5 Vorlesung Flashcards
Qualitative Methoden
„Unter qualitativer Forschung, in deren Rahmen die qualitativen Methoden zur Anwendung kommen, verstehen die Sozialwissenschaften eine sinnverstehende, interpretative wissenschaftliche Verfahrensweise bei der Erhebung und Aufbereitung sozial relevanter Daten.“ (Hussy)
Quantitative Methoden
„Die quantitativen Methoden werden im Rahmen der quantitativen Forschung eingesetzt und repräsentieren eine Vorgehensweise zur numerischen Darstellung empirischer Sachverhalte.“ (Hussy)
Qualitative vs. quantitative Methoden
- Historisch begründbare Entwicklung der beiden Ansätze
- Methodenstreit in der Psychologie bzw. in den Sozialwissenschaften
- Ziel sollte es sein, die für die jeweiligen Fragestellung angemessene Methode(n) zu verwenden
- Für beide Ansätze werden (unterschiedliche) Gütekriterien angesetzt
Qualitativ vs. quantitativ: Forschungsansatz
Qualitativ: Deskriptive Feldforschung, Handlungsforschung, Biografische Methode, Gegenstandsbezogene Theoriebildung etc.
Quantitativ: (Labor-)Experiment, Quasiexperiment, Korrelationsstudie, Metaanalyse etc.
Qualitativ vs. quantitativ: Erhebungsmethoden
Qualitativ: Interview, Struktur-Lege-Verfahren, Gruppendiskussion, teilnehmendes Beobachten etc.
Quantitativ: Beobachten, Zählen, Urteilen, Testen etc.
Qualitativ vs. quantitativ: Analysemethoden
Qualitativ: Inhaltsanalyse, Hermeneutik, Semiotik, Diskursanalyse etc.
Quantitativ: Beschreibende Methoden, schlussfolgernde Methoden, multivariante Methoden, Modelltests etc.
Methoden am Rand des Froschungskontextes
Diagnostik und Evaluation
Diagnostik
„Die psychologische Diagnostik repräsentiert Vorgehensweisen, welche eine Erfassung von Charakteristika von Personen, Personengruppen, Institutionen, Situationen etc. zur Folge haben. Die Erfassung und Gewinnung von Charakteristika erfolgt zielgerichtet und systematisch mit wissenschaftlich fundierten Methoden, wie Testverfahren, Fragebogen, Verhaltensbeobachtungen und Anamnesen. Mit der Diagnostik wird das Ziel verfolgt, Erkenntnisse über die Merkmalsträger (Probanden, Klienten, Patienten) zu gewinnen und für eine Entscheidung über eine nachfolgende Maßnahme, wie Beratung, Therapie, Training etc., zu nutzen.“ (Hussy)
Evaluation
„Evaluation (Evaluierung) ist in der allgemeinen Bedeutung des Begriffs die Beschreibung, Analyse und Bewertung von Prozessen und Organisationseinheiten,
insbesondere im Bildungsbereich, in den Bereichen Gesundheit und Entwicklungshilfe, der Verwaltung oder der Wirtschaft. Evaluation kann sich sowohl auf den Kontext (Voraussetzungen, Rahmenbedingungen), die Struktur, den Prozess als auch auf das Ergebnis (Produkt) beziehen.“ (Hussy)
Quantitative Methoden
Beobachtung, Befragung, Testen, Biopsychologische Verfahren, Datenerhebung im Internet
Besonderheiten psychologischer Erhebungen
- Ziel ist die Erhebung quantitativer Informationen
- Meist sind nicht direkt beobachtbare Phänomene Gegenstand: Input -> ? -> Output
- Mit welchen Methoden können solche Prozesse erfasst werden?
- Kann die untersuchte Person reliabel und valide Auskunft geben über die interessierenden Prozesse?
- > Ja: Befragung
- > Nein: Alternative Methoden (z.B. Beobachtung, biopsychologische Verfahren)
Reaktivität
„Reaktivität bei psychologischen Datenerhebungen bedeutet die Veränderung bzw. Verzerrung der erhobenen Daten schon aufgrund der Kenntnis der untersuchten Personen darüber, dass sie Gegenstand einer Untersuchung sind. Aufgrund von Reaktivität verändert sich die Beschaffenheit des zu erforschenden Gegenstands.“ (Hussy)
-> Berühmtes Beispiel: Hawthorne-Effekt (Veränderung des Verhaltens durch Bewusstsein, beobachtet zu werden/an Studie teilzunehmen)
Maßnahmen zur Reduzierung von Reaktivität
- Untersuchte in Unkenntnis darüber lassen, dass sie untersucht werden
- Untersuchten Anonymität zusichern
- Untersuchten eine Cover Story über den Untersuchungszweck mitteilen
- Maße einsetzen, die die Untersuchten nicht kontrollieren oder beeinflussen können (nichtreaktive Messverfahren)
- Indirekte/implizite Messverfahren einsetzen
Beobachtung
„Wissenschaftliche Beobachtung ist die systematische und regelgeleitete Registrierung des Auftretens bzw. der Ausprägung von ausgewählten, psychologisch relevanten Merkmalen oder Ereignissen.“ (Hussy)
Unterscheidungsmerkmale unterschiedlicher Formen der
Verhaltensbeobachtung
- Selbst- vs. Fremdbeobachtung
- Beobachtung experimentell stimulierten Verhaltens vs. Beobachtung aus dem „natürlichen Verhaltensstrom“
- Verdeckte vs. offene Beobachtung
- Teilnehmende vs. nicht-teilnehmende Beobachtung
- Direkte vs. indirekte (z.B. videografierte) Beobachtung
- Feld- vs. Laborbeobachtung
- Zeitgesteuerte („time-sampling“) vs. ereignisgesteuerte („event-sampling“) Beobachtung
- Mikroanalytische (Auswertung auf Stimulusebene, objektivierbar) vs. makroanalytische (Auswertung auf der Ebene von Gesamteindrücken) Beobachtung
Beobachtungssystem
z.B. “Verbal Interaction Category System” zur Beobachtung der Lehrer-Schüler-Interaktion
Auszug:
Kategorie: Vom Lehrer ausgehendes Verbalverhalten -> Unterkategorie: Äußert Informationen oder Meinungen, Gibt Anweisungen, Stellt enge Fragen, Stellt weite Fragen
Kategorie: Schülererwiderung -> Voraussagbare Antwort an Lehrer, Nichtvoraussagbare Antwort an Lehrer, Antwort an Mitschüler
Reaktive vs. nicht-reaktive Messungen
- Reaktive Messungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sich die beobachtete Person ihres Verhaltens und der Tatsache, dass ihr Verhalten von anderen (z.B.
dem Versuchsleiter) beobachtet wird, bewusst ist. - Nicht-reaktive Messungen sind dadurch gekennzeichnet, dass der Messvorgang selbst das Verhalten nicht beeinflusst („unobtrusive Messung“; Webb et al., 1966).
- Beispiele für nicht-reaktive Messungen:
> Verhaltensspuren (z.B. Abnutzung eines Seifenspenders, Händeabdrücke auf der Schaufensterscheibe)
> Archivdaten (z.B. Klassenbucheinträge)
> Persönliche Profile auf Facebook (Selbstdarstellung)
Probleme bei der Verhaltensbeobachtung
- Evtl. eingeschränkte Objektivität (v.a. bei makroanalytischer Beobachtung)
- Beobachterfehler: z.B.
> Stimmung
> „Halo-Effekt“
> Primacy- oder Recency-Effekt
> Erwartungseffekte
> Assimilations- oder Kontrasteffekte - Reaktivität (bei offener, teilnehmender Beobachtung); auch im Labor („soziale Erwünschtheit“)
- Zeit- und Kostenaufwand (Beobachterschulung, Codierung, Prüfung der Beobachterübereinstimmung, ggf. Anpassung des Kategoriensystems, Auswertung)
Befragung
- Selbstbericht über nicht direkt beobachtbare psychische Prozesse und Strukturen (z.B. Einstellungen, Gefühle, Denkprozesse, Motive, Erinnerungen)
- Selbstauskünfte beinhalten drei elementare kognitive Prozesse:
> Interpretation der Frage
> Bildung eines Urteils
> Übersetzung in eine kommunizierte Auskunft - Selbstbericht als intentionaler Kommunikationsakt
Unterscheidungskriterien von Befragungen
- Schriftliche versus mündliche Befragung: Fragebogen versus Interview
- Grad der Standardisierung
> Offene versus geschlossene Fragen
> Offene (freie) versus geschlossene (festgelegte) Antwortmöglichkeiten - Grad der Strukturierung
> Strukturiert versus halbstrukturiert versus nichtstrukturiert - Anzahl der Befragten
> Gruppen- versus Einzelbefragung
Grundbaustein eines Fragebogens
Frage/Aussage in einem Fragebogen = Item
„Ein Item ist eine als Frage oder als Urteil formulierte Aussage, zu der die befragte Person ihre Zustimmung oder Ablehnung – ggf. in unterschiedlicher Intensität – äußern kann.“ (Hussy)
Aspekte bei der Formulierung von Items
- Einfache Formulierung und gute Verständlichkeit
- Keine zu hohen Anforderungen an die mentale und kognitive
Leistungsfähigkeit der Befragten - Adressatenorientierte Formulierung
- Keine Verneinung in den Fragen
- Keine überfrachteten Fragen
- Keine „Forced Choice“ bei unabhängig beantwortbaren Aspekten
- Keine Fragen, die die Befragten sehr ähnlich beantworten
- Einsatz mehrere Items zur Beantwortung einer Frage (Messung eines Konstrukts)
- Beachtung der Ausgewogenheit in der Reihenfolge der Fragen
- Klare und informative Konstruktion
Varianten schriftlicher Befragungen
- Ratings: Beurteilungen auf Skalen
- > Unipolar (ruhig-unruhig) vs. bipolar (ruhig-angespannt)
- Quantitative Daten auf augenscheinlich Intervallskalenniveau
- Hohe Augenscheinvalidität
- Semantisches Differenzial (Begriff z.B. “Ingenieur” wird auf Liste von Eigenschaftspaaren (weich-hart, reselig-verschwiegen) eingeordnet)
Befragung: Fehlermöglichkeiten und Gegenmaßnahmen
- Motivierte Verzerrungen, abhängig vom Inhalt
- > Selbstdarstellungstendenz, Selbsttäuschung, Soziale Erwünschtheit, “faking good” (aber auch “faking bad”)
- Unmotivierte Verzerrungen, abhängig vom Inhalt
- > Messfehler durch soziale Vergleichsprozesse, Verankerungseffekte, Verfügbarkeitsheuristik; falsche bzw. mangelhafte Repräsentation des zu messenden Merkmals; Missverständnis des Fragebogens als Leistungstest
- Unmotivierte Verzerrungen, unabhängig vom Inhalt
- > “Ja-Sage-Tendenz“ (Akquieszenz) bzw. „Nein-Sage-Tendenz“, Tendenz zur Mitte, Tendenz zu den Extremen
- Skala als Information: Orientierung an Skalenwerten -> Tendenz zur Mitte/zu Extremen