ÖTM Flashcards

1
Q

Welche Kritik übt die ÖTM an einer Gesinnungs- oder Individualethik?

A

• Die Gesinnungs- und Individualethik hat in der Vergangenheit versagt.
• Die Gesinnungsethik ist an traditionelle Moral- und Lebensvorstellungen
verhaftet, was im Widerspruch zum modernen, globalisierten Leben steht.
• Die Individualethik verkennt die Funktionsweise moderner Marktwirtschaften,
d.h. die Marktwirtschaft beruht in ihrem Funktionsprinzip nicht auf moralisch
handelnden Individuen und Unternehmern.
• Die Gesinnungsethik verkennt, dass der menschliche Wille schwach ist.
• Die Gesinnungsethik vernachlässigt amoralisches Verhalten aus Ausbeutungsgefühl, d.h. dass Menschen, die sich systematisch schlechter stellen, weil sie sich
moralisch verhalten, dieses Verhalten dauerhaft nicht aufrechterhalten.
• Die Gesinnungs- und Individualethik ist unzumutbar, weil von Menschen nicht
dauerhaft und systematisch erwarten werden kann gegen ihre eigenen Interessen
zu handeln.

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2
Q

Welche Rechtfertigung liefert die ÖTM dafür, dass nach ihrem Ansatz
individuelles Vorteilsstreben moralisches Handeln ist? Was versteht man unter
dem HO-Test?

A

Die ÖTM vertritt das Menschenbild der Homo Oeconomicus (HO), d.h. einem
rational handelndem Menschen, der seine individuelle Nutzenfunktion unter vollständigen Informationen maximiert, d.h. einem rein eigennützigen Menschen.
Dieses Menschenbild wird moralisch gerechtfertigt, weil es dem Wirtschaftssystem
der Marktwirtschaft zugrunde liegt, jener Wirtschaftsordnung, die – so die These – in
der Vergangenheit den höchsten Wohlstand und die höchste Wohlfahrt erzeugt hat.
Individuelles Vorteilsstreben ist demnach dann moralisch richtig, wenn die Institutionen der Marktwirtschaft entsprechend richtig, d.h. gesamtnutzenmaximal,
ausgestaltet sind. Damit vertritt die ÖTM den ethischen Ansatz des Utilitarismus.
Unter der Annahme idealer wäre es nach diesem Ansatz gerechtfertigt und erforderlich, dass jeder Mensch ein HO ist. Die ÖTM gesteht dabei zu, dass nicht
alle Menschen HOs sind. Diese „als ob“-Annahme führt jedoch zu den im
utilitaristischen Sinn besten Institutionen, weil so das „worst case“-Szenario
unterstellt wird, der sogenannte HO-Test. Funktionieren Anreize und Institutionen
mit einem HO, dann funktionieren sie immer, so die These.

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3
Q

Welches Menschenbild liegt der Goldenen Regel zugrunde? Stimmen Sie
zu, dass die Goldene Regel das individuelle Vorteilsstreben als solches
nicht verbietet? Begründen Sie Ihre Ausführungen.

A

In der positiven Formulierung lautet die Goldene Regel: „Das, was du nicht willst,
das man dir tu‘, das füg‘ auch keinen anderem zu.“ Oder in der positiven
Formulierung: „Behandle andere so, wie du selbst behandelt werden willst.“ (Siehe
Kapitel 3 der Vorlesung.) Dabei ist nicht klar, ob es sich um strategische Reziprozität
oder ethische Reziprozität handelt.
Im Fall der strategischen Reziprozität handelt es sich um ein aufgeklärtes
Eigeninteresse, d.h. eine Form des individuellen Vorteilsstrebens. Das primäre Motiv
wäre dabei einen anderen gut zu behandeln, weil man selbst gut behandelt werden
möchte, und zwar entweder direkt als Antwort in dieser konkreten Situation oder
indirekt von jemand anderem in der Zukunft.
Im Falle der ethischen Reziprozität gibt es ein Vernunftverständnis im Sinne einer
inneren moralischen Überzeugung, dass es das Beste ist, den anderen gut zu
behandeln, unabhängig davon, wie man selbst jemals behandelt wurde oder erwartet,
in Zukunft behandelt zu werden. Dann wäre das Motiv, das Richtige zu tun, was dem
individuellen Vorteilsstreben durchaus zuwider laufen könnte, z.B. wenn man
jemandem Geld schenkt, damit dieser überlebt.
Die Goldene Regel legt das Motiv nicht fest, daher verbietet sie das individuelle
Vorteilsstreben nicht ausdrücklich, fordert es aber auch nicht explizit ein. Der
Goldenen Regel liegt daher kein eindeutiges Menschenbild zugrunde.

