Strafzwecke Flashcards

Straftheorien (33 cards)

1
Q

Auf welche Fragen geben Straftheorien eine Antwort?

A

Aus welchem Grund, zu welchem Zweck, mit welchem Recht darf
der Staat strafen?

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2
Q

Trotz ihres nicht genuin juristischen Charakters ist die
Frage nach dem Sinn von Strafe allerdings auch für die Auslegung und Anwendung des geltenden Rechts von Bedeutung. Wo wird dies deutlich?

A

Offensichtlich ist das, wenn man auf die Rechtsfolgen
der Straftat
, namentlich auf den Vorgang der Strafzumessung
blickt. Zwar findet sich in § 46 Abs. 2 S. 2 StGB ein Katalog
strafzumessungsrechtlich relevanter Umstände
. Abgesehen
davon jedoch, dass dieser nicht abschließend ist, bedürfen die
dort genannten Merkmale der Auslegung. Und wie man sie
auslegt, wird mit davon bestimmt, was man für den Grund staatlichen Strafens hält
.

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3
Q

Was ist eine Strafe im Rechtssinne?

A

Grob gesagt versteht man darunter eine mit einem Tadel
oder einem Unwerturteil verbundene, zwangsweise Freiheitsbeschränkung
– sei es durch Entzug der Bewegungsfreiheit,
sei es durch Entzug materieller Freiheit (Geld) –, die einer
Person als Reaktion auf eine ihr missbilligend zuzurechnende
Normverletzung in einem staatlichen Verfahren auferlegt

wird

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4
Q

Was fällt bei der Zielrichtung der Strafe auf?

A

Als Reaktion auf die Verletzung einer rechtlichen Regel
ist ihr Blick wesentlich auf die Vergangenheit gerichtet, d.h.
retrospektiv orientiert. Dies, und dass mit ihr Missbilligung
zum Ausdruck gebracht wird, unterscheidet Strafe grundlegend von solchen Freiheitsbeschränkungen, die der Staat
jemandem auferlegt, um von ihm oder seinem Verhalten
ausgehende Gefahren abzuwehren

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5
Q

Warum gibt es überhaupt einen Streit was den Zweck des Strafens angeht?

A

Denn auf
einen Rechtsbruch, also auf ein erstes „Übel“, mit dem zielgerichteten Entzug von Freiheit – d.h. zumindest dem Anschein nach mit einem weiteren „Übel“ – zu reagieren, ohne
dass dadurch das erste „Übel“ ungeschehen gemacht
oder
wenigstens ein etwaiger materieller Schaden ausgeglichen
würde, ist zumindest für eine an der individuellen Freiheit
orientierte Rechtsordnung ein „Ärgernis“.

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6
Q

Was sind absolute Straftheorien?

A

solche, die meinen, Strafe sei losgelöst (absolutus)
von jeglichen konkreten Zwecksetzungen
, also eine Art Selbstzweck: rein vergangenheitsbezogen, Vergeltung um der Vergeltung willen

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7
Q

Was sind relative Straftheorien?

A

solche Ansätze, die Strafe nur dann für legitim halten, wenn sie auf
ein bestimmtes zukünftiges Ziel bezogen ist (relatus)

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8
Q

Was ist das Problem bei absoluten Straftheorien?

A

„absolute“ Straftheorien überhaupt nicht
(mehr) vertreten werden und in einem Rechtsstaat auch nicht
vertretbar wären: Denn ein Grundrechtseingriff, zumal ein so
erheblicher wie die Strafe, bedarf der Begründung und eine
solche muss sich in einer säkularen Gesellschaftsordnung
immer auf menschlich-diesseitige Zwecke und Praxen beziehen, um legitimiert werden zu können

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9
Q

Worauf beziehen sich relative Straftheorien?

A

Der Zweck, auf den sich die „relativen“ Straftheorien beziehen, ist nämlich nicht irgendeiner,
sondern der, zukünftige Straftaten zu verhindern. Strafe soll
hiernach also aufgrund ihrer präventiven Wirkungen legitimiert werden.

