5. Kollektive Arbeitsbeziehungen Flashcards
(45 cards)
5.1. Überblick über das System der
kollektiven Arbeitsbeziehungen
Übersicht über die Ebenen der
kollektiven Arbeitsbeziehungen
S248
Chat🙂🙂🙂🙂🙂🙂🙂🙂
- Betriebliche Mitbestimmung
Kategorie
Inhalt
Regelungsebene
Einzelne Betriebe als technische und organisatorische Einheiten
Zentrale Rechtsquelle
Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)
Zentrale Verhandlungspartner
Arbeitgeber und Betriebsrat ( vertretung der AN)
Erklärung:
* Diese Ebene betrifft die Mitbestimmung innerhalb eines einzelnen Betriebs, z. B. bei Arbeitszeiten, Urlaubsplänen oder sozialen Angelegenheiten.
* Der Betriebsrat ist das zentrale Organ der Mitbestimmung und wird von den Beschäftigten gewählt.
* Das BetrVG regelt Rechte, Pflichten und Verfahren dieser Gremien.
2. Unternehmensmitbestimmung
Kategorie
Inhalt
Regelungsebene
Unternehmen als wirtschaftlich und rechtlich selbstständige Einheiten
Zentrale Rechtsquellen
–** Montan-Mitbestimmungsgesetz (1951)**
- Mitbestimmungsgesetz (1976)
- Drittelbeteiligungsgesetz (2004)
Zentrale Verhandlungspartner
Vertreter der Kapitaleigentümer und der Arbeitnehmer in Leitungs- oder Kontrollgremien von Kapital-
gesellschaften
Erklärung:
* Diese Form bezieht sich auf die Mitwirkung in der Unternehmensleitung (v. a. im Aufsichtsrat).
* Je nach Unternehmensgröße und Branche gelten unterschiedliche Gesetze:
* Montan-Mitbestimmung (1951): z. B. in Kohle- und Stahlunternehmen: paritätische Mitbestimmung mit neutralem Vorsitzenden.
* Mitbestimmungsgesetz (1976): ab 2.000 Beschäftigten: Arbeitnehmer stellen die Hälfte des Aufsichtsrats.
* Drittelbeteiligungsgesetz (2004): ab 500 Beschäftigten: ein Drittel des Aufsichtsrats durch Arbeitnehmer.
3. Tarifsystem
Kategorie
Inhalt
Regelungsebene
Tarifbezirke (oft regional oder branchenspezifisch)
Zentrale Rechtsquelle
Tarifvertragsgesetz (TVG)
Zentrale Verhandlungspartner
Gewerkschaften und Arbeitgeber(-verbände)
Erklärung:
* Das Tarifsystem regelt die kollektive Aushandlung von Löhnen, Arbeitszeiten, Urlaubsansprüchen usw.
* Tarifverträge haben gesetzliche Wirkung, wenn sie gelten (z. B. über Flächentarifverträge oder Allgemeinverbindlichkeit).
* Die Gewerkschaften vertreten die Arbeitnehmerseite, Arbeitgeber meist über Verbände.
Zusammenfassend:
- Es gibt drei Ebenen kollektiver Mitbestimmung: im Betrieb, im Unternehmen und auf tariflicher Ebene.
- Die Mitbestimmung nimmt unterschiedlich stark Einfluss auf die Entscheidungsstrukturen:
→ von mitwirkend im Betrieb bis zu mitentscheidend im Aufsichtsrat bei großen Unternehmen. - Der rechtliche Rahmen ist in unterschiedlichen Gesetzen geregelt.
Zentrale Verhandlungspartner | Vertreter der Kapitalgeber und der Arbeitnehmer in Leitungs- und Kontrollgremien |
5.1. Überblick über das System der
kollektiven Arbeitsbeziehungen
Abgrenzung Betrieb und Unternehmen
Betriebsbegriff (laut Rechtsprechung):
* technisch-organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln, mit denen der
Unternehmer zusammen mit seinen Mitarbeitern fortgesetzt einen
oder mehrere arbeitstechnische Zwecke verfolgt (u.a. Produktion
oder Verkauf bestimmter Gegenstände, Erbringung von
Dienstleistungen)
Unternehmen (laut Rechtsprechung):
* Rechtlich und wirtschaftlich selbstständige Einheit, die bestimmte
wirtschaftliche bzw. formale Ziele verfolgt (z.B. Gewinnmaximierung,
Umsatzerzielung, Kostenminimierung etc.)
* Ein Unternehmen kann mehrere Betriebe umfassen.
Chat🙂🙂🙂🙂🙂🙂🙂🙂
Betrieb – die operative Einheit
Laut Rechtsprechung ist ein Betrieb eine:
„technisch-organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln, mit denen der Unternehmer zusammen mit seinen Mitarbeitern fortgesetzt einen oder mehrere arbeitstechnische Zwecke verfolgt.“
Merkmale:
* Technisch-organisatorisch: Es geht um den tatsächlichen Ablauf – Maschinen, Räume, Arbeitskräfte.
* Zweckgerichtet: z. B. Produktion von Waren, Verkauf, Dienstleistungen.
* Keine eigene Rechtspersönlichkeit: Ein Betrieb ist Teil eines Unternehmens – keine juristische Person.
* Beispiel: Eine Supermarktkette hat in Hamburg, Berlin und Köln je einen Betrieb – mit Kassensystemen, Personal etc.
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🏢 Unternehmen – die wirtschaftlich-rechtliche Einheit
Laut Rechtsprechung ist ein Unternehmen eine:
„rechtlich und wirtschaftlich selbstständige Einheit, die bestimmte wirtschaftliche bzw. formale Ziele verfolgt.“
Merkmale:
* Rechtlich selbstständig: z. B. GmbH, AG oder KG.
* Zielorientierung: Fokus auf wirtschaftliche Zielgrößen wie Gewinn, Umsatz, Marktanteil etc.
* Kann mehrere Betriebe führen – z. B. ein Unternehmen mit drei Logistikzentren (drei Betriebe).
Unterschied auf einen Blick Merkmal Betrieb Unternehmen
Einheitstyp
Technisch-organisatorische Einheit
Rechtlich-wirtschaftliche Einheit
Funktion
Konkrete Arbeitsdurchführung
Zielorientierte Steuerung und Verwaltung
Selbstständigkeit
Nicht rechtlich selbstständig
Rechtlich und wirtschaftlich selbstständig
Beispiel
Ein Autohaus in Köln
Die Autohausgruppe Müller GmbH
Anzahl
Ein Unternehmen kann mehrere Betriebe haben
Ein Betrieb gehört immer genau einem Unternehmen
5.2. Betriebliche Mitbestimmung
Betriebsverfassung und betriebliche
Mitbestimmung
- Betriebsverfassungsgesetz bezieht sich zentral auf die
Mitbestimmung in den Betrieben; - Betriebsbegriff wird jedoch im Gesetz nicht definiert, nur
in der Rechtsprechung; s.o. - Formen vernetzter und virtueller Produktion stellen die
Abgrenzbarkeit von Betrieben als technisch-
organisatorischer Einheiten in Frage und lösen damit
Probleme für die Frage nach der Anwendbarkeit der
betrieblichen Mitbestimmung aus
Chat
Betriebsverfassung und betriebliche Mitbestimmung
1. Gesetzliche Grundlage: * Die betriebliche Mitbestimmung ist im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) geregelt. * Zentrale Rolle spielt dabei der Betrieb als organisatorische Einheit. 2. Problem: Fehlende gesetzliche Definition des Betriebsbegriffs: * Der BetrVG definiert den Begriff des Betriebs nicht explizit. * Stattdessen erfolgt die Definition über die Rechtsprechung: Der Betrieb ist eine „technisch-organisatorische Einheit zur Verfolgung arbeitstechnischer Zwecke“. 3. Herausforderung durch neue Arbeitsformen: * In der Praxis verschwimmen die Grenzen von Betrieben zunehmend, z. B. durch: * Vernetzte Produktion (mehrere Standorte arbeiten eng zusammen) * Virtuelle Organisationen (Homeoffice, digitale Plattformen) * Dadurch wird die Abgrenzung eines klar umrissenen „Betriebs“ erschwert. 4. Konsequenz: * Unklarheit, wo und ob betriebliche Mitbestimmung (z. B. Betriebsratsbildung) angewendet werden kann. * Dies führt zu Rechtsunsicherheit und Bedarf an Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen an moderne Arbeitsrealitäten.
5.2. Betriebliche Mitbestimmung
Zielvorstellungen des Gesetzgebers für
die Betriebsverfassung
- Herstellung einer Ordnung in den einzelnen Betrieben, die
berechtigte Belange der einzelnen Arbeitnehmer als auch der
gesamten Belegschaft als Kollektiv auf der einen Seite
berücksichtigt, dabei aber auf der anderen Seite die wirtschaftliche
Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers nicht zu stark beeinträchtigt - Solche Fragen der Organisation des Betriebes und der
Arbeitsabläufe, des Arbeitseinsatzes und der Zusammensetzung der
Belegschaft der alleinigen Entscheidungsbefugnis des Arbeitgebers
zu entziehen, von deren Regelung die Gesundheit der Arbeitnehmer
und soziale Belange betroffen sind. - Im engeren Sinne wirtschaftliche Entscheidungen des Arbeitgebers
sind der betrieblichen Mitbestimmung des Betriebsrates überwiegend
entzogen.
**Chat
**
Zielvorstellungen des Gesetzgebers (Betriebsverfassung):
1. Ziel: Ausgewogene Ordnung im Betrieb * Der Gesetzgeber verfolgt das Ziel, eine geregelte Ordnung im Betrieb zu schaffen. * Diese Ordnung soll: * die berechtigten Interessen der Arbeitnehmer (sowohl individuell als auch kollektiv), * und zugleich die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers * in ein angemessenes Gleichgewicht bringen. 2. Mitbestimmung bei sozialen und gesundheitsrelevanten Fragen * Organisatorische Fragen des Betriebs und des Arbeitseinsatzes, * die Gesundheit und soziale Belange der Arbeitnehmer betreffen, * sollen nicht allein in der Entscheidungsbefugnis des Arbeitgebers liegen. * Hier setzt die Mitbestimmung des Betriebsrats ein. 3. Grenzen der Mitbestimmung: wirtschaftliche Entscheidungen * Kernwirtschaftliche Entscheidungen (z. B. Investitionen, Standortwahl, Produktsortiment), * bleiben überwiegend in der alleinigen Verantwortung des Arbeitgebers. * Der Betriebsrat hat hier keine oder nur eingeschränkte Mitbestimmungsrechte.