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4
Q

Welches Menschenbild liegt der Ethik von Kant zugrunde? Stimmen Sie
zu, dass die Ethik von Kant das individuelle Vorteilsstreben als solches
nicht verbietet? Begründen Sie Ihre Ausführungen

A

Der Ethik von Kant liegt das Menschenbild eines Vernunftwesens zugrunde, das
sich an dem guten Willen und nicht an seinen Neigungen, Gefühlen, eigenen
Interessen oder Sympathien zu anderen orientiert. Dieser Vernunftmensch orientiert
seine Handlungen an Maximen, die davon geleitet sind, was er vernunftmäßig wollen
kann, wenn diese ein allgemeines Gesetz wären.
Erlaubt die Ethik von Kant das individuelle Vorteilsstreben? Hier würde die Maxime
lauten: „Bei jeder Handlung suche ich meinen individuellen Vorteil“, das allgemeine
Gesetz: „Alle Menschen suchen bei jeder Handlung ihren individuellen Vorteil.“
Zwar ist hier kein logischer Widerspruch erkennbar, weil die Maxime sich nicht
aufhebt, wenn alle so handeln, und das Überleben der Menschheit wäre auch nicht
gefährdet, aber vernunftmäßig kann ich dieses Gesetz nicht wollen, weil seine
Anwendung viele Fälle implizieren würde, in denen ich andere Menschen nur als
Mittel für meine eigenen Zwecke einsetze und sie nicht so behandle, dass sie auch
Zwecke für sich verfolgen können.
Das individuelle Vorteilsstreben ist als Motiv daher mit der Ethik von Kant nicht
vereinbar.

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5
Q

Wo liegt die moralische Lösung gemäß einer Gesinnungsethik (Tugendethik,
Kant) und wo gemäß der ÖTM? Begründen Sie Ihre Antwort.

A

Gemäß einer Gesinnungsethik (Tugendethik, Ethik von Kant) liegt die Lösung bei
(arbeiten, arbeiten). Aufrichtigkeit ist ein Bestandteil des Tugendkatalogs jeder
Tugendethik. Nach Kant wäre „krankfeiern“ eine Form der Lüge und daher keine an
dem Guten Willen formulierte Maxime. Außerdem würde sie zu einem logischen
Widerspruch führen, weil wenn alle Krankfeiern würde unser Wirtschaftssystem
kollabieren, ich hätte dann keine Arbeit mehr und könnte dann nicht mehr krank
feiern.
Der Grund, warum gemäß der ÖTM (arbeiten, arbeiten) die moralische Lösung ist,
muss aber utilitaristisch begründet werden, d.h. die Begründung ist, dass (arbeiten,
arbeiten) den höchsten Gesamtnutzen (in Höhe von 22) stiftet. Die Tatsache, dass
(arbeiten, arbeiten) gesamtnutzenmaximal ist, heißt aber nicht, dass die Individuen
nach der ÖTM jetzt aufgefordert sind, arbeiten zu gehen (siehe c).

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6
Q

Handeln beide Spieler unmoralisch gemäß der ÖTM, wenn sie krankfeiern?
Begründen Sie Ihre Antworten.