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10
Q

Wie können relative Straftheorien unterschieden werden?

A

Präventionstheorien lassen sich zunächst danach unterscheiden, ob Strafe das Ziel der Verbrechensverhütung durch Einwirkung auf den einzelnen Straftäter (Spezialprävention) oder
durch Einwirkung auf die Allgemeinheit herbeiführen soll
(Generalprävention).

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11
Q

Wer ist der bekanntester Vertreter der Spezialprävention?

A

Der in Deutschland wirkmächtigste Vertreter einer konsequent spezialpräventiven Theorie war Franz von Liszt (1851–
1919), der seine Auffassung in seiner als „Marburger Programm“ bekannt gewordenen Antrittsvorlesung dargelegt
hat.

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12
Q

Was vertrat von Liszt?

A

Hiernach soll das Kriminalrecht zukünftige Straftaten
vor allem dadurch verhindern helfen, dass die konkret zu
verhängende Strafe so ausgestaltet wird, dass sie individuell
dem je vorliegenden „Verbrechertypus“ angemessen ist.

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13
Q

Welche drei Verbrechertypen unterscheidet von Liszt?

A

(1) den nicht besserungsbedürftigen „Gelegenheitsverbrecher“, den die Strafe primär in
Form eines „Denkzettels“ abschrecken, (2) den besserungsbedürftigen und besserungsfähigen Tätern, den sie individuell
bessern, und schließlich (3) den nicht besserungsfähigen
„Gewohnheitsverbrecher“, den sie schlicht unschädlich machen soll.

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14
Q

Was ist das Problem an der Spezialprävention?

A

Das grundlegende Problem eines solchen Ansatzes besteht
darin, dass er den Menschen nicht als ein selbstbestimmtes
und deshalb für sein Handeln verantwortliches Wesen adressiert, sondern, überspitzt gesagt, vor allem für einen wandelnden Gefahrenherd hält, der in irgendeiner Form „neutralisiert“ werden muss.
Einer konsequent spezialpräventiven Theorie geht es hingegen nicht um
die Tat und Verantwortlichkeit (Schuld), sondern ausschließlich um den Täter und seine Gefährlichkeit. Das Verbrechen
ist nur ein Anlass, auf den Täter entsprechend etwaiger zukünftig zu erwartender Taten einzuwirken.
Kurzum: Spezialpräventive Theorien vermögen unsere Praxis des Strafens überhaupt nicht zu legitimieren, sondern laufen auf deren Abschaffung und Ersetzung
durch ein ausschließlich an der Gefährlichkeit des Täters
orientiertes Maßregelrecht hinaus.

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15
Q

Was ist Generalprävention?

A

Generalpräventiven Straftheorien zufolge soll Strafe Kriminalität dadurch eindämmen, dass sie auf die Allgemeinheit
einwirkt, und zwar indem sie den deliktsgeneigten Teil der
Bevölkerung vor der Begehung von Straftaten abschreckt
(negative Generalprävention) oder den rechtstreuen Teil in
seiner Rechtstreue bestärkt (positive Generalprävention).

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16
Q

Wer ist der bekannteste Vertreter der negativen Generalprävention?

A

Die Lehre von der negativen Generalprävention ist in der
deutschen Diskussion untrennbar mit dem Namen Anselm
von Feuerbach (1775–1833) und seiner Theorie vom „psychologischen Zwang“ verknüpft.

17
Q

Was besagt die Theorie vom psychologischen Zwang?

A

Der Staat hat ihm zufolge
die Aufgabe, einen Zustand allgemeiner und gleicher Freiheit
zu gewährleisten. Ein Mittel hierzu ist der „physische
Zwang“, d.h. die Verhinderung von Freiheits- bzw. Rechtsverletzungen durch körperliche Hindernisse. Alle möglichen
Rechtsverletzungen physisch unterbinden zu wollen, erforderte jedoch eine Allmacht und Allgegenwart des Staates, die
sowohl seine „Kräfte“ als auch seine „Rechte“ überstiege.
Neben des „physischen“ müsse der Staat sich deshalb auch
des „psychologischen Zwangs“ bedienen, indem er der in der
Sinnlichkeit wurzelnden „Lust“, fremde Rechte zu verletzen,
durch die Androhung von Strafe ein überwiegendes Gegenmotiv entgegensetzt. Die Strafandrohung selbst ist nach
Feuerbach also ein notwendiges Mittel zum Schutz von
Recht und Freiheit.

