Sitzung 13: Borderline Persönlichkeitsstörung Flashcards

1
Q

Definition: Persönlichkeit

A
  1. Die Gesamtheit aller überdauernden individuellen Besonderheiten im Erleben und Verhalten des Menschen
  2. Überdauernd = Zeiträume von wenige Wochen/ Monate -> Persönlichkeit steht also eine kurzfristige Stabilität dieser Besonderheiten voraus
  3. Damit können viele Persönlichkeitseigenschaften als Disposition aufgefasst werden
  4. individuelle Besonderheiten = Merkmale, die zw. Mitgliedern einer Bezugsgruppe variieren
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2
Q

ICD-10 - Allgemeine Kriterien für Persönlichkeitsstörungen

A

-> eine Persönlichkeitsstörung kann nur diagnostiziert werden, wenn
G1: mind. zwei der folgenden Bereiche betroffen sind:
a) Kognition (Wahrnehmung, Einstellung, Interpretation)
b) Affektivität
c) Impulskontrolle und Bedürfnisbefriedigung
d) Beziehungsgestaltung

G2: Das Verhalten in einem breiten Spektrum sozialer und persönlicher Situationen zum Ausdruck kommt und dabei unflexibel, unangepasst und unzweckmäßig ist

G3: Das entsprechende Verhalten zu persönlichem Leidensdruck und/oder zu nachteiligem Einfluss auf die soziale Umwelt führt

G4: Die Abweichung stabil und von langer Dauer ist und seit später Kindheit oder Adoleszenz besteht

G5: Die Merkmale nicht die Folge einer anderen psychischen Störung oder durch deren Vorliegen erklärbar sind

G6: Die Merkmale nicht Folge einer organischen Erkrankung sind

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3
Q

ICD-10 Kapitel der Persönlichkeitsstörung

A

F6: Persönlichkeitsstörung (PS) & Verhaltensstörungen
F60 spezifische Persönlichkeitsstörungen
F60.0 paranoide PS
F60.1: schizoide PS
F60.2: dissoziale PS
F60.3 emotional instabile PS
F60.30 impulsiver Typ
F60.31 Borderline Typ
F60.4 histrionische PS
F60.5 anankastische (zwanghafte) PS
F60.6 ängstlich (vermeidene) PS
F60.7 abhängige (astenische) PS
F60.8 andere spezifische PS
F61: kombinierte Persönlichkeitsstörungen

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4
Q

Karinalkriterien Persönlichkeitsstörung

A
  1. anhaltend
  2. tiefverwurzelt
  3. Starre Reaktionen auf ver. persönliche und soziale Situationen
  4. Deutlich abweichende in Denken, Fühlen und Beziehungen zu anderen
  5. Subj. Leid (manchmal auch erst im weiteren Verlauf)
  6. meist einschränkend/ beeinträchtigend
  7. vor Abschluss des 16-17. Lebensjahrs -> jedoch keine Einigkeit zur Frage der Diagnostizierbarkeit im Jugendalter
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5
Q

Persönlichkeitsstile vs. Störungen

A

erst Stil dann Störung, wenn man Stil ins extreme ziehen würde

  1. Misstrauisch-scharfsinnig: Paranoide PS
  2. zurückhaltend-einzelgängerisch: Schizoide PS
  3. ahnungsvoll-sensible: ängstliche PS
  4. Abenteuerlich-risikofreudig: Impulsiver Typ (F60.30)
  5. spontan-sprunghaft: Borderline Typ (F60.31)
  6. expressiv-selbstdarstellend: histrionische PS
  7. Ehrgeizig, selbstbewusst: dissoziale PS
  8. selbstkritisch-vorsichtig: anankastische (zwanghafte) PS
  9. Anhänglich-loyal: anhängige PS
  10. sorgfältig-gewissenhaft: Zwanghafte PS
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6
Q

Kennzeichen der Borderline PS

A
  1. Identitätsstörung: ausgeprägte und andauernde Instabilität des Selbstbildes oder der Selbstwahrnehmung
  2. Impulsivität: in mind. 2 potentiell selbstschädigenden Bereichen (Geldausgeben, Sexualität, Substanzmissbrauch, Essanfälle)
  3. Selbstverletzung/Suizid: wiederholte suizidale Handlungen, Suizidandeutungen oder -drohungen oder Selbstverletzung
  4. Affektive Instabilität: infolge einer ausgeprägten Reaktivität der Stimmung
  5. Chronische Gefühle der Leere
  6. Wut: Unangemessene heftige Wut oder Schwierigkeiten, Wut und Ärger zu kontrollieren
  7. paranoide Vorstellungen: Vorübergehende, durch Belastungen ausgelöste paranoide Vorstellungen oder schwere dissoziative Symptome
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7
Q