A

Gemäß der ÖTM kann „arbeiten“ von den Individuen nicht erwartet werden (auch
wenn das die moralische Lösung ist), weil wenn einer arbeitet, dann die Gefahr
besteht, dass der andere krankfeiert und sich dann derjenige, der dann arbeitet,
schlechter stellt als bei krankfeiern. Das kann nach diesem Ansatz nicht zugemutet
werden. Um sich also vor Ausbeutung zu schützen, ist krankfeiern eine präventive
Gegendefektion. Es ist aus Sicht der ÖTM rational und nicht unmoralisch,
krankzufeiern. Nicht die Individuen handeln hier falsch, sondern das Wirtschaftssystem bzw. die ökonomische Rahmenordnung hat die falschen Anreize gesetzt. In
diesem Fall ist es das Arbeitsrecht bzw. sind es die Tarifbestimmungen, die
unzureichend ausgestaltet sind, denn krankfeiern ist ohne Sanktionen möglich.
Hinweis: Diese Argumentation kann damit eingeschränkt werden, dass sich nach der
ÖTM die Wirtschaftssubjekte an die Spielregeln (wirtschaftliche Rahmenordnung)
halten sollen, also auch an den unterschriebenen Arbeitsvertrag und die Gesetze (die
krankfeiern verbieten). Daher fällt es etwas schwer, es so auszudrücken, dass die
Individuen hier moralisch alles richtig machen, wenn sie krankfeiern. Der Ort der
Moral liegt aber nach der ÖTM in der Rahmenordnung und diese ist hier defizitär.

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7
Q

Wie lässt sich gemäß der ÖTM eine moralische Lösung herbeiführen?
Begründen Sie Ihre Antwort und ändern Sie das statische Spiel entsprechend
ab.

A

Es geht im Sinne der ÖTM der Moral also darum, die Handlungsbedingungen,
konkret die Anreizstrukturen des Handelns, zu ändern. Die ÖTM sagt, der Ort der
Moral ist die (institutionelle) Rahmenordnung. Hier wäre eine Lösung, das krankfeiern eindeutig und zuverlässig zu sanktionieren, so dass es z.B. zu einem Abzug
von 2 bei krankfeiern kommt. Eine konkrete institutionelle Änderung wäre z.B. die
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall auf 50% zu kürzen. Unter der Annahme, dass
diese Kürzung bei krankfeiern zu einem Nutzenverlust von 2 führt, sähe die Matrix
dann so aus: siehe Lösung

Das Nash-Gleichgewicht liegt jetzt bei (arbeiten, arbeiten). Damit ist das Gefangenendilemma aufgelöst. Jetzt ist es individuell eigennutzmaximierend (Verhalten im
Sinne des Homo Oeconomicus), moralisch zu handeln. (Die moralische Lösung – das
Gesamtnutzenmaximum – erfordert immer noch, dass beide arbeiten.) Das
individuelle Vorteilsstreben führt jetzt zu einem maximalen Gesamtnutzen (22).
Andere institutionelle Änderungen könnten sein, eine zusätzliche Leistungsentlohnung oder ein nicht bezahltes Nacharbeiten der Arbeitsstunden während eines
Krankheitsfalls.
Hinweis: Hier ist nochmal anzumerken, dass es bei der ÖTM nicht um Gerechtigkeitsfragen oder andere moralische Aspekte jenseits der Wohlfahrtsmaximierung
geht.

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8
Q

Welche drei zentralen Aufgaben hat die Politik gemäß der ÖTM? Nennen Sie
jeweils ein Beispiel.

A

Zu lösende Aufgaben der Rahmenordnung/Institutionelle Ausgestaltung der
Marktwirtschaft (Aufgabe der Politiker!) vor dem Hintergrund einer utilitaristischen
Unternehmensethik, d.h. Ziel ist die Wohlfahrtsmaximierung:
1. Aufrechterhaltung des Wettbewerbs, insbesondere durch das Bundeskartellamt.
Beispiel: Zerschlagung von Kartellen, wie Kaffeekartell.
2. Internalisierung aller externer Effekte, z.B. Ökosteuer auf Mineralölkonsum oder
Verbote und Einhaltung von Grenzwerten (vom Verschmutzung und Lärm) laut
Bundesemissionsgesetz.
3. Institutionelle Anreizsteuerung, so dass sich unmoralisches Verhalten individuell
nicht lohnt, z.B. hohe Strafen bei wirtschaftlicher Korruption. Die Sanktionsinstanz „Staat“ soll unmoralisches Verhalten unattraktiv machen. Ein Beispiel
wäre die Subventionierung der Elektromobilität, wenn berechnet werden kann,
dass Elektromobilität wohlfahrtssteigern wirkt.
Diese drei Aufgaben erfordern einen starken Staat mit entsprechenden Kontroll- und
Sanktionsmechanismen.

