5. Stadt und Wirtschaftsrecht Flashcards

1
Q

Tendenzen städtischer Siedlung bis 1100

A

Entstehung von grösseren Siedlungen (- ca.1100)
– Bischofssitzen (entstanden v. a. im 5./6. Jh.)
– Königlichen Pfalzen (reg. Aufenthaltsorte des Königs)
– teilw. auch kaufmännische Siedlungen
– durch neuartige Marktgründungen
• Verleihung des Rechts zum regelmässigen Handel
• Münzbefugnisse
• Marktzoll (Gebührenbefugnis)

▪ Nicht zuletzt von hier aus Entstehung verschiedener Stadttypen
− Königsstadt
− Bischofsstadt
− Gründungsstadt

Im Verlauf des Mittelalters 5-15 Jhdt. nimmt die Bevölkerung in den Städten von 5% auf 20% zu.

Meinung: Die Wiege der europäischen Stadt liegt im Markt (Forschung ist inzwischen wesentlich zurückhaltender - auch andere Gründe sind nachweisbar)

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2
Q

Tendenzen städtischer Siedlung ab 1100

A

▪ Seit etwa 1100 rapide Zunahme städtischer Siedlungen
– Beginn im Mittelmeerraum
– Welle gezielter Stadtgründungen durch Landesherren und Könige (Steuern, mehr Raum, Ressourcen nutzen)
– Siedlungswelle in den Osten
– Ausweitung von Siedlungen um Burgen des Herrschers und normative Verselbständigung dieser Siedlungen

▪ Zielsetzung von Gründungsstädten
– Abgabeneinnahme durch den Herrscher
– Stadtgründung als Investition / Infrastrukturmassnahme

▪ Entstehung urbanisierter Regionen in Europa bis zum Ende des 13. Jahrhunderts, ausgehend von Südeuropa
– Intensivierung des Handels
– Entstehung von Handelsorganisationen wie der Hanse
– Aufstieg des frühen Bankenwesens (insb. in Oberitalien)

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3
Q

Die Stadt als Rechtsraum

A

▪ Kennzeichen der verselbständigten Stadt als rechtliche Einheit
− Befugnis zur autonomen Normsetzung (heute BV50I)
− Befugnis zur autonomen Regierung (durch Rat) – ggfs. Zuordnung zu einem Vertreter des Stadtherrn
= Stadtrechte (Regeln für Organisation, Wirtschaft, Unrechtsausgleich - Logik eines öff. Strafrechts)

wichtig: Städte als Laboratorien für die Rechtsfortbildung

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4
Q

Reichsstadt

A

▪ Sondertypus Reichsstadt
– Häufig: (Ehemalige) Königsstädte
• Pfalzstädte, z. B. Aachen
• Kaiserliche Gründung (v. a. unter den Staufern) auf sog. Reichsgut oder eigenem Hausgut – Beispiel: Colmar
– Kaiser als Stadtherr (Reichsunmittelbarkeit)
– Seit dem 15. Jahrhundert: Nach Massgabe von Autonomie Ladung als Reichsstadt zum Reichstag

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5
Q

Freiheit und Recht in der Stadt

A

▪ Städtische Freiheit – idealtypisch gesehen – in verschiedenen Stufen entstanden
– Verzicht des Grundherren auf Herrschaftsrechte ggü. Siedlern
– Gewährung autonomer Normsetzungsbefugnis (Stadtrechtsprivileg)

▪ Stadtrecht
Zwei alternative Entstehungstatbestände:
1. Rechtsordnung des Stadtherrn
2. Autonom, auf der Grundlage eines Stadtrechtsprivilegs = gesetztes Recht der Bürgerschaft, basierend auf coniuratio (Schwureinung)

− Inhalte:
− Gerichtsbarkeit (ab 14. Jh. auch Blutsgerichtsbarkeit)
− Ordnung des bürgerlichen Zusammenlebens / Handels
− Organisation städtischer Herrschaft (Rat, Bürgerschaft)

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6
Q

Der Bürgerstatus

A

▪ Status des Stadtbürgers mit Rechten und Pflichten verbunden, die sich von Landbevölkerung unterscheiden, insbesondere:
− konkrete Freiheiten (etwa Märkte abhalten und Handel zu treiben) mit Gerichtsbarkeit der Stadt als Anknüpfungspunkt für jeden Bürger
− mit der Pflicht, den Bürgereid zu leisten (und Eid auf das Stadtrecht)

Stadt damit als erweiterte Schwurgemeinschaft:
Eid + Öffentlichkeit -> Einbettung von Rechtsakten (mit Selbstverpflichtung) in eine Art Ritual
= kollektive Identität, Stadtbevölkerung zeigt sich als kollektive Gemeinschaft

