Prüfung FS18 Flashcards
(17 cards)
Genossenschaftliche Verbände bildeten im Mittelalter vielfach Grundelemente der Wirtschaftsordnung. Beschreiben Sie die Unterschiede und Gmeinsamkeiten von Kaufmannsgilden einerseits und städtischen Zünften andererseits:
- (1) Kaufmanngilden und städtische Zünfte waren freie Vereinigungen je spezifischer Wirtschaftsakteure;
- Vereinigungen entwickelten sich im Spätmittelalter durch Schwureinigungen, sie waren also Typus einer autonomen Verbandsbildung;
- beide Verbandstypen werden durch die Forschung als spezielle Ausformungen der “Gilde” verstanden;
- (2) gemeinsam war diesen autonomen Verbandsbildungen, die jeweils auch eigenständig Recht setzten, dass sie im Laufe des späten Mittelalters ihre machtvollen Positionen nutzten, um sich mit der weltlichen Herrschhaft zu organisieren* bzw. diese *mitzugestalten
- (3) ⇔ im Unterschied zu Kaufmannsgilden agierten Zünfte ausschliesslich im städtischen Kontext und grundsätzlich nicht überregional;
- Zünfte bestanden nur aus Handwerkern und vertraten* demnach *deren Interessen;
- als kollektive Identität achteten die Zünfte bspw. auf einen
- Standard der Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder,
- führten Qualitätskontrollen der Handwerkbetriebe durch und
- übernahmen sozialpolitische Aufgaben;
- (4) ⇔ die Kaufmannsgilden formierten sich hingegen insb. aus dem Grund von Risikoallokationen;
- insb. im Seeverkehr war es für die einzelnen Kaufleute wichtig, nicht das alleinige Risiko der Warenverschlechterung/des Warenverlusts zu tragen;
- Kaufmannsgilden waren im Ausgangspunkt folglich Risikogemeinschaften;
- darüber hinaus sorgten sie aber auch für sichere Transportwege und Qualitätsstandards an den Handelsorten;
- Hauptzweck der grossen europäischen Kaufmannsgilden war es, überregional Handel zu erleichtern und zu sichern
In der Debatte über die Geschichte der Zünfte wird seit einiger Zeit darüber gestritten, ob die Zünfte im 18. Jh. ein Hemmnis der (Proto-)Industrialisierung und der Entstehung des modernen Kapitalismus bildeten. Wie sehen Sie diese Frage?
(verschiedene Positionen möglich)
- (1) für die These von den Zünften als Hemmnis lässt sich anführen, dass die. monopolförmige zünftische Marktordnung keinen Wettbewerb zuliess* und damit *alle Anreize auslöschte, durch Innovation - auch und gerade im Bereich der Technik - Produktionsabläufe zu verändern;
- (2) zudem: die von Zünften gepflegten Techniken der handwerklichen Herstellung waren gearde nicht kompatibel mit den arbeitsteilig organisiserten Produktionsprozessen industrialisierter Prägung;
- (3) ⇔ andererseits: es lässt sich auch sagen, dass es (nicht zuletzt im Zusammenhang der merkantilistisch-kameralistischen Politik) mehr und mehr Betriebe gab, die sich kraft Privilegs protoindustrieller Techniken bedienten
Die Kontrolle der Münze bildete im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit eine zentrale Aufgabe hoheitlicher Herrschaft. Was spricht für und was spricht gegen die These, dass das herrscherliche “Münzregal” die rechtliche Ursache für eine Vielzahl von Währungskrisen bildete?
- (1) als “Münzregal” wird die königliche Herrschaftsbefugnis bezeichnet, Münzen in den Umlauf zu bringen und zu Zahlungsmitteln zu ekrlären, die allein für die Begleichung von Geldschulden benutzt werden dürfen, während andere Münzen nicht zur Erfüllung von Verbindlichkeiten eingesetzt werden dürfen;
- als “Regal” war das Münzrecht auch durch Privileg transferierbar und gelangte deswegen regelmässig auch an territoriale Herrscher;
- (2) das “Münzregal” wurde oftmals einseitig zu fiskalischen Zwecken eingesetzt;
- es kam vor, dass bei der Herstellung bzw. Neuprägung von Münzen der t_atsächliche Edelmetallgehalt_ nicht dem hoheitlich gesetzten Wert der Münze entsprach;
- durch Verringerung des Edelmettalgehalts der Münze konnten Herrscher Einsparungen* erzielen / *mehr Münzwert generieren, als es ihren tatsächlichen Edelmetallressourcen entsprach;
- dadurch ging Aussenwert der geprägten Münzen gegenüber anderen Währungen rasch und dramatisch hinunter;
- schwacher Aussenwert* führte relativ häufig zu *inflationären Tendenzen im Herrschaftsraum des Münzberechtigten
- (3) Münzrecht allein, das in der Gegenwart seine Fortsetzung im staatlichen Recht der Geldausgabe findet, muss nicht zwingend zu Währungskrisen führen;
⇒ entscheidend waren vielmehr die fiskalpolitischen Zielsetzungen, also der Versuch, mit Hilfe von Ab- und Aufwertungen der Münze in grossem Umfang Einnahmen zu erzielen
Kontrolle der Münze: Bis ins 19. Jh. hinein entstanden immer wieder Münzvereine und ähnliche Zusammenschlüsse wie etwa 1865 die sog. “Lateinische Münzunion”. Was war die Zielsetzung solcher Verbände?
