Utilitarismus Flashcards

1
Q

Handlungs-, Regelutilitarismus und Kant
Es ist Vorweihnachtszeit und ihre Freunde/Freundinnen entdecken für das nächste Wochenende im Internet einen sehr billigen Flug nach New York (Freitag hin, Sonntag zurück). Das wäre eine tolle Möglichkeit zum GeschenkeShopping! Doch dann kommen Ihnen Zweifel, ob Ihre Lust am Shoppen und die Freude der Beschenkten die möglichen Umweltkosten aufwiegen.

a) Wie stellen Sie das Nutzenkalkül gemäß des Handlungsutilitarismus auf?
(Bitte beachten Sie, dass noch mögliche andere Effekte zu beachten sind,
die nicht in der Aufgabenstellung genannt wurden. Welche?) Zu welcher
Entscheidung kommen Sie?

A

Nach Handlungsutilitarismus soll jene Handlung gewählt werden, bei der Gesamtnutzen, der sich aus der Aggregation der individuellen Nettonutzen aller
direkte und indirekt, heute und in der Zukunft Betroffenen ergibt, maximal ist.
Die Ermittlung der individuellen Nettonutzen soll dabei objektiv erfolgen, d.h. u.a. dass jeder nicht per se seinen Nutzen höher gewichtet als den der anderen.
Das Moralkriterium ist aber nicht eine einzelne Handlung selbst, sondern die Konsequenzen dieser einzelnen Handlung. (Wenn das Kriterium die
Handlung selbst wäre, dann läge ein deontologischer Ansatz vor.) Ich nehme also meinen positiven Nutzen aus der Reise (Freude am Flug, am
Shoppen etc.), den positiven Nutzen anderer, u.a. meiner Freundinnen, der zukünftig Beschenkten, der Airline, die höhere Gewinne erzielt, die Geschäfte in
NY, die höhere Gewinne erzielen und rechne den negativen Nutzen (Schaden, Leid) dagegen, z.B. die zusätzliche Mühe der Flugbegleiter, den etwas höheren
Kerosinverbrauch, den Nutzen anderer, die LAST MINUTE keinen Platz mehr im Flugzeug bekommen, Nutzenverluste des Einzelhandels in Aachen etc.).
Allerdings kann ich davon ausgehen, dass der Flug auch stattfinden wird, wenn ich nicht buche, denn ich soll nur die Konsequenzen meiner einzelnen Handlung
betrachten, d.h. die zusätzlichen Umwelt- und Lärmschäden sind weitgehend vernachlässigbar.
Abstrahiere ich von der grundsätzlichen Problematik eines interpersonellen Nutzenvergleichs und kardinaler Nutzenmessung (siehe Aufgabenteil 2c)) und
dass ich die Nutzenfunktionen anderer nicht kenne, d.h. eigentlich nur Meinungen darüber habe, aber keine objektiven Kenntnisse, dann werde ich
wahrscheinlich zu dem Ergebnis kommen, dass durch mein Fliegen nach New York der Gesamtnutzen höher ist als wenn ich nicht fliege. Letztlich hängt das aber von der persönlichen Einschätzung ab, weil die erwarteten Konsequenzen subjektiv anders wahrgenommen werden können (was methodisch problematisch ist, weil der Utilitarismus ein wissenschaftlich-rationaler Ansatz
sein will).

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
2
Q

Handlungs-, Regelutilitarismus und Kant
Es ist Vorweihnachtszeit und ihre Freunde/Freundinnen entdecken für das nächste Wochenende im Internet einen sehr billigen Flug nach New York (Freitag hin, Sonntag zurück). Das wäre eine tolle Möglichkeit zum GeschenkeShopping! Doch dann kommen Ihnen Zweifel, ob Ihre Lust am Shoppen und die Freude der Beschenkten die möglichen Umweltkosten aufwiegen.
b) Wie lautet die Vorgehensweise gemäß des Regelutilitarismus? Wie entscheiden Sie sich?