Spontan-Sprunghafte Persönlichkeits-Stil vs. Borderline - PS + Funktionen

A
  1. Spontan-Sprunghafte Persönlichkeitsstil:
    a) intensive Emotionalität, äußert sich in spontaner Begeisterungsfähigkeit für positive Wahrnehmungen und damit wechselnde Ablehnung von Dingen/Personen, die negative Eigenschaften zeigen
    b) wenig nachtragend
    c) hohes Maß an Flexibilität, Anpassungsfähigkeit an ver. Situationen
  2. Borderline-PS:
    a) Tiefgreifende Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen, Selbstbild und den Affekten
    b) Deutliche Impulsivität, Verzweifeltes Bemühen tatsächliches oder vermutetes Verlassen werden zu vermeiden
    c) unangemessene Wut, aggressives Verhalten und emotionaler Belastung bis hin zu Selbstverletzungen und parasuizidalen Gesten
  3. Funktion:
    a) Unterfunktion einer Kohärenz stiftenden Gefühlsmodulation
    b) Ursächlich für diese Störung bei vielen Patienten traumatische Missbrauchserfahrungen in Kindheit und Jugend
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8
Q

Beispiel des Anspannungserlebens mithilfe des Ambulanten Monitoring

A
  1. Die subjektive erlebte Spannung skaliert zw. 0 und 9
  2. Ab Spannungswerten von 7 ist die kognitive Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt
  3. S. F. 11: Borderliner haben deutlich unregelmäßigere Intervalle und höhere Werte als gesunde VP
  4. Borderliner haben häufigere Auslösungen von aversiven, inneren Anspannungszuständen (Anstieg >=3)
  5. Häufigste Auslöser bei Borderliner: Ablehnung, Alleinsein, Versagen
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9
Q

Borderline: Angst vor dem Alleinsein

A
  1. Schwierigkeiten in der Regulation von Nähe und Distanz
  2. Schlecht ausgeprägte intrapsychische Repräsentanz wichtiger Bezugspersonen
    a) Verwechslung von Abwesenheit mit manifester Verlassenheit
    b) Versuch, wichtige Bezugsperson permanent an sich zu binden
    c) Wahrnehmung von Nähe und Geborgenheit löst Angst, Schuld und Scham aus
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10
Q

Epidemiologie: Persönlichkeitsstörungen - Behandlungsprävalenz

A

In Behandlung sind vor allem:
Paranoide, Borderline, Selbstunsichere & Abhängige PS

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11
Q

Epidemiologie: Borderline

A
  1. Punktprävalenz: ca. 1-2%
  2. ca. 70% der Betroffenen sind weiblich
  3. ca. 50% der Betroffenen befinden sich in Behandlung
  4. Bimodale Altersverteilung bei Erstmanifestation:
    a) Erste Gruppe mit 14 Jahre verhaltensauffällig
    b) zweite Gruppe im Mittel mit 24 Jahren erstmals ins stationärer Behandlung
    - > wenn es sich nach diesem Alter nicht manifestiert sehr unwahrscheinlich, dass es dann noch passiert
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12
Q

Verlauf: Borderline

A
  1. Suizidrate: 5-10%
  2. Hohe Remissionsrate (2 Studien mit katamnses bis zu 8 Jahren):
    a) affektive Instabilität persistiert
    b) dysfunktional verhaltensmuster wie Selbstverletzung und Suizidversuche nehmen deutlich ab
    c) DSM-5 Kriterien erfüllen nach
    2 Jahren: 60%
    4 Jahren 50%
    6 Jahren 33%
    8 Jahren 20%
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13
Q

Selbstverletzendes Verhalten: Definition

A
  1. Eine Handlung mit nicht-tödlichem Ausgang, bei der eine Person absichtlich eine oder mehrere der folgenden Verhaltensweisen ausführt:
    a) Initiierung eines selbstschädigenden Verhaltens (z.B.: Schneiden, Springen aus großer Höhe)
    b) Einnahme einer Substanz in größerer Menge als ärztlich verschieden oder als als therapeutische Dosis angesehen wird
    c) Einnahme illegaler Drogen zu Selbstschädigung
    d) Einnahme ungenießbarer Substanzen
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14
Q

