Unterlassen Flashcards
(37 cards)
Grundsätze der Handlung des Unterlassensdelikts
Menschliches Verhalten lässt sich in Tun (aktives Handeln) und Unterlassen (Nichtstun) unterteilen.
Auch das Unterlassen kann strafbar sein – aber nur, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln besteht.
Diese Rechtspflicht kann sich ergeben:
Direkt aus dem Gesetz → echtes Unterlassungsdelikt
Aus einer Garantenstellung → unechtes Unterlassungsdelikt (§ 13 StGB)
Klausurtipp: Ob ein Tun oder Unterlassen vorliegt, wird meist unter „Handlung“ im objektiven Tatbestand geprüft.
Aufbau von Unterlassungsdelikten ist ähnlich wie bei Begehungsdelikten, allerdings mit Zusatzvoraussetzungen:
z. B. physisch-reale Handlungsmöglichkeit, Garantenpflicht
Auch hier möglich: Versuch, Fahrlässigkeit, Täterschaft/Teilnahme
Strafbarkeit des Unterlassensdelikts
Begehungsdelikt: stets strafbar, wenn Tatbestand erfüllt
Unterlassen: nur strafbar bei besonderer Handlungspflicht
Ziel: Keine generelle Pflicht zur Verhinderung fremder Straftaten
Beispiel: Bruno sieht, wie Anton ein Fahrrad stiehlt, greift aber nicht ein. → Keine Strafbarkeit Brunos ohne spezielle Handlungspflicht (z. B. als Wachmann).
Echtes vs. unechtes Unterlassensdelikt / Erfolgsdelikt vs. schlichtes Unterlassensdelikt
a) Echtes Unterlassungsdelikt
Tatbestandlich als Unterlassung normiert, z. B.:
- § 323c StGB (Unterlassene Hilfeleistung)
- § 138 StGB (Nichtanzeige geplanter Straftaten)
- § 221 Abs. 1 Nr. 2 StGB (Aussetzung)
Ausnahmsweise gesetzliche Pflicht zum Tätigwerden
Keine Garantenstellung erforderlich → Jedermannsdelikt
b) Unechtes Unterlassungsdelikt
Tatbestand ist eigentlich auf Tun ausgerichtet, aber § 13 StGB erlaubt Strafbarkeit bei Unterlassen, wenn Garantenpflicht besteht.
z.B.:
- Totschlag durch Unterlassen (§§ 212, 13 StGB)
- Betrug durch Unterlassen (§§ 263, 13 StGB)
Voraussetzung: Das Unterlassen entspricht in seiner strafrechtlichen Relevanz einem Tun (§ 13 Abs. 1 StGB).
Strafmilderung möglich (§ 13 Abs. 2 i. V. m. § 49 Abs. 1 StGB), aber nicht zwingend
Strafbar sind jeweils nur Garanten
Erfolgsdelikt vs. schlichtes Unterlassungsdelikt:
Echte Unterlassungsdelikte meist schlichte Unterlassungsdelikte (bloßes Nicht-Handeln, z. B. § 323c StGB)
Unechte Unterlassungsdelikte oft Erfolgsdelikte (z. B. Totschlag durch Unterlassen)
Unterlassensdelikte: Abgrenzung von Tun und Unterlassen
Bei echtem Unterlassungsdelikt: Unterlassen ist tatbestandlich
Bei unechtem Unterlassungsdelikt: Relevanz der Abgrenzung zwischen Tun und Unterlassen
Wenn keine Garantenpflicht, ist Unterlassen nicht strafbar
Wenn aktives Tun, kann bereits ohne Garantenpflicht Strafbarkeit bestehen
Eindeutige Fälle:
Tun = zielgerichteter Einsatz körperlicher Energie
Unterlassen = reine Passivität
Mehrdeutige Fälle:
Verhalten enthält Elemente von beidem
z. B. jemand verkauft gefährliche Produkte (= Tun), unterlässt aber Warnung (= Unterlassen)
