Prüfung FS19 Flashcards

(19 cards)

1
Q

Der mittelalterliche Markt hatte eine grosse Bedeutung für die Bildung von Ordnungsstrukturen der Wirtschaft. Wer war zur Errichtung von Märkten berechtigt und was versteht man in diesem Zusammenhang unter einem “Marktregal”?

A
  • Befugnis zur Errichtung von Märkten ist ein königliches Recht. Sie beinhaltet die Befugnis;
    • einen Markt zu errichten und zu betreiben, also
    • insb. Marktgerichte zu etablieren und
    • Marktabgaben zu verlangen
  • Befugnis zählt zu den sog. “Regalen”, d.h. königlichen Rechten, die vom König übertragen werden können;
  • als Marktregal wurde es deswegen regelmässig an Adelige oder auch Städte verliehen
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2
Q

Welche Interessen von MarktteilnehmerInnen und HoheitsträgerInnen waren für die Errichtung von Märkten leitend?

(mittelalterliche Märkte; “mercatus”)

A
  • zwei Interessenfelder:
  • (1) Markt bot Möglichkeit für Eigenversorgung und den Absatz eigener Produkte;
  • (2) unabhängig davon konnten Herscherinnen und Herrscher an Marktumsätzen partizipieren, indem sie Marktabgaben (Waaggebühren, Standgebühren, o.ä.) oder auch Zölle (für die Einfuhr oder Ausfuhr von Waren im Zusammenhang mit Marktbesuchen) erhoben
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3
Q

Was ist unter “Marktzwang” zu verstehen?

(mittelalterlicher Markt; “mercatus”)

A
  • (1) Marktzwang war regelmässig Teil von Marktrechten, jedenfalls aber Teil der Regeln über den Markt. Inhaltlich stellt er das Verbot dar, ausserhalb der Marktzone Umsätze vorzunehmen.
  • (2) Die Funktion der Konzentration von Umsatzaktivitäten auf den Marktraum selbst bestand darin, auf diese Weise die Regeln über und für den Markt effizient durchzusetzen.
    Umsatzaktivitäten jenseits des Marktraums waren nicht kontrollierbar; dazu ergangenen Regeln waren deswegen potentiell nicht durchsetzbar
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4
Q

Im Lauf der Industrialisierung entstand in vielen Staaten eine neue Handelsgesetzgebung. Welche Entwicklungen wurden für diesen Gesetzgebungsschub im Handelsrecht wesentlich?

A
  • (1) Das Handelsrecht, zunächst verstanden als ein Sonderprivatrecht der Kaufleute, erfuhr im 19. Jh. im Zusammenhang mit der Industrialisierung und im Zeichen der Auflösung ständischer Strukturen Kritik. Das subjektive System galt als Fortsetzung der Sonderrechtsordnungen, die mit dem Postulat universeller Gleichheit vor und im Gesetz unvereinbar seien.
  • (2) Zudem wuchs im 19. Jh. der Kapitalbedarf im Zuge der Industrialisierung stark an.
    Um diesem Kapitalbedarf gerecht zu werden, boten sich Kapitalgesellschaften an. Mit dem Aufkommen dieser juristischen Personen wurde es notwendig, selbige auch im Handelsrecht zu erfassen.
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5
Q

Im Lauf der Industrialisierung entstand in vielen Staaten eine neue Handelsgesetzgebung.

Skizzieren Sie bitte den Unterschied zwischen dem objektiven und dem subjektiven System im Handelsrecht.

A
  • (1) “subjektives System” meint eine Handelsordnung, deren Anwendbarkeit bei bestimmten persönlichen Eigenschaften, konkret der Kaufmannseigenschaft, anknüpft.
    “objektives System” bezieht sich auf eine Handelsrechtsordnung, die dort anwendbar ist, wo bestimmten Rechtsgeschäften die Eigenschaft eines “Handelsgeschäfts” beigelegt wird (code de commerce 1808 bspw.);
  • (2) “subjektives System” entsprach der Tradition, in der Handelsrecht stets
    • das Sonderrecht einer bestimmten Gruppe (der Kaufleute) gewesen war, für die auch eine eigene Gerichtsbarkeit bestand;
    • nur Kaufleuten war damit auch die Rechtsmacht für bestimmte Typen von Rechtsgeschäften zugewiesen (z.B. Wechselgeschäfte);
    • im Handelsrecht bildete sich damit s_tändische Schichtung_ der Gesellschaft ab; wobei Kaufleute dem städtischen Bürgerstand zugewiesen waren;
    • im Zeichen der Auflösung ständischer Strukturen im 19. Jh. gerieten solche Sonderrechtsnormen in Kritik;
    • subjektives System galt als Fortsetzung solcher Sonderrechhtsordnungen, die mit Postulat der universellen Gleichheit vor dem Gesetz unvereinbar sind
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6
Q

Im Lauf der Industrialisierung entstand in vielen Staaten eine neue Handelsgesetzgebung.