- (1) Münzvereine und ähnliche Zusammenschlüsse einigten sich regelmässig auf
- einen spezifischen Währungswert* (einschliessl. des jeweiligen *Edelmetallgehalts),
- auf die _Gültigkeit fremde_r und
- ggf. eigener Münzen sowie
- unter Umständen auch über den Ausschluss bestimmter Münzen;
- (2) Münzvereine dienten in dieser Form
- (a) der Herstellung einer stabilen Währung im Wirtschaftsraum des Vereins und
- (b) der Minimierung von Transaktionskosten durch die Beseitigung der Notwendigkeit des Geldumtauschs
Welche Unterschiede und welche Gemeinsamkeiten zwischen Münzvereinen und Münzunionen einerseits und staatlichen Zentralbanken andererseits lassen sich ausmachen?
- (1) Münzvereine wie auch Nationalbanken sind zentrale Instumente einer Geldpolitik* die auf eine *stabile Währung in dem jeweils von beiden Institutionen verantworteten Raum setzen;
- zielen beide regelmässig auf eine mehr oder weniger stark ausgeprägte EInförmigkeit der Währung im betroffenen Währungsgebiet;
- Nationalbanken aber auch Münzvereine schaffen grds. eigene Zahlungsmittel* durch das *Geldschöpfungsrecht* oder die *eigene Münzprägung;
- (2) ⇔ Nationalbanken haben immer auch Bezug zum jeweiligen Bankensystem;
- zeigt sich v.a. in ihrer Funktion als “lender of the last resort”; letzte Instanz der Kreditgebung und “Bank der Banken”
- diese Funktion haben Münzvereine i.d.R. nicht
Mit der sog. Commercial Revolution, die im 12. Jh. ihren Anfang nahm, setzte eine grundl. Änderung der Wirtschaftsordnung und der Finanzwirtschaft in Europa ein.
Welche Akteure vergaben im frühen und hohen Mittelalter i.d.R. Kredite und von welchen in Oberitalien entstehenden Institutionen wurden sie im 13. Jh. abgelöst?
- ursprünglich fehlte es an spezifisch auf Kreditvergabe spezialisierten Akteuren;
- es lässt sich aber sagen, dass es v.a. die Goldschmiede waren, die sich bei der Vergabe auch von Krediten betätigten;
- Kredite wurden auch durch Kaufleute (insb. auch auf Messen) vergeben;
- seit dem 12. Jh. entstanden zunächst in Oberitalien, dann in ganz Europa Banken, die dann zu den massg. Institutionen der Kreditvergabe wurden
Commercial Revolution (12. Jh.)
Skizzieren Sie die Funktionsmechanismen und Zwecksetzungen von Wechselpapieren im Wirtschaftsverkehr des späten Mittelalters:
- (1) Wechsel sind Schuldbekenntnisse* über eine *Geldschuld mit einem bestimmten Fälligkeitsdatum, also rechtlich verbindliche Erklärungen, eine bestimmte Summe Geld zu schulden, die an einem bestimmten Zeitpunkt fällig wird;
→ Wechsel enthielten häufig auch Wertsicherungsklauseln, die den Wert der Fordeurng in andere Währungen umrechnete - (2) Wechsel waren im Ausgangspunkt Instrumente zur Kreditierung des Warenkaufs, wurden dann aber auch rasch eingesetzt, um die Übermittlung von Geld über längere Wege hinweg durch Einschaltung von Beauftragten und Zahlungsnetze möglich zu machen;
- (3) im Übergang zur frühen Neuzeit wurden Wechsel vollends auch zum Gegenstand des Handels und damit zu einem der ersten Wertpapiere, das an Börsen wie bspw. in Antwerpen gehandelt wurden
Commercial Revolution: Die “compagnia secreta” breitete sich insb. im Mittelmeerraum aus. Skizzieren Sie ihre Organisationsform und ihre Zwecksetzungen:
- (1) die “compagnia secreta” lässt sich beschreiben als Form der Beteiligung an einem Handelsgeschäft, die aber ihrerseits nicht offengelegt wird (und daher “sekret” bleibt);
- (2) die “compagnia secreta” bot die Möglichkeit zur verdeckten Investition und in den Wettbewerbern damit nicht bekannte Geschäfte; auf diese Weise erweiterten sich die strategischen Optionen des Investors
Die seit dem 15. Jh. einsetzende Kolonialisierung hat die Entwicklung auch des Wirtschaftsrechts sehr beeinflusst. Beschreiben Sie wesentliche wirtschaftliche Konsequenzen der Kolonialisierung für die Preisentwicklung und die Börsen in Europa.
