierung: „related“ - in Verbindung mit den Mitarbeitenden) bleiben 4. hohe Beziehungs- und hohe Aufgabenorientierung: „integrated“ - Mitarbeitendenbedürfnisse und Sachaufgaben integrieren. * Jeder Grundstil kann als – sehr effektive oder – sehr ineffektive Variante in Abhängigkeit von den Situationsbedingungen auftreten Das Modell kombiniert: * ✅ Aufgabenorientierung (Zielerreichung, Struktur, Effizienz) * 🤝 Beziehungsorientierung (Vertrauen, Kommunikation, Motivation) Daraus ergeben sich vier Grundstile des Führungsverhaltens: 1. 🧊 Separated 👉 Geringe Aufgaben- & Beziehungsorientierung 🔹 Führt kaum aktiv, hält sich zurück, wirkt desinteressiert 2. 🎯 Dedicated 👉 Hohe Aufgaben-, geringe Beziehungsorientierung 🔹 Ziel- & leistungsorientiert, eher autoritär, wenig empathisch 3. 💬 Related 👉 Hohe Beziehungs-, geringe Aufgabenorientierung 🔹 Freundlich, mitarbeiternah, aber ohne klare Zielsteuerung 4. 💡 Integrated 👉 Hohe Aufgaben- & Beziehungsorientierung 🔹 Kombiniert Struktur mit Empathie, gilt als Idealtyp ⸻ ⚙️ Dritte Dimension: Effektivität Jeder Stil kann je nach Situation: * ✅ effektiv oder * ❌ ineffektiv sein – abhängig von z. B.: * 👥 Reife & Motivation der Mitarbeitenden * 🧩 Komplexität der Aufgabe * ⏱️ Zeitdruck oder Konfliktlage ** S189** 📘 3-D-Konzept von Reddin – grafisch erklärt Das Modell verbindet Aufgabenorientierung, Beziehungsorientierung und Effektivität zu einem 3-dimensionalen Führungsstilansatz. 🔹 Grundstile (mittig im Modell) Diese vier Stile beschreiben das grundsätzliche Führungsverhalten einer Person: 1. Sich heraushalten (Separated) → Geringe Aufgaben- & Beziehungsorientierung 2. Sich der Aufgabe verschreiben (Dedicated) → Hohe Aufgaben-, geringe Beziehungsorientierung 3. Verbindung halten (Related) → Hohe Beziehungs-, geringe Aufgabenorientierung 4. Integrieren (Integrated) → Hohe Aufgaben- & Beziehungsorientierung ⸻ 🔹 Effektivitätsperspektive Das Modell geht davon aus, dass jeder Grundstil entweder effektiv oder ineffektiv sein kann – je nach Situation. Effektive Stile Unerfolgreiche (ineffektive) Stile integrated Dynamischer Führer (Executive) Kompromissler (Compromiser) related Förderer (Developer) Seelenmasseur (Missionary) Dedicated Wohlwollender Autokrat (Benevolent Autocrat) Autokrat (Autocrat) Seperated Bürokrat (Bureaucrat) Deserteur (Deserter) 🔹 Interpretation: * Die mittlere Ebene (schwarz umrandet) zeigt die vier Basisstile, ohne Bewertung ihrer Effizienz. * Nach rechts oben hin steigt die Effektivität – d.h. gleicher Stil, aber besser auf die Situation angepasst. * Effektivität ist also eine zusätzliche Dimension, die angibt, ob der Stil den Anforderungen der Führungssituation gerecht wird.
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# 4.2.3. Mehrdimensionale Führungsstilansätze Situations-Bedingungen, die die Effizienz der Grundstile beeinflussen:
Situations-Bedingungen, die die Effizienz der Grundstile beeinflussen: * Arbeitsanforderungen * Führungsstil der nächsthöheren Vorgesetzten * Merkmale der Kollegen * Merkmale der Mitarbeitenden * Merkmale der Organisation (Art der formellen und informellen Normen und Regeln). 🧩 Situationsbedingungen im 3-D-Modell nach Reddin Das 3-D-Modell unterscheidet Grundstile und deren Effektivität, abhängig vom jeweiligen Kontext, in dem geführt wird. Ein Führungsstil ist nicht „an sich“ gut oder schlecht – sondern wirksam oder unwirksam je nach Situation. Folgende Situationsfaktoren sind entscheidend: ⸻ 1. Arbeitsanforderungen * Welche Aufgaben müssen erledigt werden? * Wie komplex, zeitkritisch oder risikobehaftet sind die Tätigkeiten? * Beispiel: In Krisensituationen ist ein stark aufgabenorientierter Stil oft effektiver. ⸻ 2. Führungsstil der nächsthöheren Vorgesetzten * Gibt es Rückhalt oder Konflikte auf der Leitungsebene? * Ist der eigene Führungsstil anschlussfähig oder konträr zum übergeordneten Stil? * Beispiel: Ein „entwickelnder“ Stil kann unter einem autoritären Chef ausgebremst werden. ⸻ 3. Merkmale der Kollegen * Wie kooperativ oder kompetitiv ist das Kollegium? * Gibt es Unterstützung, Rivalität oder Gleichgültigkeit? * Beispiel: In einem stark individualistisch geprägten Team kann ein kooperativer Stil weniger Wirkung zeigen. ⸻ 4. Merkmale der Mitarbeitenden * Wie motiviert, qualifiziert und teamfähig sind die Mitarbeitenden? * Sind sie eigenverantwortlich oder eher abhängig vom Vorgesetzten? * Beispiel: Ein „delegativer“ Führungsstil funktioniert nur mit reifen, selbstständigen Mitarbeitenden. ⸻ 5. Merkmale der Organisation * Welche formellen Regeln (z. B. Vorschriften, Hierarchien) und informellen Normen (z. B. Unternehmenskultur) herrschen vor? * Beispiel: In stark regelgeleiteten Organisationen (z. B. Verwaltung) ist ein bürokratischer Stil oft sozial akzeptiert – in Start-ups eher nicht. ⸻ 🧠 Fazit Die gleiche Führungsperson kann je nach Kontext sehr effektiv oder völlig ungeeignet wirken. Reddins Modell zeigt: Führung ist keine Frage von Persönlichkeit allein, sondern ein dynamisches Zusammenspiel von Verhalten und Situation.
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# 4.2.4. Das situative Führungsmodell von Fiedler Die Kontingenztheorie der Führung von Fiedler LPC-Skala
Die Kontingenztheorie der Führung von Fiedler Günstigkeit der Führungssituation Messung anhand von drei Kriterien Führungsstil des Vorgesetzten (feststehende Führungseigenschaft) Messung anhand des LPC-Wertes LPC-Skala * LPC: „Least Preferred Co-Worker“ * Führungseigenschaften/-stil werden gemessen auf der LPC-Skala * besteht aus 18 Gegensatzpaaren von Adjektiven, mit denen man Menschen beschreiben kann, z.B: – angenehm - unangenehm; – zurückhaltend- entgegenkommend; – freundlich - unfreundlich, – etc. * hoher LPC-Wert: – positive Beschreibung der/s unangenehmsten Mitarbeitenden – Führungsperson gilt als beziehungsorientiert * niedriger LPC-Wert: – negative Beschreibung der/s unangenehmsten Mitarbeitenden – Führungsperson gilt als aufgabenorientiert 🧭 Die Kontingenztheorie der Führung nach Fiedler (1967) Die Kontingenztheorie ist eine der bekanntesten situativen Führungstheorien. Sie geht davon aus, dass der Führungserfolg davon abhängt, wie gut der Führungsstil einer Person zur jeweiligen Führungssituation passt. Es gibt also keinen „besten“ Führungsstil an sich, sondern nur eine gute oder schlechte Passung („Fit“) zwischen Stil und Situation. ⸻ 🔹 1. Führungsstil des Vorgesetzten (unveränderlich) Fiedler geht davon aus, dass der Führungsstil relativ stabil ist – er kann nicht einfach situativ angepasst werden. Der Stil wird gemessen durch den sog. LPC-Wert (Least Preferred Coworker): * Führungskräfte bewerten in einem Fragebogen die Person, mit der sie am ungernsten zusammengearbeitet haben. * Hoher LPC-Wert = der unliebsame Kollege wird trotzdem noch positiv beschrieben → spricht für menschenorientierten Führungsstil * Niedriger LPC-Wert = der unliebsame Kollege wird negativ beschrieben → spricht für aufgabenorientierten Führungsstil ⸻ 🔹 2. Günstigkeit der Führungssituation (Situationskontrolle) Die Situation wird anhand von drei Kriterien bewertet: 1. Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden → Wie gut ist das Vertrauensverhältnis? 2. Strukturiertheit der Aufgabe → Gibt es klare Ziele, Prozesse und Regeln? 3. Positionsmacht der Führungskraft → Wie stark ist ihre formale Autorität (z. B. Befugnisse zur Belohnung/Bestrafung)? Je günstiger diese drei Faktoren ausgeprägt sind, desto besser lässt sich die Situation kontrollieren. ⸻ 🔹 3. Zusammenhang: Führungsstil × Situation Die Theorie trifft folgende Kernaussage: Ein aufgabenorientierter Führungsstil (niedriger LPC) ist besonders erfolgreich in: * sehr günstigen Situationen (z. B. klare Aufgaben, gute Beziehungen, hohe Macht) * sehr ungünstigen Situationen (z. B. Krisen, schwache Beziehungen, geringe Macht) Ein menschenorientierter Führungsstil (hoher LPC) ist besonders erfolgreich in: * mittleren Situationen (z. B. gewisse Struktur, moderate Macht, gemischte Beziehungen) ⸻ 📌 Fazit Fiedlers Kontingenztheorie war die erste Theorie, die den Führungserfolg kontingent – also abhängig von der Passung zwischen Stil und Situation – erklärt hat. Sie unterstellt aber, dass Führungskräfte nicht flexibel in ihrem Stil sind – was in der Praxis heute durchaus kritisch gesehen wird. 🧪 LPC-Skala („Least Preferred Co-Worker“) Die LPC-Skala (entwickelt von Fred Fiedler) ist ein diagnostisches Instrument, mit dem der Führungsstil einer Person erfasst wird – und zwar unabhängig von der konkreten Situation. ⸻ 🔹 Ziel der Skala: Fiedler wollte nicht direkt fragen: „Wie führen Sie – autoritär oder demokratisch?“ Stattdessen ließ er Führungspersonen eine ganz bestimmte Person bewerten: „Beschreiben Sie die Person, mit der Sie bisher am wenigsten gern zusammengearbeitet haben.“ → Diese „Least Preferred Co-Worker“ (LPC) soll charakterlich eingeschätzt werden. ⸻ 🔹 Aufbau der Skala: Die Führungskraft bewertet diese eine Person anhand von 18 Gegensatzpaaren, jeweils auf einer Skala (z. B. 1 bis 8), zum Beispiel: * freundlich 😄 – 😠 unfreundlich * effizient 🧠 – 😵 ineffizient * hilfsbereit 🙌 – 🙅‍♂️ nicht hilfsbereit * angenehm 🙂 – 😒 unangenehm * ehrlich 🤝 – 😶 unehrlich → Je höher die Gesamtpunktzahl (Summe der Bewertungen), desto positiver wird die Person trotz Konflikten beschrieben. ⸻ 🔹 Interpretation des LPC-Werts: * Hoher LPC-Wert → Die Person wird trotz schlechter Zusammenarbeit eher positiv bewertet → Interpretation: Die Führungskraft ist beziehungsorientiert → Sie legt Wert auf soziale Harmonie, Menschen stehen im Vordergrund * Niedriger LPC-Wert → Die Person wird eher negativ bewertet → Interpretation: Die Führungskraft ist aufgabenorientiert → Sie beurteilt Menschen stärker nach Leistung und Arbeitsverhalten ⸻ 📌 Bedeutung: Fiedler ging davon aus, dass der LPC-Wert eine stabile Persönlichkeitseigenschaft der Führungskraft widerspiegelt – also kein flexibel wählbarer Stil, sondern ein fixes Muster im Führungsverhalten. Daher gilt in seiner Theorie: ✅ Nicht Führungsstil anpassen → 🔄 Passende Situation suchen oder Situation gestalten.