18
Q

Welche Kritik gibt es an der negativen Generalprävention?

A

dürfte sich die Höhe
der jeweils angedrohten Strafe dann konsequenterweise ausschließlich nach dem jeweiligen Abschreckungsbedürfnis
richten. Sie wäre also nicht nach dem Ausmaß der Schuld zu
bemessen, sondern so, dass sie den mit einer solchen Tat
einhergehenden Nutzen überwiegt. Relativ geringfügige Delikte müssten demnach mit schwersten Strafen bedroht werden, wenn nur so der Nutzen, der aus ihnen gezogen wird
(typischerweise) überwogen werden könnte. Andersherum
sind schwerste Verbrechen nicht per se diejenigen, die einen
besonders großen Nutzen bringen, weshalb es hier gegebenenfalls schon bei recht geringen Strafandrohungen bewenden könnte.

19
Q

Was ist der Instrumentalisierungseinwand gegen Feuerbachs Theorie?

A

wie sie dem einzelnen Delinquenten gegenüber die Verhängung der Strafe legitimieren
kann. Denn wie deliktsgeneigt seine Mitbürger sind oder wie
empfänglich für Abschreckung liegt außerhalb seines Verantwortungsbereichs. Der Ansatz, ihm ein „Übel“ zuzufügen,
nur weil andere sich möglicherweise ein schlechtes Beispiel
an ihm nehmen könnten, sieht sich dem durchgreifenden
Vorwurf ausgesetzt, ihn zu einem bloßen Mittel zur Abschreckung anderer herabzuwürdigen, ihn zu instrumentalisieren.

20
Q

Was wird gegen den Instrumentalisierungseinwand vorgebracht?

A

Der Rechtsphilosoph Norbert Hoerster hat versucht, den
Instrumentalisierungseinwand durch den Nachweis zu entkräften, dass die Strafe auch im Eigeninteresse des Täters
liege und sie für ihn daher zustimmungsfähig sei. Sowohl die
Strafandrohung als auch die Strafverhängung dienen ihm
zufolge dazu, durch Abschreckung der Allgemeinheit zukünftige Straftaten zu verhindern. Weil dies letztlich allen – auch
dem Täter selbst – zum Vorteil gereiche und es jedem freistehe, durch legales Verhalten die mit ihr verbundenen Nachteile, die Strafe, zu vermeiden, könne der Praxis des Strafens
insgesamt ebenfalls jeder – wiederum einschließlich des
Täters – zustimmen.

21
Q

Was ist positive Generalprävention?

A

Sie setzt darauf, die Allgemeinheit durch Strafe in ihrer
grundsätzlichen Akzeptanz der geltenden Ge- und Verbote zu
bestärken.
Nach einer empirisch-sozialpsychologischen Variante dieser Lehre soll Strafe m.a.W. nachhaltig bewusstseinsbildend wirken und die in einer freiheitlichen Rechtsordnung zwar nicht erzwingbare, aber von ihr vorauszusetzende Überzeugung von der Richtigkeit ihrer Regeln bestärken, statt durch das Inaussichtstellen von Nachteilen den Einzelnen (ihrer Natur stets unbeständige) Klugheitsgründe zu
geben, von Straftaten abzusehen. Um diese Wirkungen zu
erreichen, darf das Strafrecht allerdings nicht den „Gerechtigkeitswertungen der Mitbürger“ zuwiderlaufen, da anderenfalls die Akzeptanz des Rechtssystems insgesamt, die „Normtreue“, Schaden nehmen könnte.

22
Q

Was ist die Kritik an der positiven Generalprävention?

