Klassifikation und Diagnostik (Teil 1) Flashcards

1
Q

Begriffsbestimmungen was ist „Klassifikation“? Definition

A

—> Definition: „Klassifikationen sind Bemühungen, die Vielheit an Einzelerscheinungen in übergeordnete Einheiten zu ordnen … Neben der Suche nach übergeordneten Einheiten versteht man unter Klassifikation auch den Vorgang der Zuordnung eines Elementes, dessen Klassenzugehörigkeit man nicht kennt, zu vorgegebenen Klassen …“

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2
Q

—> An Klassifikationen werden die folgenden Forderungen gestellt:

A

‒ Eindeutigkeit:eindeutigeinerKlassezugeordnet
‒ Ausschließlichkeit:fälltnurineineundnichtinmehrereKlassen
‒ Vollständigkeit:keinWertexistiert,derkeinerKlassezugeordnetwerdenkann

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3
Q

—> Aufgabe der Krankheitslehre („Nosologie“)

A

– eine systematische Beschreibung von Krankheiten und Krankheitsverhalten

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4
Q

auf was basiert Klassifikation?

A

—> Merkmalsklassifikation: Identifikation von Merkmalen, die überzufällig häufig gemeinsam auftreten → Syndrome
—> Personenklassifikation: Finden homogener Gruppen von Personen → Typologien
—> Dimensionale Klassifikation (mit kontinuierlichen Dimensionen) vs. kategoriale Klassifikation (qualitative Unterschiede)

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5
Q

Kategoriale versus Dimensionale Klassifikation

A

Kategoriale Klassifikation (Diskontuinität): Hat die Person einen hohen Blutdruck? –> Ja/Nein

Dimensionale Klassifikation (Kontinuität): Auf welchen Wert fällt der Blutwert bei fortwährendem Messen? –> Grenzwerte für die Diagnose zu erhöhtem Blutdruck

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6
Q

Klassifikation im historischen Wandel: Typen und Syndromlehren, Beispiele

A

—>Typen- und Syndromlehren
- entsprechen einem elementaren Ordnungsbedürfnis des Menschen, die beobachtbare Vielfalt von Eigenschaften und Symptomen beim gesunden und kranken Menschen zu klassifizieren
—>Beispiele:
Temperamentstypen von Hippokrates (vgl. Exkurs Geschichte; Antike)
Konstitutionstypen von Kretschmer (Anfang 20. Jh.)

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7
Q

Prozess der Klassifikation

A
  1. Genaue Erfassung der Störungsmerkmale
  2. Erstellung einer Taxonomie: Bildung unterschiedlicher Kategorien bzw. Klassen
  3. Zuordnung des Einzelfalls zu einer Kategorie bzw. Klasse (diagnostische Identifikation)
    —> Dabei wird unterschieden zwischen
    ‒ Syndromatischer Klassifikation (nach Symptomen)
    ‒ Nosologischer Klassifikation (nach ätiologischen Merkmalen und Verlaufsmerkmalen)
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8
Q

Klassifikation im historischen Wandel: Klassische psychiatrische, psychoanalytische und charakterologische Klassifikationen Gemeinsamkeiten

A

—> Die Psychiatrie hat im Verlauf der letzten hundert Jahre eine Vielzahl von Klassifikationen hervorgebracht
—> Einzelne Klassifikationssysteme unterscheiden sich hinsichtlich ihres Ordnungsprinzips und ihrer Terminologie
Gemeinsamkeit: Dreiteilung in
1. “körperlich begründete psychische Störungen”,
2. “endogene Psychosen” und
3. “abnorme Spielarten seelischen Wesens“
Grundlage aller Klassifikationsbemühungen: System von Kraepelin (1909- 1915) → heute nicht mehr von Bedeutung

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9
Q

Exkurs: Klassische psychiatrische, psychoanalytische und charakterologische Klassifikationen
—> Psychoanalyse: Einteilung der Neurosen

A

‒ klassische Neurosestrukturen: Hysterie, Zwang, Phobie, reaktive
Depression
‒ Manche Autoren unterscheiden noch weiter zwischen schizoider
Neurosestruktur, Angstneurose und Neurasthenie
‒ Die Psychoanalytiker:innen benutzen weitgehend die gleiche
oder eine ähnliche Systematik wie die Psychiater:innen
‒ unterscheiden sich eigentlich nur hinsichtlich der theoretischen Modelle, die sie ihrer Systematik zugrunde legen

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10
Q

Exkurs: Klassische psychiatrische, psychoanalytische und charakterologische Klassifikationen
Persönlichkeitspsychologie (Charakterologie):
—> Eysenck unterschied vier Grunddimensionen:

A

Extraversion/ Introversion, Neurotizismus, Psychotizismus und Intelligenz.

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11
Q

was ist mit dysthymischen Neurosen und soziopathischen Neurosen gemeint? Wodurch werden Manisch depressive Psychose, wodurch Schizophrenie bestimmt?

A

‒ “dysthymische Neurosen” (Störungen erster Art): hohes Ausmaß an Neurotizismus und Extraversion, dazu zählen Angstzustände, reaktive Depression, Zwangsneurosen und Phobien.
‒ “soziopathische Neurosen” (Störungen zweiter Art), hohes Ausmaß an Neurotizismus und Introversion, dazu zählen Hysterie und Psychopathie
—> Psychosen unterscheiden sich qualitativ von den Neurosen
‒ Manisch-depressive Psychosen werden durch ein hohes Ausmaß an Psychotizismus und Extraversion, Schizophrenie durch ein hohes Ausmaß an Psychotizismus und Introversion bestimmt
Heute werden in Forschung und Praxis ausschließlich die Klassifikations- systeme DSM-IV/V bzw. ICD-10 verwandt

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12
Q

Argumente pro und kontra kategoriale Klassifikation: Kontra

A

—> Einwände gegen die Typisierung und Gruppierung von Menschen im Allgemeinen als auch gegen die psychiatrischen, psychoanalytischen und charakterologischen Klassifikationen im Besonderen:
* Einzigartigkeit und Einmaligkeit eines jeden Menschen vs. Reduktion auf wenige Merkmale durch Klassenzuordnung (Informationsverlust)
* Gefahr der Stigmatisierung: Möglichkeit vielfältiger negativer Folgen einer Diagnose
* Weitere Probleme von Klassifikationen: unklare Abgrenzung der diagnostischen Kategorien und deren Reliabilität und Validität

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13
Q

Argumente pro und kontra kategoriale
Klassifikation: Pro

A

—> Ökonomische Funktion: Ordnet man Personen aufgrund einiger Merkmale einer bestimmten Klasse zu, so lassen sich weitere Eigenschaften, Verhaltens- und Erlebensweisen antizipieren → ermöglichen Vorhersagen
—>Kommunikative Funktion: erleichtern die Verständigung unter Fachleuten, die mit der Betreuung/Unterstützung von Personen mit psychischen Störungen befasst sind
—> Indikative Funktion: können dazu beitragen, effizientere Entscheidungen über einzusetzende Behandlungsformen zu treffen
—> erleichtern den Vergleich von Forschungsergebnissen und die Durchführung von Untersuchungen auf vergleichbarer Basis
—> wachsendes Störungswissen → störungsspezifische Therapien → therapeutische
Konsequenzen
—> deutlich verbesserte Reliabilität der Diagnosen durch
‒ EinführungexpliziterdiagnostischerKriterienundAlgorithmenund
‒ Entwicklung einer Reihe standardisierter Verfahren zu Erfassung der psychischen Diagnosen
* Abrechnung mit den Leistungsträgern (Krankenkassen) erfordert klassifikatorische Diagnosen
—> Diskussion: „Psychologische Studien zeigen, dass der Mensch schnell Hypothesen bildet und konforme Informationen aktiv sucht, wohingegen gegensätzliche Informationen nicht aktiv verfolgt oder sogar ignoriert werden. Wenn aber ohnehin klassifiziert wird, dann ist eine explizite Vorgehensweise einer impliziten vorzuziehen, da diese überprüfbarer ist“