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9
Q

b) Erläutern Sie jeweils kurz für die folgenden Fälle:
(1) Wer hat moralisch nach der ÖTM versagt?
(2) Wie hätte dieses Moralproblem nach der ÖTM verhindert werden können?
i) Der VW Abgasskandal (Manipulation der Abgassoftware).

A

(1) Hierbei handelt es sich aus Sicht der ÖTM in erster Linie um ein Versagen der
staatlichen Kontroll- und Aufsichtsbehörden, d.h. primär ein Institutionenversagen,
hier der Wirtschaftspolitik, der Umweltämter, der Kraftfahrtämter oder des TÜV.
Allerdings sollen alle Wirtschaftssubjekte sich auch an die Handlungsregeln, das sind
u.a. die Umweltgesetze, halten und das hat VW nicht getan. Insofern trägt VW auch
eine Mitverantwortung.
(2) Vor allem bessere Kontrollen und schärfere Sanktionen, denn dann hätten die
Unternehmen sich nicht verleitet gesehen, die staatlich gesetzten Abgasgrenzwerte zu
überschreiten.

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10
Q

Erläutern Sie jeweils kurz für die folgenden Fälle:
(1) Wer hat moralisch nach der ÖTM versagt?
(2) Wie hätte dieses Moralproblem nach der ÖTM verhindert werden können?
ii) Der weltweite, klimaschädliche Flugverkehr. (Hinweis: Gehen Sie davon aus,
dass die Weltwohlfahrt größer wäre, wenn die Flüge geringer wären.)

A

(1) Die Staatengemeinschaft hat bei der Internalisierung negativer externer Effekte
versagt, denn „klimaschädlich“ heißt, dass der Flugverkehr zu weltweiten
Wohlfahrtseinbußen führt.
(2) Mit allen Instrumenten zur Internalisierung negativer externer Effekte: Höhere
Besteuerung von Kerosin, Besteuerung einzelner Flüge, Ausgabe von Flugzertifikaten etc.

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11
Q

Erläutern Sie jeweils kurz für die folgenden Fälle:
(1) Wer hat moralisch nach der ÖTM versagt?
(2) Wie hätte dieses Moralproblem nach der ÖTM verhindert werden können?
iii) Monopolistische Preissetzung eines Unternehmens aufgrund einer
marktbeherrschenden Stellung (kein staatliches Unternehmen).

A

(1) In erster Linie ein Versagen des Bundeskartellamts in der mangelnden
Aufrechterhaltung des Wettbewerbs, d.h. auch primär ein Institutionenversagen.
(2) Der Staat sollte vorhandene Marktzugangsbeschränkungen auflösen und so mehr
Wettbewerb zulassen und fördern, denn Wettbewerb hat in diesem Ansatz eine
moralische Qualität, weil er wohlfahrtssteigernd wirkt.

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12
Q

Unabhängig von den Annahmen der ÖTM: Unter welchen (idealisierten)
Bedingungen einer Marktwirtschaft führt theoretisch das individuelle
Vorteilsstreben zu einem Wohlfahrtsmaximum bzw. Pareto-Optimum? Nennen
Sie vier Bedingungen. [Für alle Master BWL-Studierende: Das war Stoff in
Mikroökonomie II]