Prüfschema unechtes Unterlassensdelikt
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
a) Erfolgseintritt
b) Nichtvornahme der gebotenen Handlung trotz physisch-realer Handlungsmöglichkeit/ Möglichkeit der Vornahme der gebotenen Handlung
c) Quasikausalität
d) Objektive Zurechnung
e) Garantenstellung
f) Erforderlichkeit der Handlung
g) Zumutbarkeit und Modalitätenequivalenz
h) Entsprechungsklausel, § 13 StGB
2. Subjektiver Tatbestand
a) Vorsatz bzgl. sämtlicher objektiver Tatbestandsmerkmale, insbesondere hinsichtlich der Garantenstellung
b) tatbestandsspezifische subjektive Merkmale
II. Rechtswidrigkeit (insbesondere rechtfertigende Pflichtenkollision möglich)
III. Schuld (insbesondere Probleme der Zumutbarkeit normgemäßenVerhaltens)
Unechtes Unterlassensdelikt: Handlung
zuerst festzustellen, welches Verhalten dem Täter konkret vorgeworfen werden kann und ob dieses Verhalten als Tun oder als Unterlassen zu qualifizieren ist
Begehungsdelikt: Erfordert ein vom Willen getragenes, aktives Tun
- Täter bringt durch Einsatz von Energie ein Geschehen in Gang
Unterlassungsdelikt: Erfordert ein vom Willen getragenes Untätigbleiben
→ Kein strafrechtlich relevantes Verhalten, wenn die Person nicht willentlich handelt (z. B. im Schlaf, bewusstlos)
- Täter lässt einem Geschehen rein passiv seinen Lauf
Bei der Beurteilung der Handlungsqualität kann an die Grundsätze der Handlungsqualität des aktiven Tuns angeknüpft werden
Beachte: Ein dem Tun regelmäßig nachfolgendes Unterlassen ist idR „unerheblich“
Unechtes Unterlassensdelikt: Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens
Prüfung des objektiven Tatbestandes des Delikts
- bei Erfolgsdelikten: Feststellung des Erfolges (Bsp: Tod eines anderen Menschen)
- Prüfung der (“Quasi”)Kausalität
–> Formulierung: Ein Unterlassen ist immer dann kausal, wenn die rechtlich gebotene Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der tatbestandsmäßige Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele
–> in dubio pro reo, wenn die Wahrscheinlichkeit nicht eindeutig nachweisbar ist - Prüfung der objektiven Zurechnung
Unechtes Unterlassensdelikt: (P) Abgrenzung von Tun und Unterlassen bei zeitlichem Zusammenfallen der Handlungen
(P) Mehrdeutige Verhaltensweisen
e.A: naturalistisch-ontologische Abgrenzung
- hat der Täter den Erfolg durch positiven Energieeinsatz verursacht oder hat er seine Energie gegenüber einem anderweitig in Gang gesetzten Kausalverlauf nicht eingesetzt?
(-) untauglich bei mehrdeutigen Verhaltensweisen
h.M: normative Abgrenzung
- wo liegt nach normativer Betrachtung und bei Berücksichtigung des sozialen Handlungssinnes der Schwerpunkt des strafrechtlich relevanten Verhalten?
(-) Zirkelschluss (Schwerpunkt wird wesentlich durch Strafwürdigkeit des Verhaltens bestimmt, die aber erst geprüft wird) + Abgrenzungsschwierigkeiten (Schwerpunkt?)