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14
Q

Grundprobleme klassischer Klassifikationssysteme und deren Ursachen

A

Grundprobleme klassischer Klassifikationssysteme
—> geringe Reliabilität
—> Rosenhan-Experiment
—> hohe Ergebnisvarianz epidemiologischer und klinischer Studien
* Ursachen: mangelnde Operationalisierung diagnostischer Kriterien, keine systematische Befunderhebung
* keine prognostische und therapeutische Validität
* hohe Stigmatisierungsgefahr
* keine Übereinstimmung zwischen „Schulen“, Institutionen und Ländern
* keine sinnvolle Sprache für alle an der Versorgung beteiligten Berufsgruppen
* keine Bindung an wissenschaftliche Kriterien der Forschung

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15
Q

Prinzipien moderner Klassifikationssysteme

A

—> Theorielos: orientieren sich nicht an einer bestimmten Theorie, da sie für Kliniker unterschiedlicher theoretischer Orientierungen und Schulen annehmbar sein sollten
—> deskriptiv ausgerichtet: basieren auf der Beschreibung beobachtbarer und explorierbarer klinischer Merkmale bzw. Symptomen, die durch inhaltliche und zeitliche Kriterien festgelegt sind, nicht auf ätiologischen Zusammenhängen
* klassifiziert Störungen, die bei Personen vorliegen, nicht aber Personen
* Komorbiditätsprinzip: erlaubt die Diagnose von mehreren Störungen bei einer Person (multiple Diagnosen) bzw. von Komorbidität;
Konzept der Multiaxialität: jede Person wird auf mehreren “Achsen” gleichzeitig beurteilt → aber: DSM V Konzept der Achsen aufgegeben

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16
Q

Internationale Vereinheitlichung der Systematik psychischer Störungen

A

—> DSM-IV (1994)/ DSM-IV-TR (2003)/ DSM V (2013)
‒ Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen der American
Psychiatric Association (APA)
—> ICD-10 (1991)/ ICD-10 GM (2009)
‒ Internationale Klassifikation psychischer Störungen Kapitel V (F) der
Weltgesundheitsorganisation
—> Einführung expliziter diagnostischer Kriterien und Algorithmen → Entwicklung einer Reihe standardisierter Verfahren zu Erfassung der psychischen Diagnosen → deutlich verbesserten Reliabilität der Diagnosen

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17
Q

Klassifikationssysteme
in der Klinischen Psychologie
ICD 10 und DSM V

A

ICD 10
- Zweck: beschreiben von Störungsgruppen mithilfe von Kriterien
- kategoriales klassifikationssystem
- umfasst alle medizinischen diagnosen
- bindend für die Abrechnung mit den Krankenversicherungen in Deutschland
- Herausgeber: WHO

DSM V
- Zweck: beschreiben von Störungsgruppen mithilfe von Kriterien
- umfasst nur psychische Diagnosen
- gilt als Referenzwerk für die Forschung
- Herausgeber: APA

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18
Q

Psychische Störungen (nach ICD-10)

A

F1 Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen (Alkohol, Drogen, Medikamente)
F2 Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen
F3 Affektive Störungen
(Depression, Manie, bipolare affektive Störung, anhaltende affektive Störungen,…)
F4 Neurotische-, Belastungs- und somatoforme Störungen
Phobische und sonstige Angststörungen (Panikstörung, Agoraphobie, soziale Phobie, spezifische Phobie, generalisierte Angststörung,…)
Zwangsstörung (Handlungen und/oder Gedanken)
Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen (akute Belastungsreaktion,
posttraumatische Belastungsstörung, Anpassungsstörung)
Dissoziative Störungen (psychogene Amnesie; psychogenes Weglaufen; multiple Persönlichkeitsstörung,…)
Somatoforme Störungen (Somatisierungssyndrom, Konversionssyndrom, psychogenes Schmerzsyndrom, Hypochondrie,…)
F5 Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren
Essstörungen (Anorexia nervosa, Bulimia nervosa, …)
Nicht-organische Schlafstörungen (Insomnie, Hypersomnie, Pavor nocturnus,…) Sexuelle Funktionsstörungen (Erektions-, Ejakulationsstörungen, Vaginismus,…)
F6 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen
Persönlichkeitsstörungen (Borderline, dissoziale, histrionische…)
Störungen der Sexualpräferenz (Exhibitionismus, Fetischismus, Pädophilie,…) Störungen der Geschlechtsidentität (Transsexualismus, …)
F7 Intelligenzminderung
F8 Entwicklungsstörungen
(Sprechen, Sprache; Lese- und Rechtschreibstörung, Rechenstörung; Autismus,…)
F9 Störungen mit Beginn im Kindes- oder Jugendalter
(Hyperkinetische Störungen; Störung des Sozialverhaltens, Depression, Ängste, Tic, Enuresis, Enkropesis)

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19
Q

Der Vierstellige Diagnoseschlüssel des ICD 10

A
  1. In der ersten Stelle werden die Störungen in Hauptgruppen eingeteilt
  2. Störungen werden differenziert
  3. In der dritten Stelle geht es um die nächste Unterteilung in:
    akute Intoxikation, schädlicher Gebrauch, Abhängigkeitssyndrom, Entzugssyndrom, durch Substanzen benagtes Amnestisches Syndrom
  4. Dritte Differenzierung wird stärker Unterteilt

F einstellig, Hinweis auf psychische Störungen

Fa zweistellig: Hauptkategorie

Fab dreistellig: Kategorie: einzelne Störungseinheiten

Fab.c Vierstellig: Subkategorien

Fab.cd Fünfstellig: Zusatzspezifikation, aufgrund von Verlauf, somatischer symptomatik inhaltlicher Gestaltung

Fab.cde sechsstellig: Zusatzspezifikation

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20
Q

Das DSM-V – eine Kontroverse

A

Aber:
zukünftige Inflation psychischer Störungen nicht erwiesen, psychische Störung =/ Behandlungsbedarf
—> DSM als weltweite „Schrift“ für Psychiater:innen und Psycholog:innen ÒErschienen 2013 in der fünften, aktuellen Version
—> Setzt neue Standards für die Erforschung und Behandlung psychischer Störungen.
—> Sorgte für erhebliche Diskussionen: Kritiker befürchten, dass das DSM-V viele geltende Krankheitskriterien „aufweicht“ und zu einer drastischen Erhöhung der Patientenzahlen führen wird.
- „British Medical Journal“: bemängelt, dass 56% der Arbeitsgruppenmitglieder von der Pharmaindustrie Geld bekommen habenàVergabe von „gesponserten“ Störungen?
- Psychiatrieprofessor Allen Frances (DSM-IV-Verantwortlicher): warnt vor Inflation der Störungen wie z.B. Binge-Eating-Störung „Zig Millionen Menschen, die drei Monate lang einmal wöchentlich anfallsartig essen, werden plötzlich als geisteskrank stigmatisiert und bekommen Medikamente mit unbewiesener Wirksamkeit.“

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21
Q

DSM V Neuerungen:

A
  1. Niedrige Hürden: Kriterien für viele Diagnosen werden weiter gefasst um als nicht näher bezeichnete Störungen zu reduzieren
  2. dimensionale Einordnung: stärke der Ausprägung kann beurteilt werden
  3. neue Krankheitsbilder: nicht trennscharfe Störungsbilder werden gestrichen oder zusammengefügt und einige neue aufgenommen
  4. Risikosyndrome: mildere Ausprägungen werden als Risikosyndrome definiert um drohenden schweren Störungen frühzeitig zu begegnen
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22
Q