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# 4.2.4. Das situative Führungsmodell von Fiedler Bedingungen der situativen Günstigkeit Führungssituationen nach situativer Günstigkeit
Bedingungen der situativen Günstigkeit a) Führungsperson-Mitarbeitenden-Beziehungen: Unterstützung der Führungsperson durch die Gruppe (Gewichtungsfaktor 4) b) Aufgabenstruktur: Ausmaß, in dem die Aufgabe klar definiert ist, die Ziele deutlich und der Weg zur Zielerreichung festgelegt sind (Gewichtungsfaktor 2) c) Positionsmacht: Macht der Führungsperson, Mitarbeitende der Arbeitsgruppe belohnen und bestrafen zu können (Gewichtungsfaktor 1) 🔑 Bedingungen der situativen Günstigkeit → Entscheidend dafür, wie leicht oder schwer eine Führungskraft in einer Situation effektiv führen kann. ⸻ 1️⃣ Führungsperson–Mitarbeitenden-Beziehung (Gewichtungsfaktor: 4 – wichtigster Faktor) ➡️ Bezieht sich auf das Vertrauensverhältnis, den emotionalen Zusammenhalt und die Loyalität zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden. * Günstig: Die Mitarbeitenden respektieren und unterstützen die Führungskraft, Konflikte sind gering. * Ungünstig: Es besteht Misstrauen, geringe Bindung, Widerstände gegen Anweisungen. 👉 Dieser Faktor wiegt am stärksten in der Beurteilung der Gesamtsituation! ⸻ 2️⃣ Aufgabenstruktur (Gewichtungsfaktor: 2) ➡️ Hier geht es um die Klarheit und Strukturierung der Aufgabe: * Hoch strukturiert: Ziele sind klar, der Weg zur Zielerreichung ist bekannt, Erfolg messbar (z. B. Fließbandarbeit). * Gering strukturiert: Komplexe, offene Aufgabenstellungen ohne klare Vorgaben (z. B. kreative Projekte). 👉 Strukturierte Aufgaben erleichtern die Führung – unstrukturierte erhöhen Unsicherheit und machen Führung schwieriger. ⸻ 3️⃣ Positionsmacht der Führungsperson (Gewichtungsfaktor: 1 – geringster Einfluss) ➡️ Bezieht sich auf die formale Autorität, Sanktionsmacht und Entscheidungskompetenz der Führungskraft. * Starke Positionsmacht: Führungskraft kann belohnen (z. B. Boni, Beförderung) oder sanktionieren (z. B. Abmahnung, Versetzung). * Schwache Positionsmacht: Keine oder geringe formelle Einflussmöglichkeiten. 👉 Eine starke Positionsmacht erhöht die Günstigkeit der Führungssituation – aber nur in geringem Maße im Vergleich zu Beziehung und Aufgabenstruktur. Führungssituationen nach situativer Günstigkeit **S197 ** 📊 Führungssituationen nach situativer Günstigkeit (Fiedler) Die Günstigkeit der Situation wird nach drei Kriterien bewertet: 1. Führungsperson–Mitarbeitenden-Beziehung (+ = gut / − = schlecht) 2. Aufgabenstruktur (+ = klar strukturiert / − = unstrukturiert) 3. Positionsmacht (+ = stark / − = schwach) 🟢 Günstige Situationen (I–III): Diese Kombinationen begünstigen aufgabenorientierte Führung (niedriger LPC-Wert). Situation Beziehung Aufgabe Macht I + + + II + + − III + − + ➡️ Begründung: Die Mitarbeitendenbeziehung ist gut, und es gibt entweder klare Aufgaben oder ausreichend Macht. 🟡 Mittlere Günstigkeit (IV–VI): Hier ist die Situation ambivalent, z. B. entweder die Beziehung oder die Aufgabe oder Macht ist problematisch. Situation Beziehung Aufgabe Macht IV + − − V − + + VI − + − Beziehungsorientierte Führung (hoher LPC-Wert) ist hier meist effektiver – weil Sachstruktur oder Beziehung fehlen, braucht es emotionale Bindung. 🔴 Ungünstige Situationen (VII–VIII): Beziehung, Aufgabenstruktur und Macht sind problematisch. Situation Beziehung Aufgabe Macht VII − − + VIII − − − ➡️ Auch hier wird wieder aufgabenorientierter Führungsstil empfohlen – der Fokus muss auf Kontrolle und Struktur liegen.
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# 4.2.4. Das situative Führungsmodell von Fiedler Fiedlers zentrale Hypothese
Fiedlers zentrale Hypothese Unterschiedliche Typen von Führungspersonen sind in den verschiedenen Situationen unterschiedlich effektiv: – Führungspersonen mit hohem LPC-Wert (beziehungsorientiert), sind besonders effektiv in einer Situation mittlerer Günstigkeit – Führungspersonen mit niedrigem LPC-Wert (aufgabenorientierte Führer), sind besonders effektiv in Situationen von hoher oder niedriger Günstigkeit 🧠 Fiedlers zentrale Hypothese zur Führungseffektivität Fiedler geht davon aus, dass der Erfolg einer Führungskraft vom Zusammenspiel zweier Faktoren abhängt: 1. Führungsstil (festes Persönlichkeitsmerkmal – gemessen über den LPC-Wert) 2. Günstigkeit der Situation (gegeben durch Beziehung, Aufgabenstruktur, Macht) ⸻ 📈 Führungsstiltypen und ihre Effektivität je nach Situation: 🔹 Hoher LPC-Wert (beziehungsorientiert): * Diese Führungskräfte zeichnen sich durch soziale Sensibilität, Empathie und Teamorientierung aus. * 👉 Effektiv in Situationen mittlerer Günstigkeit (z. B. IV, V, VI) * Warum? Weil dort die Situation nicht eindeutig ist – also weder völlig chaotisch noch völlig kontrolliert – braucht es zwischenmenschliche Fähigkeiten zur Stabilisierung. 🔸 Niedriger LPC-Wert (aufgabenorientiert): * Diese Führungskräfte sind eher sachlich, strukturierend, leistungsorientiert. * 👉 Effektiv in sehr günstigen (I–III) oder sehr ungünstigen Situationen (VII–VIII) * Warum? * In günstigen Situationen reicht es, sich ganz auf die Aufgabe zu konzentrieren. * In ungünstigen Situationen braucht es eine starke, zielorientierte Führung, um überhaupt Ergebnisse zu erzielen. ⸻ 📌 Wichtig: Fiedler sieht den Führungsstil als relativ stabil, d. h. er empfiehlt nicht, den Führungsstil situativ zu ändern, sondern die Führungssituation an die Person anzupassen – z. B. durch Umstrukturierung, Rollenverteilung oder Neuverteilung der Machtverhältnisse.
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# 4.2.4. Das situative Führungsmodell von Fiedler Kritische Würdigung
Kritische Würdigung *LPC verweist zurück auf die Bedeutung von Menschenbild und grundsätzlichen Haltungen von Führungspersonen sowie auf grundsätzliche Führungseigenschaften * Sehr enge Abbildung dieser Haltungen/Eigenschaften über LPC- Skala * LPC misst kein Führungsverhalten und damit eigentlich keinen Führungsstil i.S. unserer Definition von Führungsstil * Schlussfolgerungen aus Modell können sehr unterschiedlich sein: – Ineffektive Führung ist kein Problem der Führungsperson (die ist, wie sie nun mal ist), sondern unpassender Situationsgestaltung – Anpassung der Führungssituation an Eigenschaft der Führungsperson über Struktur, Positionsmacht etc.? Könnte auch zu Empfehlung zur Verschlechterung der Situation führen!!! – Auswahl von Führungspersonen für bestimmte Führungssituationen? – Führungsperson nicht entwicklungsfähig, Führungsverhalten nicht veränderbar? 🔍 Kritische Würdigung der Theorie von Fiedler 🌱 Stärken: * Betont grundlegende Einstellungen und das Menschenbild von Führungskräften – also: Wie denke ich grundsätzlich über Mitarbeitende? * Bringt den wichtigen Gedanken ein, dass Führungserfolg auch stark von der Situation abhängt, nicht nur von der Person. * Lenkt den Fokus auf die Passung zwischen Person und Situation, was z. B. in der Personalauswahl hilfreich sein kann. ⸻ ⚠️ Kritikpunkte: 1. 🔎 Begrenztheit des LPC-Ansatzes: * Die LPC-Skala bildet sehr eng die Haltung gegenüber der „least preferred coworker“ ab – ist das ausreichend für ein differenziertes Führungsverständnis? * LPC misst keine konkreten Verhaltensweisen, sondern nur Einstellungen – passt damit nicht zur üblichen Definition von Führungsstil als beobachtbarem Verhalten. 2. ❗ Eingeschränkte Handlungsmöglichkeiten: * Führungsstil gilt als nicht veränderbar – Entwicklung, Lernen oder Coaching bleiben damit außen vor. * Folge: Unpassende Führung wird nicht der Person, sondern der Situation zugeschrieben. 3. 🛠️ Fragwürdige Ableitungen möglich: * Modell könnte zur Anpassung der Situation an die Person führen – z. B. durch absichtliche Veränderung der Positionsmacht oder Aufgabenstruktur. Aber: Ist das immer sinnvoll oder gar legitim? * Gefahr einer „Verschlechterung“ der Situation, nur um zur Führungskraft zu passen (z. B. Entzug von Autonomie bei MA, Einschränkung von Klarheit…). 4. 🎯 Keine Differenzierung individueller Entwicklung: * Keine Aussage darüber, ob und wie sich Führungskräfte weiterentwickeln können (kein Raum für Training, Coaching, Lernprozesse). * Modell wirkt damit sehr statisch.