Beachte: es handelt sich um eine vorweggenommene Subsidiaritätsprüfung, es muss also nicht zwingend von beiden Alternativen nur eine vorliegen (Exklusivität); bei Abgrenzung kann es auch vorkommen, dass keiner der beiden Vorwürfe hinter den anderen zurücktritt –> dann getrennte Prüfung beider Verhaltensweisen und später Konkurrenzprüfung
idR:
Frühere Handlung verdrängt späteres Unterlassen, wenn letzteres nur Nichtrückgängigmachen ist
Ausnahme: Späteres Unterlassen ist qualitativ anders (z. B. Vorsatzwechsel, Vorsatz tritt erst später hinzu oder Täter bleibt aus anderen Gründen (Bsp: Habgier) untätig)
Beispiel 1:
Erst vorsätzlicher Schlag, dann Untätigkeit → nur Tötung durch Tun
Beispiel 2:
Erst fahrlässiges Anfahren, dann vorsätzliche Untätigkeit → Tötung durch Unterlassen (§§ 212, 13 StGB) wegen Ingerenz
Unechtes Unterlassensdelikt: Nichtvornahme der gebotenen Handlung
Feststellung, welches Verhalten (d.h. welches konkrete Unterlassen) dem Täter vorgeworfen werden kann –> Was wäre die gebotene Handlung gewesen? (bei Erfolgsdelikten: Abwendung des tatbestandsmäßigen Erfolges)
mehrere zur Verfügung stehende Handlungsalternativen des Täters möglich
danach Feststellung, dass der Täter eben diese gebotene(n) Handlung(en) nicht vorgenommen hat
Unechtes Unterlassensdelikt: Möglichkeit der Vornahme der Handlung
Prüfung, ob dem Täter die Vornahme der gebotenen Handlung physisch-real möglich war
Wenn (-) Prüfung, ob möglicherweise auf eine andere, zwar weniger effektive, aber dennoch zur Erfolgsabwendung geeignete Handlung zurückgegriffen werden kann
Differenzierung:
1. Täter ist Handlung objektiv oder individuell nicht möglich (Nichtschwimmer kann nicht in den See springen und den Ertrinkenden retten) –> obj. TB (-)
- Täter ist Handlung zwar objektiv möglich, er weiß jedoch nichts von der ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeit –> subj. TB (-)
- Täter nimmt irrig Umstände an, die objektiv nicht vorliegen (Untauglichkeit des Rettungsmittels) –> untauglicher Versuch durch Unterlassen
Beachte: Sind mehrere Handlungen möglich, reicht es, wenn der Täter wenigstens eine von ihnen vornimmt –> muss es die effektivste sein?
Unechtes Unterlassensdelikt: Erforderlichkeit
Vorrang der Garantenpflicht vor der allgemeinen Rettungspflicht –> gilt aber nur so lange, wie der vorrangig zur Hilfeleistung Verpflichtete fähig und willens ist einzuschreiten; hilft dieser nicht oder ist er zur Hilfeleistung nicht bereit, dann ist das Tätigwerden des nachrangig Verpflichteten erforderlich
Unechtes Unterlassensdelikt: Zumutbarkeit
In Ausnahmefällen kann – trotz vorhandener Möglichkeit – die Erfolgsabwendung für den Einzelnen unzumutbar sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Rettung für den Unterlassenden eine ernsthafte Gefahr für sein eigenes Leben oder seine eigene Gesundheit darstellen würde
–> Einzelfallentscheidung, die Grad der Gefahr für das bedrohte Rechtsgut berücksichtigt
Beachte: die Zumutbarkeit der Erfolgsabwendung scheidet allerdings nicht allein deswegen aus, weil sich der Täter, insbesondere bei vorangegangenem pflichtwidrigen Tun, durch sein Verhalten der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzt (str.)