DSM V: Beispiel Substanzgebrauchsstörung

A

Beispiel Substanzgebrauchsstörung
—> Dimensionales Störungsmodell
—> Schweregrad: moderat (2-3 Kriterien erfüllt), schwer (4 und mehr)
—> 11 Kriterien
—> Wiederholter Konsum, der zu einem Versagen bei der Erfüllung wich-tiger Verpflichtungen bei der Arbeit, in der Schule oder zu Hause führt
—> Wiederholter Konsum in Situationen, in denen es aufgrund des Konsums zu einer körperlichen Gefährdung kommen kann
—> Wiederholter Konsum trotz ständiger oder wiederholter sozialer oder zwischenmenschlicher Probleme
—> Toleranzentwicklung gekennzeichnet durch Dosissteigerung oder verminderte Wirkung
—> Entzugssymptome oder deren Vermeidung durch Substanzkonsum
—> Konsum länger oder in größeren Mengen als geplant (Kontrollverlust)
—> Anhaltender Wunsch oder erfolglose Versuche der Kontrolle
—> Hoher Zeitaufwand für Beschaffung und Konsum der Substanz sowie Erholen von der Wirkung
—> Aufgabe oder Reduzierung von Aktivitäten zugunsten des Substanzkonsums
—> Fortgesetzter Gebrauch trotz Kenntnis von körperlichen oder psychischen Problemen
—> Craving, starkes Verlangen oder Drang die Substanz zu konsumieren

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23
Q

Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik (OPD-2)

A

—> auf das spezifische Krankheits- und Therapieverständnis der Psychoanalyse abgestimmtes Diagnose-Manual des Arbeitskreises OPD Heidelberg (OPD-2, 2006)
* besteht aus vier psychodynamischen und einer deskriptiven Achse
—> Achse 1: Krankheitserleben und Behandlungsvoraussetzungen
—> Der Patient muss „dort abgeholt werden, wo er steht und wo er etwas erwartet“ - d.h. bei der Beschwerdesymptomatik und den Therapieerwartungen
—> Achse 2: Beziehung
—> gibt dem Wechselspiel von Übertragung und Gegenübertragung entscheidendes Gewicht
* Achse 3: Konflikt
—> Berücksichtigung der zentrale Rolle innerer Konflikte
—> lebensbestimmende, verinnerlichte Konflikte können den eher aktuellen, äußerlich determinierten konflikthaften Situationen gegenübergestellt werden
—> Bearbeitung eines Konflikts kann als Behandlungsziel definiert werden.
* Achse 4: Struktur
—> konzeptualisiert die Struktur des Selbst in Beziehung zum anderen
—> Funktionen: Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung, Selbststeuerung, Abwehr, Objektwahrnehmung, Kommunikation und Fähigkeit zur Bindung
Achse 5: Psychische und Psychosomatische Störungen Ò syndromal-deskriptive Diagnosen nach ICD-10 Kapitel V (F)

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24
Q

Take Home Message

  1. Psychische Störungen lassen sich …. und … beschreiben.
  2. Diagnostische Klassifikation basiert auf wissenschaftlichen Standards, ermöglicht eine gute Zuordnung von

—> …. zu diagnostischen Kategorien und erleichtert die Kommunikation zwischen Behandlerinnen und mit Patientinnen

  1. Diagnostische Klassifikation gruppiert Menschen und reduziert das Beschwerdebild eineseiner Patientin auf wenige Merkmale, ordnet in Kategorien ein, die nicht immer ….. voneinander abgrenzbar sind und birgt die Gefahr eine ……

Im Kindes- und Jugendalter ist (nach ICD-10) eine ….möglich. Dies ermöglicht auch weitgefassten Blick auf die …..
—> Moderne Klassifikationen sind a-theoretisch, deskriptiv, klassifizieren Störungen und nicht Personen und erlauben …. Konditionen

—> ICD 10
F0-…. (psychische Störungen, Entwicklungsstörungen, Intelligenzminderungen), multiaxial

—> DSM V
‒ Klinische Störungen und andere klinisch relevante Probleme
‒ Persönlichkeitsstörungen und geistige Behinderung
‒ Medizinische Krankheitsfaktoren
‒ Psychosoziale und umgebungsbedingte Probleme
‒ Globale Beurteilung des gegenwärtigen Funktionsniveaus
‒ ….. in DSM-V aufgehoben!

ÒOPD-2: 5 Achsen
‒ Krankheitserleben und Behandlungsvoraussetzungen
‒ Beziehung
‒ Konflikt
‒ Struktur
‒ Psychische und Psychosomatische Störungen

A
  1. Psychische Störungen lassen sich kategorial und dimensional beschreiben.
  2. Diagnostische Klassifikation basiert auf wissenschaftlichen Standards, ermöglicht eine gute Zuordnung von

—> Beschwerden/Symptomen zu diagnostischen Kategorien und erleichtert die Kommunikation zwischen Behandlerinnen und mit Patientinnen

  1. Diagnostische Klassifikation gruppiert Menschen und reduziert das Beschwerdebild eineseiner Patientin auf wenige Merkmale, ordnet in Kategorien ein, die nicht immer trennscharf voneinander abgrenzbar sind und birgt die Gefahr eine Stigmatisierung.

—> Im Kindes- und Jugendalter ist (nach ICD-10) eine multiaxiale Kodierung möglich. Dies ermöglicht auch weitgefassten Blick auf die kindliche Problemlage.
—> Moderne Klassifikationen sind a-theoretisch, deskriptiv, klassifizieren Störungen und nicht Personen und erlauben komorbide Konditionen

—> ICD 10
F0-F9 (psychische Störungen, Entwicklungsstörungen, Intelligenzminderungen), multiaxial

—> DSM V
‒ Klinische Störungen und andere klinisch relevante Probleme
‒ Persönlichkeitsstörungen und geistige Behinderung
‒ Medizinische Krankheitsfaktoren
‒ Psychosoziale und umgebungsbedingte Probleme
‒ Globale Beurteilung des gegenwärtigen Funktionsniveaus
‒ Multiaxialität in DSM-V aufgehoben!

ÒOPD-2: 5 Achsen: ?

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25
Q

Ziele, Aufgaben und Varianten der Klassifikation psychischer Störungen
Was soll die Klassifikation psychischer Störungen gewährleisten und ermöglichen?

A

Die Klassifikation psychischer Störungen soll die systematische Einteilung psychischer Störungen in ein nach Klassen gegliedertes System gewähr- leisten und diagnostische Zuordnungen ermögli- chen.

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26
Q

Wofür werden Klassifikationssysteme gebraucht?

A

Klassifikationssysteme werden u. a. für die Kommunikation über psychische Störungen, für wissenschaftliche Untersuchungen, für Entschei- dungen der Krankenversicherungen und (mit Ein- schränkungen) für Interventionsentscheidungen gebraucht.

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27
Q

Klassifikationssysteme: Was genau man ihnen zutraut und welche Art der Systematik man bevorzugt, hängt vor allem davon ab, wie man psychische Störun- gen versteht:

A

Vor dem Hintergrund des medizini- schen Modells psychischer Störungen gelten ka- tegoriale Systematiken als Idealziel, dem psycho- sozialen Modell entsprechen dimensionale Syste- matiken am besten. Während kategoriale Syste- matiken davon ausgehen, dass die zu ordnenden Phänomene qualitativ unterschiedlich sind, ge- hen dimensionale Systematiken von quantitati- ven Unterschieden aus. Als Kompromiss bieten sich typologische Systematiken an. Sie tragen den unscharfen Grenzen zwischen psychischen Störungen Rechnung und berücksichtigen so- wohl qualitative als auch quantitative Unterschie- de zwischen den Störungsbildern.