A

Beim Regelutilitarismus geht man zweischrittig vor:
1. Es wird jene Regel gesucht, bei der der Gesamtnutzen maximal ist.
2. Wenn die Handlung jener Regel folgt, bei der der Gesamtnutzen maximal ist, dann ist die Handlung moralisch, sonst nicht. (Das gilt unabhängig davon ob
eine einzelne Handlung im Einzelfall zu einem maximalen Gesamtnutzen führt oder nicht.)
Eine Regel könnte hier lauten: „Alle Menschen dürfen für ein Wochenendshopping in einer ausländischen Großstadt einen Billigflug buchen und diesen in
Anspruch nehmen.“ Hier soll nun der Gesamtnutzen ermittelt werden, der entsteht, wenn alle Menschen der Regel folgen. Im Gegensatz zu a) wird die Gesamtnutzenbilanz dann anders ausfallen. Zwar wird auch der zu erwartende Nutzen höher sein, da
viel mehr Menschen Flugtickets kaufen und Shopping machen und daher die Gewinne der Unternehmen (in den ausländischen Großstädten) höher ausfallen,
und auch die Löhne steigen, weil Beschäftigte Überstunden machen müssen etc.
Allerdings sind jetzt auch die Effekte von Lärm-, Umwelt- und Klimaschäden auf die Menschen, die durch den zusätzlichen Flugverkehr entstehen, deutlich
höher anzusetzen. Jedenfalls wird die Antwort im Vergleich zu a) weniger eindeutig ausfallen, und man könnte eher zu dem Ergebnis kommen, dass diese
Regel einen geringeren Gesamtnutzen aufweist gegenüber einer Regel, bei der dies genau nicht erlaubt ist. Auch hier gilt, dass ich von der Problematik der
kardinalen Nutzenmessung und des interpersonellen Nutzenvergleichs abstrahieren muss, um überhaupt eine Entscheidung zu treffen. Hinweise zum Aufstellen der Regeln im Utilitarismus:
• Im Gegensatz zu dem allgemeinen Gesetz bei Kant, kann in der zu überprüfenden Regel sowohl ein „dürfen“ als auch ein „sollen“ stehen, je nach Sachverhalt.
• Außerdem müssen sich die Regeln im Utilitarismus nicht auf die gesamte Menschheit beziehen, d.h. es können z.B. auch Regeln überprüft werden, die
nur für die Menschen gelten sollen, die in Deutschland leben oder die an der RWTH studieren.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
3
Q

Handlungs-, Regelutilitarismus und Kant
Es ist Vorweihnachtszeit und ihre Freunde/Freundinnen entdecken für das nächste Wochenende im Internet einen sehr billigen Flug nach New York (Freitag hin, Sonntag zurück). Das wäre eine tolle Möglichkeit zum GeschenkeShopping! Doch dann kommen Ihnen Zweifel, ob Ihre Lust am Shoppen und die Freude der Beschenkten die möglichen Umweltkosten aufwiegen.
c) Wenn Sie nun der Ethik von Kant folgen, wie lautet dann die Maxime und das allgemeine Gesetz? Worin liegt der Unterschied zu b)? Wie entscheiden Sie sich? Wie begründen Sie Ihre Entscheidung?

A

Nach Kant überprüfe ich meine Maxime anhand des Kategorischen Imperativs, d.h. ich frage mich, ob ich wollen kann, dass meine Maxime ein allgemeines
Gesetz wird. Maxime z.B.: Immer, wenn ich Lust habe, in einer Großstadt in einem anderen Land einkaufen zu gehen und ich es mir leisten kann, dann buche ich einen
Billigflug in diese Stadt und nehme ihn in Anspruch.
Hinweis: Bitte darauf achten, keine konkreten Ergebnisse in die Maxime mit aufzunehmen, wie z.B. „ … obwohl das umweltschädlich ist“. Die Nennung des
Motivs in der Maxime ist allerdings zulässig.
Allgemeines Gesetz: Alle Menschen, die Lust haben und die es sich leisten können, in einer Großstadt in einem anderen Land einkaufen zu gehen, sollen einen Billigflug in diese Stadt buchen und in Anspruch nehmen.