Prävalenz absichtlicher Selbstschädigungen bei Schülern in Europa

A
  1. Bei Frauen immer höher als bei Männer
  2. Wertebereich - Lebenszeit:
    a) Frauen 5.9 - 17.1 %
    b) Männer: 2.5 - 6.8%
  3. Aber: Selbstverletzende Verhalten ist nicht gleich Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ
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15
Q

Ätiologische Überlegungen Persönlichkeitsstörung

A
  1. Persönlichkeitsstörung = Beziehungsstörung
  2. Nähe- vs. Distanzstörung
  3. kognitive Erklärungen
  4. Psychodynamische Ansätze
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16
Q

Ätiologische Überlegungen Borderline-PS

A

“Invalidating environments” (Linehan,1996)

  1. unberechenbare, unangemessene und stark wechselnde Reaktionen der Bezugsperson
  2. Persönliche Erfahrungen (Gefühle) des Kindes wird mit Bestrafung oder Trivialisierung reagiert
  3. Erfahrungen werden nicht “validiert” und es entstehen Defizite:
    a) emotionale Erregung zu benennen
    b) Stress zu tolerieren
    c) eigene Reaktionen und ihre Interpretation zu trauen
17
Q

Ätiologische Überlegungen Persönlichkeitsstörung: 1. PS = Beziehungsstörung

A
  1. Menschen mit PS haben ständige Interaktionsprobleme
  2. Erkenn aber selten, dass diese Probleme durch ihre eigenen Schemata und Verhaltensweisen entstehen
  3. Wissen daher oft nicht, dass sie “Teil” des Problems sind
  4. Machen daher meist anderen oder die Umstände für die Probleme verantwortlich
18
Q

Ätiologische Überlegungen Persönlichkeitsstörung: 2. Nähe- vs. Distanzstörung

A
  1. Nähestörungen:
    versuchen Nähe herzustellen (narzisstische, histrionische, dependente & selbstunsichere PS)
  2. Distanz-Störungen:
    versuchen Interaktionspartner auf Distanz zu halten ( passiv-aggressive, schizoide, paranoide, zwanghafte PS)
19
Q

Ätiologische Überlegungen Persönlichkeitsstörung: 3. Kognitive Erklärung

A
  1. Persönlichkeit: stabile Denk-, Fühl- und Handlungsmuster, welche eine entwicklungsgeschichtliche (biologisch-genetische) Basis haben
  2. Phylogenetisch entstandene Verhaltensprogramme: dienen einst der natürlichen Anpassung, hatten hohen Überlebenswert (z.B.: Raub-, konkurrenz-, Soziabilitätsstrategien) -> bestimmte “Neigungen” bzw. “Temperamente” sind schon von Geburt an gegeben
  3. Entwicklungspsychologische Determinanten: durch Erziehungs- bzw. Umwelteinflüsse werden die von Geburt an vorhandenen Muster verstärt7geschwächt sowie neue Muster aufgebaut
  4. Persönlichkeitsstörung: durch sehr schnelle Veränderungen der Umwelt und Lebensbedingungen passen viele derartige Programme nicht mehr in die heutige Welt. -> schlecht angepasste, unflexible Muster, die zu subjektivem leid oder psychosozialen Beeinträchtigung führen
20
Q

Ätiologische Überlegungen Persönlichkeitsstörung: 4. Psychodynamischer Ansatz

A
  1. Entwicklungspsychologische Faktoren formen Persönlichkeit, die z.B.. verzerrt ist durch schlechte Anpassung
  2. Schwere PS als strukturelle Störungen (Aber: auch andere Störungen können strukturell sein, nicht nur PS)
    a) Struktur = Verfügbarkeit psychischer Funktionen, die für die Organisation des Selbst und seiner Beziehung zu inneren und äußeren Objekten erforderlich sind
    b) Defizit in der Verfügbarkeit = Strukturpathologie
21
Q

Erklärungsansätze: Selbstverletzendes Verhalten

A
  1. Biologische Aspekte
    Selbstverletzung geht mit Endorphinanstieg einher -> euphorisierende Wirkung wirkt verstärkt
  2. lerntheoretische Aspekte:
    a) erhöhte Zuwendung, Wunsch nach Nähe wird befriedigt
    b) Negative Verstärkung: in konfliktreichen Familien kommt es zur Zurücknahme aversiver Interaktion
  3. Psychodynamische Aspekte:
    a) Grundkonflikt in Identitätsfindung (Grenzziehung Selbst -Umwelt)
    b) Schutz von Desintegration des Ichs