Gerade in der Schweiz wurde heftig über die gesetzgeberische Form des Handelsrechts debattiert. Bitte skizzieren Sie die Hintergründe dieser Debatte und ihre Ergebnisse.

A
  • (1) Seit Mitte 19. Jh. wurde in der Schweiz über die Schaffung eines bundeseinheitlichen Handelsrechts diskutiert. Es ging nicht nur um die Frage der sachlichen Notwendigkeit eines einheitlichen kodifizierten Rechts, sondern auch um die dafür erforderliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes in Handelsrechtsangelegenheiten. Mit Gesamtrevision der Bundesverfassung 1874 erhielt Bund die Gesetzgebungskompetenz für das Obligationenrecht einschliesslich Handels- und Wechselrechts.
  • (2) In der Debatte um Kodifikation zeichneten sich drei Hauptpositionen ab:
    • eine stand einer vereinheitlichenden Kodifikation zum. für den Augenblick ablehnend gegenüber; beführwortete Beibehalten separater kantonaler Rechtstraditionen; Argumente siehe Stellungnahme Friedrich Carl von Savigny (1779 - 1861) im Kodifikationsstreit (1814)
      → Warnung davor, ohne genügende wissenschaftliche Aufarbeitung des Handelsrechts und ohne Untersuchung der kantonalen Rechtstraditionen einheitliche Kodifikation zu machen (Andreas Heusler)
    • andere Ansicht: Beführwortung; allerdings soll Kodifikation (ähnlich dem französischen Code Civil und Code du Commerce) getrennt von einer vorzunehmenden Kodifikation des allg. Zivilrechts erfolgen
    • dritte Ansicht: Beführworter;
  • (3) Konzept des Code unique (Kodifikation des Handelsrechts zusammen mit Kodifikation des Zivilrechts) konnte sich durchsetzen;
    ⇒ In Kraft Treten OR 1833;
    ⇒ Überlegung, dass eigenständige Kodifizierung des Handelsrechts Eindruck eines Sonderrechts für bestimmte Personen hätte entstehen lassen; wäre mit Postulat rechtlich egalitärer Gesellschaft nicht vereinbar gewesen
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7
Q
A
  • (1) Smith argumentiert gegen das Handelsprivileg, das Kolonialmächte jeweils mit den von ihnen beherrschten Kolonien hätten; dies führt gem. Smith dazu, dass der Wohlstand und Innovation nicht nur in betroffenen Kolonien, sondern auch in anderen Ländern gebremst wird;
  • (2) wenn die Exporte der Kolonien aufgr. von Restriktionen in anderen Ländern als dem Mutterland teurer werden, wird Kettenreaktion ausgelöst;
    → durch höheren Preis wird die Nachfragen nach Produkt zurückgehen, was Produktion und Wohlstand der Ländern künstlich klein hält, die in Kolonien exportieren wollen;
  • (3) dies verringert Wohlstand in den Produktionsländern und in den Kolonien selbst; freier Handel würde allen Beteiligten besser helfen
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8
Q

Inwiefern beschreibt der Text von Smith (1776) zum Wohlstand der Nationen Konsequenzen der seit dem 15. Jh. einsetzenden Kolonialisierung für die europäische Wirtschaft?

A
  • (1) Kolonialisierung bewirkt Erschliessung neuer Rohstoffe und neuer Märkte. Hinzu trat ein gewaltiger Zufluss von Edelmetallen und damit von Münzen nach Europa. Auf diese trat Europa in den Status gewaltiger Liquiditätsüberschüsse.
  • (2) An den Börsen wurde die Erschliessung der Kolonien über den Handel mit Papieren der Kolonialgesellschaft zu einem treibenden Faktor. Insbesondere der Zustrom neuen Geldes begünstigte inflationäre Preisentwicklungen.
  • (3) Investition in Kolonialhandelsgesellschaften versprach aufgr. der Ausbeutung der Kolonien hohe Renditen, weshalb es mehrfach zu Spekulationsblasen kam
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9
Q