Überprüfung:
1. Liegt ein logischer Widerspruch vor? Entsteht so viel Flugverkehr, dass das Flugsystem zusammenbricht? Wenn die Nachfrage nach Flügen steigt, dann
steigt auch das Angebot an Flügen. Kurzfristig wird allerdings nicht jede Nachfrage bedient werden können, so dass es schon sein kann, dass ich meine Maxime nicht realisieren kann, einfach, weil ich kein Flugticket
mehr bekommen. [Ich würde den logischen Widerspruch gelten lassen, aber ich finde ihn nicht völlig überzeugend.]
2. Kann ich das allgemeine Gesetz widerspruchsfrei wollen? Ich kann es nicht wollen, denn es basiert auf Egoismus und Neigungen. Ich folge primär dem
Lustprinzip, nicht dem Guten Willen. Selbst wenn meine Motivation primär ist, Geschenke für andere zu kaufen, bin ich dann an Neigungen orientiert.
Gleichzeitig sind die logischen Folgen (ich rechne hier also nicht konkret Nutzenwerte auf) nicht unbeachtliche Beiträge zur Klimaerwärmung, zu sonstiger Umweltschädigung und Lärmbelästigung. Dies kann ich
vernünftigerweise nicht wollen.
3. Die Zweckformel kann hier auch angewandt werden, wenn mit den Klimafolgen argumentiert wird: Ich instrumentalisiere heutige und zukünftige Generationen für meine egoistischen Zwecke. Bei einem allgemeinen
Gesetz wird die Ausübung meines Lustprinzips u.a. Menschen obdachlos machen (z.B. durch Landverlust) und Menschen werden ihre Ernährungsmöglichkeiten verlieren (z.B. kein Ackerbau mehr möglich). Dies
widerspricht der Achtung der Menschenwürde.

Fazit: Die Maxime ist nicht universalisierbar, daher sollte ich den Flug unterlassen.
Unterschied zu Teilaufgabe b): Nach dem Regelutilitarismus wird im ersten Schritt ebenfalls ein Universalisierungstest durchgeführt. Es wird dann jene
Regel ausgewählt, die zu einem Maximum des Gesamtnutzens führt, wenn der Nutzen aller direkt und indirekt, heute und zukünftig Betroffenen zugrunde
gelegt wird, die von der Regel betroffen sind. Im zweiten Schritt wird dann überprüft, ob eine Handlung der Regel mit dem maximalen Gesamtnutzen folgt
oder nicht. Wenn dies der Fall ist, dann ist es eine moralische Handlung; sonst nicht.
Ein Unterschied besteht also darin, dass das allgemeine Gesetz im Sinne von Kant und die Regel des Regelutilitarismus aus unterschiedlichen Kriterien
hergeleitet werden, bei Kant an dem Guten Willen bzw. der Vernunft (konkret: logischer Widerspruch, Wollenswiderspruch, Verletzung der Menschenwürde)
und beim Regelutilitarismus am Gesamtnutzen.
Eine Regel ist zudem öffentlich, d.h. jeder kann gemäß des Regelutilitarismus erkennen, ob eine Handlung moralisch ist oder nicht, während eine Maxime im
Sinne von Kant privat ist und über sein Motiv kann letztlich nur jeder für sich – wenn überhaupt – im Klaren sein, so dass sich nach Kant die Moralität nicht an
einer Handlung ablesen lässt. Wenn ich z.B. sehe, dass jemand nicht nach New York zum Weihnachtsshopping fliegt, dann weiß ich im Regelutilitarismus,
dass er moralisch gehandelt hat (sofern die Regel den Gesamtnutzentest nicht bestanden hat), während ich es gemäß der Ethik von Kant nicht weiß, weil ich das Motiv nicht kenne.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
4
Q

Utilitarismus

A

Utilitaristisches Prinzip:
Diejenigen Handlungen bzw. Handlungsregeln sind moralisch richtig, durch die ein
Maximum an Gesamtnutzen über sämtliche Betroffene erreicht wird.
Utilitaristischer „Imperativ“:
Handle so, dass im Ergebnis, nach allen direkten und indirekten, gegenwärtigen
und zukünftigen Folgen der Gesamtnutzen maximal ist.