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28
Q

Der Begriff „Klassifikation“
Hinter dem Bestreben, psychische Störungen zu klassifizieren, verbirgt sich auf den ersten Blick nicht mehr als der nachvollziehbare Wunsch, sie zu ordnen und zu systematisieren. Mit Klassifika- tion ist allerdings eine Form der Systematisierung gemeint, die in Bezug auf psychische Störungen nicht unproblematisch ist:

A
  • die „Einteilung oder Einordnung von Phänomenen, die durch bestimm- te gemeinsame Merkmale charakterisiert sind, in ein nach Klassen gegliedertes System“
  • Es darf bezweifelt werden, dass es sich bei psychischen Störungen um „Klassen“ han- delt. Der Begriff der Klasse bezieht sich nämlich auf Gruppen, für die sich genau und eindeutig an- geben lässt, durch welche gemeinsamen Merkmale sie von anderen Gruppen abgrenzbar sind.
  • Die Grenzen zwischen psychischen Störungen sind aber unscharf: Merkmale, die für eine bestimmte Störung charakteristisch zu sein scheinen, lassen sich oft auch bei anderen Störungen auffinden.
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29
Q

Neben der Systematisierung von psychischen Stö- rungen nach festen Regeln meint „Klassifikation“ in Psychiatrie und Klinischer Psychologie meistens auch:

A

Neben der Systematisierung von psychischen Stö- rungen nach festen Regeln meint „Klassifikation“ in Psychiatrie und Klinischer Psychologie meistens auch die diagnos- tische Identifikation, d. h. die „Zuordnung bzw. den Prozess der Zuordnung bestimmter Merkmale oder Individuen zu diagnostischen Klassen bzw. Kategorien eines bestehenden Klassifikationssys- tems“ man spricht des- halb auch von klassifikatorischer Diagnostik. Klassifikation ist also eng mit Diagnostik verbun- den. Die klassifikatorische Diagnostik ist aber nur ein diagnostischer Ansatz neben anderen

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30
Q

Arten der Klassifikation: Je nachdem, wie die Möglichkeit einer Abgrenzung der einzuteilenden Phänomene gesehen wird, un- terscheidet man zwischen

A

● kategorialen,
● dimensionalen und
● typologischen

Systematiken.

31
Q

Was unterstellen die einzelnen Systematiken der Klassifikationen?

A

Kategoriale Systematiken unterstel- len, dass die einzuteilenden Phänomene eindeutig voneinander getrennt werden können. Dimensio- nale Systematiken gehen von einer kontinuierli- chen Verteilung der Phänomene aus. Typologische Systematiken basieren auf „repräsentativen Fällen“ oder „Idealkonfigurationen“, denen sich einzelne „Fälle“ mehr oder weniger gut zuordnen lassen

32
Q

Kategoriale Systematik. Wovon geht die psychiatrische Nosologie aus?

A
  • Obwohl die unscharfen Grenzen zwischen psychischen Störungen eine ka- tegoriale Systematik als unerreichbar und unange- messen erscheinen lassen, gewinnt man auch heu- te noch manchmal den Eindruck, dass sie als Gold- standard und Idealziel gilt. Das mag damit zusam- menhängen, dass es sich dabei um die Systematik der psychiatrischen Nosologie handelt.
  • Die psy- chiatrische Nosologie geht davon aus, dass
    ● es „natürlich vorgegebene“, eindeutig von- einander abgrenzbare Krankheitseinheiten gibt, sich psychische „Krankheiten“ also in eine eindeutige und logische Unter-, Neben- und Überordnung bringen lassen und dass
    ● es möglich ist, „ein ebenso logisches wie natürli- ches und zugleich vollständiges System der Krankheiten zu schaffen“
33
Q

Kategoriale Systematik. Woraus bezieht sich ihre besondere Attraktivität?

A
  • Die besondere Attraktivität der kategorialen Syste- matik bezieht sie aus ihrem Anspruch, über die Systematisierung psychischer Störungen und über die diagnostische Identifikation hinaus auch Aus- sagen über den zu erwartenden Verlauf von psy- chischen Störungen/Krankheiten, ihre Ursachen und ihre angemessene Behandlung zu ermögli- chen. Damit verspricht sie einen praktischen Nut- zen, den andere Systematiken nicht haben. Diesen Nutzen sehen jedenfalls jene, die das medizinische Modell psychischer Störungen favorisie- ren. Die Einlösbarkeit dieses Anspruchs gilt als fraglich.
34
Q

Die Dimensionale Systematik

A
  • Der Kontinuitäts- annahme des psychosozialen Modells entsprechen dimensionale Systematiken am besten. Sie versuchen, kate- goriale Zuschreibungen zu vermeiden und den psy- chischen Zustand einer Person mehrdimensional zu beurteilen.
  • Bei den dimensionalen Systematiken geht man nicht von qualitativen, sondern quantita- tiven Unterschieden zwischen verschiedenen Stö- rungen (und zwischen psychischen Störungen und psychischer Normalität) aus und achtet auf Häufig- keit und/oder Ausprägungsgrad von Phänomenen bzw. Symptomen.
  • Die mehrdimensionale, komplexe Beschreibung des Zustands einzelner Personen er- möglicht es, Diagnosen zu umgehen; auf die „diag- nostische Identifikation“ (s. o.) wird also verzichtet. Stattdessen wird versucht – über Verfahren der Selbst- und Fremdbeurteilung (z. B. über Persön- lichkeitsfragebögen oder Symptomchecklisten) – herauszufinden, wie belastet jemand ist, worunter er leidet und welche Probleme er hat
35
Q

Durchsetzungsvermögen von Dimensionalen Systematiken

A

Dimensionale Systematiken von psychischen Stö- rungen konnten sich bisher am wenigsten durch- setzen. Abgesehen davon, dass die mehrdimensio- nale Beschreibung von Personen sehr aufwendig ist und es schwer ist, sich auf die entscheidenden Dimensionen zu einigen, scheint eine Klassifika- tion ohne diagnostische Identifikation überhaupt eher unbefriedigend zu sein.

36
Q

Die Typologische Systematik.

A
  • Die typologische Sys- tematik hält am Ziel der diagnostischen Identifi- kation fest, berücksichtigt aber, dass psychische Störungen nicht als eindeutig voneinander zu trennende Klassen begriffen werden sollten. Sie löst damit einige Probleme der kategorialen Syste- matiken, bleibt aber dem medizinischen Modell psychischer Störungen verbunden, weil sie es (an- ders als dimensionale Systematiken) erlaubt, Diag- nosen zu stellen.
  • Typologische Systematiken brau- chen für die Kategorienzuordnung keine notwen- digen und hinreichenden, sondern nur korrelie- rende Merkmale und lassen sowohl Grenzfälle zwischen den Störungen als auch (qualitative und quantitative) Unterschiede innerhalb von Stö- rungsbildern zu.
37
Q

Wie sieht die Typologische Systematik psychische Störungen?

A

Psychische Störungen werden als Prototypen gesehen, denen sich einzelne Personen („Fälle“) mehr oder weniger gut zuordnen lassen. Sie werden nicht als „nosologische Einheiten“ bzw. „reale Krankheiten“ begriffen, sondern als Kon- strukte, die von Experten vorgeschlagen werden und die den jeweiligen Stand von Theorie und For- schung, aber auch den jeweiligen gesellschafts- und berufspolitischen Hintergrund widerspiegeln. Typologische Systematiken sind daher auch offen für „neue“ Störungen bzw. neue Zuordnungen be- reits bekannter Störungen. „Revisionen“ der Klassi- fikationssysteme sind also vorpro- grammiert und erwünscht.

38
Q

Kernpunkte

● Kategoriale Systematiken gehen von … unterschiedlichen Phänomenen aus, die sich eindeutig voneinander abgrenzen lassen. Sie erheben den Anspruch, neben der …. psychischer Störungen und der ….. Identifikation auch Aussagen über den zu erwartenden…, die …. und die angemessene …. psychischer Stö- rungen zu machen.
● Dimensionale Systematiken gehen von …. Unterschieden zwischen verschiede- nen Störungen (und zwischen psychischen Stö- rungen und psychischer Normalität) aus. Sie verzichten auf die …. Identifikation und versuchen stattdessen, den …. einer Person (über Verfahren der Selbst- und Fremdbeurteilung) mehrdimensio- nal zu beurteilen.
● Typologische Systematiken gehen von „…..“ oder „Idealkonfigurationen“ aus. Psychische Störungen werden als ….. gesehen, denen sich einzelne Personen („Fälle“) mehr oder weniger gut zuordnen las- sen. Sie werden nicht als „….“ begriffen, sondern als von Experten vorgeschla- gene Konstrukte, die den jeweiligen Stand von Theorie und Forschung widerspiegeln.