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# 4.3. Menschenbilder als Einflussfaktoren auf Personalführung Menschenbilder und Führungsstile (nach Holtbrügge & Weber)
Menschenbilder und Führungsstil * Wie bereits bei der Theorie X und Y diskutiert, können Menschenbilder Einfluss auf das Führungsverhalten von Personen nehmen (und darüber auch die Motivation der unterstellten Mitarbeitenden beeinflussen) * Holtbrügge setzt vier verschiedene Menschenbilder in Relation zu idealtypischen Führungsstilen oder „Herrschaftsformen“, die aus den Arbeiten das Soziologen Max Weber abgeleitet wurden (vgl. nächste Folie) * Weber hat sich mit Herrschaftsformen auch in Bezug auf Regierungen und staatliche Stellen auseinandergesetzt und im breiten geschichtlichen Kontext die Herrschaftsformen analysiert – ausgehend von den eher autokratisch-absolutistischen Herrschaftsformen früherer Jahrhunderte * Im Vergleich dieser Herrschaftsformen erscheint der bürokratische Führungsstil – weil sachlich und regelgestützt – als Fortschritt gegenüber den autokratischen, patriachalen und charismatischen Führungsstilen bzw. Herrschaftsformen Menschenbilder und idealtypische Führungsstile nach Max Weber **S203 ** 🧠 Menschenbilder und Führungsstile (nach Holtbrügge & Weber) Führungsverhalten ist nicht nur eine Frage von Methoden, sondern auch davon, welches Menschenbild Führungskräfte haben. Diese Grundannahmen beeinflussen, wie geführt wird. ⸻ 🔹 1. Autokratischer Führungsstil * Menschenbild: Mitarbeitende sind wie Maschinen * Motivation: erfolgt durch Angst und Zwang * Einfluss: basiert auf Positionsmacht * Entscheidungen: werden per Befehl durchgesetzt * Informationsfluss: von oben nach unten * Kontrolle: durch strikte Fremdkontrolle ⸻ 🔹 2. Patriarchalischer Führungsstil * Menschenbild: Mitarbeitende sind wie Kinder * Motivation: durch Abhängigkeit und Versorgung * Einfluss: über Treue und Fürsorge * Entscheidungen: erfolgen durch persönliche Weisung * Informationsfluss: wohlwollend von oben nach unten * Kontrolle: durch persönlichen Zugriff des Patriarchen ⸻ 🔹 3. Charismatischer Führungsstil * Menschenbild: Mitarbeitende sind Jünger * Motivation: entsteht durch Bewunderung und Identifikation * Einfluss: basiert auf persönlicher Ausstrahlung * Entscheidungen: werden durch Überzeugung durchgesetzt * Informationsfluss: persönlich von oben nach unten * Kontrolle: über soziale Kontrolle und Sozialisation ⸻ 🔹 4. Bürokratischer Führungsstil * Menschenbild: Mitarbeitende sind Nummern, anonyme Faktoren * Motivation: durch klare Anweisungen und Vorschriften * Einfluss: beruht auf Hierarchie * Entscheidungen: setzen sich durch Regeln und Strukturen durch * Informationsfluss: formell, von oben nach unten * Kontrolle: erfolgt durch Berichte und schriftliche Überprüfung ⸻ 📌 Reflexion: * Diese Führungsstile sind idealtypisch – sie beschreiben extreme Ausprägungen. * In der Praxis finden sich oft Mischformen oder fließende Übergänge. * Die Bürokratie wird hier nicht negativ, sondern als sachlich und stabilisierend dargestellt – im Vergleich zu eher emotional oder machtzentrierten Führungsformen.
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# 4.3. Menschenbilder als Einflussfaktoren auf Personalführung Leader-Member-Exchange Theorie (LMX-Theorie)
Leader-Member-Exchange Theorie (LMX-Theorie) Grundlagen des Konzeptes: * Betrachtung der vertikalen dyadischen Austauschbeziehung zwischen Führungsperson und Mitarbeitenden * Wechselseitige Rollendefinition * Annahme: unterschiedliche Qualität der Führungs- beziehungen zwischen Führungsperson und Teilgruppen von Mitarbeitenden (in-group vs. out-group) * Ursachen: unterschiedliche Qualität der Austausch- relationen aufgrund persönlicher Unterschiede, Zeitmangel von Führungspersonen In-Group und Out-Group „out-group“: * formale Beziehung; gekennzeichnet durch geringes Vertrauen, geringe Interaktion und wenig Unterstützung seitens der Führungsperson * Führung durch Kontrolle * low-quality leader-member relations „in-group“: * partnerschaftliche Beziehung; gekennzeichnet durch hohes Vertrauen, intensive Interaktion und viel Unterstützung seitens der Führungsperson * Führung durch Leadership/Leitung * high-quality leader-member relations 🤝 Leader-Member-Exchange-Theorie (LMX) 🔹 Grundidee: Die LMX-Theorie betrachtet Führung als individuelle Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden – also dyadisch (jeweils ein Führungsbezug pro Mitarbeitendem). ⸻ 🔹 Zentrale Annahmen: * Es entstehen unterschiedliche Beziehungsqualitäten zu einzelnen Mitarbeitenden. * Mitarbeitende werden oft in zwei Gruppen unterschieden: ⸻ 🔸 „In-Group“: * Verhältnis: Partnerschaftlich, kooperativ * Merkmale: * Hohes Vertrauen * Intensive Kommunikation * Gegenseitige Unterstützung * Führungsstil: Leadership (inspirierend, unterstützend) * Beziehungsqualität: High-quality leader-member relations ⸻ 🔸 „Out-Group“: * Verhältnis: Formal, distanziert * Merkmale: * Geringes Vertrauen * Kaum persönliche Interaktion * Wenig Förderung/Unterstützung * Führungsstil: Kontrolle und Weisung * Beziehungsqualität: Low-quality leader-member relations ⸻ 🔹 Ursachen der Gruppenbildung: * Persönliche Sympathie / Passung * Leistungseinschätzung * Verfügbarkeit von Zeit und Ressourcen der Führungskraft ⸻ 📌 Konsequenzen: * In-Group-Mitarbeitende bekommen mehr Verantwortung, mehr Vertrauen und oft bessere Karrierechancen. * Out-Group-Mitarbeitende bleiben stärker auf formale Rollen und Weisungen beschränkt – mit möglichen Motivationsnachteilen.
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# 4.3. Menschenbilder als Einflussfaktoren auf Personalführung Mögliche Implikationen LMX
Mögliche Implikationen * LMX Beziehungen mit einer hohen Qualität haben positive Auswirkungen auf Führungspersonen, Mitarbeitende, die Arbeitsgruppe und auf die Organisation als Ganzes; * effektiverer Führungsprozess, wenn die Führungsperson high-quality- Austauschbeziehungen mit ihren Mitarbeitenden hat. LMX-Entstehungsprozess **S209** 📈 Implikationen der LMX-Theorie 🔹 Positive Auswirkungen von High-Quality LMX-Beziehungen: * ✅ Effektivere Führung * ✅ Höhere Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden * ✅ Stärkere Bindung an das Unternehmen * ✅ Bessere Team-Performance * ✅ Verbesserte Kommunikation und Vertrauen im Team * ✅ Positive Effekte auf die gesamte Organisation ⸻ 🔄 LMX-Entstehungsprozess (nach Dienesch & Linden, 1986) 🧩 Einflussfaktoren: Führungsperson: * Persönliche Eigenschaften * Einstellungen & Erwartungen * Fachliche & soziale Kompetenzen * Berufliche Erfahrungen Mitarbeitende: * Persönliche Eigenschaften * Motivation & Einstellungen * Fachliche Qualifikation * Vorerfahrungen im Job ⸻ 🔄 Phasen der LMX-Entwicklung: 1. Kontaktphase * Erste Interaktionen & Eindrücke zwischen FK und MA 2. Erste Delegation von Aufgaben * Führungskraft überträgt erste (meist kleinere) Aufgaben 3. Reaktionen der Mitarbeitenden * Wie führen die MA die Aufgabe aus? * Zeigen sie Engagement, Kompetenz, Loyalität? 4. Attributionen der Führungskraft * FK bewertet die Reaktion der MA: z.B. zuverlässig? geeignet? 5. Reaktion der Führungskraft * Je nach Bewertung vertieft oder distanziert sich die Beziehung 6. Feedback-Schleifen * Führungsverhalten beeinflusst MA-Verhalten → beeinflusst FK-Einschätzung → beeinflusst nächstes Führungsverhalten 7. Resultat: * Entstehung einer high-quality oder low-quality Austauschbeziehung
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# 4.3. Menschenbilder als Einflussfaktoren auf Personalführung Kritische Würdigung der LMX-Theorie
Kritische Würdigung der LMX-Theorie * Ansatz der unterschiedlichen Qualität von Führungsbe- ziehungen in einer Arbeitsgruppe als neuer Impuls für die Führungsforschung * Wichtigkeit der Rolle von Kommunikation und des Beginns der Führungsbeziehung wird betont; daher Zeitaspekte integriert! * Entlastung der Führungspersonen, da zentrale Botschaft: „Realisierbarkeit einer IN-Group-Beziehung zu allen Mitarbeitern eher fraglich!“ * empirische Bewährung noch unklar: - Unterscheidung in qualitativ hoch- und minderwertige Beziehungen unscharf; Messbarkeit? - Vernachlässigung situationaler Variablen (Größe des Unternehmens, Funktion, Stabilität der Teams) 🔍 Kritische Würdigung der LMX-Theorie ✅ Stärken: * 💡 Innovativer Beitrag zur Führungsforschung: → Betonung individueller Führungsbeziehungen (nicht mehr „ein Führungsstil für alle“) * 🕓 Berücksichtigung zeitlicher Dynamik: → Fokus auf Entwicklung von Beziehungen über Zeit hinweg * 🗣️ Kommunikation im Zentrum: → Der Aufbau von Vertrauen, Interaktion und Feedback wird hervorgehoben * 🤝 Realistische Entlastung der Führungskraft: → Keine unrealistische Erwartung, dass zur gesamten Belegschaft gleich hochwertige Beziehungen aufgebaut werden können ⸻ ⚠️ Schwächen: * ❓ Unklare Trennung zwischen In-Group & Out-Group: → Kriterien zur Unterscheidung sind unscharf und schwer objektiv messbar * 🧪 Mangelnde empirische Absicherung: → Forschungslage noch uneinheitlich; Generalisierbarkeit nicht gesichert * 🧩 Fehlende Berücksichtigung situativer Faktoren: → z. B. Teamgröße, Fluktuation, Abteilungskultur oder Führungsspanne bleiben unbeachtet * 📉 Gefahr der Stigmatisierung der Out-Group: → Mitarbeitende mit „schwächerer Beziehung“ zur Führungskraft könnten dauerhaft benachteiligt werden
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# 4.3. Menschenbilder als Einflussfaktoren auf Personalführung Charismatische Führung
Charisma (aus dem Griechischen): „Gnadengabe“, „von Gott dem Menschen wohlwollend Geschenktes“ * beschreibt eine besondere, magische, übernatürliche, übermenschliche, außeralltägliche Ausstrahlung oder Qualität einer Persönlichkeit * Charismatische Personen – leben überzeugend vor, wofür es sich lohnt zu leben und zu arbeiten, – wecken neue und „höhere“ bzw. herausfordernde Ziele in den Mitarbeitenden/Geführten – erzeugen ein hohes Maß an Loyalität, Verpflichtung, Vertrauen, Hingabe und Identifikation mit der Führungsperson und ihrer Mission – vertrauen den Mitarbeitenden/Geführten und steigern damit deren Selbstachtung, Selbstvertrauen, Motivation
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# 4.3. Menschenbilder als Einflussfaktoren auf Personalführung Kernelemente charismatischer Führung Mögliche Auslöser der Zuschreibung von Charisma
* Charismatische Führungspersonen – formulieren eine Vision als übergreifendes und inspirierendes Ziel – leben Werte vor und geben ein Beispiel – führen gefühlsbetont und inspirierend – regen Emotionen an und demonstrieren Überzeugung ggü. der Vision * Vision – als langfristige Strategie um ein Ziel zu erreichen – Ziel beschreibt eine bessere Zukunft für die Organisation Mögliche Auslöser der Zuschreibung von Charisma *These, dass Menschen charismatischen Führungspersonen eher folgen – in Krisensituationen: „Ruf nach der starken Hand“ – in strukturlosen Situationen mit einem „Herrschaftsvakuum“ * These lässt sich empirisch nicht gut bestätigen * Bisher ist es nicht gelungen, systematisch abzuleiten, welche Situationsvariablen eine Rolle spielen könnten ✨ Kernelemente charismatischer Führung 👤 Eigenschaften charismatischer Führungspersonen: * 🧭 Formulieren eine Vision → übergeordnetes, inspirierendes Ziel mit langfristiger Perspektive * 🌟 Leben zentrale Werte aktiv vor → agieren als glaubwürdiges Vorbild für Mitarbeitende * ❤️ Führen emotional und inspirierend → nutzen Gefühle und Leidenschaft zur Motivation * 🔥 Demonstrieren Überzeugungskraft → begeistern andere durch Ausstrahlung und Überzeugung ⸻ 🎯 Die Rolle der Vision: * 📌 Langfristige strategische Ausrichtung * 🌍 Ziel: bessere Zukunft für die Organisation * 🧠 Leitbild für Orientierung und Sinngebung
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# 4.3. Menschenbilder als Einflussfaktoren auf Personalführung Positive und negative Eigenschaften und Wirkungen charismatischer Führungspersonen