A

Die
Theorie der positiven Generalprävention mutet den Rechtsanwendenden zu, sich die Gerechtigkeitsvorstellungen der
Allgemeinheit zu eigen zu machen, nicht weil diese wirklich
gerecht oder vernünftig, inhaltlich richtig, wären (das sind sie
vom Standpunkt dieser Theorie nämlich nicht), sondern einzig und allein, um die präventive Wirksamkeit der Strafe
bzw. den allgemeinen Rechtsfrieden nicht zu gefährden.

23
Q

Was sind Vereinigungstheorien?

A

Aufgrund der aufgezeigten Probleme der präventionstheoretischen Ansätze haben sich im Laufe der Zeit diverse vermittelnde Lehren herausgebildet, die versuchen, die unterschiedlichen Strafzwecke so miteinander zu verbinden, dass die
Schwächen der einzelnen Ansätze durch die mit diesen kombinierten anderen Ansätze aufgehoben werden

24
Q

Was ist die vergeltende Vereinigungstheorie?

A

In der Rechtsprechung herrscht eine „vergeltende Vereinigungstheorie“ vor: Ihr zufolge soll Strafe sowohl Schuld vergelten („gerechter Schuldausgleich“) als auch den Zwecken
der Spezial- und Generalprävention dienen. Praktisch wirkt
sich das so aus, dass bei der Strafzumessung auch präventionstheoretische Argumente die Strafhöhe mitbestimmen dürfen, dies allerdings nur in dem Rahmen zulässt ist, den der
Zweck des gerechten Schuldausgleichs vorgibt – aus präventiven Gründen darf der „Spielraum“ der tat- und schuldangemessenen Strafe also weder unter- noch überschritten werden
(sog. Spielraumtheorie).