- (1) Kolonialisierung bewirkte die Erschliessung neuer Rohstoffe* und *neuer Märkte*; hinzu trat ein *gewaltiger Zufluss von Edelmetallen* und damit von *Münzen nach Europa;
⇒ auf diese trat Europa in den Status gewaltiger Liquidationsüberschüsse; - (2) an den Börsen wurde die Erschliessung der Kolonien über den Handel mit Papieren* der *Kolonialgesellschaften zu einem treibenden Faktor;
→ insb. der Zustrom neuen Geldes begünstigte inflationäre Preisentwicklungen
Die Gründung von Kolonialgesellschaften war eine Konsequenz der Kolonialisierung. Warum wurden Kolonialgesellschaften regelmässig durch staatliche Octroi oder einen ähnlichen Hoheitsakt gegründet?
- Hoheitsträger übertrug auf die Gesellschaft nicht selten Hoheitsrechte und musste schon deswegen einen entsprechenden Übertragungsakt vornehmen, der Teil des Octroi war;
- v.a. aber bot der Octroi die Möglichkeit, die Entstehung von Kolonialgesellschaften und damit auch den Zugang zu Kolonien vom Staat her zu regulieren;
- zudem: staatliche Gründung begründete Vertrauen in Gesellschaften und sollte damit Investitionen fördern
Wie lässt es sich erklären, dass Kolonialgesellschaften trotz staatlichen Ursprungs im 18. Jh. mehrfach zum Ausgangspunkt von schweren Finanzkrisen wurden?
- (1) Ausbeutung von Kolonien versprach* regelmässig *besonders hohe Renditen*; mehrfach kam es deswegen zu *Spekulationsblasen (bspw.: South Sea Bubble) und zu krisenhaften Entwicklungen an Börsen;
- (2) dazu auch: Umstand, dass auch und gerade staatliche Fiskalinteressen bestimmend für das Handeln hoheitlicher Akteure waren
- → bspw.: South Sea Bubble, Mississippi-Kompagnie*
- (3) v.a. fehlte es aber auch weitgehend an regulatorischen Vorgaben zur Sicherung von Transparenz* und *Integrität der Kommunikation der an der Börse tätigen Gesellschaften, wie sich v.a. im Fall der South-Sea-Company zeigte
Welche Unterschiede und welche Gemeinsamkeiten zwischen der sog. Fiktionstheorie der Kapitalgesellschaft einerseits und dem staatlichen Octroi für Kolonialgesellschaften andererseits lassen sich erkennen?
- (1) Fiktionstheorie der Kapitalgesellschaften (d.h. These, dass erst durch hoheitliches Handeln die Fiktion von Rechts- und Handlungsfähigkeit für Kapitalgesellschaften bewirkt wird) ist ein Erklärungsansatz* für die *juristische Persönlichkeit von Kapitalgesellschaften;
⇔ Octroi ist ein hoheitliches Handeln, das einer Kapitalgesellschaft überhaupt erst juristische Persönlichkeit verleiht - (2) beiden Elementen gemeinsam ist der Umstand, dass der Einfluss des Staates* auf den *Zugang von Kapitalgesellschaften zum Markt abschliessend gesichert wird;
⇒ wesentlich ist dabei die Konzeption, dass die Verleihung von Rechts- und Handlungsfähigkeit im Fall von menschlichen Verbänden allein durch staatliche Gewalt möglich ist
Skizzieren Sie Kohlers Gedankengang:

- (Kohler thematisiert die Bedeutung staatlichen Handelns für die Identität des Patent- und Erfinfderrechts:
- (I) den Ausgangspunkt seiner Überlegungen bildet die These, dass der Erfinder an seinen geistigen Schöpfungen ein Verwertungsrecht hat.
→ allerdings ist dieses Verwertungsrecht insb. dadurch bedroht, dass die Erfindung regelmässig bekannt und damit potentiell Bezugspunkt für Nachahmungen wird. - (II) dagegen schützt das Erfinderrecht, das sich insb. in der “Ertheilung des Paptents” manifestiert.
- (III) doch dieses Erfinderrecht ist nicht etwa eine staatliche Schöpfung oder die Verleihung eines Rechts durch den Staat an ein Individuu:.