Positive und negative Eigenschaften und Wirkungen charismatischer Führungspersonen positive Eigenschaften oder Wirkungen * denken visionär, orientiert auf die Zukunft * kann Transformation von Menschen und Organisationen bewirken * hat Sendungsbewusstsein * ist engagiert und entschlossen * (selbst-)sicher, selbstvertrauend * zielorientiert, bereit, Risiken einzugehen * dominant * an die eigenen Werte glaubend * rhetorisch und kommunikativ begabt, mitreißend * vermittelt anderen Sinn und Selbstvertrauen und Begeisterung für die Arbeit, berücksichtigt deren Bedürfnisse 😃😃😃😃😃😃😃 negative Eigenschaften oder Wirkungen * narzisstisch, nur an der eigenen Person interessiert, selbstverliebt * Brauchen Bewunderung von anderen und tun alles, um die zu bekommen * Impression Management; Leistungen anderer aufs eigene Konto verbuchen * schlechte interpersonelle Beziehungen * Polarisierung unter den Geführten/Mitarbeitenden * Unduldsamkeit gegenüber anderen Meinungen ✨ Positive Eigenschaften / Wirkungen * 🔮 Visionär – zukunftsorientiertes Denken * 🔁 Transformativ – kann Wandel in Menschen & Organisationen anstoßen * 🕊️ Sendungsbewusstsein – handelt aus tiefer Überzeugung * 🔥 Engagiert & entschlossen – zeigt Einsatz und Zielstrebigkeit * 💪 Selbstbewusst & sicher – strahlt Selbstvertrauen aus * 🎯 Zielorientiert & risikobereit – geht kalkulierte Wagnisse ein * 📢 Dominant – nimmt aktiv Führungsrolle ein * 🧭 Werteorientiert – glaubt stark an die eigenen Prinzipien * 🗣️ Rhetorisch stark & inspirierend – motiviert mit Worten * ❤️ Motivator für andere – vermittelt Sinn, stärkt Selbstvertrauen & berücksichtigt Bedürfnisse ⸻ ⚠️ Negative Eigenschaften / Wirkungen * 😤 Narzisstisch – auf sich selbst fixiert, selbstverliebt * 🌟 Bewunderungssüchtig – sucht ständig Anerkennung * 🧮 Impression Management – nimmt Verdienst anderer für sich in Anspruch * 🤝 Schlechte Beziehungen – Schwierigkeiten im zwischenmenschlichen Kontakt * ⚔️ Polarisierend – spaltet Mitarbeitende in Lager * 🚫 Intolerant – duldet keine abweichenden Meinungen
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# 4.3. Menschenbilder als Einflussfaktoren auf Personalführung Theoretische Einordnung des Ansatzes Charismatische Führung
Theoretische Einordnung des Ansatzes Charismatische Führung wird unterschiedlich interpretiert * als eigenschaftsorientierter Führungsansatz: Charisma als Eigenschaft der Führungsperson, oder * als beziehungsorientierter Ansatz: Charisma wird der Führungsperson von den Mitarbeitenden zugeschrieben; Komplementarität zwischen der Führungsperson und den Mitarbeitenden; aber * eher nicht als verhaltensorientierter Ansatz: denn es wird eher eine Idee (Führung über Visionen) oder Wirkung (Motivation, Identifikation, Transformation von Organisationen und Menschen) beschrieben als ein konkretes Verhalten der Führungsperson 🧠 Theoretische Einordnung der charismatischen Führung Charismatische Führung lässt sich nicht eindeutig einem einzigen theoretischen Ansatz zuordnen. Es gibt drei Sichtweisen, die den Ansatz unterschiedlich interpretieren: ⸻ 1. 🧬 Eigenschaftsorientierter Ansatz * Charisma wird als angeborene oder stabile Eigenschaft der Führungsperson betrachtet * Beispiel: Persönliche Ausstrahlung, Selbstvertrauen, Visionärskraft ⸻ 2. 🤝 Beziehungsorientierter Ansatz * Charisma wird nicht objektiv besessen, sondern subjektiv von den Geführten zugeschrieben * Führungswirkung entsteht aus der dynamischen Wechselwirkung zwischen Führungsperson und Mitarbeitenden * Betonung auf Komplementarität: Die Bedürfnisse der Mitarbeitenden treffen auf die Eigenschaften der Führungsperson ⸻ 3. 🚫 Kein verhaltensorientierter Ansatz * Es wird kein konkretes beobachtbares Führungsverhalten beschrieben * Stattdessen stehen abstrakte Elemente wie: * Visionen * Transformation * Motivationale Wirkung * Identifikation der Geführten im Mittelpunkt
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# 4.3. Menschenbilder als Einflussfaktoren auf Personalführung Kritische Würdigung Charismatische Führung
Kritische Würdigung * Charismatische Führung wird mit der „Dark Triad of Leadership“ in Verbindung gebracht: Narzissmus, Machiavellismus und psychopathisches Führungsverhalten * Damit werden verschiedene negative Effekte in Verbindung gebracht – Machtmissbrauch, Diskriminierung, Mobbing, Ausbeutung, impulsives und „toxisches“ Verhalten, …. * Charismatische Führung kann mit einem sehr ungleichen Verhältnis zwischen Führungsperson und zu Führenden einhergehen – „Guru und Jünger:innen“ haben keine Beziehung auf Augenhöhe * Aber: – Charismatische und transformationale Führung werden für Veränderungsprozesse von Organisationen dringend gebraucht – Bedarf nach Sinn und Purpose wird überall diskutiert * Vgl. auch oben die Überlegungen zu dem personalisierten oder sozialisierten Machtmotiv: Es kommt darauf an, wofür/zu welchen Zielen etc. das Charisma eingesetzt wird! ⚖️ Kritische Würdigung: Charismatische Führung ⚠️ Risiken und problematische Aspekte * 🧠 „Dark Triad of Leadership“ Verbindung zu drei toxischen Eigenschaften: → Narzissmus, Machiavellismus, Psychopathie * 🛑 Negative Effekte: Machtmissbrauch, Mobbing, Diskriminierung, Ausbeutung, impulsives oder „toxisches“ Verhalten * 🧎‍♂️ Ungleichgewicht in Beziehungen: Gefahr eines „Guru-Jünger“-Verhältnisses – keine Führung auf Augenhöhe, sondern einseitige Machtbeziehung ⸻ ✅ Chancen und positive Aspekte * 🔄 Notwendig für Transformation: In Veränderungsprozessen von Organisationen oft unverzichtbar, da charismatische Führung Orientierung und Energie stiften kann * 💡 Sinn & Purpose: Charismatische Führung spricht das moderne Bedürfnis nach Sinnhaftigkeit und Vision an * 🧭 Es kommt auf das Ziel an: Entscheidend ist, wofür das Charisma eingesetzt wird: → Personalisierte Machtmotive können destruktiv wirken → Sozialisierte Machtmotive hingegen dienen kollektiven, sinnvollen Zielen
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# 4.3. Menschenbilder als Einflussfaktoren auf Personalführung „New“ Leadership
„New“ Leadership * Unternehmen agieren in VUCA-World – V – volatility (Unbeständigkeit, Unstetigkeit) – U – uncertainty (Unsicherheit, Risiko) – C – complexity (Komplexität) – A – ambiguity (Mehrdeutigkeit) * stellt Unternehmen, ihre Organisationsstrukturen und Führung vor neue Herausforderungen * führt zu Veränderungen, die mit Schlagworten wie Agilität, New Work, Selbstorganisation, hierarchiefreie Organisationsmodelle verbunden sind * Veränderungen sollen Organisation flexibler, fehlerfreundlicher, innovativer, reaktionsschneller machen in der VUCA-World * wird als Auslöser für „New“ Leadership gesehen „Old“ and „New“ Leadership Old Leadership Hierarchie Distanz Motivation Abschottung Dringlichkeit Dominanz Kontrolle Heldengeschichten Einzelkämpfer korrigieren Einhaltung von Normen und Regeln Ökonomisch-rationales Menschenbild New Leadership Beziehung auf Augenhöhe, Vernetzung Präsenz Inspiration, Purpose, Visionen Transparenz Beharrlichkeit Entschiedenheit Vertrauen Sinnstiftende Geschichten Teamgeist Lernen, persönliches Wachstum Kreativität Komplexes Menschenbild
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# 4.3. Menschenbilder als Einflussfaktoren auf Personalführung Entwicklung hin zu New Leadership
Entwicklung hin zu New Leadership * Küchler & Fountain (2022) argumentieren, dass New Leadership nur von reifen, weit entwickelten Persönlichkeiten gelebt werden kann, die eine „hohe Entwicklungsstufe“ erreicht haben, und dass auf jeder Stufe der Entwicklung „new leadership“ unterschiedlich definiert wird * Bezug auf verschiedene Stufenentwicklungstheorien von Menschen und Gesellschaften (z.B. Beck/Gowan‘s Spiraldynamik, Ken Wilbers Integrale Theorie oder Laloux‘s Reinventing Organizations) * Stufenentwicklungstheorien – bauen auf einem konstruktivistischen Weltbild auf („Es gibt keine objektive Welt. Wir konstruieren uns die Welt durch unsere jeweiligen Interpretationen“). – nehmen verschiedene Entwicklungsstufen an, * auf denen Menschen jeweils unterschiedliche Werte, Sichtweisen, Interpretationen der Welt aufweisen * die wie eine „Brille“ wirken, durch die wir die Welt sehen (konstruieren), bewerten, handeln, agieren, führen, gute Führung definieren, etc.etc. * die ihre eigenen Errungenschaften und Erfolge, Probleme und Herausforderungen, Einschränkungen und Verwundbarkeiten aufweisen * Reifeprozess in der gesamten Gesellschaft, ihrer Organisationen, ihrer Kultur und der Personen über verschiedene Entwicklungs- stufen hinweg erforderlich * Beispiele siehe in Küchler & Fountain (2022) * Entwicklungsstufen der Organisationen und der Personen sowie der Personen und ihrer Führung müssen zueinander „passen“, weil die verschiedenen „Brillen“ durch die die Welt gesehen wird, sonst zu Missverständnissen, Spannungen, unpassenden Handlungen etc. führen 🌱 Entwicklung hin zu New Leadership: Eine tiefenpsychologische und entwicklungslogische Perspektive 🧠 1. Grundannahme nach Küchler & Fountain (2022) * „New Leadership“ (also moderne, transformative, sinnorientierte Führung) ist nicht bloß eine Methode oder Technik, sondern Ausdruck einer bestimmten inneren Reife einer Führungsperson. * Diese Reife ist das Ergebnis eines individuellen Entwicklungsprozesses: Nur wer eine hohe „Entwicklungsstufe“ erreicht hat, kann diesen neuen Führungsstil authentisch und wirksam leben. * Anders gesagt: Führen auf neue Art erfordert auch ein neues Bewusstsein. 📚 2. Bezug zu Stufenentwicklungstheorien Die Argumentation stützt sich auf Theorien der Entwicklungspsychologie und Bewusstseinsforschung, u.a.: Theorie Kurzbeschreibung Spiraldynamik (Beck & Cowan) Menschen und Kulturen durchlaufen farblich kodierte Bewusstseinsstufen (z.B. „orange“ für rational-leistungsorientiert, „grün“ für pluralistisch-humanistisch, „gelb“ für systemisch-integrativ). Integrale Theorie (Ken Wilber) Vereint individuelle und kollektive Entwicklung, bewusste Innenwelt und äußere Systeme – Führung findet auf mehreren Ebenen gleichzeitig statt. Reinventing Organizations (Frederic Laloux) Organisationen durchlaufen Entwicklung von konformistisch (rot), hierarchisch (orange), pluralistisch (grün) bis zu „teal“ (evolutionär-selbstorganisierend). 🧩 3. Was meinen Stufenentwicklungstheorien genau? * Sie basieren auf einem konstruktivistischen Weltbild: „Es gibt keine objektive Welt – wir konstruieren unsere Wirklichkeit durch unsere Interpretation.“ * Daraus folgt: Jeder Mensch, jede Führungskraft, jede Organisation „sieht“ die Welt durch eine bestimmte Brille – diese Brille ist durch die jeweilige Entwicklungsstufe geprägt. Beispiel: * Eine Führungskraft auf einer rational-funktionalen Stufe (orange) denkt in Zahlen, Kontrolle, Effizienz. * Eine Führungskraft auf einer pluralistisch-integrativen Stufe (grün) denkt in Sinn, Beteiligung, Empathie. Diese „Brillen“ beeinflussen: * Was als gute Führung gilt * Wie Entscheidungen getroffen werden * Wie Konflikte erlebt und gelöst werden ⸻ 🔄 4. Warum ist das relevant für New Leadership? * Moderne Unternehmen brauchen adaptionsfähige Führung – aber das klappt nur, wenn Organisation, Führung und Mitarbeitende auf ähnlichen Entwicklungsstufen agieren. * Mismatch (z.B. Chef auf rationaler Stufe, Team auf ko-kreativer Stufe) führt zu: * Spannungen * Missverständnissen * Demotivation * Fehlentscheidungen ⸻ 🌍 5. Gesellschaftlicher Kontext * Diese Entwicklung ist nicht nur individuell, sondern auch kulturell: * Gesellschaften entwickeln sich (z.B. von Gehorsam zu Selbstverwirklichung). * Organisationen als Teil der Gesellschaft müssen diesen Wandel mitgehen – z.B. durch: * mehr Selbstorganisation * Vertrauenskultur * Purpose-orientierte Führung ⸻ 📌 6. Fazit für die Klausur und Praxis Prüfungsrelevante Punkte Inhalt Definition „New Leadership“ = Führungsstil, der ein höheres Maß an Selbstreflexion, emotionaler Reife und systemischer Denkweise voraussetzt. Zentrale These Nur wer sich selbst entwickelt, kann „reif“ führen – New Leadership ist Ausdruck innerer Entwicklung, nicht nur Methode. Bezug zu Theorien Spiraldynamik, Integrale Theorie, Reinventing Organizations zeigen: Entwicklung findet auf Stufen statt, die sinnprägend sind. Implikation Führungskräfte müssen nicht nur Techniken beherrschen, sondern bewusstseinsmäßig „mitwachsen“ – sonst droht „Stufenclash“.