Inwiefern beschreibt der Text von Smith (1776) zum Wohlstand der Nationen merkantilistische Praktiken der Kolonialmächte? Bitte erläutern Sie hierbei zugleich die Grundelemente des Merkantilismus:

A
  • (1) Der Merkantilismus war die im 16. - 18. Jh. in weiten Teilen Europas vorherrschende Wirtschaftsordnung. Ziel des Merkantilismus war die Steigerung der Staatseinkünfte und eine positive Kapitalbilanz. Mittel hierzu war in derster Linie eine intensive staatliche Wirtschaftsförderung;
  • (2) Umgesetz wurden diese Zielvorgaben insb. durch
    • gezielte Privilegierungen,
    • die Förderung von Manufakturen und
    • die gezielte Erweiterung von Infrastrukturen durch den Ausbau der Binnentransportwege (Chausseenbau), dessen Kosten allerd. vielfach auf regionale und lokale Herrschaftsträger abgewälzt wurde.
  • (3) Text: sehr kritische Haltung ggü. Merkantilismus:
    • Smith: Argumente für freien Handel, welcher unter einer merkantilistischen Politik nicht möglich bzw. nicht vorgesehen ist, da im Merkantilismus von einem “Nullsummenspiel” ausgegangen wird;
    • d.h. wirtschaflticher Wohlstand eines Landes konnte nur zulasten eines anderen Landes erreicht werden;
    • Smith: Meinung, dass Verfolgung individueller wirtschaftlicher Interessen Marktdynamiken fördert und damit Wohlstand der gesamten Nation erhöht
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10
Q

Kapitalgesellschaften bilden seit der Zeit der Kolonialisierung ein tragendes Element von Märkten und Wirtschaftsordnungen.

Worin sehen Sie Unterschiede und worin Gemeinsamkeiten zwischen den Kolonialhandelsgesellschaften der frühen Neuzeit und den Kapitalgesellschaften in der Zeit der Industrialisierung?

A
  • (1) Kolonialgesellschaften beruhten regelmässig auf einem hoheitlichen Akt, der sich im Erlass eines Gesellschaftsstatuts (in Form eines Privilegs oder eines Octroi) manifestierte;
    • dadurch wurden diese Gesellschaften zu rechtsfähigen Entitäten in der jeweiligen Rechtsordnung;
    • Kolonialgesellschaft wurde vom Staat mit Zwecksetzung versehen;
    • zugleich wurde ihnen die Befugnis eingeräumt, Aktien auszugeben und auf diese Weise um Kapitalinvestoren zu werben;
  • (2) Kapitalgesellschaften der Zeit der Industrialisiserung: es lässt sich ähnliches beobachten;
    • wurden ebenfalls häufig mittels Octroi gegründet und von Hoheitsträger mit Rechten ausgestattet;
    • insb. deshalb, da Kapitalgesellschaften zu dieser Zeit auch in staatlichem Interesse handelten (bspw.: Eisenbahnbau);
    • bei grösseren Projekten war immenser Kapitalbedarf vorhanden;
    • Kapitalgesellschaften werden im Unterschied zu Kolonialgesellschaften keine Hoheitsrechte übertragen (i.d.R.)
    • Kapitalgesellschaften haben eine ausgeprägtere, differenziertere Governance
    • Kapitalgesellschaften kommen auch durch einen hoheitlichen Akt zustande, aber Stimmen, dass diese Fiktion nicht nötig ist und die Gesellschaften auch vorher schon bestehen; entwickelt sich in diese Richtung
      → Konzessionssystem (dass Rechte fingiert werden) werden duch Normativsystem (dass nurnoch Eintragung nötig ist) verdrängt
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11
Q

Kapitalgesellschaften: Welche Überlegungen standen hinter den Regelungsansätzen von “Octroi” und “Konzession” im Hinblick auf die Errichtung von Kapitalgesellschaften?