A

Kernpunkte

● KategorialeSystematikengehenvonqualitativ unterschiedlichen Phänomenen aus, die sich eindeutig voneinander abgrenzen lassen. Sie erheben den Anspruch, neben der Systemati- sierung psychischer Störungen und der diag- nostischen Identifikation auch Aussagen über den zu erwartenden Verlauf, die Ursachen und die angemessene Behandlung psychischer Stö- rungen zu machen.
● Dimensionale Systematiken gehen von quan- titativen Unterschieden zwischen verschiede- nen Störungen (und zwischen psychischen Stö- rungen und psychischer Normalität) aus. Sie verzichten auf die diagnostische Identifikation und versuchen stattdessen, den psychischen Zustand einer Person (über Verfahren der Selbst- und Fremdbeurteilung) mehrdimensio- nal zu beurteilen.
● Typologische Systematiken gehen von „reprä- sentativen Fällen“ oder „Idealkonfigurationen“ aus. Psychische Störungen werden als Prototy- pen gesehen, denen sich einzelne Personen („Fälle“) mehr oder weniger gut zuordnen las- sen. Sie werden nicht als „reale Krankheiten“ begriffen, sondern als von Experten vorgeschla- gene Konstrukte, die den jeweiligen Stand von Theorie und Forschung widerspiegeln.

39
Q

Varianten von Klassifikati- onssystemen:
in den Klassifikationssystemen, die in Psychiatrie und Klinischer Psychologie verwendet werden, spielen …. Systematiken eine Rolle. Welches Gewicht sie jeweils haben, lässt sich häufig erst auf den zweiten Blick erkennen. Es ist nämlich selten vom kategorialen, dimensionalen oder typologi- schen Klassifikationssystem die Rede. Stattdessen wird meist nur zwischen …. und … orientierten Klassifikationssystemen unter- schieden.

A

in den Klassifikationssystemen, die in Psychiatrie und Klinischer Psychologie verwendet werden, spielen alle drei Systematiken eine Rolle. Welches Gewicht sie jeweils haben, lässt sich häufig erst auf den zweiten Blick erkennen. Es ist nämlich selten vom kategorialen, dimensionalen oder typologi- schen Klassifikationssystem die Rede. Stattdessen wird meist nur zwischen deskriptiven und ätiolo- gisch orientierten Klassifikationssystemen unter- schieden.

40
Q

Mit deskriptiven Klassifikationssystemen sind Klassifikationssysteme gemeint, die…?

A

Mit deskriptiven Klassifikationssystemen sind Klassifikationssysteme gemeint, die den Anspruch erheben, die vorgefundenen Phänomene lediglich zu beschreiben und zu ordnen und auf Aussagen zur Entstehung von psychischen Störungen zu verzichten.

Sie sind die aktuell favorisierten („mo- dernen“) Klassifikationssysteme. Im Unterschied zu ätiologisch orientierten Klassifi- kationssystemen (auch: explikatorische oder pa- thogenetische Klassifikationssysteme), die vorwie- gend theoriegebundene Aussagen zur Entstehung der Störungen machen (und heute auch gern als traditionelle Klassifikationssysteme bezeichnet werden), gelten deskriptive Klassifikationssysteme als „atheoretisch“.

41
Q

Deskriptive Klassifikationssysteme legen einen sorgfältigen Umgang mit …. nahe. Von psychischen Störungen wird erst dann gesprochen, wenn ein „….“ Syndrom vor- liegt, also erst dann, wenn:

A

Deskriptive Klassifikationssysteme legen einen sorgfältigen Umgang mit Diagnosen nahe. Von psychischen Störungen wird erst dann gesprochen, wenn ein „klinisch bedeutsames“ Syndrom vor- liegt, also erst dann, wenn
● bestimmteSymptomkonfigurationenvorliegen,
● die Symptome eine bestimmte Intensität erreichen und wenn sie
● übereinenbestimmtenZeitraumandauern.

42
Q

Die Konzentration auf „klinisch bedeutsame“ Syn- drome hat positive und negative Seiten:

A

Vor dem Hintergrund des Etikettierungsansatzes mag man es positiv bewerten, dass nicht bereits bei Vorliegen eines einzelnen Symptoms von psy- chischen Störungen gesprochen wird, sondern erst dann, wenn eine Mindestanzahl von Symptomen gegeben ist und wenn diese Symptome einen Min- destzeitraum lang andauern. Aus versorgungspoli- tischer Sicht lässt sich diese Praxis aber auch kri- tisch hinterfragen: Wird dann denjenigen Men- schen, die weniger, zu gering ausgeprägte und/oder zu kurz andauernde Symptome vorzuweisen haben (und damit unter der derzeit geltenden Schwelle einer ICD-10- oder DSM-IV-Diagnose bleiben), möglicherweise Hilfe versagt, obwohl diese auch bei solchen grenzwertigen (oder unterschwel- ligen) psychischen Störungen notwendig oder zumindest sinnvoll wäre?

43
Q

Deskriptive Klassifikationssysteme sind als Kompromiss zwischen unterschiedlichen … und … zu sehen. Ihre positive Beurteilung be- zieht sich vor allem auf Aspekte, in denen es um ihre Nützlichkeit für …, …. und …. geht. So sollen mit ihnen u.a. folgende Ziele er- reichbar sein:

A

Deskriptive Klassifikationssysteme sind als Kom- promiss zwischen unterschiedlichen Zielen und Be- rufsgruppen zu sehen. Ihre positive Beurteilung be- zieht sich vor allem auf Aspekte, in denen es um ihre Nützlichkeit für Wissenschaft, Epidemiologie (s.S. 84 ff.) und Qualitätssicherung geht. So sollen mit ihnen u.a. folgende Ziele er- reichbar sein:
● eine bessere Nachvollziehbarkeit und Überprüf-
barkeit der Ableitung von Diagnosen und eine Verbesserung der Reliabilität des diagnostischen Prozesses;
● die Erleichterung von wissenschaftlichen Unter- suchungen zu den psychischen Störungen selbst, aber auch zur Ermittlung von Versorgungsbedarf und Versorgungseffizienz;
● eine bessere Kommunikation zwischen For- schung und Praxis sowie zwischen Einrichtun- gen unterschiedlicher Länder und Kulturen;
● die Erleichterung von Maßnahmen der Quali- tätssicherung sowie von versicherungsrecht- lichen, juristischen und abrechnungstechnischen Entscheidungen.
Für praktische Entscheidungen im konkreten Ein- zelfall sollte man aber nicht zu viel von ihnen er- warten. Im besten Fall ermöglichen sie sehr grobe Aussagen zu möglichen Zusammenhängen zwi- schen Diagnose und Intervention

44
Q

Die internationalen Klassifikationssysteme: Was haben die beiden derzeit gültigen Klassifikationssysteme für einen Anspruch und welchem Klassifikationssystem sind sie damit zuzuordnen?

A

Die beiden derzeit gültigen Klassifikationssysteme, das DSM-IV-TR und die ICD-10, haben den Anspruch, sich auf beschreibbare und beob- achtbare Phänomene zu beschränken und Neutrali- tät im Hinblick auf ätiologische Theorien zu wahren. Sie sind damit den deskriptiven Klassifikationssyste- men zuzuordnen. Deskriptive Klassifikationssysteme gelten einerseits als begrüßenswerter „Paradigmen- wechsel“ gegenüber früheren Klassifikationssyste- men, andererseits sind für einige Fachvertreter wei- terhin Klassifikationssysteme, die auch Aussagen über den zu erwartenden Verlauf und die Ursachen einer psychischen Störung machen, das Idealziel.

45
Q

Geschichtliche Entwicklung: ab wann gab es eine internationale Klassifikation psychischer Störungen?

A

Der Beginn einer internationalen Klassifikation psy- chischer Störungen wird auf das Jahr 1948 datiert. Das alle Krankheiten umfassende Klassifikationssys- tem der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die International Statistical Classification of Diseases, Injuries and Causes of Death (ICD), das damals in der 6. Ausgabe erschien (ICD-6), enthielt zum ersten Mal in der Geschichte des Systems ein eigenes Kapi- tel über „geistige, psychoneurotische und Persön- lichkeitsstörungen“ (Kapitel V).

