Kindeswohlkriterien Flashcards
(21 cards)
Sind Kindeswohlkriterien ein bestimmter Rechtsbegriff?
Nein, sie sind ein unbestimmter Rechtsbegriff
Kindeswohl als interdisziplinäre Bezeichnung, die unter rechtlichen Aspekten allein nicht zu fassen oder zu erklären ist
–> notwendige psychologische Operationalisierung: Übersetzung der gerichtlichen Fragestellungen in psychologische Hypothesen unter Hinzunahme relevanter psychologischer Konstrukte
Was sind 3 elternbezogene Kindeswohlkriterien?
- Erziehungsfähigkeit/
Förderkompetenz - Interpersonale Fähigkeit & Bereitschaft zur Kooperation & Kommunikation (zwischen den Eltern; Trennung zwischen Paarebene & Elternebene)
- Beziehungs- & Bindungstoleranz
Was sind 3 kindbezogene Kindeswohlkriterien?
- Beziehung & Bindung zu leiblichen/sozialen Eltern/Bezugspersonen
- Geschwister-beziehungen
- Kindeswille
- Betreuungs- & Umgebungskontinuität
Definition Kindeswohl (Dettenborn, 2021)
= die für die Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes oder Jugendlichen günstige Relation zwischen seiner Bedürfnislage und seinen Lebensbedingungen
Bedürfnisse = Zugeschriebene, objektive Entwicklungserfordernisse
–> Körperliche Zufriedenheit durch Nahrung, Pflege, Versorgung
–> Zugehörigkeit
–> Emotionale Zuwendung in stabilen sozialen Beziehungen
–> Wissen/ Bildung
–> Selbstbestimmung/ Selbstverwirklichung
–> Sicherheit
Wie werden Kindeswohlkriterien immer eingeschätzt?
Individuelle Einschätzung –> kein Kind hat Recht auf optimale Erziehungsbedingungen
Definition: Erziehungsfähigkeit
= Fähigkeit einer Person, angemessen und effektiv für das Wohlergehen, die Entwicklung & das Verhalten von Kindern zu sorgen
= umfasst die Kenntnisse, Fähigkeiten, Einstellungen & Verhaltensweisen, die erforderlich sind, um Kinder zu unterstützen, zu leiten & zu fördern
Welche 5 Aspekte beinhaltet Erziehungsfähigkeit?
- Wissen
- Kommunikation
- Empathie
- Disziplin
- Selbstreflexion
Ist Erziehungsfähigkeit eine statische Eigenschaft?
Nein, sie kann sich im Laufe der Zeit entwickeln & verbessern
Welche verschiedenen Faktoren beeinflussen die Erziehungsfähigkeit (4)?
- persönliche Erfahrungen
- Bildung
- soziale Unterstützung
- Verfügbarkeit von Ressourcen
Inwiefern gibt es ein Spannungsfeld zwischen der Wächterfunktion des Staates und dem Elternrecht?
Art. 6 GG:
- Ehe & Familie unterm Schutz der staatlichen Ordnung
- Pflege & Erziehung als natürliches Recht und Pflicht der Eltern
- Staat wacht über die Betätigung der Eltern (Ausübung ihrer Pflicht)
–> Recht wird da eingeschränkt, wo Pflicht vernachlässigt wird
Probleme mit dem Begriff “Kindeswohl”
- Entscheidungsmaßstab ohne Definition im Grundgesetz
- Fehlendes Konzept zu “Wohl”, nur “Wohlbefinden” oder “Gesundheit”
- Überschreitung der eigenen Kompetenzen bei Nutzung des Begriffs (z.B. Jurist nutzt psychologische Aspekte)
- kein empirischer Begriff, nur hypothetisches Konstrukt
Was sind die Mindestanforderungen (juristisch relevant) an einen Kindeswillen?
Zielorientierung
- Vorstellung darüber, was sein soll und wie der Zielzustand erreicht werden kann
Intensität
- Nachdrücklichkeit & Entschiedenheit
- Erkennbar an Beharrlichkeit bei Hindernissen und Widerständen
Stabilität
- Willenstendenz über angemessene zeitliche Dauer gegenüber verschiedener Personen und Umständen
Autonomie
- individuell & selbst initiiert
Stadien des Kindeswillens
Präintentionale Phase - “Woher”:
- Bedürfnishintergrund
- motivationale Tendenzen im Sinne von Unbehagen
- Leidensdruck
- ungerichtete Veränderungswünsche
- unreflektiertes Beharren
Intentionale Phase - “Wohin”:
- Zielintentionen (Absichten)
- Mittelintentionen (Vorsätze)
Warum ist das 3. Lebensjahr des Kindes im Kontext des Kindeswillen wichtig?