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# 4.3. Menschenbilder als Einflussfaktoren auf Personalführung Personenentwicklung und Führung **S223 **
**S223** 🌟 Personenentwicklung und Führung – Stufenmodell nach Küchler & Fountain (2022) 🧭 Ziel des Modells Das Modell will zeigen, dass Führung nicht unabhängig von der persönlichen Reife der Führungskraft entstehen kann – sondern dass Führungshaltung und Persönlichkeitsentwicklung parallel verlaufen müssen. ⸻ 🪜 Stufen im Überblick Stufe Ich-Entwicklung (Persönlichkeitsreife) Führungsstil Anteil der Bevölkerung 8 Integrativ (systemisch, verbunden, dienend) Transformative Führung (Führung durch Sinn, Werte, Entwicklung) 1–4 % 7 Relativierend (Perspektivwechsel möglich, Umgang mit Ambivalenz) Visionär-partizipative Führung 5–10 % 6 Eigenbestimmt (selbstreflexiv, wertgeleitet, autonom) Management & Leadership 30–35 % 5 Rationalistisch (zielorientiert, leistungsbezogen, logisch) Faktenbasierte Führung 37–45 % 4 Gemeinschaftsbestimmt (sozial angepasst, loyal, teambezogen) Formalistische Führung 10–12 % 3 Selbstorientiert (impulsiv, egozentriert, ich-bezogen) Autoritäre Führung 5–7 % 🧠 Was bedeutet das konkret? 🔹 Stufe 3: Selbstorientiert * Denkmuster: „Ich zuerst.“ * Führung: autoritär, Kontrolle, Drohungen, Hierarchie * Kritik: kaum langfristiges Vertrauen, oft toxisch 🔹 Stufe 4: Gemeinschaftsbestimmt * Denkmuster: „Was denken die anderen?“ * Führung: formal, auf Rollen und Regeln basierend * Fokus: Sicherheit, Loyalität, Dienst nach Vorschrift 🔹 Stufe 5: Rationalistisch * Denkmuster: „Was funktioniert?“ * Führung: auf Effizienz, Zielvereinbarungen, KPIs gestützt * Fokus: Leistung, Wettbewerb, Karriere 🔹 Stufe 6: Eigenbestimmt * Denkmuster: „Ich denke selbst.“ * Führung: situativ, motivierend, delegierend, Selbstverantwortung stärkend 🔹 Stufe 7: Relativierend * Denkmuster: „Mehrere Perspektiven sind wahr.“ * Führung: ko-kreativ, empathisch, mit Sinnstiftung 🔹 Stufe 8: Integrativ * Denkmuster: „Ich bin Teil eines größeren Ganzen.“ * Führung: transformativ, Sinn- und Werte-orientiert, mit Fokus auf kollektiver Entwicklung und Evolution ⸻ 📊 Was ist besonders auffällig? 1. Die Mehrheit der Menschen (ca. 70–80 %) bewegt sich auf den Stufen 4–6. 2. Transformative Führung ist nur für einen kleinen Teil (1–4 %) wirklich erreichbar – weil sie ein sehr hohes Maß an persönlicher Reife voraussetzt. 3. Mismatch-Gefahr: Wenn z. B. eine Organisation auf Stufe 4 agiert (formalistisch), eine Führungskraft aber auf Stufe 7 denkt, entsteht Spannung und oft Ablehnung. 4. Wachstum statt Bewertung: Keine Stufe ist „schlecht“, aber je höher die Stufe, desto mehr Perspektiven können integriert werden. ⸻ 🧩 Warum ist das wichtig für Personalmanagement? * Führungskräfteentwicklung muss nicht nur Skills vermitteln, sondern Bewusstseinsentwicklung ermöglichen. * New Leadership funktioniert nicht bei jeder Organisation – sie muss auch zur Reife der Belegschaft passen. * Es braucht mehr als Trainings – es braucht Entwicklungsräume.
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# 4.4. Exkurs und Ergänzung: Einige psychologische Grundlagen Attributionstheorien
Attributionstheorien Attribution: * Kausale Erklärungen/Ursachenzuschreibungen für (eigene oder fremde) Erfolge und Misserfolge **S226** * Attributionsmuster beeinflussen Selbst- und Fremdein- schätzungen sowie Reaktionsweisen 🧠 Attributionstheorien – Kausale Ursachenzuschreibungen 🧩 Was ist Attribution überhaupt? Attribution bedeutet: Menschen schreiben Ereignissen, insbesondere Erfolgen und Misserfolgen, Ursachen zu. Diese Ursachen können sich auf einen selbst oder auf andere Personen beziehen und helfen dabei, die Situation zu verstehen, emotional einzuordnen und zukünftiges Verhalten abzuleiten. 📊 Das grundlegende Attributionsmodell Wir unterscheiden drei Dimensionen, aus denen sich Attributionsmuster ergeben. Die gängige Klassifikation (nach Weiner) ist: Dimension Beispielhafte Ausprägungen Beispiel für Erfolg/Misserfolg Ort der Ursache (internal vs. external) * Intern: „Ich habe gut gelernt.“ * Extern: „Die Aufgabe war leicht.“ | * Erfolg: „Ich bin gut.“ * Misserfolg: „Der Lehrer war unfair.“ | * Stabil: „Ich bin intelligent.“ * Instabil: „Ich habe mich angestrengt.“ | * Erfolg: „Ich war wie immer gut vorbereitet.“ * Misserfolg: „Heute hatte ich einfach Pech.“ | * Kontrollierbar: „Ich habe nicht genug gelernt.“ * Unkontrollierbar: „Ich war krank.“ | * Erfolg: „Ich habe mich bemüht.“ * Misserfolg: „Ich konnte nichts dafür.“ | 🧠 Warum ist das wichtig in der Personalführung? 1. Selbstattribution von Mitarbeitenden: * Wer Misserfolge intern & stabil attribuiert („Ich bin einfach schlecht“), verliert Motivation → Risiko von erlernter Hilflosigkeit * Wer Erfolge intern & stabil attribuiert („Ich bin kompetent“), entwickelt Selbstwirksamkeit 2. Fremdattribution durch Führungskräfte: * Attribuiere ich den Misserfolg eines Mitarbeitenden an: * Fähigkeit → führt zu geringeren Erwartungen an die Person * Anstrengung → könnte ich mit Motivation arbeiten * Pech → vielleicht Rücksicht nehmen * falsche Rahmenbedingungen → strukturelle Lösungen suchen ⸻ 🚦 Beispielhafte Führungsimplikationen Attribution Führungskraft Typische Reaktion „Der Mitarbeiter hat sich nicht angestrengt.“ (internal, kontrollierbar, instabil) Feedback geben, Zielvereinbarung, Coaching „Der ist halt einfach überfordert.“ (internal, stabil) Versetzung, Degradierung, Resignation „Das war ein Ausnahmefehler, weil er krank war.“ (external, instabil) Verständnis, Rückendeckung „Das Projekt ist an der Unternehmensstruktur gescheitert.“ (external, stabil) Organisationsentwicklung nötig 📚 Fazit für die Klausur Merke Attribution = Ursachenzuschreibung für Erfolg oder Misserfolg Zwei Hauptdimensionen laut Folie intern/extern und stabil/instabil Attributionsmuster beeinflussen Motivation, Selbstbild, Führungsverhalten Führungskräfte sollten reflektieren, wie sie attribuieren und sich bewusst sein, welche Wirkung das auf Mitarbeitende hat 🧠 Was bedeutet „stabile“ vs. „instabile“ Attribution? Die Dimension Stabilität beschreibt: Wie dauerhaft oder veränderbar ist die Ursache, die einer Person (oder sich selbst) für ein Verhalten oder ein Ergebnis zugeschrieben wird? 📚 Beispiele aus dem Arbeitskontext ✅ Erfolg stabil-internal „Ich bin ein talentierter Präsentator.“ ➡️ Positives Selbstbild, aber Gefahr der Selbstüberschätzung ➡️ Führungskraft könnte sagen: „Super, das liegt dir wirklich.“ ❌ Misserfolg stabil-internal „Ich bin einfach zu dumm für Excel.“ ➡️ Problematisch! → Demotivation, „erlernte Hilflosigkeit“ ➡️ Führungskraft sollte helfen, umzudeuten: „Vielleicht war es nur die Übung heute.“ ✅ Erfolg instabil-internal „Ich hab mich gut vorbereitet.“ ➡️ Erfolgszuschreibung auf kontrollierbare Ursache ➡️ Führungskraft könnte loben: „Super Einsatz!“ ❌ Misserfolg instabil-external „Ich hatte Pech mit der Aufgabe.“ ➡️ Entlastend – aber ggf. Vermeidung von Verantwortung ➡️ Führungskraft muss abwägen: Verständnis oder Ausrede? | Stabilität der Ursache (stabil vs. instabil) | 🎯 Warum ist Stabilität für die Führung so wichtig? * Bei stabilen Ursachen (z. B. „Ich kann das nicht“) → besteht Gefahr, dass Mitarbeitende aufgeben. * Bei instabilen Ursachen (z. B. „Ich hatte heute keinen guten Tag“) → besteht Chance auf Verbesserung und Entwicklung. * Gute Führung hilft, negative stabile Attributionen in positive instabile umzudeuten (z. B. durch Coaching, Training, Feedback). ✅ Klausur-Merker ** S226 ** | Kontrollierbarkeit (kontrollierbar vs. unkontrollierbar) |
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# 4.4. Exkurs und Ergänzung: Einige psychologische Grundlagen Attributionstheorie der Führung (Kelley und Mitchell)