46
Q

Dass das DSM-III und die nachfolgenden Revisio- nen internationale Anerkennung fanden und Ein- fluss auf die Überarbeitung der ICD gewinnen konnten (s. u.), wird auf mehrere Faktoren zurück- geführt. Wichtig hierfür war u. a., dass

A

● das Krankheitskonzept zugunsten des Konzeptes der psychischen Störung aufgegeben wurde ,
● das DSM-III als „atheoretisches“, deskriptives Klassifikationssystem eingeführt wurde, sich also auf beobachtbare und beschreibbare Symp- tome zu beschränken versuchte und ätiologische Annahmen weitgehend ausklammerte, und dass
● für die einzelnen Störungsbilder genaue Ein- und Ausschlusskriterien sowie Entscheidungs- regeln für die Zuordnung von „Fällen“ zu Stö- rungsbildern angegeben wurden.

47
Q

Das DSM gilt damit als Wegbereiter der ….. der Störungsbilder und wird daher in der…. und …. For- schung der ICD meist vorgezogen.

A

Das DSM gilt damit als Wegbereiter der Operatio- nalisierung der Störungsbilder und wird daher in der psychiatrischen und psychologischen For- schung der ICD meist vorgezogen.

48
Q

Wie lässt sich der dem DSM entgegengebrachten Enthusiasmus interpretieren?

A

Der dem DSM-III entgegengebrachte Enthusiasmus lässt sich einerseits als Ausdruck der Erleichterung darüber interpretieren, dass damit Streitigkeiten zwischen den Disziplinen (Psychiatrie und Psycho- logie) und den unterschiedlichen psychotherapeu- tischen Ansätzen gelegt zu sein schienen (s. S. 34 f.), andererseits als Ausdruck dessen, dass die Ope- rationalisierung der einzelnen Störungsbilder die Überwindung der Mängel früherer Klassifikations- systeme versprach. Diese waren u. a. wegen ihrer unzureichenden Reliabilität und ihrer Anfälligkeit für Täuschungen kritisiert worden.

49
Q

Nach wie vor bestehen DSM und ICD nebeneinan- der. Die beiden aktuell gültigen Klassifikationssys- teme ICD-10 und DSM-IV-TR weisen aber hinsicht- lich ihrer Prinzipien, ihres Aufbaus und hinsicht- lich der Definition der meisten Störungsbilder seit Erscheinen der ICD-10 viele Parallelen auf: (Gemeinsamkeiten und unterschiede)

A

Ähnlich wie die ICD-10 die Neuerungen des DSM-III be- rücksichtigte, passte sich später das DSM-IV der ICD-10 an, indem neue Diagnosen vorwiegend aus der ICD-10 übernommen wurden. Dennoch blei- ben Unterschiede bestehen. Das liegt u.a. daran, dass die Klassifikation psychischer Störungen in der ICD in ein System der Klassifikation und Diag- nose aller Erkrankungen eingebettet ist und da- mit den übergeordneten Kodierregeln des Ge- samtsystems unterliegt. Außerdem ist die ICD für Dokumentationen im Rahmen der Gesundheits- versorgung weltweit verbindlich. Sie muss daher mehr Offenheit zulassen, damit länderspezifische und kulturelle Besonderheiten Berücksichtigung finden können.

50
Q

Hauptkategorien der ICD 10

A

Die ICD-10 besteht aus ins- gesamt 21 Kapiteln. Die Klassifikation psychischer Störungen findet sich in Kapitel V (Psychische und Verhaltensstörungen). Psychische Störungen sind hier in zehn Hauptgruppen mit insgesamt fast 400 Diagnosen eingeteilt.

51
Q

Kodierung der ICD 10

A

Alle Diagnosen werden mit dem Buchstaben F (daher F-Kodes) und mindestens vier (in seltenen Fällen fünf) Ziffern verschlüsselt. Eine zweistellige Kodierung (= Buchstabe „F“ + Zahl) verweist auf eine der zehn Hauptkate- gorien von Störungen, eine dreistellige Kodierung auf Störungen innerhalb dieser Hauptkategorien, eine vierstellige Kodierung auf Subkategorien von Störungen, mit fünfstelligen und sechsstelligen Ko- dierungen wird ausgedrückt, dass Zusatzspezifika- tionen angegeben werden.

52
Q

Warum bleibt der ICD 10 viel Raum für Erweiterungen und Revisionen?

A

Da schon die fünfstellige Kodierung nur bei einem Teil der Diagnosen vorkommt, die sechsstellige Ko- dierung nur bei sehr wenigen Störungsbildern ver- wendet wird und außerdem an mehreren Stellen eine unspezifische Restkategorie vorgesehen ist, die es erlaubt, unklare Fälle als „nicht näher be- zeichnete“ Störungen einzuordnen, bleibt in der ICD-10 viel Raum für Erweiterungen und Revisio- nen. Das ergibt sich aus dem Anspruch der ICD, weltweit anwendbar zu sein und deshalb kultu- relle Gegebenheiten zu berücksichtigen.

53
Q

Forschungskriterien des ICD 10

A

Die für die Praxis gedach- te ICD-10 enthält zwar differenzierte Beschreibun- gen, Kriterienkataloge und diagnostische Leitlini- en, die angeben, wie die Kriterien zu berücksichti- gen sind, sie gilt aber für Forschungszwecke als unzureichend. Deshalb wurde eine zusätzliche Version der ICD-10 entwickelt, in denen die diag- nostischen Kriterien besser operationalisiert wur- den und die im deutschen Sprachraum unter der Abkürzung Forschungskriterien bekannt ist

54
Q

Die aktuell gültige Version des DSM ist das DSM-IV- TR. Das DSM-IV-TR ist fast deckungsgleich mit der Vorläuferversion, dem DSM-IV enthält aber gegenüber dem DSM-IV:

A

● einige Änderungen im Text zu den Störungsbil- dern („TR“ steht für „text revision“),
● einige Kriterienänderungen (z.B. in Bezug auf Paraphilien wie den Exhibitionismus und den Frotteurismus) und
Änderungen in den Vorschriften für die Beurtei- lung des globalen Funktionsniveaus.

55
Q

Multiaxiale Klassifikation. DSM V

A

Beim DSM-IV-TR handelt es sich um ein multiaxiales Klassifika- tionssystem, d. h.: Die für die Diagnosestellung re- levanten Informationen sind auf mehreren Achsen zu beurteilen und zu kodieren. Das DSM-IV-TR un- terscheidet fünf Achsen

56
Q

DSM V: Achse I und II

A
  • Achse I und II: Die Klassifikation psychischer Stö- rungen im engen Sinn erfolgt auf den ersten bei- den Achsen. Auf Achse I werden im DSM-IV-TR die sog. Klinischen Störungen in 16 diagnostische Hauptkategorien eingeteilt Achse II umfasst zwölf Kategorien: elf Persönlichkeitsstö- rungen und „geistige Behinderung“
  • Dass die Persönlichkeitsstörungen im DSM-IV-TR (gemeinsam mit geistiger Behinderung) auf einer eigenen Achse (Achse II) kodiert werden, soll aus- drücken, dass Persönlichkeitsstörungen aufgrund ihrer besonders langen Dauer ein besonderer Sta- tus zukommt. Außerdem soll sichergestellt wer- den, dass Persönlichkeitsstörungen (sowie unan- gepasste bzw. problematische Persönlichkeitszüge) auch dann nicht übersehen werden, wenn die Symptome einer klinischen Störung im Vorder- grund stehen.
57
Q

Mehrfachkodierungen und Mehrfachdiagnosen sind sowohl innerhalb der Achse I als auch als Kombination von Achse-I-Störungen und Achse-II- Störungen denkbar:

A

Es wird sogar explizit dazu aufgefordert, alle im Lebenslauf aufgetretenen Stö- rungen zu kodieren. Liegen bei einer Person zwei oder mehr psychische Störungen gleichzeitig vor, spricht man von Komorbidität – ein Begriff, der nicht wirklich daran glauben lässt, dass das Kon- zept der psychischen Krankheit aufgegeben wor- den ist. Bei mehreren Achse-I-Diagnosen ist die Hauptdiagnose bzw. (bei „anderen klinisch rele- vanten Problemen“) der Konsultationsgrund an die erste Stelle zu setzen. Wenn sowohl eine Ach- se-I-Störung als auch eine Achse-II-Störung vor- liegen, geht man davon aus, dass die Hauptdiag- nose auf Achse I angesiedelt ist. Eine Ausnahme wird nur dann gemacht, wenn die Achse-II-Stö- rung explizit als Hauptdiagnose ausgewiesen wird.