Unechtes Unterlassensdelikt: Entsprechungsklausel, § 13 StGB
Nach § 13 Abs. 1, 2. Halbsatz StGB hängt
die strafrechtliche Haftung des Garanten davon ab, dass ein Unterlassen der Erfolgsabwendung wertungsmäßig einer Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch aktives Tun entspricht. Dies ist zwar in der Regel der Fall, es gibt
hierzu jedoch einige wenige Ausnahmen bei den sog. verhaltensgebundenen (Erfolgs-)Delikten. Es geht hier also um die „Gleichwertigkeit“ von Tun und Unterlassen im Hinblick auf das verwirklichte Unrecht
(Bsp: Betrug (muss auf Täuschung beruhen))
Beachte: nur in extremen Ausnahmefällen problematisch, wodurch sich Prüfung idR erübrigt
Unechtes Unterlassensdelikt: Subjektiver Tatbestand
Unterlassungsvorsatz = Täter entscheidet sich – in Kenntnis sämtlicher objektiver Tatbestandsmerkmale – für das Untätigbleiben, obwohl er weiß, dass er tätig werden müsste und dabei (bei Erfolgsdelikten) den tatbestandsmäßigen Erfolg wenigstens billigend in Kauf nimmt (bedingter Vorsatz aus)
Vorsatz muss sich auch hier auf sämtliche objektive Tatbestandsmerkmale beziehen
–> im Hinblick auf die Kausalität mitunter problematisch, denn der Täter muss wissen, dass die von ihm erwartete Handlung den Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindern
würde
Täter muss ebenfalls die (tatsächlichen) Umstände kennen, die seine Garantenstellung begründen
–> erkennt er diese, geht er aber irrig davon aus, dass aus der erkannten Sachlage keine Garantenstellung folgt, lässt dies den Vorsatz unberührt und ist lediglich auf Schuldebene (als möglicher Verbotsirrtum in Form eines „Gebotsirrtums“, § 17 StGB) zu beachten
Unechtes Unterlassensdelikt: Strafbarkeit des Unterlassens
Das unechte Unterlassungsdelikt ist nur dann strafbar, wenn der Täter „rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt“ (er also eine „Garantenpflicht“ besitzt)
Beim echten Unterlassungsdelikt sind die Voraussetzungen, unter denen ein
Unterlassen strafbar ist, im jeweiligen Tatbestand abschließend umschrieben
Abgrenzung von Garantenstellung und Garantenpflicht
Unter einer Garantenstellung versteht man das besondere Rechtsverhältnis, in dem sich eine Person befindet, also z.B. die Stellung als Ehegatte oder die Stellung von Eltern in Bezug auf ihre Kinder
Unter einer Garantenpflicht versteht man die aus diesem Rechtsverhältnis (also der Garantenstellung) folgende Pflicht zum Tätigwerden, also z.B. die Pflicht der Eltern, Schäden von ihren Kindern abzuwenden
Beachte:
Üblicherweise folgt aus einer Garantenstellung auch eine Garantenpflicht.
Diese kann allerdings in Einzelfällen aufgrund besonderer Umstände auch einmal ausscheiden. Man muss daher stets prüfen, ob in der konkreten Situation eine bestimmte Garantenstellung dazu führt, dass der Betroffene eine Rechtspflicht hat,
gerade in einer bestimmten Art und Weise tätig zu werden. Prüfungsstandort ist jeweils der objektive Tatbestand.
Frühere Einteilung der Garantenpflichten
- aus Gesetz (normierte Garantenpflichten)
- aus Vertrag (freiwillig übernommene Garantenpflichten)
- aus einer engen Lebensbeziehung (persönliches Näheverhältnis)
- aus vorangegangenem gefährdendem Tun
Heutige Einteilung der Garentenpflichten
- Schutzpflichten (Pflichten zum Schutz bestimmter Rechtsgüter) –> Obhutsgarant / Beschützergarant
- Überwachungspflichten (Verantwortlichkeit für eine Gefahrenquelle) –> Sicherungsgarant / Überwachergarant
Die einzelnen Schutzpflichten
- Natürliche (familiäre) Verbundenheit
- Enge Gemeinschaftsbeziehung
- Freiwillige (tatsächliche) Übernahme von Schutz- oder Beistandspflichten
a) Stellung als Amtsträger oder als Organ einer juristischen Person
Die einzelnen Überwachungspflichten (Sicherungs- oder Überwachungsgaranten)
- Vorangegangenes pflichtwidriges Verhalten (Ingerenz)
- Pflicht zur Überwachung von Gefahrenquellen
- Inverkehrbringen gefährlicher Produkte
- Beaufsichtigungspflichten
Was sind Schutzpflichten?
Eine bestimmte Person ist aufgrund besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Bindungen zum Schutz eines bestimmten Rechtsgutes verpflichtet, dem Gefahren von außen drohen.
Der Betreffende muss also eine bestimmte Person vor allen ihr drohenden Gefahren schützen (Bsp.: Eltern müssen ihre Kinder vor Gefahren schützen).
Was sind Überwachungspflichten?
Eine bestimmte Person ist aufgrund einer tatsächlichen oder rechtlichen Übernahme von Verantwortung für eine bestimmte Gefahrenquelle verpflichtet, dafür zu sorgen, dass durch diese Gefahrenquelle keine Rechtsgüter anderer geschädigt werden.
Sie muss also alle Personen vor einer bestimmten Gefahrenquelle schützen (Bsp.: Der Bauunternehmer muss dafür sorgen, dass niemand in die von ihm ausgehobene Baugrube stürzt).
Anforderungen an die Pflichten beim Unterlassensdelikt / mehrere Pflichten
Es muss sich bei allen Pflichten um Rechtspflichten handeln (–> Pflichten, die aus rechtlichen Gesichtspunkten heraus den Einzelnen zum Handeln verpflichten)
Rein sittliche oder moralische Pflichten genügen nicht!
Aus einem bestimmten Rechtsverhältnis können zudem auch mehrere, im Einzelnen ganz unterschiedliche Pflichten folgen (Eltern haben bspw. sowohl eine Schutz- als auch eine Überwachungspflicht gegenüber ihren Kindern)
Schutzpflichten: 1. Natürliche (familiäre) Verbundenheit
- Grundgedanke der Garantenstellung aus familiärer Verbundenheit
Es handelt sich um eine klassische Garantenstellung, bei der eine Person verpflichtet ist, nahe Angehörige vor Gefahren zu schützen.
Diese Pflicht ergibt sich meist aus dem familienrechtlichen Bestimmungen, z. B. § 1353 BGB (Ehegattenpflicht zur Fürsorge).
Die tatsächliche Nähe (z. B. Zusammenleben) ist nicht erforderlich – entscheidend ist die rechtlich anerkannte familiäre Beziehung –> Weite der familiären Bande str., jedenfalls Begrenzung auf Kernbereich der Familie notwendig.
- Umfang der anerkannten familiären Garantenstellungen
Anerkannt (Garantenstellung bejaht):
Eltern ↔ Kinder: § 1601, 1618a, 1626, 1631 BGB
Kinder ↔ Eltern: § 1601, 1618a BGB
Ehegatten untereinander: § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB
Lebenspartner (nach LPartG): § 2 LPartG
→ Achtung: Die Pflicht endet bei zerrütteter Beziehung, auch wenn Ehe/Partnerschaft formal noch besteht (Indiz: dauerhaftes Getrenntleben)
- Umstrittene oder abgelehnte familiäre Garantenstellungen
Umstritten:
Vater ↔ nichteheliches Kind: Tendenz zur Bejahung, besonders nach Änderung von § 1684 BGB
Geschwister:
Pro: Blutsverwandtschaft, Zeugnisverweigerungsrecht (§ 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO)
Contra: Keine gesetzliche Unterhaltspflicht → keine rechtliche Pflicht zur Unterstützung
Verlobte: eher problematisch
Abgelehnt:
- Verschwägerte
- Nichteheliche Lebensgemeinschaften
- Freundschaften
- Wohngemeinschaften
→ In diesen Fällen keine Garantenstellung aus natürlicher Verbundenheit, aber ggf. aus enger Gemeinschaftsbeziehung (→ eigene Kategorie).
- Abgrenzung: Garantenstellung aus enger Gemeinschaftsbeziehung
Voraussetzung: Tatsächliche Nähebeziehung (z. B. Zusammenleben, gelebte Fürsorge).
Abgrenzungspunkt: Anders als bei natürlicher Verbundenheit kommt es hier auf tatsächliche Lebensgemeinschaft an.
- Inhalt und Grenzen der Garantenpflicht
Pflichten:
Schutz vor Gefahren von außen
Grundsätzlich auch Pflicht, Selbstschädigungen zu verhindern
Grenze: Prinzip der Eigenverantwortung
Beispiel: Ehemann verhindert nicht, dass Ehefrau einen Käufer betrügt.
→ Keine Pflicht, sie vom Betrug abzuhalten
→ Schutzpflicht besteht nicht gegenüber Dritten (z. B. Käufer)
→ Auch keine Pflicht, die Ehefrau vor eigener Strafbarkeit zu bewahren.
Merksatz:
Garantenpflicht endet dort, wo sie zur Bevormundung führen oder in die Eigenverantwortung eingreifen würde