Merkmale des Utilitarismus:
• Die Richtigkeit von Handlungen bzw. Handlungsregeln bemisst sich an ihren
Folgen/Ergebnissen/Konsequenzen
• Die Folgen werden (vor allem) an ihrem Nutzen bemessen.
• Es kommt nicht nur auf den Nutzen für den Handelnden, sondern den Nutzen
aller Betroffenen an (daher per se kein Egoismus!)
• Teleologische Ethik, denn die Konsequenzen der Handlungen sind bestimmend
für die Entscheidung über die Moralität.
• Das moralisch Verbindliche soll rational und wissenschaftlich begründet
werden, dafür ist Erfahrung zentral, insbesondere um die Folgen einer
Handlung abzuschätzen.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
5
Q

Der Utilitarismus von Bentham

A

Der einzelne Mensch steht unter dem Diktat von Freude und Leid, die ihm sowohl
bestimmen
• wie er handeln wird (deskriptiver Hedonismus, psychologischer Egoismus) und
• wie er handeln soll (normativer Hedonismus, normativer Egoismus).
[Kritik: Sein-Sollen-Fehlschluss]
Das utilitaristische Prinzip fordert insgesamt das größte Glück bzw. den größten Nutzen. D.h. gesucht ist das Ergebnis mit dem maximalen Gesamtnutzen/Gesamtglück.

I. Schritt:
Der Gratifikationswert (Nutzen) einer Handlung wird für jeden der Betroffenen
dieser Handlung einzeln errechnet:
II. Schritt
Ermittlung des kollektiven Gratifikationswertes (Gesamtnutzens).
Summe der individuellen Nutzen = Kollektiver Gesamtnutzen.
III. Schritt: Auswahl der Handlung
Moralisch richtig ist die Wahl jener Handlung, deren Gesamtnutzen (= Summe der
Einzelnutzen) größer ist als der jeder anderen Handlung.
Dabei ist der Nutzen aller direkt und indirekt, gegenwärtig und zukünftig
Betroffenen, zu berücksichtigen. (Der Einzelnutzen kann auch negativ sein.)
Sog. Prinzip des größten Glücks der größten Zahl („greatest happiness principle“).
Missverständlich, denn „der größten Zahl“ meint nicht im Sinne für die meisten
Menschen, sondern unter Berücksichtigung möglichst aller Betroffenen.
Es gibt daher für keinen Menschen einen Anspruch auf einen Mindestnutzen/ein
Mindestglück.
=> Verteilung des maximalen Gesamtnutzens auf einzelne Menschen ist irrelevant.

Bentham und die Einkommensverteilung – Zwei Thesen:
1. These: Der Zusammenhang von Geld/Einkommen und Nutzen ist nicht linear,
sondern der Nutzen steigt unterproportional mit dem Geld/Einkommen
[Später: Gossensche Gesetz ]
Maximaler Gesamtnutzen in einer Gesellschaft => Gleichverteilung der
Einkommen (wenn alle die gleiche Nutzenfunktion haben).
Benthams Einwände gegen Gleichverteilung:
• Großes Leid bei den Besitzenden, nicht zumutbar.
• Zerstörung von Leistungsanreizen
=> Gleichverteilung ist moralisch nicht geboten.
2. These: linearer Zusammenhang von Geld/Einkommen und Nutzen
Maximaler Gesamtnutzen in einer Gesellschaft entsteht nicht zwingend durch
Gleichverteilung der Einkommen.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
6
Q

Der Utilitarismus von Mill

A

Mill ist Vertreter des qualitativen Hedonismus, d.h. er macht auf verschiedene Qualitäten von Lust aufmerksam => Hedonismus wohlinformierter Präferenzen.
… Handlungen [sind] insoweit moralisch richtig, als sie die Tendenz haben, Glück zu befördern, und insoweit moralisch falsch, als sie die Tendenz haben, das Gegenteil von Glück zu bewirken.“ (Mill, J.S. 1863, Kap. I)
Glück ist kein abstrakter Begriff, sondern ein konkretes Ganzes. Teile des Glücks sind auch Tugend, Gesundheit, Liebe zur Musik u.ä., die daher nicht nur Mittel zum Zweck, sondern Teil des Zwecks sind.

Mills Argumentation:
1. Subjektiv ethischer Hedonismus: Freude bzw. Glück sind das einzige, was
Menschen um ihrer selbst willen erstreben (psychologischer Egoismus)
=> sie sind für jeden einzelnen gut (normativer Egoismus).
[Kritik: Sein-Sollens-Fehlschluss]
2. Objektiv ethischer Hedonismus: Das persönliche, individuelle Glück ist auch
das Glück aller.
=> Aus der moralischen Forderung der Maximierung des individuellen
Glücks/Nutzens wird die moralische Forderung den Gesamtnutzens zu
maximieren.
=> wirft die zentrale Frage nach Vereinbarkeit von individueller
Nutzenmaximierung und kollektiver Nutzenmaximierung auf (siehe unten).