A
  1. Abwesenheit positiver und negativer externer Effekte ODER vollständige
    Internalisierung aller externer Effekte
  2. Nur private Güter (gekennzeichnet durch Ausschlussmöglichkeit und Rivalität im
    Konsum, z.B. Kaffee), d.h. keine öffentlichen Güter (gekennzeichnet durch NichtAusschluss und Nicht-Rivalität im Konsum, z. B. ein Deich).
  3. Keine Gefangenendilemmata im Sinne der Wohlfahrtsökonomik
  4. Vollkommene Konkurrenz auf allen Güter- und Faktormärkten (impliziert:
    vollständige Informationen, vollkommene Transparenz sowie unendliche
    Anpassungsgeschwindigkeit)
    Auch richtig: Abwesenheit natürlicher Monopole (keine sinkenden Durchschnittskosten), freier Preismechanismus sowie Menschenbild des HO.
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13
Q

Einführung in wirtschaftsethische Ansätze

A

Drei Grundkategorien wirtschaftsethischer Ansätze:
1. Individualethischer Ansatz
=> Gesinnungsethik, Ethik von Kant, individuelle Tugendethik
=> Anwendbar von jedem Wirtschaftsakteur: Konsument, Sparer,
Kapitalanleger, Unternehmer, Arbeitnehmer, Wirtschaftspolitiker usw.
2. Institutionenethischer Ansatz
Moral wird in die ökonomischen Institutionen implementiert
z.B. Ökonomische Theorie der Moral
3. Kombinierte Ansätze von Individual- und Institutionenethik (u. Diskursethik)
z.B. Integrative Wirtschaftsethik
z.B. Befähigungsansatz von Sen

Ökonomische Theorie der Moral (ÖTM)
Manchmal auch (aber nicht hier): „Ökonomische Ethik“, „Moralökonomik“
Vertreter: K. Homann, A. Suchanek, I. Pies, V. Arnold u.a. (deutsche Theorie)
Teildisziplin der Ökonomik, die von rationalen, eigeninteressierten, nutzenmaximierenden
Wirtschaftsakteuren ausgeht.
Kernthese: Moralisches Verhalten lässt sich erzielen, wenn mittels Institutionen („Regeln“)
Anreize und Sanktionen so gesetzt werden, dass das individuelle Vorteilsstreben den
Gesamtnutzen erhöht.

Kernthese: Im Prinzip führt HO-Verhalten zu maximalem Gesamtnutzen.
Allerdings Zugeständnis: Ausnahmen möglich, daher Regulierung notwendig.
Übertragung der ökonomischen Methodik, verstanden als Anreizfokussierung, auf die Ethik
=> Primat der Ökonomik (über die Ethik).
Ziel: Implementierung moralischer Normen durch entsprechende Anreizsysteme.
Verständnis von (Wirtschafts-) Ethik als angewandte Ökonomik

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14
Q

Axiome der Ökonomischen Theorie

A

„Axiome“ der ÖTM:
1. Menschenbild des Homo oeconomicus → Menschen befolgen moralische Normen nur
dann, wenn sie davon (nicht in jedem Einzelfall, aber in der Sequenz der Einzelfälle)
individuelle Vorteile erwarten können.
Der Homo oeconomicus (HO) bezeichnet einen Menschen, der rational im Sinne von
eigeninteressiert handelt, d.h. er wählt diejenige Alternative, die für ihn den höchsten
Nutzen bringt (unter Nebenbedingungen).
Es wird zugestanden, dass nicht alle Menschen HOs sind.
Der HO ist eine „als ob“-Annahme => „worst case“-Szenario
=> daher „HO-Test“ => beste (effizienteste) Institutionen.
„Axiome“ der ÖTM (Forts.):
2. Man kann von Menschen nicht erwarten bzw. verlangen, dass sie sich moralisch
verhalten, wenn sie damit systematisch ihren eigenen Interessen widersprechen.
Begründung => Kritik an der Gesinnungs- und Individualethik:
• Sie entspricht traditionellen Moral- und Lebensvorstellungen.
In modernen Gesellschaften: Verweigerung und/oder Überforderung.
• Verkennt die Funktionsweise moderner Marktwirtschaften
(=> Sachzwangargument siehe IW Kap. 8)
• Verkennt, dass Menschen neigungsorientiert sind und Wille meist schwach.
• Menschen sind oft die „Dummen“ => Gefühl der Ausbeutung und Ungerechtigkeit =>
erzeugt amoralisches Verhalten.
=> Gesinnungsethische Ansätze: unrealistisch, weil unzumutbar => erfolglos.
3. Die Marktwirtschaft und der Wettbewerb sind moralisch geboten i.S. einer
teleologischen (gesamtnutzenmaximierenden) Ethik, da sie zu einer „Besserstellung
breiter Bevölkerungskreise“ führen.
These: Zentrale Ursache der Leistungsfähigkeit einer Marktwirtschaft (Wohlstand) ist das
individuelle Vorteilsstreben der Menschen und der Wettbewerb.
Ausnahmen möglich => Anerkennung des Gefangenendilemmas => Regulierungen,
Änderungen der Institutionen notwendig.
„Die Idee einer solidarischen Gesellschaft, in der jeder für den anderen
eintritt und mit ihm teilt, ist gescheitert.“ (Arnold 2009, 256)
→ die Wirtschaftsordnung „Marktwirtschaft“ wird normativ gesetzt.