25
Was ist das Problem an der Spielraumtheorie?
So pragmatisch dieser Kompromiss auch sein mag, so unbefriedigend ist er. Denn letztlich werden die Strafzwecke nicht vereinigt, d.h. auf ein gemeinsames Prinzip zurückgeführt, sondern lediglich „addiert“. Ihre Gegensätzlichkeit bleibt bestehen, ohne dass diese Vereinigungstheorie imstande wäre, in dem Fall, in dem die unterschiedlichen Ziele in einen Konflikt geraten („Antinomie der Strafzwecke“), aus sich heraus anzugeben, welcher Zweckbestimmung der Vorzug gebühren soll.
26
Was besagt die präventive Vereinigungstheorie?
Roxins präventive Vereinigungstheorie verwirft den Aspekt des gerechten Schuldausgleichs demgegenüber völlig und versucht, Strafe stattdessen ausschließlich mit den beiden Zielen der Spezial- und der Generalprävention zu legitimieren. Für die Begründung von Strafe spielt Schuld demnach keine Rolle. Die ihr in diesem Konzept zugewiesene Funktion erschöpft sich vielmehr einzig und allein darin, die Strafe nach oben hin zu begrenzen: Die schuldangemessene Strafe mag also aus präventiven Überlegungen (Resozialisierung etwa) unter-, nicht aber überschritten werden.
27
Was sind retributive Straftheorien?
Als solche werden hier, wie oben bereits erwähnt, all jene Ansätze eingeordnet, die den Sinn von Strafe nicht in der Prävention zukünftiger Verbrechen, sondern in der Reaktion auf das begangene erblicken.
28
Wer sind die prominentesten Vertreter der retributiven Straftheorien?
Die in Deutschland historisch sicherlich prominentesten und wirkmächtigsten Vertreter eines solchen Ansatzes waren Kant (1724–1804) und Hegel (1770–1831).
29
Was sagt Hegel?
Eine in diesem Sinn nach wie vor aktuelle Grundeinsicht der Straftheorie Hegels besteht darin, dass Verbrechen und Strafe von vornherein nicht verstanden werden können, wenn man sie nur als zwei aufeinander folgende Verletzungen, als eine Sequenz zweier „Übel“ betrachtet. Das Spezifikum kriminellen Unrechts besteht ihm zufolge darin, dass hierdurch nicht nur ein bestimmtes Recht einer einzelnen anderen Person (ein „besonderer Wille“), sondern zugleich das „Recht als Recht“ (der „allgemeine Wille“) verletzt wird.
30
Beispiel (Hegel)
Während z.B. die Wegnahme einer fremden Sache in der irrigen Annahme, es sei die eigene, lediglich das Eigentumsrecht einer einzigen anderen Person verletzt, bedeutet ein Diebstahl, also die Wegnahme einer fremden Sache in Kenntnis der Eigentumslage und in der Absicht, sie sich rechtswidrig zuzueignen, die Missachtung der Eigentumsordnung insgesamt.
31
Hegel - Recht - Freiheit
Wichtig für das Verständnis seiner Straftheorie ist, dass Hegel unter dem Recht, das der Verbrecher als solches verletzt, nicht irgendeine beliebige autoritativ festgesetzte Normenordnung versteht, sondern es als das „Reich der verwirklichten Freiheit“ begreift. Recht soll demnach, ganz grob gesagt, einen institutionellen Rahmen schaffen, der es ermöglicht, dass gleichermaßen jeder Einzelne seiner Freiheit in der Außenwelt ein Dasein geben und sie dergestalt allererst verwirklichen kann. Nur in der Äußerlichkeit, in den Handlungsräumen, im Leib und den Gegenständen des Einzelnen erlangt seine Freiheit Wirklichkeit, kann aber in diesen Manifestationen auch verletzt werden. Entgegen einem immer noch verbreiteten Vorurteil ist Hegels Rechtsphilosophie keine illiberal-autoritäre Staatsvergottung: „Sein“ Staat gründet auf der Freiheit und ist Bedingung der Möglichkeit ihrer allgemein-gleichmäßigen Realisierung. Zur Wiederherstellung des Rechts bedarf die im Verbrechen liegende Negation des Rechts, so die berühmte Wendung Hegels, ihrerseits der Negation und diese „Negation der Negation“ ist die Strafe.
32
Hegel begreift den Strafzwang als die „reelle Darstellung“. Was bedeutet dies?
Der Strafzwang gegen den Täter, der Entzug seiner Freiheit, „vollendet“ hiernach gewissermaßen die Freiheitszerstörung, die er selbst ins Werk gesetzt hat; seine Unrechtsmaxime wird auf ihn selbst angewandt und so ihre Unvereinbarkeit seiner mit einem Zustand allgemeiner und gleicher Freiheit manifestiert. Durch seine Tat erweitert der Täter seine Freiheit auf Kosten der Freiheit anderer und maßt sich gegenüber der Allgemeinheit eine ungleich-privilegierte Freiheitssphäre an. Im Entzug von Freiheit, der ihm durch die Strafe auferlegt wird, wird die Ungleichheit, die der Täter durch seine Tat im Verhältnis zur Gemeinschaft gesetzt hat, gewissermaßen gegen ihn selbst gekehrt – er in die Konsequenzen seiner Unrechtsmaxime miteinbezogen. Auf diese Weise soll, „wenn auch auf zunächst minderem Niveau“, die durch die Tat gestörte Rechtsgleichheit wiederhergestellt werden.
33
Was besagt die Straftheorie Pawliks?
Strafe versteht Pawlik als eine Art „Sekundärpflicht“ (Schadensersatzpflicht), die dem Delinquenten auferlegt wird, nachdem dieser seine vorrangige Pflicht zur Mitwirkung am Projekt allgemeiner und gleicher Freiheit (s.o.) durch sein Unrechthandeln verletzt hat und ihr in ihrer ursprünglichen Form ja insoweit auch nicht mehr nachkommen kann (die Tat lässt sich ja nicht ungeschehen machen). Ohne die Erfüllung jener „Loyalitätspflicht“ ist, wie oben schon dargestellt, rechtlich garantierte Freiheit aber nicht zu haben. Strafe bestätigt diesen Zusammenhang, und zwar „konsequenterweise“ durch den Entzug von Freiheit (in Form von Bewegungsfreiheit oder Geld).