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
7
Q

Die Egoismus-Frage

A

Der Utilitarismus wirft eine grundsätzliche Frage auf:
Stimmt die Maximierung des individuellen Nutzens mit der Maximierung des Gesamtnutzens überein?
Argumente für Übereinstimmung könnten sein:
1. Natürliche Übereinstimmung
a) Adam Smith: Der größte wirtschaftliche Gesamtnutzen entsteht dadurch, dass jeder nur den größten eigenen Nutzen sucht. [ Das Gefangenendilemma der Spieltheorie widerlegt diese These, siehe nächste Folie.]
b) Langfristig muss Interessenharmonie gelten aufgrund der Interdependenz von Handlungen.[Nicht bewiesen]
2. „Künstliche“ Übereinstimmung
Politische, wirtschaftliche und juristische Institutionen müssen so gestaltet werden, dass Interessenharmonie herbeigeführt wird. [Dann kann die
Übereinstimmung aber nicht einfach angenommen werden.]

Gefangenendilemma:
Zahlen sind Nutzenwerte.
x und y sind Handlungsalternativen.
Statisches Spiel in
reinen Strategien. 

Ökonomische Lösung: Nash-GG bei (x; x) und einziger pareto-ineffizienter Zustand.
Ergebnis: Gefangenendilemma: Die Wahl dominanter Strategien, d.h. einzelwirtschaftlich rationales Verhalten – definiert als das, was für einen selbst
den höchsten Nutzen stiftet – ist gesamtwirtschaftlich nicht rational, weil paretoineffizient, d.h. nicht gesamtnutzenmaximal.

Ältere Vertreter des Utilitarismus: Annahme: individuelle Nutzen- und Gewinnmaximierung führt auch zu einem maximalen Gesamtnutzen . Moderne Vertreter des Utilitarismus: Annahme wird aufgegeben, insbes.
aufgrund Ergebnisse der Spieltheorie (Gefangenendilemma).

Zwei Ansichten:
(1) Jene, die eine Übereinstimmung von individueller und kollektiver Nutzenmaximierung herbeiführen möchten, z.B. durch Anreize und Institutionen, z.B.
Ökonomische Theorie der Moral (ÖTM)
(2) Jene, die davon überzeugt sind, dass moralisches Handeln gemäß des Utilitarismus grundsätzlich zumindest für manche/viele Menschen nicht
eigennütziges Verhalten voraussetzt, z.B. Ansatz von Peter Singer.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
8
Q

Die Problematik der Nutzenaggregation

A

Das zentrale moralische Kriterium ist der Gesamtnutzen.
=> Es muss gerechnet werden!
Es geht nicht um eine grobe, subjektive Abschätzung!
Ist es überhaupt möglich
• den individuellen Nutzen zu bestimmen?
• den Nutzen von Individuen zu vergleichen?
Beides wären Voraussetzungen für die Aggregation.

Nutzen wird eigentlich nicht in Euros gemessen, sondern in eigenen
Nutzenindexwerten.
Beispiel: x, y seien Gütermengen.
Kardinale Nutzenmessung:
Annahme: Ein Individuum hat 10x = Nutzen 1020 und 11x = Nutzen von 1040.
sowie 2y = Nutzen 50 und 3y = Nutzen 70.
=> Die von diesem Individuum wahrgenommene Nutzendifferenz zwischen 1020 und 1040 ist exakt so hoch wie zwischen 50 und 70.
Ordinale Nutzenmessung: Nutzen dieses Individuums für 11x > Nutzen für 10xsowie Nutzen für 3y > Nutzen für 2y. Keine Aussage über Nutzenabstände.