⇒ Anstatt eines Rechtsschöpferischen Aktes repräsentiert das Patent vielmehr eine verbindliche Feststellung eines bereits bestehenden Rechts - (IV) das staatliche Handeln bei der Erteilung eines Privilegs dient insofern lediglich
- der Feststellung eines bereits bestehenden Rechts (also der faktischen Überprüfung von Originalität) und zugleich
- des Schutzes von Dritten
- (V) das Erfinderrecht ist also der staatlichen Prüfung vorgelagert
Inwiefern könnte man sagen, dass die Vorstellung vom “Erfinderrecht” (gem. Josef Kohler) als “Gebilde des positiven Rechts” eine Wurzel in der französischen Revolutionsgesetzgebung zur Erweiterung des Eigentums hat?
- (1) die französische Revolutionsgesetzgebung erweiterte 1793 den Eigentumsschutz um die geistigen Schöpfungen von Künstlern und Schriftstellern; bis dahin allein sachbezogene, dinglicher Eigentumsschutz wurde also auch auf immaterielle Güter ausgeweitet;
- (2) Erweiterung des Eigentumsschutzes schuf positivrechtlich ein neues Eigentumsrecht;
⇒ Staat wurde tatsächlich rechtsschöpferisch im Sinne Kohlers tätig
Inwiefern nimmt Josef Kohler mit dem Verweis auf die “Erlangung eines Privilegs” möglicherweise Bezug auf frühmoderne Traditionen des Urheberrechtsschutzes?
- (1) die ersten Ansätze eines allg. Urheberrechtsschutzes hatten ihre Wurzel in den hoheitlichen Privilegien für Drucker, durch die der unerlaubte Nachdruck ihrer Werke verboten wurde;
- (2) in diesem Fall wurde also durch einen herrschaftlichen Akt ein Stück weit eine Rechtsposition geschaffen, auch wenn sie im Kern lediglich aus einem Verbot bestand;
wiederum wurde also dem Schöpfer eines Werks ein Recht gewährt und nicht etwa ein bereits bestehendes Recht lediglich verbindlich festgestellt
Wo sehen Sie Gemeinsamkeiten und wo Unterschiede zwischen Josef Kohlers Überlegungen zur Rolle des Staates beim Erfinder- und Autorenrecht einerseits und in den gesetzgeberischen Konzeptionen zum Normativsystem im Gesellschaftsrecht des ausgeheneden 19. Jh. andererseits?
- (1) das Normativsystem war geprägt von dem Gedanken, dass eine juristische Person Rechtsfähigkeit nicht erst durch staatliche Genehmigung erlangte, sondern über die Eintragung in ein öffentliches Register* und die *Erfüllung von einzelnen gesetzlich verlangten Tatbestandsmerkmalen* im *Gesellschaftsvertrag (wie bspw. das Gründungskapital);
- (2) sowohl beim Normativsystem wie auch im ZSH des Erfinderrechts ist damit der Staat nicht als rechtsgewährende* oder *rechtsbegründende Instanz* angesprochen, sondern lediglich als *Garant bereits bestehender Rechte;
⇒ beide Konzeptionen gleichen sich also in der Betonung vorstaatlicher Rechtssphären; - (3a) ⇔ im Fall des Normativsystems sind es staatliche Gesetze, die die VSS für die Entstehung einer neuen juristischen Person festlegen; der Staat begründet also zwar nicht die juristische Person, aber er legt verbindlich die VSS dafür fest;
- (3b) ⇔ im Fall des Erfinderrechts ist die Rechtsposition dem Grundsatz nach begründet durch den erfinderischen Akt selbst; Staat ist lediglich in der Position einer feststellenden, anerkennenden Instanz;
⇒ Staatsferne ist so gesehen beim Erfinderrecht nach Kohler ausgeprägter als es diese beim Normativsystem ist
Inwiefern spiegelt sich in Kohlers Konzeption vom Erfinder- und Autorrecht eine insbesondere seit der zweiten Phase der Industrialisierung entstehende Probelemlage wider?
- (I) die zweite Phase der Industrialisierung war geprägt von der verstärkten Verbindung von Wirtschaft und Naturwissenschaften, die jetzt deutlich stärkeren Einfluss auf die Gestaltung von Produkten und Produktionsprozessen erlangte; dem entsprach auch der Aufschwung industriell betriebener Forschung und Entwicklung;
- (II) in der damit entstehenden Konkurrenzsituation gewannen Erfindungen und Publikationen naturgemäss besondere Bedeutung; sie wurden deswegen potentiell Gegenstand von Nachahmungen und damit der Ausbeutung von Dritten;
→ auf den Schutz gegen solche Übergriffe richten sich die Überlegungen von Kohler