A
  • (1) Unter dem Octroi-System versteht man eine spezielle Form staatlicher Ermächtigung zur Gründung einer Kapitalgesellschaft. Der Octroi ist ein _hoheitlichhes Handel_n, dass einer Kapitalgesellschaft überhaupt erst juristische Persönlichkeit verleiht.
  • (2) durch die staatliche Gründung wird die Anzahl der Kapitalgesellschaften kontrolliert und durch staatliche Genehmigung das Vertrauen der Anleger gesteigert
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12
Q

Kapitalgesellschaften: Bitte skizzieren Sie die Fiktionstheorie:

A
  • v.a. romanistische Seite der historischen Rechtsschule (Friedrich Carl von Savigny) vertratt die sog. Fiktionstheorie;
  • Rechtsfähigkeit war untrennbar mit der Qualität des Menschenseins und seiner individuellen Persönlichkeit verbunden;
  • nichtmenschlichen körperschafltichen Entitäten und damit insb. Kapitalgesellschaften konnte diese Rechtsfähigkeit nicht zukommen;
  • Rechhtsfähigkeit musste dementsprechend bei diesen Verbänden fingiert werden, Rechtsmacht hatte nur der Staat
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13
Q

Kapitalgesellschaften: Skizzieren Sie die Theorie der realen Verbandspersönlichkeit:

A
  • die germanische Seite der historischen Rechtsschule (insb. Otto von Gierke) ging von der Realität der Verbandspersönlichkeit aus;
  • Verbandspersönlichkeit war (gleich dem Menschen) in der Gestalt ihrer Organe ihrer Organwalter im Rechtsverkehr als Entität präsent;
  • es bedurfte zur Verleihung der Rechtspersönlichkeit keiner staatlichen Fiktion;
  • Rechtssicherheit wurde durch Eintrag in öffentlichem Register gewahrt
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14
Q

Inwiefern lässt sich die Theorie der realen Verbandspersönlichkeit auch als Reaktion auf Änderungen der Gesetzgebung zu Kapitalgesellschaften im ausgehenden 19. Jh. verstehen?

A
  • (1) die hoheitliche Genehmigung der Gründung von Kapitalgesellschaften (also staatliche Fiktion von Rechtsfähigkeit) hemmt die Entstehung von Kapitalgesellschaften und damit nicht nur den Börsenanteil sondern v.a. die Entstehung von finanziellen Gefässen für Finanzierung der Industrialisierun_g (bspw. Eisenbau);
    Voranschreiten der Industrialisierung lag aber im _Interesse der staatlichen Bürokratie
    und des _Wirtschaftsbürgertums_
  • (2) es ist kennzeichnend für politische Entwicklung in Europa in der Zeit von 1830 - 1870, dass der politische Liberalismus mehr und mehr an Boden gewann;
    damit unvereinbar war aber der staatliche Eingriff in Begründung von privatwirtschaftlichen Organisationsstrukturen;
    Genehmigungsvorbehalt für Kapitalgesellschaften wurde daher zunehmend zurückgenommen und durch schlichteren Registerzwang ersetzt
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15
Q

Kapitalgesellschaften: Welche Motive lagen der Einführung der GmbH als Kapitalgesellschaft zugrunde? Sehen Sie einen Bezug zur im 19. Jh. zum Teil weitverbreiteten Klage über die “Spekulation”?

A
  • das zur Gründung einer GmbH benötigte Kapital ist im Vergleich zur AG wesentlich geringer;
  • nach 1884 betrug das Kapital zur Gründung einer Aktiengesellschaft in DE bspw. 500’000 RM;
  • ausserdem wurde der Zugang zur Börse mit dem Börsengesetz von 1896 für kleinere Anlegerinnen und Anleger erschwert;
  • Ursache dazu: Krise von 1873, bei der grosse Spekulationsblase platzte; Ursache: u.a. die sog. “Börsenspekulation”; führte zu restriktiven Tendenzen
  • hoher Kapitalaufwand machte Aktiengesellschaften für Mittelstand uninteressant;
  • GmbH mit Gründungskapital von 20’000 RM wurde geschaffen;
  • praktisch keine Umlauffähigkeit des Kapitals und die Haftung wird beschränkt;
  • Tatsache, dass Anteile einer GmbH nicht gehandelt werden können, macht sie für Spekulationen weit weniger interessant als Aktiengesellschaft
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16
Q

Kartelle werden im Laufe des 19. und 20. Jh. zu vieldiskutierten Phänomenen der Wirtschaftsordnung. Wie lässt sich die Zunahme von Kartellen seit etwa dem letzten Drittel des 19. Jh. insbesondere in der Schweiz und in Deutschland wirtschaftlich erklären?