Ein interpersoneller Nutzenvergleich setzt voraus, dass 1020 für ein Individuum das gleiche bedeutet wie 1020 für alle anderen Individuen.
=> Wie ist das möglich, wenn es um subjektive Wahrnehmungen geht? Nutzenaggregation (Gesamtnutzen= Summe Einzelnutzen)
Implizite Annahmen:
• Kardinale Nutzenmessung ist möglich.
• Interpersoneller Nutzenvergleich ist möglich.
=> Die Annahmen, die der Nutzenaggregation zugrunde liegen, sind unrealistisch.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
9
Q

EXKURS: Ökonomische Wohlfahrtstheorie

A

Die ökonomische Wohlfahrtheorie ist aus dem Utilitarismus hervorgegangen.
Wohlfahrt W = Gesamtnutzen = Summe individueller Nutzen.
Mikroökonomik, z.B. W = Summe Konsumentenrente + Summe Gewinne
Es soll der Zustand mit der maximalen Wohlfahrt gewählt werden.
Die Addition der individuellen Nutzen erfordert u.a.:
1. kardinale Nutzenmessung
2. einen interpersonellen Nutzenvergleich
3. eingipflige Präferenzen
=> Soziale Wohlfahrtsfunktion ist eine theoretische Illusion.
=> Rückgriff auf das Konzept des Pareto-Optimums.

Das Pareto-Kriterium ist ein Wohlfahrtsmaß der modernen Wohlfahrtstheorie, das die kardinale Nutzenmessung kritisiert und nur ordinale Nutzenmessung unterstellt.
Ein Verteilungszustand in einer Gesellschaft ist pareto-optimal, wenn es keinen anderen Zustand gibt, bei dem mindestens ein Individuum besser gestellt wird,
ohne dass ein anderes Individuum schlechter gestellt wird. Ein Verteilungszustand ist nicht pareto-optimal, wenn es mindestens einen Zustand gibt, bei dem mindestens ein Individuum besser gestellt wird, ohne dass ein anderes Individuum schlechter gestellt wird.
Problematik: Es gibt in der Regel sehr viele pareto-optimale Zustände und das Pareto-Kriterium neigt dazu, den Status Quo der Verteilung zu zementieren.
=> Die Verteilungsfrage bleibt ungelöst.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
10
Q

Die Gerechtigkeitsfrage

A

Vorwurf an den Utilitarismus:
Das Kriterium des maximalen Gesamtnutzens steht über allen Gerechtigkeitsaspekten. Mehrere Gerechtigkeitsaspekte können relevant sein, z.B.
(1) Gerechtigkeit der Nutzenverteilung unter den Bürgern sowie der Einkommens- und Vermögensverteilung
(2) Gerechtigkeit, dass die Würde jedes Menschen geachtet wird, u.a. Nicht-Diskriminierung, Nicht-Beleidigung, Recht auf körperliche Unversehrtheit,
angemessene Ernährung, Kleidung und Unterkunft, sichere Arbeitsbedingungen
und vieles mehr.

Zu (1) Nutzen-, Einkommens- und Vermögensverteilung
Beispiel: Einkommens- und Nutzenverteilung in einer Gemeinschaft von 10 Individuen (A bis J), die alle einer Erwerbsarbeit nachgehen (Annahme: Einkommen = Nutzen). Aus utilitaristischer Sicht ist jene Handlung geboten, die Zustand I herbeiführt.
Pareto-optimal sind beide Zustände, demokratisch würde Zustand II resultieren.

Zu (2) Achtung der Menschenwürde
Wenn die Erreichung des Gesamtnutzens das einzige moralische Kriterium ist, muss die Achtung der Menschenwürde nicht per se eingehalten werden.
Berücksichtigung im Utilitarismus: Missachtungen der Menschenwürde führen zu Leid und äußern sich in sehr starken Nutzenverlusten.

Utilitarismus: Kein Mensch hat Anspruch auf Mindestnutzen und damit auch nicht auf die Achtung der Menschenwürde!
=> Gefahr der Ausbeutung einzelner Menschen oder Gruppen (Minderheiten) . Nur einige Vertreter des modernen Utilitarismus: Die Gesamtnutzenmaximierung
sollte unter der Nebenbedingung der Achtung der Menschenwürde bzw. der Einhaltung der Menschenrechte durchgeführt werden.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
11
Q

Moderne utilitaristische Ansätze

A

Handlungsutilitarismus
- Der Nutzentest wird auf einzelne Handlungen angewendet.
- Jene Handlung ist moralisch geboten,
deren Folgen zu einem maximalen Gesamtnutzen führt.
Der logische Vorrang liegt beim Einzelfall. Jede Situation wird für sich geprüft.