- Repräsentationale Idee des Denkens (“theory of mind”)
- Erwerb des Begriffs Überzeugung & Überzeugung vs. Realität
- Verstehen falscher Überzeugungen
- absichtliche vs. zufällige Handlungen
- Voraussage von Gefühlen
- Beginn des autobiographischen Gedächtnisses
Auch Autonomiephase –> Kindeswille
Verhältnis Kindeswohl & Kindeswille
Kindeswille entspricht nicht immer dem Wohl des Kindes
negativer Zusammenhang zwischen Selbstbestimmung und Schutzbedarf
Inwieweit wird der Kindeswille beim familienrechts-psychologischen Gutachten berücksichtigt?
So viel Gewährung des Kindeswillens wie möglich, nur so viel Reglementierung wie nötig.
–> Zu berücksichtigen, außer er ist mit dem Kindeswohl nicht zu vereinbaren
Prüfung:
- Gefährdungsfolgen wenn Wille befolgt vs. nicht befolgt
- Risikoabwägung
- Hypothesenbildung
Wie kann der Kindeswille das Kindeswohl gefährden?
A) Selbstgefährdender Kindeswille
B) Induzierter Kindeswille
Was beinhaltet ein selbstgefährdender Kindeswille?
= Befolgen des Kindeswillens würde zur mangelnder Bedürfnisbefriedigung führen
Durch:
1. Verfehlte Nutzenerwartung (Länger aufbleiben)
2. Verfehlte/ fehlende Schadenseinschätzungen (lieber zu Papa, obwohl er alkoholkrank & nicht erziehungsfähig ist)
3. Verfehlte Realisierungseinschätzungen (Urlaubsbedingungen =/ Alltagsbedingungen)
Was beinhaltet ein induzierter Kindeswille?
= Beeinflussung des Kindes/ Kindeswillens/ der Einstellung des Kindes
=/ Erziehung: nicht Persönlichkeitsentwicklung im Vordergrund, sondern Beeinflussung zugunsten der eigenen Ziele im Konflikt mit dem Partner
Indirekte Induzierung: allg., z.B. Geschenke, Versprechen etc.
Direkte Induzierung: in Bezug auf andere Person
- Offen: Abwertung des Partners vor dem Kind; Konflikte mit dem Kind bei erwartungswidrigen Verhaltensweisen bezüglich des Partners
- Verdeckt: Mimik & Gestik; Liebesentzug wenn induktionswidrig & Zuwendung wenn induktionsgetreu
Was sind die Effekte von induziertem Kindeswillen?
Äußerliche Anpassung:
- Folge von Ratlosigkeit, falschen Schuldgefühlen
- Nützlichkeit der “Pflichtübungen”: Vermeidung negativer Folgen von induktionswidrigem Verhalten
- Eigene Zielintentionen
–> Beispiel Kristina: Distanziert sich vom Papa gegen Ende des Besuchs; nicht vom WE bei Papa erzählen & davon, dass sie eine schöne Zeit hatte (Folge auch falsche Annahmen/ Schlussfolgerungen seitens der Mama in Bezug auf Papa)
Verinnerlichung:
- Strategie zur Stressbewältigung
- Einstellungen, Gefühle, Willensbestandteile in Selbstkonzept des Kindes übernommen
- Zielintentionen übernommen
Wie wird der Kindeswille diagnostisch erfasst und eingeschätzt?
Indirekt (Bezugspersonen, Jugendamt) oder direkt (Kind)
Via: Gespräche & Beobachtungen
Formal:
- Gespräch nur mit Kind
- bewusster Einsatz von Fragetypen
- Angemessene Umgebung
Inhaltlich:
- Vorbereitung (Gesprächsleitfaden, Hypothesen)
- Direkte vs. indirekte Fragen (Warum…? vs. Was hast du gefühlt, als…?)
- Dominiert präintentionale Phase oder intentionale Phase?
- Ängste & Nöte
- Kind zur Willensbekundung animieren (Meinung des Kindes wird berücksichtigt)
- Verständnis für ambivalente Gefühle