Attributionstheorie der Führung (Kelley und Mitchell) Verhalten von Vorgesetzten, die schlechte Leistungen von Mitarbeitenden beobachten, besteht aus mehreren Stufen: 1. Verhaltensbeobachtung 2. Kausalattributionen unter Berücksichtigung verschiedener sozialer und informationeller Faktoren 3. Ableitung von Reaktionen auf das Verhalten – unter Berücksichtigung der Kausalattributionen – und verschiedener weiterer Faktoren 🎯 Attributionstheorie der Führung (Kelley & Mitchell) Diese Theorie untersucht: Wie reagieren Führungskräfte auf schlechte Leistungen von Mitarbeitenden – und was bestimmt diese Reaktionen? Zentrale Annahme: 👉 Nicht das Verhalten an sich, sondern die Interpretation der Ursachen (Attribution) bestimmt die Reaktion der Führungskraft. ⸻ 🔄 3-stufiger Attributionsprozess nach Kelley & Mitchell Stufe Inhalt Beispiel 1. Verhaltensbeobachtung Die Führungskraft nimmt ein Verhalten oder Ergebnis wahr, z. B. schlechte Leistung, Verspätung, Fehler „Anna hat die Deadline nicht eingehalten“ 2. Kausalattribution Die Führungskraft sucht nach Ursachen – warum ist das passiert? Dabei werden verschiedene Informationsquellen berücksichtigt War Anna auch bei anderen Projekten unzuverlässig? Waren andere Teammitglieder ebenfalls betroffen? 3. Reaktion Auf Basis der Ursachenzuschreibung trifft die Führungskraft eine Entscheidung über eine Reaktion (z. B. Ermahnung, Coaching, keine Reaktion) Wenn es ein Einzelfall war: Verständnis. Wenn stabil: Kritikgespräch. Wenn systematisch: Maßnahmenplanung. 🧠 Informationsregeln für die Attribution (nach Kelley) In der zweiten Stufe (Kausalattribution) nutzt die Führungskraft oft folgende drei Kriterien – bekannt aus der Kovariationstheorie von Kelley: Kriterium Frage Interpretation bei niedriger Ausprägung Konsensus Verhalten sich andere in der gleichen Situation ähnlich? Nein → Ursache liegt eher in der Person Konsistenz Verhält sich die Person in vergleichbaren Situationen gleich? Nein → Ursache eher situationsbedingt Distinktheit Tritt das Verhalten nur in dieser Situation auf? Nein → Verhalten ist allgemein typisch für die Person 🧭 Beispiel: Mitarbeitende kommt oft zu spät Beobachtung „Max kommt regelmäßig zu spät zur Arbeit“ Konsensus niedrig (alle anderen sind pünktlich) → spricht für interne Ursache Konsistenz hoch (Max kommt immer zu spät) → stabil Distinktheit niedrig (Max ist auch bei Meetings zu spät) → allgemein ➡️ Attribution: Persönlichkeitsbedingtes Verhalten ➡️ Reaktion: z. B. Feedbackgespräch, ggf. konsequente Maßnahmen ⸻ 📚 Wichtig für die Klausur und Praxis Aspekt Erklärung Attributionstheorie der Führung beschreibt, wie Führungskräfte aus Verhalten Rückschlüsse auf Ursachen ziehen und darauf reagieren 3-Stufen-Modell Beobachtung → Ursachenzuschreibung → Reaktion Informationskriterien Konsensus, Konsistenz, Distinktheit als Analysehilfe Praktische Bedeutung Führungskräfte sollten reflektieren, ob ihre Reaktionen auf validen Ursachenannahmen beruhen oder voreingenommen sind 🚨 Fehlerquellen in der Praxis Führungskräfte unterliegen oft Attributionsverzerrungen, z. B.: * Fundamentaler Attributionsfehler: Tendenz, Verhalten anderer intern zu attribuieren (z. B. auf „Charakter“), statt situative Faktoren zu berücksichtigen. * Selbstwertschutz bei Führungskräften: Erfolg wird gerne intern, Misserfolg extern attribuiert (besonders bei Führungsschwäche) ⸻ 💡 Fazit Die Attributionstheorie der Führung zeigt: Wie wir über Ursachen denken, beeinflusst, wie wir führen. Gerade im Personalmanagement ist es entscheidend, bewusst und fair zu attribuieren, um Fehleinschätzungen und falsche Reaktionen zu vermeiden.
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# 4.4. Exkurs und Ergänzung: Einige psychologische Grundlagen Verhaltensbeobachtung und Attribution
🧠 Kovariationstheorie von Kelley (1973) 🧩 Grundidee Kelley fragt: Wie entscheiden wir, ob das Verhalten einer Person auf sie selbst oder auf die Situation zurückzuführen ist? Dazu beobachtet der Mensch (z. B. die Führungskraft) systematisch die Umstände eines Verhaltens, bevor er/sie eine Ursache zuschreibt (= Attribution). ⸻ 🧪 Die drei informationsbasierten FaktorenVerhaltensbeobachtung und Attribution von Kausalfaktoren Kelley (1973) identifiziert drei zentrale informationelle Faktoren, die den Attributionsprozess beeinflussen: * Distinktheit/Unterschiedlichkeit (des Verhaltens einer Person in vergleichbaren Situationen) * Konsens/Übereinstimmung (des Verhaltens einer Person mit dem Verhalten anderer Personen in der gleichen Situationen) * Konsistenz/zeitliche Beständigkeit (des Verhaltens einer Person gegenüber ihrem Verhalten in anderen Situationen) 🧠 Kovariationstheorie von Kelley (1973) 🧩 Grundidee Kelley fragt: Wie entscheiden wir, ob das Verhalten einer Person auf sie selbst oder auf die Situation zurückzuführen ist? Dazu beobachtet der Mensch (z. B. die Führungskraft) systematisch die Umstände eines Verhaltens, bevor er/sie eine Ursache zuschreibt (= Attribution). ⸻ 🧪 Die drei informationsbasierten Faktoren Faktor Frage Hohe Ausprägung bedeutet… Distinktheit Verhält sich die Person nur in dieser Situation so – oder auch in anderen? Das Verhalten ist besonders für diese Situation → Ursache in der Situation Konsens Verhält sich auch der Rest der Gruppe so in derselben Situation? Viele verhalten sich so → Ursache in der Situation Konsistenz Verhält sich die Person immer so, wenn sie in dieser Situation ist? Verhalten ist zeitlich stabil → Ursache eher in der Person 📚 Kombinationsbeispiele zur Einordnung Konsens Distinktheit Konsistenz Interpretation Niedrig Niedrig Hoch Personenbezogene Attribution („Der Mitarbeiter ist immer so“) Hoch Hoch Hoch Situationsbezogene Attribution („Die Aufgabe war extrem schwer“) Niedrig Hoch Niedrig Zufall/Unstetigkeit oder unsichere Ursache 📌 Anwendungsbeispiel aus dem Führungsalltag 🎯 Ein Mitarbeiter (Alex) hat in einem Meeting sehr passiv gewirkt – kaum Beteiligung. Du als Führungskraft überlegst: Woran lag das? Kriterium Beobachtung Schlussfolgerung Distinktheit hoch Alex ist sonst in Meetings aktiv, aber nur bei diesem Thema passiv → liegt eher an dem speziellen Thema oder Setting Konsens hoch Auch andere haben wenig gesagt → lag vielleicht an der Meetingleitung, am Thema oder Format Konsistenz hoch Alex verhält sich immer bei diesem Projekt passiv → könnte auch am Projekt oder an der Teamdynamik liegen
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# 4.4. Exkurs und Ergänzung: Einige psychologische Grundlagen Informationelle Faktoren und Attribution (Beispiel) **S230**
🧠 Ziel der Tabelle **S230** Sie zeigt, wie man aus konkreten Verhaltensdaten (hier: Prüfungsergebnisse) Rückschlüsse auf die Ursache (internal vs. external) zieht. Das hilft z. B. Führungskräften, Lehrenden oder Personalverantwortlichen zu entscheiden: „Liegt es an der Person – oder an den Umständen?“ ⸻ 🧪 Faktor-Erklärungen anhand der Tabelle Faktor Bedeutung laut Kelley Beispielhafte Anwendung Unterschiedlichkeit (Distinktheit) Verhält sich die Person nur in dieser Situation so – oder auch in anderen? „Fällt die Person nur in dieser Klausur durch – oder auch in anderen?“ Übereinstimmung (Konsens) Verhalten sich andere Personen in derselben Situation ähnlich? „Fällt nur diese Person durch – oder viele andere auch?“ Konsistenz Zeigt die Person über die Zeit hinweg dasselbe Verhalten in dieser Situation? „Fällt sie immer in Zwischenklausuren durch – oder war es ein Einzelfall?“ 🔍 Interpretation der Tabelle 🔴 Eher internale Attribution (→ Ursache in der Person) | Konsens niedrig | Nur sie fällt durch, andere bestehen → liegt nicht an der Klausur | Konsistenz hoch | Sie fällt auch bei anderen Prüfungsarten durch → Muster über Zeit hinweg | ➡️ Fazit: Die Ursache liegt wahrscheinlich bei der Person selbst (z. B. mangelnde Vorbereitung, Fähigkeiten, Prüfungsangst etc.). ⸻ 🟢 Eher externale Attribution (→ Ursache in der Situation) | Distinktheit hoch | In anderen Klausuren hat sie gute Noten → nur diese Klausur problematisch | Konsens hoch | Viele andere bestehen auch nicht → die Klausur ist auffällig schwer | Konsistenz niedrig| Sie besteht sonst alle anderen Prüfungsformen | ➡️ Fazit: Die Ursache liegt wahrscheinlich in der Situation (z. B. schlechte Aufgabenstellung, unfaire Bewertung, zu schweres Niveau). ⸻ 📚 Klausur-Tipp Du solltest: * die drei Faktoren korrekt definieren können * anhand eines Beispiels analysieren, ob eher intern oder extern attribuiert wird * erklären, welche Kombination zu welchem Ergebnis führt ⸻ 🎯 Praxisrelevanz für Personalmanagement Im Unternehmen ersetzt du „Klausur“ einfach durch: * Leistung im Projekt * Verhalten in Teamsitzungen * Zuverlässigkeit bei Aufgaben Dann kannst du als Führungskraft sehr gezielt überlegen: „Liegt ein individuelles Problem vor – oder ist es die Struktur, Aufgabe, das Umfeld?“ | Distinktheit niedrig | Studierende fällt bei allen Zwischenklausuren durch → nicht nur in dieser Klausur schlecht
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# 4.4. Exkurs und Ergänzung: Einige psychologische Grundlagen Weitere Einflussfaktoren auf Attribution