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15
Q

Grundschema und Akteure in der ÖTM

A

Handlungsbedingungen (Spielregeln)
Anreize, Sanktionen mittels Institutionen, die Gesamtnutzen maximieren
Handlungen (Spielzüge) der
Individuen geprägt von
• Eigeninteresse
• Wettbewerb
Wohlfahrtsmaximierende Institutionen => Moralisches Ergebnis:
„Wohlstand für alle“ (Wohlfahrt hier = Wohlstand)

Zu lösende Aufgaben der Rahmenordnung/Institutionelle Ausgestaltung der
Marktwirtschaft => Aufgabe der Politiker:
1. Aufrechterhaltung des Wettbewerbs, z.B. durch das Bundeskartellamt,
denn Konkurrenz hat in diesem Ansatz eine moralische Qualität!
2. Internalisierung aller externer Effekte, z.B. Verfügungsrechte bei Umweltverschmutzung,
sonst Marktversagen.
3. Institutionelle Anreizsteuerung, so dass sich moralisches Verhalten individuell lohnt, z.B.
Bekämpfung der wirtschaftlichen Korruption, der Steuerhinter-ziehung, des
Krankfeierns von Arbeitnehmern.
=> Die Sanktionsinstanz „Staat“ soll unmoralisches Verhalten unattraktiv machen.
=> Starker Staat, der umfassende Regelsysteme, Kontroll- und Sanktions-mechanismen
aufbaut.

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16
Q

Die Bedeutung der sozialen Dilemmata

A

Moralisches Verhalten = individuelles Vorteilsstreben zum „wechselseitigen Vorteil“
=> garantiert durch die staatliche Setzung entsprechender Anreize und Institutionen.
Übersicht: Aus Sicht der ÖTM sollten über entsprechende Institutionen
• in manchen Fällen soziale Dilemmata etabliert werden
(hier: Beispiel 1: Gefangenendilemma im Duopol) und
• in anderen Fällen soziale Dilemmata überwunden werden
(hier: Beispiel 2: Moralisches Problem der Steuerhinterziehung),
um moralisches Verhalten über Anreize zu erzeugen.

Lösung: Nash-GG bei (gestehen; gestehen)
Gefangenendilemma:(gestehen; gestehen) ist der einzige nicht pareto-effiziente Zustand.
In der Spieltheorie wird (leugnen; leugnen) als das soziale Optimum erachtet, das nicht
erreicht wird.

Beispiel 1: Gefangenendilemma im Duopol (Forts.)
ABER: In einem vollständigen Marktmodell mit Konsumenten kann gezeigt werden, dass
(defektieren, defektieren) zu einer höheren Wohlfahrt (einem höheren Gesamtnutzen)
führt als (kooperieren, kooperieren)!
=> Wettbewerbslösung (p=10, p=10) ist beste Lösung, wenn maximale Wohlfahrt als
normatives Kriterium zugrunde gelegt wird.
=> Aus volkswirtschaftlicher und utilitaristischer Sicht (d.h. unter Einbeziehung aller
Betroffenen, hier aber nur der Konsumenten) kein soziales Dilemma, nur aus Sicht der
Spieltheorie.
=> Wettbewerb als Dilemma (im Sinne der Spieltheorie), das institutionell gezielt etabliert
werden soll (normativ)