Es werden verschiedene Handlungen miteinander verglichen und jene Handlung
gewählt, deren Ergebnisse zu dem höchsten Gesamtnutzen führt.
Dabei werden die Ergebnisse (d.h. Nutzeneffekte) aller direkt und indirekt, heute
und in der Zukunft betroffenen Menschen berücksichtigt.
Gesamtnutzen = Summe individueller Nutzenwerte
Individuelle Nutzenwerte können positiv oder negativ sein.
Das moralische Kriterium hier ist nicht die einzelne Handlung, sondern die
Konsequenzen der einzelnen Handlung => teleologischer Ansatz.

Regelutilitarismus
- Der Nutzentest wird auf allgemeine Handlungsregeln angewendet, z.B. „Halte immer dein Versprechen“ oder „Maximiere als Unternehmen immer deinen Gewinn.“
- Jene Handlung ist moralisch geboten, die
einer Regel folgt, deren Befolgung zu einem
maximalen Gesamtnutzen führt. Der logische Vorrang liegt bei der Regel.

Schritt I: Aufstellen von alternativen Regeln nach dem Universalisierungstest:
Welche Ergebnisse würden sich jeweils einstellen, wenn jeder so handeln würde?
=> Auswahl jener Regel, die zu einem Maximum an Gesamtnutzen führt.
Schritt II: Überprüfung, ob die in Frage kommende einzelne Handlung der Regel
folgt.
• Wenn ja => moralisch gebotene Handlung
• Wenn nein => moralisch verwerfliche Handlung.
Das moralische Kriterium hier ist, ob die Handlung der Regel folgt, die aufgrund
ihrer guten Ergebnisse ausgesucht wurde => teleologischer Ansatz.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
12
Q

Der Ansatz des effektiven Altruismus von Peter Singer

A

Singers Argumentation:
„Erste Prämisse: Dass Menschen wegen eines Mangels an Nahrung, Unterkunft und medizinischer Versorgung leiden oder gar sterben müssen, ist schlimm.

Zweite Prämisse: Wenn es in unserer Macht steht, etwas Schlimmes zu verhindern, ohne ein annähernd so bedeutendes Opfer bringen zu müssen, dann
ist es verwerflich, dies nicht zu tun.

Dritte Prämisse: Wenn man Hilfsorganisationen Geld spendet, kann man das Leiden verhindern, das durch einen Mangel an Nahrung, Unterkunft oder medizinischer Versorgung verursacht wird, ohne dass man sich selbst diesem Mangel aussetzt.
Schlussfolgerung: Wer kein Geld für Hilfsorganisationen spendet, handelt falsch.“
(Quelle: Singer 2010, 30)

Effektiver Altruismus: philosophischer Ansatz und soziale Bewegung, die es für moralisch zentral hält, anderen Lebewesen so gut wie möglich zu helfen.
Begrenzte Ressourcen, Zeit und Geld, sollen effizient eingesetzt werden. Probleme werden priorisiert und Kosten-Wirksamkeitsanalysen zugrunde gelegt.
Danach sollen Menschen u.a.
• Geld effektiv spenden, d.h. dort, wo es am meisten bewirkt.
• Möglichst viel Geld verdienen (egal wo), um viel spenden zu können.

Ergebnisse empirischer Verhaltensforschung (deskriptive Analyse!): Menschen leisten „Opfern mit Gesicht“ und notleidenden Menschen in der Nähe oder im eigenen Land eher finanzielle Hilfe als z.B. anonymen Menschen in anderen Ländern. Das ist nach Singer moralisch falsch, weil für ihn prinzipiell auch jedes Menschenleben erst einmal gleich viel Wert hat.

Singers normative Schlussfolgerungen:
• Unsere Tendenz, nahestehenden Menschen „mit Gesicht“ mehr zu helfen als
anderen Menschen weltweit, ist utilitaristisch falsch.
• Es ist moralisch richtig, großzügig zu sein, aber Großzügigkeit muss durch Nachdenken effektiv kanalisiert werden.
• Jeder sollte sich fragen: „Wie kann ich am effektivsten spenden, d.h. für jene Menschen weltweit, die es am nötigsten haben?“
=> Das sind nach Singer vor allem jene, die vor Hunger oder mangelnder medizinischen Versorgung sterben.
• Ich sollte an effiziente Hilfsorganisationen (welche sind das? Siehe charitynavigator.org oder GiveWell.org) spenden und auf diese Weise Menschenleben retten.