* Selbstbestätigende oder egoverstärkende Motive * Beziehungen zwischen Führungsperson und Mitarbeitenden bzw. die psychologische Nähe * Stereotype * Erwartungen * Rolle als Beobachtende oder Handelnde * …… * …… 🧠 Weitere Einflussfaktoren auf Attributionen Auch wenn Kelley’s Modell rational klingt, sind Attributionsprozesse in der Realität oft verzerrt, weil Menschen: * sich selbst schützen wollen * andere sympathischer finden * in Stereotypen denken * Erwartungen mit sich tragen ⸻ 🔹 1. Selbstbestätigende oder egoverstärkende Motive Menschen attribuieren so, dass ihr Selbstwert erhalten oder gestärkt wird. Typisches Muster Beispiel Selbstwertschutz „Ich habe schlecht abgeschnitten, weil die Aufgabe unfair war“ (Misserfolg external) Selbstaufwertung „Ich war erfolgreich, weil ich so gut bin“ (Erfolg internal) ➡️ Klausurrelevant als self-serving bias ➡️ In der Führung wichtig: Mitarbeitende können Schwierigkeiten schönreden oder Misserfolge externalisieren 🔹 2. Beziehung und psychologische Nähe Je näher uns jemand steht, desto eher sehen wir situative Gründe für dessen Verhalten. Beziehung Attribution enge Beziehung, hoher Respekt „Er hatte bestimmt einfach einen schlechten Tag“ (external) neutrale oder angespannte Beziehung „Er ist halt unzuverlässig“ (internal) ➡️ Verzerrung zugunsten von „Ingroup“-Personen ➡️ Führungskräfte sollten sich nicht von Sympathie oder Nähe zu Mitarbeitenden leiten lassen ⸻ 🔹 3. Stereotype Menschen neigen dazu, Gruppenzugehörigkeit mit bestimmten Eigenschaften zu verbinden – unabhängig von Verhalten. Beispiel Verzerrung „Ältere Mitarbeitende sind weniger flexibel.“ Verhalten wird bei Älteren schneller negativ attribuiert „Extrovertierte sind gute Führungskräfte.“ Fehler extrovertierter Personen werden eher verziehen ➡️ Gefahr: Diskriminierung, Ungerechtigkeit, Fehlurteile ➡️ Wichtig für unbewusste Voreingenommenheit (Unconscious Bias) ⸻ 🔹 4. Erwartungen („Pygmalion-Effekt“) Wir nehmen das wahr, was wir erwarten – und deuten Verhalten im Licht dieser Erwartung. Erwartung Reaktion „Dieser Mitarbeiter ist faul“ Jeder kleine Fehler wird als Bestätigung gesehen „Sie ist sehr engagiert“ Gleiche Fehler werden als Ausrutscher gedeutet ➡️Kann zu sich selbst erfüllender Prophezeiung führen ➡️ Führungskräfte sollten sich ihrer Vorannahmen bewusst werden ⸻ 🔹 5. Akteur-Beobachter-Verzerrung Wer selbst handelt, schreibt Verhalten eher externen Faktoren zu. Wer beobachtet, schreibt Verhalten eher internen Faktoren zu. Rolle Beispiel Ich (Akteur) komme zu spät → „Die Bahn hatte Verspätung“ (external) Andere (Beobachter) kommen zu spät → „Der ist halt unorganisiert“ (internal) ➡️ Führungskräfte neigen dazu, Verhalten anderer intern zu attribuieren ➡️ Selbstverständnis und Empathie helfen, das zu korrigieren ⸻ 📚 Weitere mögliche Faktoren („…“) * Kulturelle Prägungen: z. B. kollektivistische Kulturen attribuieren eher external * Emotionen: Stress, Zeitdruck, Angst verstärken automatische, ungenaue Attribution * Hierarchie: Führungskräfte sehen sich oft als rationaler als Mitarbeitende ⸻ 📝 Zusammenfassung für die Klausur Faktor Verzerrung Beispielhafte Wirkung Selbstwertschutz Erfolg internal, Misserfolg external „Ich war super – der Test war unfair“ Psychologische Nähe Freunde = eher external „Er ist sonst top“ Stereotype Gruppenzugehörigkeit > Verhalten „Die ist halt so“ Erwartungen selektive Wahrnehmung „Das passt zu ihm“ Rolle (Akteur/Beobachter) Ich = external / Andere = internal „Ich kann nix dafür – aber er schon“
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# 4.4. Exkurs und Ergänzung: Einige psychologische Grundlagen Faktoren, die zwischen Attribution und Reaktion moderieren
Faktoren, die zwischen Attribution und Reaktion moderieren * Auswirkungen des Verhaltens bzw. des Ergebnisses auf andere * Frage, ob Mitarbeitende sich für einen Misserfolg/Fehler entschuldigen oder nicht, und mit welcher Begründung sie dies tun, beeinflusst die Stärke der Reaktionen * Stellung des Mitarbeitenden in der sozialen Gruppe beeinflusst die Leistungsbewertung * Abhängigkeit Vorgesetzte hinsichtlich eigener Bewertungen von den Leistungen der Mitarbeitenden beeinflusst die Leistungsbewertung
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# 4.4. Exkurs und Ergänzung: Einige psychologische Grundlagen Growth und Fixed Mindset
Growth und Fixed Mindset * Zentrale Autorin: Carol Dweck * Ansatz, der menschliche „Mindsets“ zu Erfolg und Mißerfolg, Fehlern und zu Lernen beschreibt * Eng verwandt mit Attributionstheorie, kann als spezielle Anwendung davon verstanden werden * Zwei extreme „Geisteshaltungen“ bzw. Mindsets werden beschrieben: – Growth Mindset: Lernförderliche Haltungen, innovationsfreundlich, fördert konstruktive Aufarbeitung von Fehlern – Fixed Mindset: Nicht lernförderlich, innovationsfeindlich, fehlerverdrängend
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# 4.4. Exkurs und Ergänzung: Einige psychologische Grundlagen Fixed Mindset
Fixed Mindset * Menschen mit einem Fixed Mindset gehen davon aus, dass – jede/r mit bestimmten Fähigkeiten, Talenten, Gaben ausgestattet ist, – diese den Erfolg/Mißerfolg/Leistung maßgeblich bestimmen, – Erfolge/Mißerfolge/Fehler deshalb eine Aussage über die eigenen vorhandenen oder fehlenden Fähigkeiten machen; jeder Mißerfolg bzw. Fehler enthält daher die Botschaft, dass man/frau nicht gut/leistungsfähig ist bzw. nichts kann/zu nichts nutze ist etc. * führt zur Vertuschung von Fehlern und Mißerfolgen und Lernen aus Fehlern findet nicht statt 🧠 Was ist ein Fixed Mindset? Ein Fixed Mindset (deutsch: statisches Selbstbild) ist die Überzeugung, dass Fähigkeiten, Intelligenz und Talente angeboren und unveränderlich sind. ⸻ 🔍 Kernaussagen bei Fixed Mindset (laut deiner Folie) Aussage Bedeutung „Menschen sind mit bestimmten Fähigkeiten geboren.“ Talent ist fix, nicht entwickelbar „Diese bestimmen Erfolg oder Misserfolg.“ Leistung ist Ausdruck von Talent, nicht Anstrengung „Fehler zeigen, dass ich unfähig bin.“ Fehler = persönliches Versagen, nicht Lernchance Folge: Fehler werden vertuscht, weil sie als Bedrohung des Selbstwerts erlebt werden 📉 Was passiert bei einem Fixed Mindset? Bereich Auswirkungen Fehlerkultur Fehler werden verheimlicht statt offen angesprochen Lernverhalten Lernen wird vermieden, weil es das Risiko von Scheitern birgt Feedback wird als Bedrohung gesehen, nicht als Unterstützung Zielorientierung eher Leistungsziele („Ich will zeigen, dass ich gut bin“) statt Lernziele („Ich will besser werden“) Teamarbeit geringes Vertrauen, wenig Entwicklung, hohe Unsicherheit 📌 Typische Aussagen von Personen mit Fixed Mindset * „Ich bin einfach nicht kreativ.“ * „Mathe liegt mir nicht.“ * „Wenn ich scheitere, blamiere ich mich.“ * „Ich mache lieber keine neue Aufgabe, bevor ich was falsch mache.“ 🧠 Abgrenzung zum Growth Mindset Merkmal Fixed Mindset Growth Mindset Glaube an Veränderbarkeit Fähigkeiten sind fix Fähigkeiten sind entwickelbar Umgang mit Fehlern vermeiden, vertuschen analysieren, nutzen Feedback Bedrohung Lernchance Motivation Leistung beweisen Entwicklung fördern Führungskraft bewertet, sortiert, kritisiert coacht, entwickelt, stärkt 🏢 Relevanz im Personalmanagement Für Mitarbeitende: * Fixed Mindset = weniger Motivation bei Rückschlägen, geringe Offenheit für Neues * Gefahr von erlernter Hilflosigkeit oder Stillstand Für Führungskräfte: * Eigene Haltung wirkt modellierend: Wenn ich als Führungskraft Fehler nicht zugebe → Team lernt, dass Fehler nicht erlaubt sind * Führung mit Fixed Mindset = hohe Kontrolle, geringe Entwicklungskultur 📝 Klausurrelevante Punkte Stichpunkt Inhalt Definition Fixed Mindset = Annahme, dass Fähigkeiten festgelegt sind Folgen Fehler werden vertuscht, Lernen unterbleibt Praxisbezug beeinflusst Lernkultur, Feedbackkultur, Entwicklungspotenzial Kontrast wichtig: Abgrenzung zum Growth Mindset als Ideal in moderner Führung
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# 4.4. Exkurs und Ergänzung: Einige psychologische Grundlagen Growth Mindset
Growth Mindset * Menschen mit einem Growth Mindset gehen davon aus, dass – Menschen zwar unterschiedliche Fähigkeiten haben, – dass aber Einsatz, Engagement, Anstrengung und Lernen wichtiger für Erfolg und Leistung sind, – Misserfolge und Fehler Lerngelegenheiten sind, – über die offen kommuniziert werden sollte, – um z.B. die Strategien zur Vorbereitung, Prozesse, Kommunikation, Zusammenarbeit zu verbessern, – eher keine Aussage über die eigenen Fähigkeiten machen, sondern eher über Einsatz, Anstrengung, Konzentration, Vorbereitung,….. 🌱 Was ist ein Growth Mindset? (nach Carol Dweck) Ein Growth Mindset ist die Überzeugung, dass Fähigkeiten durch Lernen, Übung, Feedback und Ausdauer entwickelt werden können. ⸻ 🧠 Kernaussagen des Growth Mindset (laut deiner Folie) Aussage Bedeutung „Menschen haben unterschiedliche Startbedingungen, aber…“ … Fähigkeiten sind formbar „Erfolg beruht auf Anstrengung und Lernen.“ Einsatz > Talent „Fehler sind Lerngelegenheiten.“ Fehler werden nicht vertuscht, sondern reflektiert „Offene Kommunikation über Fehler ist wichtig.“ fördert Verbesserung von Strategien und Zusammenarbeit „Fehler sagen nichts über den Wert der Person aus.“ Trennung von Leistung und Selbstwert 💪 Typisches Verhalten bei Growth Mindset Bereich Verhalten Fehlerkultur Fehler werden benannt, analysiert und zur Verbesserung genutzt Feedback wird aktiv gesucht – als Lernchance Zielorientierung Fokus auf Lernziele, nicht nur auf Leistung Anstrengung ist wertvoll und notwendig, kein Zeichen von Schwäche Teamverhalten hohe Transparenz, psychologische Sicherheit, gegenseitige Unterstützung 📌 Typische Aussagen bei Growth Mindset * „Ich kann das noch nicht – aber ich arbeite dran.“ * „Fehler zeigen mir, woran ich noch arbeiten darf.“ * „Ich frage nach Feedback, um mich zu verbessern.“ * „Anstrengung bringt mich weiter.“ 🏢 Relevanz für Personalmanagement und Führung Bereich Bedeutung Führungskultur Führung mit Growth Mindset schafft Vertrauen, Innovation und Entwicklung Mitarbeitendenentwicklung Menschen werden nicht auf „Talent“ reduziert, sondern begleitet und gefördert Feedbackprozesse werden konstruktiv und lösungsorientiert gestaltet Agile Organisationen basieren auf Growth-Mindset-Kultur: Fehler = Fortschritt
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# 4.4. Exkurs und Ergänzung: Einige psychologische Grundlagen Definition Psychological Safety
Definition Psychological Safety * „Überzeugung in einem Team von Mitarbeitenden, dass man/frau nicht bestraft oder gedemütigt wird oder sonstige Nachteile erleidet, wenn man/frau seine Ideen, Bedenken oder Fragen äußert oder Fehler zugibt“ * Zentrale Autorin: Amy Edmondsen * Wird auf Teamebene als psychologische „Schlüsseldynamik“ für Innovation und Fehlervermeidung/sichere Produktion angesehen
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# 4.4. Exkurs und Ergänzung: Einige psychologische Grundlagen Wirkungen von Psychological Safety
* In Teams mit hoher psychologischer Sicherheit – herrscht ein radikal sachbezogenes und lernorientiertes Klima – können einzelne leichter Fehler und Unwissen zugeben, müssen Fehler nicht vertuscht werden – können leichter Fragen gestellt und aus den Antworten gelernt werden – kann leichter Verantwortung für Fehler übernommen werden – können Fehlerursachen und Verbesserungsmög- lichkeiten offen analysiert werden und dann Verantwortung für die Verbesserun der Situation übernommen werden. * In Teams mit hoher psychologischer Sicherheit – werden Fehler aufgedeckt – wird bei Unsicherheiten über den richtigen Weg nachgefragt, bevor man den Fehler macht, – wird gefragt, was die Ursachen von Fehlern waren, – wird gefragt, was man aus dem Fehler lernen kann, was man besser machen kann, – wird gefragt, wer Verantwortung in welcher Form übernimmt dafür, dass der Fehler nicht wieder vorkommt, – wird niemand dafür angegriffen, dass er/sie einen Fehler gemacht hat, oder zum Sündenbock gemacht, weil ein Fehler passiert ist, – aber es wird erwartet, dass Fehler unverzüglich korrigiert werden und daraus gelernt wird 🧠 Wirkungen von Psychological Safety (nach Amy Edmondson und der Folie) ⸻ 🌟 1. Lern- und Verbesserungskultur In Teams mit hoher psychologischer Sicherheit herrscht ein: * radikal sachbezogenes Klima → Fokus liegt auf Inhalten, nicht auf Personen * lernorientiertes Klima → Fehler = Input für Verbesserung, nicht Ausdruck von Schwäche ➡️ Resultat: kontinuierliches Lernen, Experimentieren, Reflektieren ⸻ ❓ 2. Offene Kommunikation bei Unsicherheit * Fragen dürfen gestellt werden, ohne Angst vor Blamage * Unwissenheit wird nicht versteckt, sondern thematisiert * Es wird nachgefragt, bevor ein Fehler passiert („Bin ich auf dem richtigen Weg?“) ➡️ Resultat: Fehlervermeidung durch rechtzeitige Klärung ⸻ 🛠️ 3. Offener Umgang mit Fehlern In solchen Teams: * werden Fehler aufgedeckt, nicht vertuscht * wird offen nach den Ursachen gefragt * wird gemeinsam überlegt, wie man es beim nächsten Mal besser machen kann ➡️ Resultat: Transparenz, kollektives Lernen, Systemverbesserung ⸻ 🧭 4. Verantwortungskultur statt Schuldzuweisung * Fehler sind kein Tabu * Niemand wird beschuldigt oder bloßgestellt * Aber: Es wird erwartet, dass Verantwortung übernommen wird * für Ursachenklärung * für Prävention * für Verbesserung ➡️ Resultat: Verantwortung ohne Angst, keine „Sündenbockkultur“ ⸻ 🧩 Zusammengefasst: Wirkungsebenen Wirkungsebene Psychologische Sicherheit führt zu… Einzelperson Offenheit, Mut, Engagement, Lernbereitschaft Teamdynamik Vertrauen, klare Kommunikation, Feedbackkultur Fehlerkultur Transparenz, Ursachenanalyse, Verbesserungsorientierung Innovation Ideenreichtum, Risikobereitschaft, Veränderungsimpulse 📝 Klausurhinweise – Was du wissen & anwenden solltest Prüfungsaspekt Inhalt Definition → siehe vorige Karte: Sicherheit, sich ohne negative Konsequenzen zu äußern Autorin Amy Edmondson Wirkungen Transparenz, Lernbereitschaft, keine Angstkultur, mehr Innovation Beispielhafte Verhaltensweisen Nachfragen, Fehler eingestehen, Verantwortung übernehmen Abgrenzung Kein Kuschelkurs – es wird korrigiert und erwartet, dass man lernt 🧠 Wichtig: Was psychologische Sicherheit nicht ist Falsch verstanden als… Aber eigentlich… „Ich kann sagen und tun, was ich will“ Nein – es gibt klare Erwartungen und Verantwortung „Fehler sind egal“ Nein – sie werden reflektiert und vermieden „Alle müssen immer nett zueinander sein“ Nein – offene, konstruktive Kritik ist erlaubt und erwünscht
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# 4.4. Exkurs und Ergänzung: Einige psychologische Grundlagen was psychologische Sicherheit also nicht ist….
was psychologische Sicherheit also nicht ist…. * Kuschelklima, wo alle nur happy sind, * Raum, in dem nicht intensiv diskutiert wird * Verantwortungslosigkeit * Raum, in dem Fehler ohne Konsequenzen bleiben * Raum, in dem man sich nicht verändern muss, * Raum, in dem man sich bequem im Hier und Jetzt einrichten kann ❌ Was Psychologische Sicherheit nicht ist Psychologische Sicherheit bedeutet nicht, dass alles bequem, konfliktfrei oder kritiklos abläuft. Sie ist kein Freifahrtschein für Inaktivität oder Verantwortungslosigkeit. ⸻ 🔻 Missverständnisse laut deiner Folie ❌ Missverständnis 💡 Warum falsch? „Kuschelklima, wo alle nur happy sind“ Nein – psychologische Sicherheit erlaubt auch Konflikte, Kritik und Unbequemes „Raum ohne intensive Diskussion“ Falsch – sie fördert intensive Diskussionen, weil Menschen keine Angst vor Ablehnung haben „Verantwortungslosigkeit“ Genau das Gegenteil: Fehler werden offen angesprochen und es wird erwartet, dass daraus gelernt wird „Fehler bleiben ohne Konsequenz“ Nein – Fehler werden benannt und korrigiert, aber nicht bestraft oder beschämt „Raum ohne Veränderungsdruck“ Falsch – Sicherheit erlaubt erst, Veränderung aktiv anzugehen „Komfortzone ohne Entwicklung“ Nein – es geht nicht um Bequemlichkeit, sondern um mutige, lernorientierte Weiterentwicklung
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# 4.5. Bilder der Führung: Führungsdilemmata (Neuberger) Dilemmata der Führung (Neuberger) **S243-245**
**S243-245** 🔹 Was ist ein Dilemma in der Führung? Ein Dilemma ist eine Zwangslage, in der eine Führungskraft zwischen zwei gleichzeitig berechtigten, aber widersprüchlichen Anforderungen abwägen muss. 🔁 Es gibt keine eindeutig richtige Lösung – beide Seiten eines Dilemmas sind wichtig, aber gleichzeitig schwer miteinander vereinbar. ⸻ 📘 Die 13 Dilemmata im Überblick (nach Neuberger) Nr. Dilemma Spannungsfeld Bedeutung 1 Mittel vs. Zweck Mensch als Ressource vs. Mensch als Ziel Mitarbeitende nicht nur als Kostenfaktor sehen, sondern als Subjekt mit Bedürfnissen 2 Gleichbehandlung vs. Einzelfall Gerechtigkeit vs. individuelle Rücksichtnahme Einheitliche Regeln vs. individuelle Lösungen 3 Distanz vs. Nähe Autorität vs. Empathie Professionelle Distanz wahren vs. Vertrauen aufbauen 4 Fremdbestimmung vs. Selbstbestimmung Kontrolle vs. Autonomie Regeln vs. Spielräume für eigenverantwortliches Handeln 5 Spezialisierung vs. Generalisierung Fachkenntnis vs. Überblick Expertenwissen vs. strategisches Denken 6 Gesamtverantwortung vs. Einzelverantwortung Alles selbst tragen vs. Aufgaben delegieren Kontrolle vs. Vertrauen 7 Bewahrung vs. Veränderung Stabilität vs. Innovation Bestehendes sichern vs. Neues ausprobieren 8 Konkurrenz vs. Kooperation Wettbewerb vs. Teamgeist Leistungsdruck vs. Unterstützung 9 Aktivierung vs. Zurückhaltung Antreiben vs. Loslassen Engagement erzeugen vs. Eigenverantwortung fördern 10 Innenorientierung vs. Außenorientierung Fokus auf Team vs. Kontakt nach außen Gruppenkohäsion vs. externe Interessen 11 Zielorientierung vs. Verfahrensorientierung Ergebnisdruck vs. Fairness und Prozesseinhaltung Ziel erreichen vs. wie es erreicht wird 12 Belohnungsorientierung vs. Werteorientierung kurzfristige Anreize vs. langfristige Überzeugung Belohnung/Strafe vs. intrinsische Motivation 13 Selbstorientierung vs. Gruppenorientierung Eigennutz vs. Gemeinwohl Karriere vs. Teamverantwortung 🧠 Wie kannst du dir das merken? 💡 Jedes Dilemma ist ein Führungs-Spagat. Typische Klausurfragen: * „Führen Sie eines der Dilemmata der Führung aus und bewerten Sie dessen Relevanz in der modernen Arbeitswelt.“ * „Welche Dilemmata ergeben sich für Führungskräfte im Spannungsfeld zwischen Leistung und Fürsorge?“ ⸻ 📌 Beispielhafte Klausurantwort: (kurz zu Dilemma 2) Das Dilemma Gleichbehandlung vs. Eingehen auf den Einzelfall beschreibt die Spannung zwischen Gerechtigkeit durch allgemeine Regeln und der notwendigen Berücksichtigung individueller Umstände. Führungspersonen müssen dabei abwägen, ob sie durch eine strikte Anwendung von Regeln z. B. übersehen, dass ein Mitarbeitender in einer besonderen Belastungssituation ist – oder ob sie durch individuelle Ausnahmen als „unfair“ wahrgenommen werden. Dieses Dilemma ist in modernen, diversen Teams besonders relevant.