A
  • für die Zulässigkeit von Kartellen wurde vor allem auf ihre in Notzeiten (angeblich) volkswirtschaftsstabilisierende Funktion verwiesen. Preisabsprachen sollten demnach bspw. in Zeiten plötzlichen Nachfragerückgangs einen Preisverfall vorbeugen;
  • im Zeichen eines allg. Preisverfalls und der Depression seit 1873 entstanden zunehmend kartellförmige Zusammenschlüsse im Interesse der gemeinsamen, koordinierten Preis- und Marktordnung
17
Q

Wie stellten sich Rechtsprechung und Gesetzgebung in der Schweiz und in Deutschland zur Existenz von Kartellen (19. und 20. Jh.) und wie wurden diese Positionen begründet?

A
  • während des 1. WK bedienten sich die europäischen Staaten verstärkt des Kartells als Organisationsform der Wirtschaft; auf diese Weise sollte eine möglichst effiziente Allokation von Gütern unter dem Vorzeichen einer ausgeprägten Mangelsituation sichergestellt werden;
  • Rechtsprechung insb. in Deutschland und der Schweiz akzeptierte diese neuen Ordnungsstrukturen;
    • wurde begründet mit Argument, dass die Gewerbe- und Marktfreiheit auch solchen Formen der Selbstorganisation die rechtliche Grundlage gebe;
    • zudem Überlegung, dass in Zeiten der wirtschaftlichen Krise die kartellförmige Organisation der Wirtschaft ein wichtiges Instrument sei, um dem Preisverfall und damit negativen Wirtschaftsentwicklung entgegen zu steuern; soll letztlich Gemeinwohl fördern;
  • auch nach Ende 1. WK blieben in Europa Strukturen einer kartellförmig organisierten Wirtschaft sehr dominant; aufgr. krisenhaften Entwicklungen seit 1918/1919 verstärkten sich aber kritische Stellungnahmen gegen Kartelle;
    → bspw.: Gründung der Preisbildungskommission 1927 (CH), die insb. von Kartellen betriebene Preisbildung überwachen sollte;
  • Kartelle als solche werden nicht verboten, gelten als durchaus legitime Formen wirtschaftlicher Organisation; allerdings:
  • → anders als früher hält es Normgeber für möglich, dass Kartelle sich negativ auf die Wirtschaft, insb. die Preisbildung auswirken können;
  • → in solchen Konstellationen gehören Kartelle durch den Staat verboten;
    ⇒ Grundstrukturen einer staatlichen Kartellkontrolle werden etabliert (auf Grundlage einer planmässigen staatlichen Überwachung)
18
Q

Wie gestaltete sich die Position ggü. Kartellen und Monopolen in den USA im späten 19. und frühen 20. Jh.?

A
  • (1) die Erfahrung des Nationalsozialismus zeigten, dass grosse Industriekonglomerate wie die I.G. Farben und insofern auch grosse kartellförmige Verbände ihre wirtschaftliche Macht nutzten um politisch Einfluss zu nehmen;
    • → Aliierten, insb. die USA, waren in der Nachkriegszeit bestrebt, diese Kartelle zu zerschlagen;
    • auch ausserhalb Deutschlands versuchten die USA diese Politik weiter zu verfolgen und ihrem Einflussbereich weitreichende Dekartellierungen durchzusetzen;
    • → insb. auch aufgrund der These vom Zusammenhang von wirtschaftlicher und politischer Freiheit
  • (2) Hintergrund ist seit dem Sherman Antitrust Act (1890) in den USA vorherrschende kartellfeindliche Orientierung;
    → Grund hierfür ist in grossen Unternehmungen wie bspw. der “Standard Oil Company” zu sehen, die ihre enorme wirtschaftliche Macht nutzten, um politischen Einfluss zu nehmen, weshalb allein die Existenz solcher Grossunternehmen als Bedroung für die Demokratie gesehen wurde
19
Q

Wie positionierte sich der schweizerische Staat in der Zeit von 1914 bis etwa zur Begründung der Preisbildungskommission (1927) zu Kartellen und welche Motive waren dafür wesentlich?

A
  • (1) Kartelle waren zu dieser Zeit als Ordnungsfaktoren in der schweizerischen Gesellschaft stark rezipiert (übernommen) und waren Ausdruck einer kooperativ verfassten, sozialen Wirtschaftsstruktur;
    ⇒ Kartelle und kartellförmige Verbände genossen in der Schweiz grosse Akzeptanz;
  • (2) Bildung der Preisbildungskommission war erster Schritt, Kartelle und Preisbildung besser zu überwachen;
    ⇒ Kartelle werden damit nicht grundsätzlich verboten; sie werden weiterhin als ein legitimes Mittel wirtschaftlicher Ordnung gesehen