> elementare Eigenschaft von Recht: Recht ist unsichtbar, es muss sichtbar gemacht werden (z.B. Texte, Schriften), was auch in der Form der Inszenierung geschehen kann -> Performanz grundlegend für die Begreifbarkeit von Recht

▪ Attraktivität des Bürgerstatus tritt je länger je mehr in Spannung zu landesherrlichen Expansionsinteressen
– Ausbreitung der Städte durch Aufnahme von Grundholden (Stadtluft macht frei): Garantie persönlicher Freiheit und unbehelligten Verbleibs in der Stadt gegenüber Anspruch des früheren Grundherrn (oft nach Jahr und Tag)
– Ausbreitung des städtischen Raums auch durch Pfahlbürger – Siedler ausserhalb des städtischen Raums (oft mit (reduzierten) Bürgerrechten)

=> Sukzessiver Ausbau der Stadt in den ländlichen Raum (Abfluss von Arbeitern, Macht), daher Pfahlbürgertum durch den Kaiser verboten (um Umschwünge Stadt - Land zu vermeiden)

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7
Q

legal transfer

A

▪ Auffallende Rezeptionsphänomene zwischen vielen Städten:
– Formelle Übernahmen von – bereits bestehenden – Stadtrechtstexten in anderen Städten durch
• Verweis
• Wörtliche Übernahmen

– Faktische Übernahmen durch (wiederholtes) Ersuchen einer jüngeren Stadt an eine ältere Stadt mit der Bitte um Rechtsauskunft durch
• Textübersendung
• Deutungen bestehender Rechtstexte

Beachte: Bisweilen erst aus diesem Anlass Entstehung von Stadtrechtsaufzeichnungen in angefragter Stadt (Beispiel: Lübeck für Tondern)

▪ Heutige Metaphern dafür:
– Mutterstadt: auskunftsgebende Stadt mit bestehendem Stadtrecht
– Tochterstadt: anfragende Stadt, die älteres Stadtrecht übernimmt

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8
Q

Konsequenzen des legal transfer

A

– Dominanz einzelner Stadtrechte in ganzen Regionen
– Bisweilen: Entstehung von „Spruchstellen“ zur Klärung von Auslegungsfragen des Stadtrechts (ohne Gerichtsgewalt bei den anfragenden Stadten)
– Übliche Kennzeichnung in der Metapher Stadtrechtsfamilie

▪ Bekannte Beispiele von Stadtrechtsfamilien
- Magdeburger Recht (bedeutsam für Osteuropa)
- Lübisches Recht (bedeutsam für die Hanse)
- Freiburger Recht (hier besonders relevant)

Beachte: Legal Transfer ist vielfach in der Rechtsgeschichte anzutreffen

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9
Q

Stadt und Wirtschaftsverfassung

A

Stadt ist ein Wirtschaftsraum für Handel und Gewerbe, wesentlich verfasst mithilfe von coniurationes:
▪ Zur geopolitischen Absicherung Begründung von Städtebünden durch Schwureinung - Eid als Gestaltungsmittel rechtlicher Organisation auf überregionaler Ebene
(Bsp. des 13. und 14. Jahrhunderts: Rheinische Städtebünde, Burgundische Eidgenossenschaft)
– Verflechtung mit Landfriedenstradition

▪ Durch Schwureinung aber auch begründet: die Organisation des innerstädtischen Gewerbes in Zünften
(Zünfte im Prinzip Schwurgemeinschaften von Gewerbebetreibern zur Sicherung unterschiedlicher Ziele)
– Interne Funktion: Qualitätssicherung; nach aussen: Regulierung des Marktes bis hin zur Kartellierung und Abschottung der Stadt Alterssicherung
– Organisation: Genossenschaftliche Selbstverwaltung
– Interessenvertretung im Verhältnis zum Rat (teils extrem erfolgreich, so in Städten mit sog. Zunftverfassung)

▪ Nicht bloss das Gewerbe, auch der Handel im Wirtschaftsraum Stadt initiiert vielfach rechtliche Innovationen:
- Zunehmende Schriftlichkeit im städtischen Handelsraum führt zu Registerwesen für den Rechtsverkehr (Notariatsregister, Grundbücher)
- für Handelsgeschäfte insgesamt mit Stadtbüchern ab dem 13. Jh.

▪ Neue Vertragsformen ermöglichen frühkapitalistischen Handelsverkehr

Warum?
Gezielte rechtliche Verdichtung von Handelsgesellschaften -> Handel nur in der Form von Kooperation möglich. Diese Kooperation muss durch das Recht begründet, beschränkt werden.

▪ Rechtliche Bildung von Handelsgesellschaften
▪ Entstehung berufsmässigen Geldhandels
▪ Versicherungswesen entsteht

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