58
Q

DSMV: Achse III und IV:

A

Mit Achse III soll vermieden wer- den, dass medizinische Krankheitsfaktoren über- sehen werden. Auch die psychosozialen und um- gebungsbedingten Probleme, die auf Achse IV er- hoben werden sollen, können für die Diagnose, Be- handlung und Prognose einer Störung relevant sein. Erwähnt werden u. a.
● Probleme mit der Hauptbezugsgruppe,
● Probleme im sozialen Umfeld,
● berufliche Probleme,
● wirtschaftliche Probleme sowie
● Probleme beim Zugang zu Einrichtungen der Krankenversorgung.

59
Q

DSM V: Achse V:

A

Während die ersten vier Achsen typolo- gisch aufgebaut sind, wird das psychosoziale Funk- tionsniveau auf Achse V dimensional (auf einer Skala von 0–100) beurteilt. Die globale Erfassung des Funktionsniveaus mithilfe der GAF-Skala (GAF = Global Assessment of Functioning) soll bei der Therapieplanung, der Prognose und der Verän- derungsmessung helfen.

60
Q

DSM V: Diagnostische Kriterien.

A

Für jede psychische Störung werden im DSM-IV-TR deskriptiv diag- nostische Kriterien angegeben. Außerdem wird – dem Anspruch der Operationalisierung entspre- chend – angegeben, wie viele und welche dieser Kriterien zur Erstellung der jeweiligen Diagnose vorliegen müssen und welche Ausschlusskrite- rien zu beachten sind.

61
Q

Detaillierte Beschreibung der einzelnen Stö- rungen. Zusätzlich zu den diagnostischen Krite- rien enthält das DSM-IV-TR eine detaillierte Be- schreibung der einzelnen Störungen, die folgen- der Gliederung folgt:

A

● diagnostische Merkmale (damit ist die Beschrei- bung der diagnostischen Kriterien gemeint),
● Subtypen und/oder Zusatzkodierungen,
● Kodierungsregeln,
● zugehörige Merkmale und Störungen (z. B. medi-
zinische Laborbefunde oder Befunde körper-
licher Untersuchungen),
esondere kulturelle, Alters- und Geschlechts-merkmale
Prävalenz (d. h. Daten zur
der Störung; s. S. 85),
Verlauf,
familiäres Verteilungsmuster der Störung sowie
● „Differenzialdiagnose“ (hier wird erläutert, wie die jeweilige Störung von anderen Störungen mit
ähnlichen Merkmalen abzugrenzen ist).

62
Q

Bei den Achse-II-Störungen, also den …., werden zusätzlich zu den Krite- rien der einzelnen Störung und zur systematischen Beschreibung jeder einzelnen Persönlichkeitsstö- rung …. Kriterien aufgelistet, die – über die diagnostischen Kriterien der jeweiligen Stö- rung hinaus – bei allen …. erfüllt sein müssen

A

Bei den Achse-II-Störungen, also den Persönlich- keitsstörungen, werden zusätzlich zu den Krite- rien der einzelnen Störung und zur systematischen Beschreibung jeder einzelnen Persönlichkeitsstö- rung diagnostische Kriterien aufgelistet, die – über die diagnostischen Kriterien der jeweiligen Stö- rung hinaus – bei allen Persönlichkeitsstörungen erfüllt sein müssen

63
Q

Entscheidungsbäume IM DSM V

A

Für einige psychische Störungen – z. B. für Angststörungen, affektive Stö- rungen, substanzinduzierte Störungen und soma- toforme Störungen – bietet das DSM-IV-TR Ent- scheidungsbäume an, welche die Differenzialdiag- nose erleichtern sollen. Jeder dieser Entschei- dungsbäume beginnt mit Angaben zu bestimmten Symptomen und enthält eine vorgegebene Reihen- folge von Fragen, mit deren Hilfe die Diagnosestel- lung präzisiert werden soll. Das soll am Beispiel des Entscheidungsbaums für affektive Störungen veranschaulicht werden

64
Q

Leitfaden zur Beurteilung kultureller Einfluss- faktoren. DSM V

A

Leitfaden zur Beurteilung kultureller Einfluss- faktoren. Außerdem enthält das DSM-IV-TR einen Leitfaden zur Beurteilung kultureller Einfluss- faktoren, der als Ergänzung zur multiaxialen diag- nostischen Beurteilung gedacht ist „und den Schwierigkeiten bei der Anwendung von DSM-IV- Kriterien in einer multikulturellen Umgebung Rechnung tragen soll“

Das mag zwar ein Fortschritt gegenüber früheren Versionen des DSM sein, weil damit zumindest ausgedrückt wird, dass die Bedeutung der kultu- rellen Dimension erkannt wurde. Stutzig macht al- lerdings, dass dieser Leitfaden in den Anhang des DSM-IV-TR verbannt wurde und dass es offen- sichtlich dem Diagnostiker überlassen bleibt, ob er sich daran orientieren möchte oder nicht. Auch das Glossar kulturabhängiger Syndrome, das sich im selben Anhang findet wie der genannte Leitfa- den, überzeugt nicht wirklich davon, dass das DSM seinen universalistischen Anspruch und seinen westlichen Bias aufgegeben habe

65
Q

Kernpunkte

  • Sowohl die ICD-10, Kapitel V als auch das DSM- IV-TR sind …. Klassifikationssysteme. Sie gehen nicht mehr von eindeutig voneinander zu trennenden Störungsklassen aus, sondern er- lauben die Vergabe mehrerer … und sind offen für … und …..
    Zu den wichtigsten Unterschieden zwischen DSM-IV-TR und Kapitel V der ICD-10 gehören
    ● ?
    ● ?
    ● ?
    Diese Unterschiede haben Auswirkungen auf die Akzeptanz und Anwendbarkeit der beiden Klassi- fikationssysteme: Das DSM-IV-TR wird in …. besser bewertet als die ICD- 10. In der … hat dagegen die ICD-10 mehr Gewicht.
A

Kernpunkte

  • Sowohl die ICD-10, Kapitel V als auch das DSM- IV-TR sind deskriptive Klassifikationssysteme. Sie gehen nicht mehr von eindeutig voneinander zu trennenden Störungsklassen aus, sondern er- lauben die Vergabe mehrerer Diagnosen (Kon- zept der Komorbidität; s. S. 58) und sind offen für Erweiterungen und Revisionen.
    Zu den wichtigsten Unterschieden zwischen DSM-IV-TR und Kapitel V der ICD-10 gehören
    ● dermultiaxialeAufbaudesDSM-IV-TR,
    ● die weitaus stärkere Operationalisierung der
    Störungsbilder im DSM-IV-TR und – damit zu- sammenhängend – eindeutigere Entschei- dungsregeln,
    ● die konsequentere Abkehr von „theoretisch vorbelasteten“ Begriffen (wie z. B. „Neurose“) im DSM-IV-TR und
    das stärkere Bemühen um eine interkulturelle Perspektive in der ICD-10.
    Diese Unterschiede haben Auswirkungen auf die Akzeptanz und Anwendbarkeit der beiden Klassi- fikationssysteme: Das DSM-IV-TR wird in For- schungskontexten besser bewertet als die ICD- 10. In der Praxis hat dagegen die ICD-10 mehr Gewicht.
66
Q

Einwände gegen die klassifikatorische Diagnostik:

A

Der positiven Bewertung der deskriptiven, atheo- retischen Klassifikationssysteme im Kontext von Forschung und Qualitätssicherung steht eine eher skeptische bis ablehnende Haltung bezüglich ih- res Stellenwerts für die psychotherapeutische Praxis gegenüber:

  1. Eine Neutralität im Hinblick auf ätiologische Theorien sei unrealistisch,
  2. eine Stan- dardisierung diagnostischer Entscheidungen kon- traproduktiv. 3. Praktiker sehen darüber hinaus in der klassifikatorischen Diagnostik häufig eine Ab- wertung ihres theoretischen Hintergrundwissens und ihres Erfahrungswissens und befürchten ne- gative Einflüsse auf die therapeutische Beziehung und den therapeutischen Prozess. Die Vergabe von Diagnosen nach ICD-10 wird daher häufig nur als lästige Pflicht gesehen, die aus abrechnungstech- nischen Gründen und zu Dokumentationszwecken unvermeidbar, für die therapeutische Beziehung aber eher schädlich als nützlich sei.
67
Q

Da im diagnostischen Prozess neben deskriptiven Informationen auch Hypothesen und Interpreta- tionen erforderlich sind (s.u.), erstaunt es nicht, dass Praktiker über Vorschläge, die ihre Interpreta- tionsspielräume eingrenzen, meist nicht begeistert sind. Dementsprechend haben sich strukturierte oder gar standardisierte diagnostische Interviews:

A

Da im diagnostischen Prozess neben deskriptiven Informationen auch Hypothesen und Interpreta- tionen erforderlich sind (s.u.), erstaunt es nicht, dass Praktiker über Vorschläge, die ihre Interpreta- tionsspielräume eingrenzen, meist nicht begeistert sind. Dementsprechend haben sich strukturierte oder gar standardisierte diagnostische Interviews, wie sie für die klassifikatorische Diagnostik ent- wickelt wurden (vgl. z.B. Stieglitz, 2008), in der Routinepraxis bisher kaum durchgesetzt, obwohl sie inzwischen zum Standard in Forschungsprojek- ten geworden sind und aus epidemiologischen Un- tersuchungen nicht mehr wegzudenken sind.

68
Q

Die kritische Bewertung der klassifikatorischen Diagnostik ergibt sich aus:

A

Die kritische Bewertung der klassifikatorischen Diagnostik ergibt sich aber nicht nur aus ihrer ein- geschränkten Relevanz für das konkrete praktische Handeln und den Schwierigkeiten der Umsetzung, sondern auch daraus, dass der Ausschluss eines theoretischen Denkens aus der psychotherapeuti- schen Praxis weder möglich noch wünschenswert ist. Dazu kommt, dass die Revisionen der Klassifi- kationssysteme den Praktikern ein ständiges Um- lernen abverlangen, zu dem sie umso weniger be- reit sein werden, je mehr sie von bisher verwende- ten Konzepten überzeugt sind. Außerdem lässt sich gegen die derzeit gebräuchlichen Klassifikati- onssysteme einwenden, dass es nicht gelungen ist, den deskriptiven Ansatz durchzuhalten. So enthal- ten einige Zusatzkriterien auch Aussagen über ätiologische Aspekte (wie z. B. „substanzinduziert“, „auf Grund eines medizinischen Krankheitsfak- tors“ etc.). Und auch Achse IV („Psychosoziale und umgebungsbedingte Probleme“) lässt sich als An- erkennung des Stellenwerts ätiologischer Aspekte verstehen. Auf Achse IV sollen zwar vorwiegend Belastungen der letzten zwölf Monate erhoben werden, auch weiter zurückliegende Probleme können aber mit erhoben werden, „wenn diese zur Entwicklung der psychischen Störungsproblematik gravierend beigetragen haben oder Anlass zur aku- ten Behandlung geben (z. B. traumatische Ereignis- se bei einer posttraumatischen Belastungsstö- rung)“

69
Q

Die klassifikatorische Diagnostik

A

Anders als in der Forschung wird die klassifikato- rische Diagnostik in der Praxis eher negativ be- wertet. Sie biete kaum Hilfen für das konkrete praktische Handeln, sei für die therapeutische Beziehung eher schädlich als nützlich und ent- werte das theoretische Hintergrundwissen und das Erfahrungswissen von Praktikern. Klassifikato- rische Diagnostik gilt daher in der Praxis häufig als lästige, aus abrechnungstechnischen Gründen aber unvermeidbare Pflicht.

70
Q

Diagnostik in der psycho- therapeutischen Praxis

Allgemeine Indikationsstellung.

A

Nun wird oh- nehin betont, dass eine klassifikatorische Diagnos- tik das klinische Urteil nicht ersetzen, sondern nur ergänzen soll. Das ergibt sich schon daraus, dass in der Praxis neben der klassifikatorischen Diagnos- tik noch andere Varianten der Diagnostik wichtig sind. Praxisrelevanz kommt der klassifikatori- schen Diagnostik lediglich im Rahmen der all- gemeinen Indikationsstellung zu: um festzustel- len, ob überhaupt eine psychische Störung mit Krankheitswert (und deshalb eine Behandlungs- notwendigkeit) vorliegt. Das ist für die Übernahme der Behandlungskosten durch die Kassen von gro- ßer Bedeutung.

71
Q

Differenzielle Indikationsstellung.

A

Selbst die Übernahme der Behandlungskosten durch die Kas- sen erfolgt aber nicht allein auf Basis der klassifika- torischen Diagnostik. Denn die Herleitung von Ent- scheidungen für konkrete Behandlungsmaßnahmen – die differenzielle Indikationsstellung – verlangt Antworten auf andere Fragen: Welche Bedingungen haben zu dieser psychischen Störung geführt? Wo- durch wird sie aufrechterhalten und welcher Verlauf ist zu erwarten? – Therapeuten müssen daher in ih- rem Bericht an den Gutachter auch Angaben zur lebensgeschichtlichen Entwicklung des Patienten, zur Krankheitsanamnese, zu den Thera- piezielen und zur Prognose machen

72
Q

Für die differenzielle Indikationsstellung ist also eine Diagnostik nötig, die ?

A

Für die differenzielle Indikationsstellung ist also eine Diagnostik nötig, die ätiologisch und prognos- tisch ausgerichtet ist. Erfolgt die ätiologisch orientierte Diagnos- tik mithilfe biografischer Anamnesen, Problem- und Verhaltensanalysen oder standardisierter psy- chometrischer Instrumente, geht es in der prog- nostisch orientierten Diagnostik u. a. um die Ab- klärung von Therapiemotivation, Ressourcen und Bewältigungsstilen des Patienten und um seine Bereitschaft und Fähigkeit, sich auf eine therapeu- tische Beziehung einzulassen. Ätiologisch und prognostisch orientierte Diagnostik werden idea- lerweise noch um die (interventionsbegleitende) Prozessdiagnostik erweitert, in der z.B. die An- sprechbarkeit des Patienten auf die Psychotherapie und die Fortschritte des Patienten (oder das Aus- bleiben von Fortschritten) erhoben werden. Dazu werden etwa Stundenbögen und Protokollbögen oder Zielerreichungsskalen eingesetzt. Auch die Besprechung der Psychotherapie im Rahmen der Supervision (s.S. 241 f.) ist der Prozessdiagnostik zuzuordnen.

73
Q

Kernpunkte

Die klassifikatorische Diagnostik spielt in der …. Praxis nur im Rahmen der allgemeinen ….. eine Rolle; sie hilft dabei festzustellen, ob überhaupt eine …. vor- liegt.
FürdiedifferenzielleIndikationsklärungistda- gegen eine …. erforderlich, die … und prognostisch ausgerichtet ist; idea- lerweise werden zusätzlich noch Methoden der Prozessdiagnostik eingesetzt.

A

Kernpunkte

Die klassifikatorische Diagnostik spielt in der psychotherapeutischen Praxis nur im Rahmen der allgemeinen Indikationsklärung eine Rolle; sie hilft dabei festzustellen, ob überhaupt eine psychische Störung mit Krankheitswert vor- liegt.
FürdiedifferenzielleIndikationsklärungistda- gegen eine Diagnostik erforderlich, die ätiolo- gisch und prognostisch ausgerichtet ist; idea- lerweise werden zusätzlich noch Methoden der Prozessdiagnostik eingesetzt.