5.2. Betriebliche Mitbestimmung
Wahl und Zusammensetzung
eines Betriebsrates
Für welche Betriebe sieht das Betriebsverfassungsgesetz
die Möglichkeit nicht vor, Betriebsräte zu bilden?
– Kleinbetriebe, in denen nicht mindestens 5
Arbeitnehmer, die das aktive Wahlrecht besitzen, und
gleichzeitig 3 Arbeitnehmer, die das passive Wahlrecht
besitzen, ständig beschäftigt sind
– Betriebe und Verwaltungen der öffentlichen Hand,
weil sie unter das Bundespersonalvertretungsgesetz
oder die Personalvertretungsgesetze der Länder fallen
**Chat **
🗳️ Wahl und Zusammensetzung eines Betriebsrats
📌 Voraussetzungen für die Bildung eines Betriebsrats (§ 1 BetrVG):
Ein Betriebsrat kann gewählt werden, wenn:
* mindestens 5 ständig beschäftigte Arbeitnehmer im Betrieb sind,
die das aktive Wahlrecht besitzen,
* und davon mindestens 3 Arbeitnehmer,
die das passive Wahlrecht besitzen.
🔄 Erklärung der Begriffe:
* Aktives Wahlrecht: berechtigt, den Betriebsrat zu wählen (ab 16 Jahren, unabhängig von der Staatsangehörigkeit).
* Passives Wahlrecht: berechtigt, selbst für den Betriebsrat zu kandidieren (ab 18 Jahren und mind. 6 Monate Betriebszugehörigkeit).
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❌ In welchen Fällen ist keine Betriebsratswahl möglich?
1. Kleinbetriebe:
* Wenn die oben genannten Mindestzahlen nicht erfüllt sind → keine Betriebsratswahl möglich.
2. Öffentliche Verwaltungen:
* Betriebe der öffentlichen Hand unterliegen nicht dem BetrVG,
sondern dem:
* Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) für Bundesbehörden, oder
* den Personalvertretungsgesetzen der Länder (z. B. HmbPersVG in Hamburg).
* Hier gibt es Personalräte, nicht Betriebsräte.
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👥 Zusammensetzung des Betriebsrats:
* Die Anzahl der Mitglieder hängt von der Größe des Betriebs ab (z. B. 1 Mitglied bei 5–20 Arbeitnehmern, 3 Mitglieder bei 21–50 usw.).
* Es muss ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis berücksichtigt werden, wenn möglich (§ 15 BetrVG).
* Die Mitglieder werden in geheimer und unmittelbarer Wahl von der Belegschaft gewählt.
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🧠 Merksatz für die Klausur:
„Ein Betriebsrat kann nur dort gebildet werden, wo mindestens 5 wahlberechtigte und 3 wählbare Arbeitnehmer dauerhaft beschäftigt sind – und nicht in öffentlichen Verwaltungen.“
5.2. Betriebliche Mitbestimmung
Wahl und Zusammensetzung
eines Betriebsrates
- Religionsgemeinschaften sowie ihre karitativen und
erzieherischen Einrichtungen sind als Folge von Art 140
GG vom Anwendungsbereich des
Betriebsverfassungsgesetzes ausgenommen - Eingeschränkt erfasst sind sog. Tendenzbetriebe, die
überwiegend und unmittelbar bestimmte geistig-ideelle
Ziele verfolgen: in diesen Betrieben können Betriebsräte
gewählt werden; deren Rechte sind jedoch zum Teil
begrenzter als in Nicht-Tendenzbetrieben
CHat
🗳️ Wahl und Zusammensetzung eines Betriebsrates – Ausnahmen
⚖️ 1. Religionsgemeinschaften und ihre Einrichtungen
* Ausgenommen vom Anwendungsbereich des BetrVG sind:
* Religionsgemeinschaften (z. B. katholische oder evangelische Kirche),
* sowie deren karitative (z. B. Caritas, Diakonie) und erzieherische Einrichtungen (z. B. kirchliche Schulen).
📌 Rechtsgrundlage:
* Diese Ausnahme basiert auf Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV (Weimarer Reichsverfassung):
„Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes.“
👉 Bedeutung:
* Diese Einrichtungen haben das verfassungsrechtlich garantierte Selbstordnungsrecht.
* Statt eines Betriebsrats gibt es hier oft innerkirchliche Mitbestimmungssysteme (z. B. Mitarbeitervertretungen nach kirchlichem Recht).
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🏛️ 2. Tendenzbetriebe
* Definition: Betriebe, die überwiegend und unmittelbar geistig-ideelle Ziele verfolgen.
* Beispiele: Verlage, politische Parteien, Gewerkschaften, Rundfunkanstalten, Bildungseinrichtungen mit weltanschaulicher Prägung.
📌 Rechtslage:
* Betriebsräte dürfen grundsätzlich gewählt werden, aber:
* Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates sind eingeschränkt.
* Kein Mitbestimmungsrecht bei Tätigkeiten, die die Tendenz unmittelbar betreffen, etwa redaktionelle Inhalte bei Zeitungen oder Sendungen.
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🧠 Zusammenfassung für die Klausur:
Ausgenommen oder eingeschränkt?
Wer?
Warum?
❌ Vollständig ausgenommen
Religionsgemeinschaften & deren Einrichtungen
Art. 140 GG – kirchliches Selbstverwaltungsrecht
⚠️ Eingeschränkt erfasst
Tendenzbetriebe
Schutz ideeller Zielsetzung – Mitbestimmung nur teilweise
5.2. Betriebliche Mitbestimmung
Wahl von Betriebsräten
Wie kommt es in betriebsratsfähigen Betrieben zur
Existenz eines Betriebsrates? (§§ 7-20 BetrVG)
Wie kommt es in betriebsratsfähigen Betrieben zur
Existenz eines Betriebsrates? (§§ 7-20 BetrVG)
- Gründung bzw. Wahl eines Betriebsrates setzt gezielte
Aktivitäten von Seiten der einzelnen Arbeitnehmer oder
von Seiten einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft
voraus - drei wahlberechtigte Arbeitnehmer des Betriebes oder
eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft laden zu einer
Betriebsversammlung aller AN des Betriebes ein - Betriebsversammlung wählt mit der Mehrheit der
anwesenden Arbeitnehmer einen Wahlvorstand für die
Betriebsratswahlen - Wahlvorstand leitet sodann die Wahlen zum Betriebsrat
ein
Wahl und Wahltermin (§ 13 BetrVG):
* Wahl muss unmittelbar und geheim durchgeführt werden
* Wahltermin ist für alle Betriebe gleich: alle vier Jahre in
der Zeit vom 1.03. bis 31.05.; das nächste Wahljahr ist
2026
* Ausnahmen beim Wahltermin für Betriebe, die
– erstmalig einen BR wählen,
– bei denen der gesamte BR zurückgetreten oder aus
dem Amt ausgeschieden ist
– die Belegschaftsgröße massiven Änderungen
unterworfen war
Kosten der Betriebsratswahl:
* werden vom Arbeitgeber getragen
CHat
🗳️ Wie entsteht ein Betriebsrat? – Ablauf der Wahl nach dem Betriebsverfassungsgesetz (§§ 7–20 BetrVG)
⚙️ Voraussetzung:
* Der Betrieb ist betriebsratsfähig, d. h. er erfüllt die Bedingungen (mind. 5 wahlberechtigte, davon 3 wählbare Arbeitnehmer).
* Es existiert noch kein Betriebsrat.
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🔁 Schritt-für-Schritt-Ablauf der Wahl:
1. Initiative zur Wahl:
* Die Gründung eines Betriebsrates erfolgt nicht automatisch, sondern durch Initiative:
* entweder von mind. 3 wahlberechtigten Arbeitnehmern des Betriebs,
* oder von einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft.
2. Einladung zur Betriebsversammlung:
* Diese Personen oder die Gewerkschaft laden alle Arbeitnehmer zu einer Betriebsversammlung ein.
* Ziel: Wahl eines Wahlvorstandes.
3. Betriebsversammlung:
* Alle anwesenden Arbeitnehmer wählen auf der Versammlung mit einfacher Mehrheit einen Wahlvorstand (meist 3 Personen).
* Gibt es schon einen Gesamtbetriebsrat, kann dieser den Wahlvorstand auch direkt bestellen.
4. Wahlvorstand:
* Der Wahlvorstand organisiert und leitet die eigentliche Betriebsratswahl:
* Er erstellt Wählerlisten,
* nimmt Kandidaturen entgegen,
* und führt die Wahl geheim und unmittelbar durch.
Rechtsgrundlagen im BetrVG:
§ im BetrVG
Inhalt
§ 7
Aktives Wahlrecht (ab 16 Jahren, ohne Mindestzugehörigkeit)
§ 8
Passives Wahlrecht (ab 18 Jahren + 6 Monate Zugehörigkeit)
§ 14
Durchführung der Betriebsratswahl
§§ 16–17
Bildung des Wahlvorstands
§ 17a
Vereinfachtes Wahlverfahren in Kleinbetrieben (5–50 Beschäftigte)
🧠 Zusammenfassung:
Die Initiative zur Betriebsratswahl muss von Arbeitnehmern oder Gewerkschaft kommen.
In einer Betriebsversammlung wird ein Wahlvorstand gewählt, der dann die Wahl organisiert und durchführt.
🗳️ Wahl und Wahltermin (§ 13 BetrVG)
🔐 Grundsätze der Wahl:
* Die Wahl muss unmittelbar (d. h. ohne Delegierte) und geheim durchgeführt werden.
* Sie erfolgt in freier und geheimer Abstimmung durch die wahlberechtigten Arbeitnehmer.
⸻
📅 Regelwahltermin:
* Alle 4 Jahre, im Zeitraum vom 1. März bis 31. Mai.
* Der nächste planmäßige Wahlzeitraum ist: 2026.
⸻
⚠️ Ausnahmen vom Regelwahltermin:
In folgenden Fällen kann außerhalb des regulären Zeitraums gewählt werden:
1. Erstmalige Wahl eines Betriebsrates im Betrieb
2. Rücktritt oder kompletter Wegfall des bisherigen Betriebsrats
3. Deutliche Veränderung der Belegschaftsgröße, sodass sich z. B. die Größe des Gremiums ändern würde
→ In solchen Fällen ist eine außerordentliche Neuwahl zulässig.
⸻
💰 Kosten der Betriebsratswahl:
* Die Kosten der Wahl trägt der Arbeitgeber.
* Dazu zählen z. B.:
* Kosten für Materialien (Wahlurnen, Stimmzettel etc.),
* Freistellung und ggf. Schulung des Wahlvorstands,
* ggf. externe Beratung oder Rechtskosten im zulässigen Rahmen.
Begründung: Die Betriebsratswahl ist Teil der innerbetrieblichen Ordnung und gesetzlich vorgesehen – daher muss der Arbeitgeber sie unterstützen.
Zusammenfassung für die Klausur:
Thema
Inhalt
Wahlprinzipien
geheim, unmittelbar
Regelwahlzeitraum
alle 4 Jahre, 1. März – 31. Mai
Nächste Wahlperiode
2026
Ausnahmen
Erstwahl, Rücktritt, starke Personalveränderung
Kosten
trägt der Arbeitgeber
5.2. Betriebliche Mitbestimmung
Übersicht der Betriebsratsgröße
Wahlberechtigte Arbeitnehmer
Betriebsratsmitglieder
5 – 20
1
21 – 50
3
51 – 100
5
101 – 200
7
201 – 400
9
401 – 700
11
701 – 1000
13
1001 – 1500
15
1501 – 2000
17
2001 – 2500
19
…
…
7001 – 9000
35
Ab 9001 + je 3000
+2 Mitglieder
Klausur-Tipp:
§ 9 BetrVG ist eine gestaffelte Tabelle, die in der Prüfung nicht auswendig gelernt, aber richtig interpretiert werden muss.
Achte darauf: Je größer der Betrieb, desto mehr Betriebsratsmitglieder – ab 9000 AN wächst der BR dynamisch mit je 3000 AN um 2 Mitglieder.
⸻
📌 Beispiel:
Ein Betrieb hat 10.200 wahlberechtigte Arbeitnehmer:
* Basis: bei 9000 = 35 Mitglieder
* 1200 zusätzliche AN → zählt als „angefangene“ 3000
* Ergebnis: 35 + 2 = 37 Mitglieder
5.2. Betriebliche Mitbestimmung
Grundsätze der Zusammenarbeit zwischen AG und BR (§ 74 BetrVG)
Grundsätze der Zusammenarbeit zwischen
AG und BR (§ 74 BetrVG)
- Vertrauensvolle Zusammenarbeit unter Beachtung der
Tarifverträge zum Wohle der Beschäftigten und zum Wohle
des Betriebes - Arbeitgeber und Betriebsrat sollen sich mindestens einmal
im Monat zu einer Besprechung zusammenfinden. - Sie sollen über strittige Fragen mit dem ernsten Willen zur
Einigung verhandeln - Beide Seiten sollen hinsichtlich der Beilegung von
Meinungsverschiedenheiten Vorschläge machen. - Arbeitgeber und BR haben alles zu unterlassen, was den
Betriebsfrieden oder den Arbeitsablauf stören oder
beeinträchtigen kann; - Maßnahmen des Arbeitskampfes wie Streik und
Aussperrung sind zwischen AG und BR verboten. - AG und BR müssen gemeinsam darüber wachen, dass
jede unterschiedliche Behandlung von Personen wegen
ihrer Abstammung, Religion, Nationalität, Herkunft,
politischer oder gewerkschaftlicher Betätigung oder
Einstellung oder wegen ihres Geschlechtes unterbleibt und
dass die Diskriminierung von Personen wegen der
Überschreitung bestimmter Altersstufen unterbleibt. - Alle Personen sollen nach den Grundsätzen von Recht und
Billigkeit behandelt werden; zudem sollen AG und BR die
freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb
beschäftigten Arbeitnehmer fördern und schützen. - Beide Seiten haben jede parteipolitische Betätigung im
Betrieb zu unterlassen, auch wenn dadurch keine konkrete
Gefährdung des Betriebsfriedens zu befürchten ist.
Chat
§ 74 BetrVG – Grundsätze der Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat
🧭 Leitprinzip: Vertrauensvolle Zusammenarbeit
* Arbeitgeber und Betriebsrat müssen zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammenarbeiten.
* Grundlage ist gegenseitiges Vertrauen, Beachtung geltender Tarifverträge und das gemeinsame Interesse am funktionierenden Betrieb.
Wesentliche Anforderungen im Überblick:
Regelung
Inhalt / Bedeutung
Regelmäßiger Austausch
Mindestens 1 Besprechung pro Monat zwischen AG und BR
Einigungswille
Beide Seiten müssen bei Konflikten mit dem ernsten Willen zur Einigung verhandeln
Kompromissbereitschaft
Beide Seiten sollen eigene Lösungsvorschläge bei Meinungsverschiedenheiten einbringen
Friedenspflicht
Streiks und Aussperrungen zwischen AG und BR sind verboten
Wahrung des Betriebsfriedens
AG und BR müssen alles unterlassen, was den Arbeitsablauf oder den Frieden im Betrieb stören könnte
Diskriminierungsverbot
AG und BR müssen gemeinsam Diskriminierung verhindern (z. B. nach Religion, Herkunft, Geschlecht, Alter etc.)
Gleichbehandlung und Menschenwürde
Alle Beschäftigten sind nach Recht und Billigkeit zu behandeln, ihre freie Persönlichkeitsentfaltung ist zu schützen
Parteipolitische Neutralität
Parteipolitische Betätigung im Betrieb ist unzulässig, selbst wenn keine unmittelbare Gefahr für den Betriebsfrieden besteht
5.2. Betriebliche Mitbestimmung
Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte
des Betriebsrates
Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte
des Betriebsrates
Mitwirkungsrechte:
* Informationsrecht: schwächste Form der Beteiligung
des BR an Entscheidungen; wichtige Basis dafür, dass
der BR weitergehende Rechte sinnvoll nutzen kann.
* Vorschlagsrecht: Recht des BR, Vorschläge zu
machen, wie bestimmte Angelegenheiten geregelt
werden sollen
- Unterrichtungsanspruch: AG hat den Betriebsrat zur
Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und
umfassend zu unterrichten - Recht auf Anhörung: verpflichtet den AG,
Entscheidungen erst nach der Anhörung des BR oder
nach Ablauf einer Äußerungsfrist für den BR zu treffen.
Im letzteren Fall besteht keine Pflicht, von sich aus eine
Stellungnahme des BR einzuholen - Recht auf Beratung und Verhandlung: beinhaltet die
Verpflichtung für den AG, von sich aus die
Stellungnahme des BR einzuholen und die jeweilige
Angelegenheit mit ihm zu erörtern.
Mitbestimmungsrechte
* Widerspruchsrecht: gibt BR die Möglichkeit, Entscheidungen
des Arbeitgebers zu verhindern bzw. zu blockieren
* Initiativrecht: Recht, von sich aus eine Entscheidung des AG
in bestimmten Angelegenheiten zu verlangen und ggf. eine
Entscheidung vor der Einigungsstelle zu erzwingen
* Zustimmungs-/Vetorecht (echtes Mitbestimmungsrecht):
Zustimmung zu einer Entscheidung liegt ausschließlich im
Ermessen des BR und wird weder durch im Gesetz
vorgegebene Gründe der Zustimmungsverweigerung oder des
Widerspruchs noch durch die Möglichkeit einer gerichtlichen
Ersetzung der Zustimmung des BR eingeschränkt
* Aufhebungsanspruch: BR kann beim Arbeitsgericht die
Aufhebung einer Anordnung des AG beantragen
**Chat:
**
🟡 Mitwirkungsrechte
→ Der Betriebsrat wird beteiligt, kann aber Entscheidungen des Arbeitgebers nicht verhindern.
→ Ziel: Einflussnahme durch Information, Beratung oder Anhörung.
Mitwirkungsrecht
Bedeutung
📄 Informationsrecht
AG muss den BR rechtzeitig und umfassend informieren. Wichtigste Voraussetzung für alle anderen Beteiligungsrechte.
💡 Vorschlagsrecht
BR darf dem AG Vorschläge machen – AG muss diese aber nicht umsetzen.
📚 Unterrichtungsanspruch
AG muss aktiv informieren, damit der BR seine Aufgaben erfüllen kann.
🗣️Recht auf Anhörung
AG muss den BR anhören, bevor er bestimmte Entscheidungen trifft (z. B. Kündigungen). Keine Pflicht zur Umsetzung der BR-Meinung.
🤝 Beratungs-/Verhandlungsrecht
AG ist verpflichtet, aktiv in Verhandlung mit dem BR zu treten und dessen Meinung in die Entscheidung einzubeziehen.
🔴 Mitbestimmungsrechte
→ Der Betriebsrat kann verbindlich mitentscheiden oder sogar Entscheidungen blockieren oder erzwingen.
Mitbestimmungsrecht
Bedeutung
⚠️ Widerspruchsrecht
BR kann z. B. einer Kündigung widersprechen → führt zu verzögertem Verfahren und Pflicht zur Weiterbeschäftigung bis zum Prozessende.
🚀 Initiativrecht
BR kann bestimmte Maßnahmen selbst anstoßen (z. B. Einführung einer neuen Regelung) und ggf. die Einigungsstelle anrufen.
✅ Zustimmungs-/Vetorecht (echte Mitbestimmung)
BR muss ausdrücklich zustimmen (z. B. bei Arbeitszeitregelungen) – ohne Zustimmung keine Umsetzung durch den AG möglich.
🧾 Aufhebungsanspruch
BR kann die gerichtliche Aufhebung einer AG-Maßnahme verlangen, wenn diese unrechtmäßig ist.
Zusammenfassung für die Klausur:
Kategorie
Inhalt
Wirkung
Mitwirkung
Information, Anhörung, Beratung
kein Vetorecht, nur Einfluss
Mitbestimmung
Widerspruch, Zustimmung, Initiativen
verbindlich, kann AG blockieren oder verpflichten
5.2. Betriebliche Mitbestimmung
Wichtige Inhaltsbereiche der
Mitbestimmung i.w.S.
Wichtige Inhaltsbereiche der
Mitbestimmung i.w.S.
- soziale Angelegenheiten (§§ 87-91 BetrVG):
– z.B. Fragen der Ordnung und des Zusammenlebens im
Betrieb, Arbeitsplatzgestaltung, Arbeitszeitregelungen - personelle Angelegenheiten (§§ 92-105 BetrVG):
– z.B. Einstellungen, Versetzungen, Entlassungen,
Umgruppierungen, Eingruppierungen - wirtschaftliche Angelegenheiten (§§ 106-113 BetrVG)
– z.B. Interessenausgleich und Sozialplan bei
Betriebsänderungen, Investitionen, Umstrukturierungen
Chat:
📚 Inhaltsbereiche der Mitbestimmung i.w.S. nach dem BetrVG
Das Betriebsverfassungsgesetz unterscheidet drei große Bereiche, in denen der Betriebsrat Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte hat:
⸻
- 🟦 Soziale Angelegenheiten (§§ 87–91 BetrVG)
→ Stärkste Form der Mitbestimmung („echte“ Mitbestimmung)
→ Entscheidungen dürfen nur mit Zustimmung des Betriebsrats erfolgen
Typische Inhalte:
* Ordnung und Verhalten im Betrieb (z. B. Pausenregelung, Handynutzung, Dresscode)
* Arbeitszeitregelungen (z. B. Gleitzeit, Schichtpläne, Überstundenregelungen)
* Urlaubsgrundsätze
* Leistungsentgeltsysteme (z. B. Prämienmodelle)
* Betriebliches Vorschlagswesen
* Betriebliche Gruppenarbeit
* Technische Überwachungseinrichtungen (z. B. Kameras, Zeiterfassung)
⸻
- 🟨 Personelle Angelegenheiten (§§ 92–105 BetrVG)
→ Teils Mitwirkung, teils Mitbestimmung, z. B. bei Kündigungen, Einstellungen etc.
Typische Inhalte:
* Einstellungen (BR hat Zustimmungsrecht → § 99)
* Versetzungen (auch Zustimmungsrecht)
* Eingruppierungen/Umgruppierungen
* Kündigungen (Widerspruchsrecht → § 102)
* Personalplanung (Beratungsrechte → § 92)
* Berufsausbildung
⸻
- 🟥 Wirtschaftliche Angelegenheiten (§§ 106–113 BetrVG)
→ Informations- und Beratungsrechte, keine echte Mitbestimmung
→ Rechte werden v. a. durch den Wirtschaftsausschuss ausgeübt (bei Unternehmen mit >100 Beschäftigten)
Typische Inhalte:
* Investitionen, Produktionsverlagerungen, Stilllegungen
* Betriebsänderungen (→ z. B. Interessenausgleich und Sozialplan)
* Unternehmensplanungen
* Kostenentwicklung
* Personalplanung und Rationalisierungen
⸻
🧠 Klausur-Merksatz:
Sozial stark, personell halb, wirtschaftlich schwach.
(Bezieht sich auf die Stärke der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats)
5.2. Betriebliche Mitbestimmung
Mitwirkung und Mitbestimmung des BR in
sozialen Angelegenheiten
Mitwirkung und Mitbestimmung des BR in
sozialen Angelegenheiten
* Herzstück der Mitbestimmung: Mitbestimmung i.e.S.
in sozialen Angelegenheiten: § 87 BetrVG
* Echtes Mitbestimmungs- und Initiativrecht des BR
hinsichtlich der folgenden Angelegenheiten, sofern
nicht in Gesetzen oder in Tarifverträgen bereits
abschließende Regelungen enthalten sind:
– Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens
der Arbeitnehmer im Betrieb
– Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich
der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die
einzelnen Wochentage
– vorübergehende Verlängerung oder Verkürzung der
betriebsüblichen Arbeitszeit
– Zeit, Ort und Auszahlung der Arbeitsentgelte
* Fortsetzung Rechte nach § 87 BetrVG
– Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des
Urlaubsplanes; Festlegung der zeitlichen Lage des
Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen
AG und einzelnen AN darüber kein Einverständnis
erzielt wird
– Einführung und Anwendung von technischen
Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten
oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen
– Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen
und Berufskrankheiten sowie über den
Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen
Vorschriften oder Unfallverhütungsvorschriften
- Fortsetzung Mitbestimmungsrechte nach § 87
BetrVG
– Form, Ausgestaltung und Verwaltung von
Sozialeinrichtungen, die auf den Betrieb, das
Unternehmen oder den Konzern beschränkt sind
– Zuweisung und Kündigung von Wohnungen, die dem
Arbeitnehmer mit Rücksicht auf das Bestehen des
Arbeitsverhältnisses vermietet werden sowie die
allgemeine Festlegung von Nutzungsbedingungen - Fortsetzung Mitbestimmungsrechte nach § 87
BetrVG
– Fragen der betrieblichen Lohngestaltung,
insbesondere die Aufstellung von
Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und
Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie
deren Änderung
– Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und
vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte
einschließlich der Geldfaktoren
– Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen
– Grundsätze über die Durchführung von
Gruppenarbeit
Chat
🔵 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten (§ 87 BetrVG)
📌 Grundsatz:
* Der Betriebsrat hat ein echtes Mitbestimmungs- und Initiativrecht, d. h. ohne seine Zustimmung darf der Arbeitgeber keine Maßnahmen treffen.
* Ausnahme: Wenn das Thema bereits durch Gesetze oder Tarifverträge abschließend geregelt ist → dann keine Mitbestimmung durch den BR.
⸻
📋 Wichtige Mitbestimmungsbereiche nach § 87 Abs. 1 BetrVG:
Nr.
Themenbereich
Beispiele
1
Ordnung im Betrieb / Verhalten der Arbeitnehmer
Handynutzung, Rauchverbot, Arbeitskleidung
2
Beginn/Ende & Verteilung der täglichen Arbeitszeit
Gleitzeit, Schichtpläne, Pausenregelungen
3
Vorübergehende Verlängerung oder Verkürzung der Arbeitszeit
Mehrarbeit, Kurzarbeit
4
Zeit, Ort, Art der Auszahlung des Arbeitsentgelts
Bar oder Überweisung, Zahlungstermine
5
Aufstellung von Urlaubsgrundsätzen & Urlaubsplan
Wer darf wann Urlaub machen? Konfliktlösung bei Überschneidungen
6
Technische Überwachungseinrichtungen
Zeiterfassung, Videoüberwachung, GPS im Außendienst
7
Unfallverhütung & Gesundheitsschutz
Maßnahmen über das gesetzliche Mindestmaß hinaus, z. B. Pausenräume
8
Betriebliche Sozialeinrichtungen
Kantinen, Sportangebote, Werksbus
9
Dienstwohnungen
Zuweisung, Kündigung, Nutzungsbedingungen
10
Betriebliche Lohngestaltung
Entlohnungsgrundsätze, Leistungszulagen, Prämienmodelle
11
Akkord- & Prämiensätze
Leistungsvergütung in der Produktion
12
Betriebliches Vorschlagswesen
Ideenmanagement-Systeme
13
Gruppenarbeit
Einführung, Organisation, Zusammensetzung von Arbeitsgruppen
🧠 Merksatz für die Klausur:
Der Betriebsrat hat bei sozialen Fragen des Arbeitsalltags ein Vetorecht – ohne ihn geht nichts!
§ 87 BetrVG = „Mitbestimmung bei Regeln, die den Arbeitsalltag gestalten.“
⸻
EX-KURS:
Der Prämienlohn ist wie der Akkordlohn eine leistungsabhängige Vergütung. Während aber der Lohn des Arbeitnehmers beim Akkordlohn von der geleisteten Arbeitsmenge (z.B. Stückzahl) abhängt, richtet er sich beim Prämienlohn nach anderen Kriterien. Es sind eine Vielzahl verschiedener Kriterien denkbar.
5.2. Betriebliche Mitbestimmung
Mitbestimmung des BR bei allgemeinen
personellen Angelegenheiten
Mitbestimmung des BR bei allgemeinen
personellen Angelegenheiten
Unterschiedliche Rechte des BR (§§ 92-98 BetrVG)
bei
* Personalplanung und Beschäftigungssicherung
* Ausschreibung von Arbeitsplätzen
* Personalfragebögen
* Formulararbeitsverträgen
* Beurteilungsgrundsätzen
* Auswahlrichtlinien
* Berufsbildungsfragen
Mitbestimmung bei personellen
Einzelmaßnahmen
* Personelle Einzelmaßnahmen (§§ 99ff BetrVG)
– Einstellungen,
– Eingruppierungen,
§§ 99ff
– Versetzungen,
– Umgruppierungen,
– Kündigungen
§ 102 f
chat
👥 Mitbestimmung des Betriebsrats bei personellen Angelegenheiten
⸻
🔹 1. Allgemeine personelle Angelegenheiten (§§ 92–98 BetrVG)
Hier hat der BR Mitwirkungsrechte – teilweise stark, aber nicht immer zustimmungsabhängig.
Themenbereich
Rechtsgrundlage
Beteiligungsform
Personalplanung
§ 92 BetrVG
Beratungsrecht → AG muss BR über geplante Einstellungen, Qualifizierungen, Entlassungen etc. informieren und mit ihm beraten
Beschäftigungssicherung
§ 92a BetrVG
AG soll Maßnahmen vorschlagen; BR kann eigene Vorschläge machen (→ Initiativrecht)
Ausschreibung von Arbeitsplätzen
§ 93 BetrVG
BR kann Ausschreibung intern fordern, bevor externe Stellenbesetzung erfolgt
Personalfragebögen
§ 94 BetrVG
Zustimmungspflichtig – ohne Zustimmung des BR keine Verwendung
Formulararbeitsverträge
§ 94 BetrVG
Zustimmungspflichtig
Beurteilungsgrundsätze
§ 94 BetrVG
Zustimmungspflichtig
Auswahlrichtlinien (z. B. für Beförderungen)
§ 95 BetrVG
Zustimmungspflichtig
Berufsbildungsfragen
§§ 96–98 BetrVG
Informations- und teilweise Mitbestimmungsrechte; ggf. kann Einigungsstelle angerufen werden
🔸 2. Personelle Einzelmaßnahmen (§§ 99 ff. BetrVG)
Hier hat der BR in bestimmten Fällen ein Zustimmungsrecht oder ein Widerspruchsrecht.
Diese Rechte gelten nur in Betrieben mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern.
Maßnahme
Mitwirkung des BR
Rechtsgrundlage
Einstellung
Zustimmung erforderlich
§ 99 Abs. 1 BetrVG
Eingruppierung
Zustimmung erforderlich
§ 99
Umgruppierung
Zustimmung erforderlich
§ 99
Versetzung
Zustimmung erforderlich
§ 99
Kündigung
Anhörungspflichtig → BR kann Widerspruch einlegen, AG kann trotzdem kündigen, aber mit Prozessrisiko
§ 102 BetrVG
💡 Besonderheit Kündigung: Kein Vetorecht, aber Verzögerung und Erschwerung für den AG möglich, vor allem wenn BR widerspricht → Pflicht zur Weiterbeschäftigung bis zum Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens
⸻
🧠 Klausur-Merksatz:
„Bei allgemeinen Fragen darf der BR mitreden, bei Einzelfällen (z. B. Einstellung) darf er mitentscheiden – außer bei Kündigung, da darf er nur widersprechen.“
5.2. Betriebliche Mitbestimmung
Mitbestimmung bei Einstellungen, Ver-
setzungen, Um- oder Eingruppierungen
(§ 99 BetrVG)
Mitbestimmung bei Einstellungen, Ver-
setzungen, Um- oder Eingruppierungen
(§ 99 BetrVG)
* AG muss BR über die geplante Maßnahme unterrichten
und die Zustimmung des BR einholen
* BR hat eine Woche Zeit, sich zu äußern
* Innerhalb der Woche keine Äußerung: Zustimmung gilt
als erteilt
- BR kann der personellen Einzelmaßnahme bei Vorliegen
bestimmter Gründe widersprechen:
– Die geplante Maßnahme verstößt gegen ein Gesetz,
gegen eine Verordnung oder gegen eine
Unfallverhütungsvorschrift, z.B. gegen ein
Beschäftigungsverbot nach dem Mutterschutz- oder
dem Jugendarbeitsschutzgesetz
– Die geplante Maßnahme verstößt gegen eine
personelle Auswahlrichtlinie, die Betriebsrat und
Arbeitgeber verabschiedet haben
– Es besteht begründete Besorgnis, dass aufgrund der
geplanten personellen Maßnahme im Betrieb
beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder
sonstige Nachteile erleiden.
– Der betroffene Arbeitnehmer wird durch die
Maßnahme benachteiligt, ohne dass dies aus
betrieblichen oder in seiner Person liegenden
Gründen gerechtfertigt ist.
– Eine vom BR verlangte innerbetriebliche
Stellenausschreibung ist unterblieben.
– Es besteht die begründete Besorgnis, dass der für die
personelle Maßnahme in Aussicht genommene
Bewerber oder Arbeitnehmer den Betriebsfrieden
stören wird.
- Folge eines Widerspruches des BR:
– AG muss Maßnahme zunächst unterlassen
– AG kann beim Arbeitsgericht die Ersetzung der
Zustimmung des BR beantragen.-
Chat
🔹 Mitbestimmung nach § 99 BetrVG: Einstellungen, Versetzungen, Ein- und Umgruppierungen
🧾 Pflichten des Arbeitgebers (AG):
* AG muss den Betriebsrat rechtzeitig und vollständig unterrichten über:
* Art der Maßnahme (z. B. Einstellung, Versetzung)
* Personaldaten des Betroffenen
* Arbeitsvertrag/Arbeitsplatzbeschreibung
* Gründe für die Maßnahme
* AG muss die Zustimmung des Betriebsrats einholen.
* Der BR hat 1 Woche Zeit, sich zu äußern.
❗ Keine Äußerung innerhalb der Frist = Zustimmung gilt als erteilt (fiktive Zustimmung).
❌ Widerspruchsgründe des Betriebsrats (§ 99 Abs. 2 BetrVG):
Widerspruchsgrund
Beispielhafte Erläuterung
Gesetzes-/Vorschriftenverstoß
z. B. Verstoß gegen das Mutterschutzgesetz oder das Jugendarbeitsschutzgesetz
Verstoß gegen Auswahlrichtlinien
BR und AG haben Kriterien vereinbart – z. B. zur internen Beförderung – und diese werden missachtet
Gefahr von Kündigungen oder Nachteilen
Die Maßnahme gefährdet andere Beschäftigte z. B. durch Verdrängung
Ungerechtfertigte Benachteiligung des Betroffenen
z. B. Versetzung ohne nachvollziehbare Gründe
Keine innerbetriebliche Stellenausschreibung
BR hat vorher verlangt, dass neue Stellen intern ausgeschrieben werden
Gefahr für den Betriebsfrieden
z. B. ein Bewerber mit bekanntem Konfliktpotenzial oder diskriminierenden Äußerungen
⚖️ Folgen eines Widerspruchs:
* AG darf Maßnahme nicht umsetzen, solange keine gerichtliche Entscheidung vorliegt.
* AG kann beim Arbeitsgericht auf Zustimmungsersetzung klagen.
⸻
🧠 Klausur-Merksatz:
Bei personellen Maßnahmen hat der BR Vetorecht mit Begründung.
Äußert er sich nicht → Zustimmung gilt als erteilt.
Widerspricht er → Gericht entscheidet im Zweifel.
5.2. Betriebliche Mitbestimmung
Mitbestimmung bei Kündigungen
Interpretation Widerspruchsgründe
Mitbestimmung bei Kündigungen
(§ 102 BetrVG)
* Vor jeder Kündigung ist der BR anzuhören.
* Eine ohne Anhörung ( Zustimmung!!) des BR
ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.
* BR hat
– bei ordentlicher, fristgerechter Kündigung eine Woche
Zeit zur Stellungnahme
– bei außerordentlicher Kündigung aus wichtigem
Grund drei Tage Zeit zur Stellungnahme
* BR kann einer ordentlichen Kündigung nur dann
widersprechen, wenn bestimmte Gründe vorliegen, die
im Gesetz abschließend aufgeführt sind
Interpretation Widerspruchsgründe
* BR kann der Kündigung genau dann widersprechen,
wenn die Kündigung ggf. gegen andere Gesetze und
Vereinbarungen verstößt, z.B.
– gegen das ultima-ratio-Prinzip im KSchG
– gegen die Vorschriften zur Sozialauswahl im KSchG
– gegen legitime Vereinbarungen zwischen AG und BR
– gegen Gleichbehandlungsvorschriften aus der
Verfassung
* Der Gesetzgeber weist dem BR die Rolle einer gut
informierten „innerbetrieblichen Rechtsdurchsetzungs-
instanz“ zu!
🔴 Mitbestimmung des Betriebsrats bei Kündigungen (§ 102 BetrVG)
📌 Grundprinzip:
* Keine Zustimmungspflicht des BR nötig!
* Aber: Pflicht zur Anhörung vor jeder Kündigung → sonst ist die Kündigung unwirksam!
⸻
⏱️ Fristen zur Stellungnahme des Betriebsrats:
Art der Kündigung
Stellungnahmefrist des BR
Ordentliche (fristgerechte) Kündigung
1 Woche
Außerordentliche (fristlose) Kündigung
3 Kalendertage
⚠️ Keine Reaktion = Kündigung wirksam!
Aber: Reagiert der BR mit Widerspruch innerhalb der Frist → besondere rechtliche Folgen.
❌ Widerspruchsgründe des BR bei ordentlichen Kündigungen:
(§ 102 Abs. 3 BetrVG – abschließend geregelt!)
Der Betriebsrat kann widersprechen, wenn:
1. Sozialauswahl falsch durchgeführt wurde (z. B. jüngerer, lediger AN wird entlassen, älterer AN mit Familie bleibt)
2. Versetzung auf einen anderen freien Arbeitsplatz möglich wäre
3. Weiterbeschäftigung nach Umschulung/Weiterbildung möglich wäre
4. Der AN entgegen bisherigen Vereinbarungen nicht übernommen wird
5. Kündigung gegen gesetzliche oder tarifliche Vorschriften oder gegen den Arbeitsvertrag verstößt
⸻
🧠 Interpretation der Widerspruchsgründe:
Der Gesetzgeber sieht den BR als „innerbetriebliche Kontrollinstanz“:
* Der BR soll prüfen, ob der AG alle rechtlichen Vorgaben beachtet: * Kündigungsschutzgesetz (KSchG) → z. B. Ultima-Ratio-Prinzip * Sozialauswahl: Schutz von AN mit längerer Betriebszugehörigkeit, älterem Alter, Unterhaltspflichten etc. * Diskriminierungsverbot nach GG oder AGG * Absprachen mit dem BR (z. B. über Übernahme nach Ausbildung)
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⚖️ Folge eines Widerspruchs:
Was passiert bei Widerspruch des BR?
Kündigung ist nicht automatisch unwirksam
Aber: Der gekündigte Arbeitnehmer kann sich auf den Widerspruch berufen
→ In einem Kündigungsschutzprozess kann das Gericht den Widerspruch würdigen
→ Pflicht zur Weiterbeschäftigung bis zum Prozessende möglich (§ 102 Abs. 5 BetrVG)
✅ Klausur-Merksatz:
Bei Kündigung muss der BR gehört, aber nicht gefragt werden.
Ohne Anhörung → Kündigung unwirksam.
Widerspruch = Stärkung des Kündigungsschutzes für den AN.
EX-Kurs: Das Ultima Ratio Prinzip
Kurz erklärt
Das Ultima Ratio Prinzip bezeichnet ein Grundsatz des Handelns, bei dem eine Maßnahme als letztes Mittel oder äußerste Option betrachtet wird. Es bedeutet, dass eine bestimmte Handlung oder Entscheidung nur dann ergriffen wird, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden und keine Alternativen mehr zur Verfügung stehen. Das Prinzip betont die Notwendigkeit, eine extreme Maßnahme nur in Situationen einzusetzen, in denen sie unvermeidbar ist.
5.2. Betriebliche Mitbestimmung
Mitbestimmung des BR in wirtschaftlichen
Angelegenheiten (§§ 106ff BetrVG)
Mitbestimmung des BR in wirtschaftlichen
Angelegenheiten (§§ 106ff BetrVG)
- BR hat in wirtschaftlichen Angelegenheiten im
wesentlichen nur Unterrichtungs- oder Beratungsrechte,
also wesentlich schwächere Rechte als im Bereich der
personellen und sozialen Angelegenheiten - Zentrale Bereiche der Mitbestimmung in wirtschaftlichen
Angelegenheiten:
– Wirtschaftsausschuss und
– Betriebsänderungen
⚖️ Mitbestimmung des Betriebsrats in wirtschaftlichen Angelegenheiten (§§ 106 ff. BetrVG)
⸻
🧠 Grundidee: Informations- und Beratungsrechte bei wirtschaftlichen Entscheidungen
Die §§ 106 bis 110 BetrVG regeln die Mitwirkung des Betriebsrats bei größeren wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens, z. B.:
* Betriebsänderungen
* Personalabbau
* Stilllegungen
* Auslagerung von Tätigkeiten
* Zusammenschlüsse von Unternehmen
👉 Ziel: Beschäftigte vor Nachteilen schützen und den BR in wirtschaftliche Planungen einbinden.
⸻
📚 § 106 BetrVG – Wirtschaftliche Angelegenheiten
Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend unterrichten über:
1. Planung der Arbeitsplätze und Betriebsanlagen
2. Investitionen
3. Rationalisierungsmaßnahmen
4. Stilllegung von Betriebsteilen
5. Änderungen der Betriebsorganisation
6. Personalplanung
7. Zusammenschlüsse und Betriebsänderungen
🟡 Wichtig: Es geht nicht um Zustimmungspflicht – sondern um Informations- und Beratungsrechte.
⸻
🗣️ § 107 BetrVG – Wirtschaftsausschuss
* In Unternehmen mit mehr als 100 ständig beschäftigten Arbeitnehmern:
* Pflicht zur Einrichtung eines Wirtschaftsausschusses (WA)
* WA = ein Beratungsgremium, das wirtschaftliche Themen mit dem Arbeitgeber bespricht
* Besteht aus 3–7 Mitgliedern, i. d. R. aus der Belegschaft
* Informiert regelmäßig den Betriebsrat
⸻
🛠️ §§ 111–113 BetrVG – Betriebsänderungen
Hier geht es um konkrete Maßnahmen, bei denen der BR nicht nur informiert, sondern mitwirken muss – z. B.:
Maßnahme
§ 111 BetrVG
Einschränkung, Stilllegung von Betrieb oder Betriebsteilen
Verlegung des Betriebs
Zusammenschluss oder Spaltung
Grundlegende Änderung der Betriebsorganisation, Zweck, Einrichtungen
Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden/techniken
👉 Der BR kann einen Interessenausgleich verlangen
👉 Und ggf. einen Sozialplan (nach § 112 BetrVG) → z. B. Abfindungen, Qualifizierungen, Übergangsmaßnahmen
⸻
📌 Wichtige Begriffe kurz erklärt
Begriff
Bedeutung
Interessenausgleich
Vereinbarung zwischen BR und AG über ob und wie die Betriebsänderung durchgeführt wird
Sozialplan
Regelung der wirtschaftlichen Folgen für die Beschäftigten (z. B. Abfindung, Fortbildung)
Betriebsänderung
Größere Veränderung, die wesentliche Nachteile für Belegschaft bringen kann
🏢 Praxisbeispiel
Ein Unternehmen mit 200 Beschäftigten will einen Unternehmensbereich nach Polen verlagern.
* BR wird nach § 106 BetrVG informiert * Ein Wirtschaftsausschuss existiert nach § 107 BetrVG * Da mehr als 5 % der Belegschaft betroffen sind → § 111: Betriebsänderung * BR verlangt Interessenausgleich und Sozialplan
⸻
📋 Klausurrelevante Aspekte
Thema
Merkpunkte
§ 106 BetrVG
Informationspflicht bei wirtschaftlicher Planung
§ 107 BetrVG
Wirtschaftsausschuss in Betrieben mit >100 MA
§§ 111–112 BetrVG
Mitwirkung bei Betriebsänderung: Interessenausgleich + Sozialplan
Mitwirkung ≠ Mitbestimmung
BR hat Beratungsrecht, aber kein Vetorecht bei wirtschaftlicher Entscheidung
5.2. Betriebliche Mitbestimmung
Bildung des Wirtschaftsausschusses
(§§ 106-109 BetrVG)
Bildung des Wirtschaftsausschusses
(§§ 106-109 BetrVG)
- In Unternehmen (nicht Betrieben) mit in der Regel mehr
als 100 Beschäftigten ist ein Wirtschaftsausschuss zu
bilden, der mindestens drei und höchstens sieben
Mitglieder hat. - Die Mitglieder des WA werden vom BR oder
Gesamtbetriebsrat bestellt. Alle Mitglieder müssen dem
Unternehmen angehören; mindestens ein Mitglied muss
Mitglied des Betriebsrates sein. - WA tagt einmal im Monat, an jeder Sitzung muss ein
Vertreter des AG teilnehmen. - Der WA hat den Betriebsrat unverzüglich über jede
Sitzung zu informieren.
🔹 1. Gesetzlicher Hintergrund und Schwellenwert
Der Wirtschaftsausschuss (WA) ist nach § 106 Abs. 1 BetrVG verpflichtend zu bilden in:
Unternehmen mit in der Regel mehr als 100 ständig beschäftigten Arbeitnehmern.
* Achtung: Es geht um das gesamte Unternehmen, nicht einzelne Betriebe! * Also auch dann, wenn z. B. fünf kleine Betriebsstätten à 25 MA existieren → gesamt 125 = WA-Pflicht
⸻
🔹 2. Zusammensetzung des Wirtschaftsausschusses (§ 107 BetrVG)
* Der WA besteht aus mindestens drei und höchstens sieben Mitgliedern.
* Alle Mitglieder müssen dem Unternehmen angehören (d. h. Angestellte, keine externen Berater).
* Mindestens ein Mitglied muss Mitglied des Betriebsrats sein.
* Die Bestellung erfolgt durch den Betriebsrat (im Betrieb) oder Gesamtbetriebsrat (bei mehreren Betrieben).
⸻
🔹 3. Arbeitsweise und Sitzungen (§ 108 BetrVG)
* Einmal im Monat findet eine obligatorische Sitzung statt.
* An jeder Sitzung muss ein Vertreter des Arbeitgebers teilnehmen – z. B. die Geschäftsführung oder ein Prokurist.
* Der Wirtschaftsausschuss ist verpflichtet, den Betriebsrat unverzüglich über jede Sitzung zu informieren – also keine Eigenmacht, sondern Zuarbeit zum Betriebsrat.
5.2. Betriebliche Mitbestimmung
Rechte des Wirtschaftsausschusses
(§§ 106ff BetrVG)
Rechte des Wirtschaftsausschusses
(§§ 106ff BetrVG)
- AG muss den WA rechtzeitig und umfassend unter
Vorlage der erforderlichen Unterlagen über die
wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens
informieren und die sich aus den wirtschaftlichen
Angelegenheiten ergebenen Auswirkungen auf die
Personalplanung des Unternehmens informieren, soweit
dadurch nicht Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
gefährdet sind. - Zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten gehören:
– die wirtschaftliche und finanzielle Lage des
Unternehmens,
– die Produktions- und Absatzlage,
– das Produktions- und Investitionsprogramm,
– Rationalisierungsvorhaben,
– Fabrikations- und Arbeitsmethoden,
– Fragen des betrieblichen Umweltschutzes
– Verlegung, Stilllegung und Einschränkung von
Betrieben und Betriebsteilen,
– Änderungen des Betriebszweckes
– Sonstige Vorgänge, die die Interessen der AN
wesentlich berühren könnten
🔹 4. Rechte des Wirtschaftsausschusses – § 106 BetrVG
Der Arbeitgeber muss den WA:
* rechtzeitig
* umfassend
* mit allen relevanten Unterlagen
informieren über:
🔸 Wirtschaftliche Angelegenheiten, darunter:
1. Wirtschaftliche und finanzielle Lage (z. B. Jahresabschlüsse, Prognosen)
2. Produktions- und Absatzlage
3. Produktions- und Investitionsprogramme
4. Rationalisierungsvorhaben (z. B. Digitalisierung, Abbau von Arbeitsplätzen)
5. Fabrikations- und Arbeitsmethoden
6. Fragen des betrieblichen Umweltschutzes
7. Verlegung, Stilllegung oder Einschränkung von Betriebsteilen
8. Änderung des Betriebszwecks
9. Sonstige Vorgänge, die die Interessen der Arbeitnehmer wesentlich berühren können
📌 Einschränkung: Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dürfen nicht gefährdet werden. Hier hat der AG ein legitimes Schutzinteresse (z. B. bei strategischen Fusionen).
⸻
🧠 Funktion des WA im Gesamtkontext des BetrVG
* Der WA ist kein eigenständiges Entscheidungsgremium, sondern ein Informations- und Beratungsgremium.
* Er dient dazu, den Betriebsrat frühzeitig in wirtschaftliche Entscheidungsprozesse einzubinden.
* Der WA ist somit ein wichtiges Frühwarnsystem – vor allem bei drohenden Betriebsänderungen (→ § 111 BetrVG).
EX-KURS:
Rationalisierung:
rationalisieren [rat ̮sjo-]; rationalisierte, hat rationalisiert; [Vt/i]
1. (etwas) rationalisieren in einem Betrieb weniger Leute und meist mehr Maschinen für die Arbeit einsetzen (um Kosten zu sparen) <einen Betrieb, die Produktion, eine Arbeit rationalisieren>
5.2. Betriebliche Mitbestimmung
Betriebsänderungen
(§§ 111 ff BetrVG)
Mitbestimmung bei Betriebsänderungen
https://www.betriebsrat.de/betriebsratslexikon/br/betriebsaenderung
Betriebsänderungen
(§§ 111 ff BetrVG)
Als Betriebsänderungen gelten:
* Einschränkung, Stilllegung, Verlegung von ganzen
Betriebsteilen oder Betrieben,
* Zusammenschluss mit anderen Betrieben
* grundlegende Änderung oder Neueinführung von
Fabrikations- und Arbeitsmethoden
* grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, der
–anlagen oder des –zwecks
Mitbestimmung bei Betriebsänderungen
- BR muss unterrichtet werden und AG muss Maßnahmen
mit BR beraten - Zentrale Rechtsfolgen: Interessenausgleich und
Sozialplan - AG muss versuchen, mit dem BR zu einem
Interessenausgleich zu kommen: Einigung über das
Ob, Wann und Wie einer Betriebsänderung (§111
BetrVG) - AG bleibt in seiner wirtschaftlichen Entscheidung frei,
der Interessenausgleich muss nur versucht werden - Wurde ein Interessenausgleich nicht versucht oder
weicht AG von vereinbartem Interessenausgleich ab
(§ 113 BetrVG): Schadensersatzpflicht des AG
gegenüber einzelnen Arbeitnehmern, denen aus der
Abweichung vom oder dem Fehlen eines
Interessenausgleiches Nachteile entstanden sind. - BR hat unter bestimmten Bedingungen erzwingbare
Mitbestimmungsrechte hinsichtlich eines Sozialplanes
(Ausgleich oder Milderung der wirtschaftlichen Nachteile,
die den AN aus einer Betriebsänderung entstehen
können) - Erzwingbarkeit: Bei Nichteinigung kann jede Seite die
Einigungsstelle anrufen; deren Spruch ersetzt die
Einigung zwischen AG und BR - Einigungsstelle: paritätisch besetzte Schlichtungsstelle
mit einem neutralen Vorsitzenden - Ausnahmen von der Erzwingbarkeit von Sozialplänen:
– für neugegründete Unternehmen in den ersten vier
Jahren nach der Geschäftsaufnahme und
– für solche Betriebsänderungen, die ausschließlich in
der Entlassung von Personal innerhalb gewisser
Obergrenzen bestehen.
⚖️ Betriebsänderungen nach §§ 111–113 BetrVG
⸻
🔹 Was ist eine Betriebsänderung? (§ 111 BetrVG)
Eine Betriebsänderung liegt vor, wenn der Arbeitgeber größere strukturelle Eingriffe im Betrieb plant, die erhebliche Nachteile für die Belegschaft haben können.
📌 Beispiele für Betriebsänderungen:
1. Einschränkung, Stilllegung, Verlegung eines Betriebes oder Betriebsteils
2. Zusammenschluss oder Spaltung von Betrieben
3. Einführung oder grundlegende Änderung von Fabrikations- oder Arbeitsmethoden
4. Grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, der Betriebsanlagen oder des Betriebszwecks
➡️ Es muss sich um wesentliche Änderungen handeln, keine bloßen Detailanpassungen.
⸻
🔹 Wer ist betroffen? – Schwellenwert
* § 111 BetrVG gilt für Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern.
* Betrifft also auch kleinere Betriebe – aber nur bei schwerwiegenden Maßnahmen.
⸻
🔹 Rechtsfolgen bei Betriebsänderung
- 📋 Interessenausgleich (freiwillig)
Inhalt
Bedeutung
Was?
Einigung über das „Ob, Wann und Wie“ der geplanten Betriebsänderung
Mit wem?
Zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat
Ziel?
Einvernehmliche Umsetzung mit möglichst geringem Schaden
Rechtscharakter?
Nicht erzwingbar – muss nur ernsthaft versucht werden
Verstoß
Wenn nicht versucht oder einseitig davon abgewichen → § 113 BetrVG: Schadensersatzpflicht gegenüber betroffenen AN
- 🛡️ Sozialplan (erzwingbar)
Inhalt
Bedeutung
Was?
Regelung zum Ausgleich oder zur Milderung wirtschaftlicher Nachteile für AN
Beispiel?
Abfindungen, Umschulungen, Qualifizierung, Hilfe bei Jobsuche
Rechtscharakter?
Erzwingbar – kann notfalls über Einigungsstelle durchgesetzt werden
Einigungsstelle
Neutrale, paritätisch besetzte Schlichtungsstelle mit Vorsitzendem (z. B. Richter a. D.)
Initiative
Arbeitgeber oder Betriebsrat kann die Einigungsstelle anrufen
🔸 Grenzen des erzwingbaren Sozialplans (§ 112a BetrVG)
Kein erzwingbarer Sozialplan bei:
* Neugegründeten Unternehmen in den ersten vier Jahren nach Geschäftsaufnahme
* Kleineren Entlassungen innerhalb bestimmter gesetzlicher Schwellenwerte
⸻
🛑 Schadensersatz bei Pflichtverstoß (§ 113 BetrVG)
Wenn der Arbeitgeber:
* keinen Interessenausgleich versucht oder
* ohne triftigen Grund vom vereinbarten Interessenausgleich abweicht,
➡️ muss er den betroffenen Arbeitnehmern Schadensersatz zahlen, z. B. für Verdienstausfall, Wegfall von Positionen etc.
⸻
🧠 Ziel der Regelung insgesamt
Ziel
Beschreibung
Schutz der Arbeitnehmer
vor plötzlichen, einseitigen Einschnitten
Einbindung des BR
als Vertreter der Belegschaft in wirtschaftlich-strategische Entscheidungen
Soziale Abfederung
von Kündigungen, Umstrukturierungen etc.
📝 Klausurhinweise – typischer Aufbau einer Frage
Beispiel:
Ein Unternehmen mit 80 Beschäftigten plant, eine Abteilung mit 25 MA ins Ausland zu verlagern.
Welche Mitwirkungsrechte hat der Betriebsrat?
🎯 Erwartete Antwort:
* Betriebsänderung liegt vor (§ 111 BetrVG)
* BR ist unverzüglich zu informieren, es muss ein Interessenausgleich versucht werden
* Sozialplan ist erzwingbar, wenn wirtschaftliche Nachteile entstehen
* Falls kein Interessenausgleich versucht → § 113 BetrVG: Schadensersatzpflicht
⸻
📌 Merksätze
1. 👉 Interessenausgleich = freiwillig, aber verpflichtend zu versuchen
2. 👉 Sozialplan = erzwingbar, wenn Nachteile für AN entstehen
3. 👉 Keine reine Kosmetik – echte Betriebsänderungen = BR aktiv einbeziehen!
5.2. Betriebliche Mitbestimmung
Struktur der Mitbestimmungsrechte des
Betriebsrates S284
📘 Struktur der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats – Überblick
⸻
🔺 Dreieck der Mitwirkungsrechte (Stärke nimmt nach unten zu)
Die linke Spalte zeigt verschiedene Rechtsarten, von sehr schwach (nur Information) bis sehr stark (Vetorecht, Zustimmung notwendig). Je weiter unten in der Liste, desto größer der Einfluss des BR.
Art des Rechts
Bedeutung
Unterrichtungsanspruch
Der BR muss rechtzeitig und vollständig informiert werden. Beispiel: Wirtschaftsausschuss nach § 106 BetrVG.
Recht auf Anhörung
Der BR muss angehört werden, hat aber keine Entscheidungsgewalt. Beispiel: Anhörung vor Kündigung (§ 102 BetrVG).
Recht auf Beratung und Verhandlung
Arbeitgeber muss mit dem BR verhandeln. Beispiel: Interessenausgleich (§ 111 BetrVG), aber kein Vetorecht.
Widerspruchsrecht
BR kann formell widersprechen, Maßnahme muss ggf. gerichtlich geprüft werden. Beispiel: Einstellung nach § 99 BetrVG.
Initiativrecht
BR kann Maßnahmen selbst vorschlagen und einfordern.
Zustimmungs-/Vetorecht
Maßnahme darf nicht ohne Zustimmung des BR umgesetzt werden. Beispiel: Arbeitszeitregelung nach § 87 BetrVG.
Aufhebungsanspruch
BR kann bereits eingeführte Maßnahmen aufheben lassen, z. B. durch Einigungsstelle.
📚 Rechtsbereiche und Ausprägung
Die rechte Spalte zeigt die Drei-Säulen-Systematik des BetrVG, in denen die Rechte unterschiedlich stark ausgeprägt sind:
Bereich
Typische Rechte
Wirtschaftliche Angelegenheiten
→ eher schwache Rechte: Informationsrecht (§§ 106 ff. BetrVG)
Personelle Angelegenheiten
→ mittlere Stärke: Zustimmungsrecht bei Einstellungen, Widerspruchsrecht bei Kündigungen
Soziale Angelegenheiten
→ sehr starke Rechte: Mitbestimmung, Vetorecht, z. B. bei Arbeitszeit, Urlaubsregelung, Kantine (§ 87 BetrVG)
🧠 Zusammengefasst: Je sozialer das Thema – desto stärker das Recht
Das System folgt dem Grundgedanken:
Je näher eine Maßnahme am Alltag und der direkten Lebensrealität der Arbeitnehmer liegt (z. B. Arbeitszeit, Pausen, Urlaub) – desto größer ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.
5.2. Betriebliche Mitbestimmung
Strukturelle Schieflage der betrieblichen
Mitbestimmung?
Strukturelle Schieflage der betrieblichen
Mitbestimmung?
- Gewerkschaftsnahe Autoren vertreten die These von
einer Schieflage in der Struktur der
Mitbestimmungsrechte im BetrVG, weil starke
Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte erst dann
ansetzen, wenn alle wirtschaftlichen Entscheidungen
des Arbeitgebers bereits gefallen sind und daher von
Betriebsräten nicht mehr viel erreicht werden kann für
die Sicherung und den Erhalt von Arbeitsplätzen - Arbeitgebernahe Autoren vertreten die These von einer
Schieflage in der Struktur der Mitbestimmungsrechte im
BetrVG, weil Betriebsräte zu einer Verwässerung der
Eigentumsrechte beitragen können und über Sozialpläne
den „Preis“ für wirtschaftliche Entscheidungen des
Arbeitgebers hoch treiben können. - Struktur ist Ausfluss des Wirtschaftssystems der
Sozialen Marktwirtschaft:
– Arbeitgeber ist frei in den wirtschaftlichen
Entscheidungen (Eigentumsrechte in der
Marktwirtschaft)
– Arbeitnehmervertretungen haben Rechte, wo es um
die sozialen und personellen Folgen dieser
Entscheidungen geht (Soziale Rahmung des
marktwirtschaftlichen Systems)
⚖️ Strukturelle Schieflage der Mitbestimmung im BetrVG?
⸻
📌 Was ist gemeint mit „struktureller Schieflage“?
„Strukturelle Schieflage“ meint, dass die Verteilung der Mitbestimmungsrechte im BetrVG unausgewogen sei – je nach Perspektive zugunsten des Arbeitgebers oder des Betriebsrats.
Es gibt zwei gegensätzliche Bewertungen, je nach Interessenlage:
⸻
🔹 1. Kritik aus gewerkschaftsnaher Perspektive
Kritikpunkt
Erklärung
Zeitpunkt der Beteiligung
Betriebsräte erhalten erst Mitspracherechte, wenn die wirtschaftlichen Entscheidungen längst gefallen sind
Beispiel
Die Geschäftsleitung beschließt z. B. Standortverlagerung, und erst danach wird über einen Sozialplan verhandelt
Folge
Betriebsrat kann nichts mehr retten oder ändern, sondern nur noch soziale Schäden mildern
Ziel dieser Kritik
Betriebsräte sollten früher eingebunden werden, z. B. mit echten Mitbestimmungsrechten auch bei strategischen Entscheidungen
🔹 2. Kritik aus arbeitgebernaher Perspektive
Kritikpunkt
Erklärung
Einfluss auf Eigentumsrechte
Betriebsräte können wirtschaftliche Entscheidungen verzögern oder verteuern
Beispiel
Sozialpläne, Interessenausgleichsverhandlungen, Einigungsstellenverfahren
Folge
Betriebsräte könnten wirtschaftlich sinnvolle Entscheidungen blockieren oder verteuern (z. B. durch hohe Abfindungen)
Ziel dieser Kritik
Mehr Schutz der unternehmerischen Freiheit und Reduktion der „Überregulierung“ durch Mitbestimmungsrechte
🧭 Einordnung im System der Sozialen Marktwirtschaft
Die derzeitige Struktur des BetrVG ist kein Zufall, sondern Ausdruck des politischen und wirtschaftlichen Grundmodells Deutschlands:
Wirtschaftsordnung
Auswirkung auf Mitbestimmung
Marktwirtschaft
Unternehmer entscheiden frei über wirtschaftliche Belange (Eigentum, Kapital, Risiko)
Soziale Komponente
Betriebsrat greift nicht in wirtschaftliche Entscheidungen ein, aber erhält Rechte bezüglich sozialer und personeller Folgen
➤ Ergebnis
Geteilte Zuständigkeit: Unternehmer = Wirtschaft, Betriebsrat = Soziales/Personal
📌 Diese Trennung soll das Gleichgewicht zwischen wirtschaftlicher Effizienz und sozialer Absicherung sicherstellen.
Exit-Voice-Ansatz
Exit-Voice-Ansatz
Zentrale Idee (Hirschman 1970):
* In Kunden- oder Arbeitsbeziehungen gibt es zwei grundsätzliche Möglichkeiten, Unzufriedenheit mit dem Geschäftspartner zu äußern:
* Exit: Abbruch der Geschäftsbeziehung; Suchen anderer Geschäftspartner, „Lösung” des Problems über den Markt
* Voice: internes Äußern der Unzufriedenheit, Suche nach Lösungen mit dem Geschäftspartner
🧠 Kernaussage des Exit-Voice-Ansatzes
Wenn Menschen mit einer Organisation (z. B. einem Unternehmen, Arbeitgeber oder Staat) unzufrieden sind, haben sie zwei grundlegende Reaktionsmöglichkeiten:
⸻
🔁 1. Exit = Abwanderung / Verlassen
* Definition: Die Person verzichtet auf weitere Zusammenarbeit, kündigt z. B. den Arbeitsvertrag oder verlässt als Kunde das Unternehmen.
* Beispiel im Arbeitskontext:
* Arbeitnehmer kündigt, weil er sich schlecht behandelt fühlt.
* Beispiel im Konsumkontext:
* Kunde wechselt zur Konkurrenz, weil er unzufrieden mit dem Service ist.
* Merkmal: Marktmechanismus – man stimmt „mit den Füßen ab“.
⸻
🗣️ 2. Voice = Beschwerde / Kritik / Loyalität
* Definition: Die Person bleibt in der Beziehung und äußert ihre Unzufriedenheit offen, um eine Veränderung zu bewirken.
* Beispiel im Arbeitskontext:
* Mitarbeiter spricht Probleme im Mitarbeitergespräch oder beim Betriebsrat an.
* Beispiel im Konsumkontext:
* Kunde schreibt eine Beschwerde-Mail oder hinterlässt eine negative Bewertung.
* Merkmal: Interner Lösungsversuch – Dialog statt Abbruch.
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🧩 Zusätzliche Dimension: Loyalität
Hirschman ergänzt das Modell später um ein wichtiges drittes Element:
* Loyalty (Loyalität) beeinflusst die Wahl zwischen Exit und Voice:
* Hohe Loyalität: eher Voice (z. B. langjährige Mitarbeitende)
* Niedrige Loyalität: eher Exit (z. B. neue Angestellte ohne Bindung)
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💬 Anwendungsbeispiele im Personalmanagement
Situation
Exit
Voice
Mitarbeiter ist überlastet
Kündigung
Gespräch mit Vorgesetztem
Mitarbeiter fühlt sich unfair bezahlt
Wechselt zur Konkurrenz
Verlangt Gehaltserhöhung
Kundenservice ist schlecht
Kunde geht zur Konkurrenz
Schreibt Rezension oder Beschwerde
Exit-Voice-Ansatz
Exit-Voice-Ansatz
* Beide Lösungen des Umgangs mit Unzufriedenheit weisen spezifische Kosten und Voraussetzungen auf, z.B.
* Voice:
* Kommunikations- und Konfliktkosten, Gefahr des unfairen Umgangs miteinander im Konflikt
* Voraussetzung der Kommunikationsfähigkeit beider Seiten
* Exit:
* Transaktionskosten des Eingehens wechselnder Geschäftsbeziehungen
* Probleme der potenziellen Kurzfristigkeit der Beziehung für Investitionen
* Voraussetzungen der Verfügbarkeit alternativer
Geschäftspartner
🔍 Kosten & Voraussetzungen von Voice und Exit
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🗣️ Voice (Beschwerde / Kritik äußern)
➡️ Kosten:
* 🗨️ Kommunikationskosten
→ Aufwand, den es braucht, um Missstände zu artikulieren und Lösungen zu verhandeln.
* ⚔️ Konfliktkosten
→ Konflikte können eskalieren; emotionale Belastung, mögliche Reibung mit Vorgesetzten oder Kollegen.
* ⚠️ Risiko unfairer Behandlung
→ Mitarbeitende, die Kritik äußern, laufen Gefahr, als “schwierig” zu gelten oder beruflich benachteiligt zu werden (besonders bei schwacher Mitbestimmungskultur).
➡️ Voraussetzungen:
* 🧠 Kommunikationsfähigkeit & Offenheit
→ Beide Seiten (Arbeitnehmer + Arbeitgeber) müssen in der Lage und bereit sein, konstruktiv zu kommunizieren.
* 🧱 Strukturen für Feedback und Beteiligung
→ z. B. Betriebsrat, Mitarbeitergespräche, Ombudsstelle.
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🚪 Exit (Verlassen der Beziehung / Kündigung / Wechsel)
➡️ Kosten:
* 💸 Transaktionskosten
→ Zeit und Geld für die Suche, Auswahl und Einarbeitung eines neuen Arbeitgebers oder Geschäftspartners.
* ⏳ Verlust investierter Ressourcen
→ z. B. wenn Mitarbeitende vorzeitig kündigen, gehen Schulungen, Wissenstransfer etc. verloren.
* 📉 Wirtschaftliches Risiko
→ Ein neuer Job ist nicht garantiert besser; besonders relevant bei unsicherer Arbeitsmarktlage.
➡️ Voraussetzungen:
* 🌐 Existenz und Erreichbarkeit von Alternativen
→ z. B. freie Stellen in der Branche, Konkurrenzangebote am Markt.
* 🧍 Mobilität, Unabhängigkeit, Kündigungsfreiheit
→ z. B. keine extrem hohe Bindung durch Verträge, Standort, Lebenssituation.
Anwendung Exit-Voice-Ansatz auf Betriebsräte (Freeman 1980)
Anwendung Exit-Voice-Ansatz auf Betriebsräte (Freeman 1980)
Betriebsräte erleichtern Beschäftigten die VOICE-Option und senken so die Zahl der EXIT-Fälle, weil sie z.B.
* als Vertreter der Arbeitnehmer mit dem AG verhandeln und somit den einzelnen Arbeitnehmer vor Sanktionen schützen,
* besser informiert sein können als einzelne Arbeitnehmer und somit weniger Informationsasymmetrien auftreten
* Arbeitsbedingungen durchsetzen können, die Unzufriedenheit von Arbeitnehmern senken oder verhindern.
* BR senken damit Fluktuations- und Einstellungskosten für den AG und tragen zu längeren Betriebszugehörigkeitsdauern der AN bei.
* BR erleichtern damit zugleich betriebliche Weiterbil-dungsinvestitionen und die Bildung produktivitätsförderlicher impliziter Vereinbarungen zwischen AN und AG.
📘 Exit-Voice-Ansatz angewendet auf Betriebsräte (Freeman 1980)
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🗣️ Betriebsräte stärken die Voice-Option…
…und verringern dadurch Exit-Verhalten (z. B. Kündigungen, stille Resignation), weil sie:
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✅ 1. Schutz durch Kollektivvertretung
„Verhandeln im Namen der Beschäftigten“
* Betriebsräte vertreten Beschäftigte kollektiv gegenüber dem Arbeitgeber. * Sie verringern das Risiko individueller Sanktionen, wenn Beschäftigte Missstände melden. * Damit entsteht ein sicherer Rahmen, um Voice auszuüben.
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✅ 2. Abbau von Informationsasymmetrien
„Mehr Transparenz durch Mitbestimmung“
* Betriebsräte haben besseren Zugang zu Informationen über Entscheidungen des Arbeitgebers (z. B. durch § 80–87 BetrVG). * Dadurch können sie informierte Verhandlungen führen. * Einzelne Arbeitnehmer sind oft weniger gut informiert und würden ohne BR schlechter verhandeln.
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✅ 3. Verbesserung der Arbeitsbedingungen
„Proaktive Konfliktvermeidung“
* Betriebsräte tragen zur Verbesserung von Lohn-, Arbeitszeit- und Sicherheitsbedingungen bei. * Dadurch entsteht weniger Unzufriedenheit, was Exit unwahrscheinlicher macht.
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💰 Wirtschaftlicher Nutzen für den Arbeitgeber
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✅ 4. Reduktion von Fluktuations- und Einstellungskosten
* Geringere Kündigungsrate → weniger Kosten für Stellenausschreibung, Einarbeitung, Produktivitätsverlust.
✅ 5. Erleichterung von Weiterbildungsinvestitionen
* Langfristige Betriebszugehörigkeit durch weniger Exit-Fälle erhöht Investitionssicherheit in Weiterbildung.
* Vertrauen und Verbleib sind Grundlage für implizite Verträge (z. B. Loyalität ↔ Arbeitsplatzsicherheit).
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🧠 Fazit für deine Klausur:
Betriebsräte sind institutionalisierte Voice-Mechanismen, die ökonomisch sinnvoll sein können: Sie reduzieren Exit, vermitteln zwischen AN und AG, sichern Wissen im Betrieb und stabilisieren langfristige Beschäftigung.