Singer setzt sich auch intensiv mit den „üblichen Einwänden“ auseinander, u.a.
(1):
• Wir sind nicht für alles Übel der Welt verantwortlich, warum sollen wir uns um diejenigen kümmern, denen wir nichts getan haben?
• Die Regierungen leisten schon genug Entwicklungshilfe. Warum soll ich als Privatperson auch noch etwas spenden?
• Geldgeschenke schaffen nur Abhängigkeit. Besser wäre Hilfe zur Selbsthilfe, z.B. fairer Handel statt Hilfeleistung.
• Diese Art von Entwicklungshilfe verhindert politischen Wandel.
(2):
• Wenn wir viel Geld verschenken, dann leidet unsere Wirtschaft, d.h. unser Wohlstand sinkt und wir können auch nichts mehr verschenken.
• Hilfe beginnt zu Hause, d.h. wir sollten uns erst einmal um die Armen in unserem Land kümmern.
• Die Mühe ist doch vergeblich, das Geld kommt doch bei den Menschen nicht an, es versickert alles in der Verwaltung der Hilfsorganisationen oder in
korrupten Politikerhänden.
• Die Welt-Nahrungsmittelproduktion bzw. weltweite landwirtschaftliche Nutzfläche reicht sowieso nicht für alle.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
13
Q

Würdigung und Kritik

A

• Utilitarismus scheint am wenigsten realitätsfern; allerdings wird die Einbeziehung der Folgen für alle Betroffenen und die Einbeziehung aller
langfristigen Folgen („Sekundär- und Folgeeffekte“ sowie „externe Effekte“) häufig versäumt => Gefahr falscher Schlussfolgerungen.
• Die Annahme der quantitativen Nutzenaggregation suggeriert Objektivität (und damit Wissenschaftlichkeit), aber Nutzen ist nicht kardinal messbar, nicht interpersonell vergleichbar und daher nicht aggregierbar.
• Bestimmte moralische Grundsätze und Menschenrechte sollten an sich
(unbedingt) und für alle Menschen (universell) gelten, d.h. unabhängig davon, ob sie zu einem maximalen Gesamtnutzen führen
=> einige moderne Utilitaristen stimmen dem auch zu.

• Einerseits gilt der klassische Utilitarismus für viele als moralische Basis des Liberalismus, andererseits halten Ansätze im modernen Utilitarismus eine Weltwirtschaftsordnung für moralisch verwerflich, die das Wohlergehen armer Länder nicht ausreichend fördert (siehe z.B. Peter Singer).
• Im Hinblick auf die negativen Konsequenzen für zukünftige Generationen wenden sich die meisten Vertreter eines modernen Utilitarismus gegen eine
rücksichtslose Ausnutzung natürlicher Ressourcen und für ein nachhaltiges Wirtschaften.
• Die meisten Vertreter eines modernen Utilitarismus vertreten einen nicht rein anthropozentrischen Umweltschutz, der die Freude und das Leid aller
Lebewesen zu berücksichtigen sucht. Aber: Wie misst man z.B. das Leid eines Baumes, der gefällt wird?

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
14
Q

Interpretationen des Ansatz des effektiven Altruismus von Peter Singer

A

Interpretation im Sinne des Handlungs- oder Regelutilitarismus:
Singers Ziel wäre demnach, den größten Weltnutzen zu erzielen. Wenn die reichen Menschen dieser Welt an arme Menschen Geld verschenken, dann ist ihr Nutzenverlust kleiner als der Nutzengewinn derer, die unter extremer Armut leiden und einen Großteil dieses Geldes erhalten.
=> Eigentlich – so auch Singer – müssten die reichen Menschen so lange Geld spenden bis ihr Nutzenverlust so groß ist wie der Nutzengewinn derer, die das
Geld erhalten (Marginalkalkül) => Maximaler Weltnutzen.

Interpretation im Sinne des Präferenzutilitarismus:
Präferenzutilitarismus: Interessen werden gegeneinander abgewogen und nicht Nutzenverluste oder –gewinne gegengerechnet. Hier z.B.: Das Interesse eines afrikanischen Kindes zu überleben oder gesund und mit ausreichend Nahrung aufzuwachsen ist größer als das Interesse eines gutverdienenden Menschen in einem reichen Land, das dritte Mal im Jahr in den Urlaub zu fahren und Luxusgüter zu kaufen.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly