Sicherungsverwahrung Flashcards
Stunde 13 (fertig) (44 cards)
Wo ist die Sicherungsverwahrung geregelt?
§§ 66 ff. StGB
Worum handelt es sich bei der Sicherungsverwahrung?
um eine stationäre Maßnahme
Was ist der Unterschied zwischen der Sicherungsverwahrung und der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus?
Die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus erfolgt aufgrund der fehlenden Schuldfähigkeit. Die Sicherungsverwahrung betrifft Fälle, in denen eine Strafe ausgesprochen wurde (sie kann neben der FS angeordnet werden). Nach Ablauf der schuldangemessenen Strafe erfolgt eine weitere stationäre (nicht nur ambulante (Führungsaufsicht)) Sicherung. Die Gesellschaft will sich vor Tätern schützen, die nicht als krank iSv schuldunfähig bewertet wurden.
Warum handelt es sich um eine besonders einschneidende Maßnahme?
Über das Maß der schuldangemessenen Strafe hinaus wird jemanden weiter die Freiheit entzogen. Die Schuld ist verbüßt. Es geht nur noch um Prävention (Gefährlichkeit). VHMK speilt daher eine große Rolle (grundrechtsinvasiv).
Jemand wird aufgrund einer Prognose die Freiheit entzogen. Niemand weiß allerdings, ob sich diese Prognose bewahrheitet. Der Täter erbringt also ein Sonderopfer. Die Maßnahme ist daher verfassungsrechtlich im hohen Maße legitimationsbedürftig.
Wie wird die Sicherungsverwahrung angeordnet?
- die Verhängung einer Maßregel ist abhängig von einer Anlasstat und der Einsicht, dass ein Mensch gefährlich ist
- mit der strafrechtlichen Verurteilung wird zugleich die Sicherungsverwahrung ausgesprochen
Kann die Sicherungsverwahrung auch nachträglich angeordnet werden?
Ein Urteil hat die Tat in seinem Urteil vollständig strafrechtlich gewürdigt (z.B. 10 Jahre FS sind zur Resozialisierung nötig). Stellt sich vor Entlassung aus der Strafhaft (Vollverbüßung) heraus, dass er nach wie vor ein erhebliches Risiko hat, das über die Führungsaufsicht als ambulante Maßnahme nicht abgefangen werden kann, stellt sich die Frage, ob die Möglichkeit einer nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung
besteht.
pro: Es geht um rein präventive Maßnahmen, nicht um Strafmaßnahmen.
contra: Ein Gericht hat in seinem Urteil die Tat vollständig strafrechtlich gewürdigt. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen an einer nachträglichen Verschlechterung des Urteils.
Mittelweg: Anordnung eines Vorbehalts der Sicherungsverwahrung nach Ende der Freiheitsentziehung im Urteil.
Welche Möglichkeiten der Anordnung einer Sicherungsverwahrung gibt es?
- § 66: Anordnung im Urteil anlässlich einer Straftat (Normalfall)
- § 66a: Vorbehalt der Unterbringung
- § 66b: nachträgliche Anordnung
Was beinhaltete die Entscheidung des EGMR aus dem Jahre 2009?
Der EGMR hat sich gegen eine rückwirkende bzw. rückwirkende verlängernde Anordnung der Sicherungsverwahrung ausgesprochen.
Was hat der EGMR als problematisch angesehen?
Die rückwirkende Verschlechterung des Urteils
Was war die Konsequenz der EGMR-Rechtsprechung?
Das Gesetz zur Neuregelung der Sicherungsverwahrung (2011).
Was passierte danach?
Der EGMR hat sich gegen das Institut der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung ausgesprochen.
Was war die Auffassung des BVerfG hierzu?
Das BVerfG hat das Gesamtsystem der Sicherungsverwahrung als verfassungswidrig erklärt (2011). Eine Neuregelung war bi 2013 erforderlich.
Was war die Konsequenz daraus?
Das Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots. Daraus ist die jetzige Gesetzeslage entstanden.
Was haben die Entscheidungen der Obergerichte festgestellt?
Die Sicherungsverwahrung ist ein besonders schwerwiegender Eingriff. Sie stellt ein Sonderopfer für den Betroffenen dar, weil ihm über die schuldangemessene Strafe hinweg die Freiheit entzogen wird. Dies geschieht weil eine Gefahr besteht zur Sicherung der anderen, wobei nicht bekannt ist, ob sich diese Gefahr realisieren wird.
Verfassungsrechtlich sind daher sowohl an den Vollzug der Sicherungsverwahrung als auch an nachträgliche Verschärfungen/ Rückwirkungen besondere Anforderungen zu stellen.
Was ist die Verletzung des “Abstandsgebots”?
Da die Sicherungsverwahrung kein Teil des regulären Strafvollzuges ist, muss die Ausgestaltung (Vollzug der Sicherungsverwahrung) vom normalen Strafvollzug maßgeblich unterscheiden.
Wozu führen Entscheidungen des EGMR?
Der EGMR argumentiert nicht in der Dogmatik der StPO oder des StGB, sondern autonomer auf Grundlage der EMRK (liegt ein Verstoß gegen die EMRK vor?). Seine Entscheidungen entsprechen keiner Revisionsentscheidung (das Urteil wird nicht abgeändert). Sie begründen eine besondere Wiederaufnahmemöglichkeit des Verfahrens und führen nur zu SEA ggü der BRD. Das konkrete Strafverfahren bleibt im Ausgangspunkt unberührt.
Wie wirken Entscheidungen des BVerfG demgegenüber?
Wenn das BVerfG eine Entscheidung für verfassungswidrig erklärt, wird diese Entscheidung aufgehoben und sie ist nichtig.
Was gilt für den Einsatz von Lockspitzeln und durch sie hervorgerufene Tatprovokationen?
BVerfG: Der Einsatz ist in Ordnung soweit die staatliche Tatprovokation nicht zu intensiv ist.
EGMR: Der Einsatz führt zu einem Verfahrenshindernis.
Wie sieht das BVerfG die Möglichkeit einer nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung bzw. eine nachträgliche Verlängerung derselben?
Es hat sich dagegen ausgesprochen. Es gibt jedoch nach wie vor den § 66b StGB.
Inwiefern soll sich die Sicherungsverwahrung an Art. 5 I 2 e) EMRK orientieren (Regelung über Freiheitsentzug psychisch Kranker)?
Obwohl der Sicherungsverwahrte nicht krank iSd § 20 StGB ist, ist er abnorm gefährlich und kann daher über seine Schuld hinaus in der Freiheitsentziehung verbleiben. Die Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung muss sich daher eher an den freiheitsentziehenden Maßnahmen für psychisch Kranke orientieren als am “normalen” Strafvollzug, bei dem es um den Schuldausgleich geht.
Was sind die VSSen der normale Sicherungsverwahrung gem. § 66 I StGB (= die Sicherungsverwahrung wird mit dem Strafurteil neben der Strafe angeordnet)?
- eine Kombination von Anlasstaten als Anzeichen für die besondere Gefährlichkeit und WH-Gefahr
(1. Art der Taten
2. Zahl der Vorverurteilung
3. Verbüßungsdauer) - eine allgemeine, hervorgehobene Gefährlichkeitsprognose
Was sind die materiellen VSSen der Sicherungsverwahrung?
- Hang zur Begehung schwerer Straftaten, § 66 I 1 Nr. 4
- Gesamtwürdigung von Tat und Täter
- VHMK
Müssen die VSSen der Nr. 1 - 4 kumulativ oder alternativ vorliegen?
kumulativ
arg.: “und” zwischen § 66 I 1 Nr. 3 und Nr. 4
Müssen die VSS innerhalb der Nr.1 a - c kumulativ oder alternativ vorliegen?
alternativ
arg.: “oder” zwischen lit. b und c