Moralisch richtige Lösung (gesamtnutzenmaximierend!): Beide zahlen Steuern.
Nash-Gleichgewicht bei (Steuer hinterziehen; Steuer hinterziehen).
Zustand (2;2) ist nicht pareto-effizient → Das Nash- Gleichgewicht ist ein
Gefangenendilemma. Alle anderen Zustände sind pareto-effizient

Beispiel 2: Moralische Problem der Steuerhinterziehung (Forts.)
Interpretation des Gefangenendilemmas nach der ÖTM:
Individuell rationales Verhalten ist hier individuell unmoralisches Verhalten.
Einer verhält sich unmoralisch
=> der andere stellt sich besser, wenn er sich auch unmoralisch verhält
=> Amoralisches Verhalten aus Selbstschutz, d.h. die einzige Möglichkeit, nicht „der
Dumme“ zu sein, nicht ausgebeutet zu werden
=> sog. „präventive Gegendefektion“.
Individuelle Nutzenmaximierung führt zum Nash-Gleichgewicht (beide hinterziehen
Steuer)
Konsequenz: für jeden nur das drittbeste Ergebnis.
=> Kollektive Ergebnis ist ein von allen nicht gewolltes und nicht beabsichtigtes Ergebnis,
aber Folge individuell rationalen Handelns.
Nash-Gleichgewicht bei (Steuer zahlen; Steuer zahlen), d.h. es ist jetzt individuell
rational (eigennutzmaximierend), sich moralisch zu verhalten.
Zustand (3;3) ist pareto-effizient → Mit neuer Institution Überwindung des
Gefangenendilemmas

Aus Sicht der ÖTM sollten über entsprechende Institutionen
• Beispiel 1: Gefangenendilemma im Duopol
=> Beispiel für die Etablierung eines soziales Dilemmata aus moralischer Sicht
• Beispiel 2: Moralisches Problem der Steuerhinterziehung
=> Beispiel für die Überwindung eines sozialen Dilemmata
aus moralischer Sicht
Alle wirtschaftlich moralischen Fragen sind vom Staat einer dieser beiden Kategorien
zuzuordnen und entsprechen zu regulieren.
=> Die Sanktionsinstanz „Staat“ soll in jedem Einzelfall moralisches Verhalten über Anreize
erzeugen.
=> Starker Staat, der umfassende Regelsysteme, Kontroll- und Sanktions-mechanismen
aufbaut.

17
Q

Hauptsätze

A
  1. Hauptsatz der Wirtschaftsethik: Der systematische Ort der Moral in der
    Marktwirtschaft ist die Rahmenordnung.
    Wenn die Marktwirtschaft optimal ausgestaltet und reguliert wäre:
    => Alle Wirtschaftsakteure sollten die Normen und Gesetze der Rahmenordnung und die
    Institutionen der Marktwirtschaft befolgen.
    => Alle Wirtschaftsakteure sollten (!) ihren eigenen Nutzen maximieren.
    Die Gewinnmaximierung der Unternehmen wäre ihre moralische Pflicht.
    Die Nutzenmaximierung der Konsumenten wäre ihre moralische Pflicht.
    Zugeständnis, dass Marktwirtschaft zur Zeit suboptimal ausgestaltet ist. =>
  2. Hauptsatz der Wirtschaftsethik: Im Fall einer (moralisch) defizitären
    wirtschaftlichen Rahmenordnung fällt ein Teil der moralischen
    Verantwortung auch den Unternehmen zu => Unternehmensethik.
18
Q

Unternehmensethik

A

„In ihrer unternehmensethischen Stoßrichtung folgt eine ökonomische Theorie der Moral
der Fragestellung, ob und inwiefern Unternehmen ein moralisches Engagement für ihr
eigeninteressiertes Gewinnstreben in Dienst nehmen können. …
In einem solchen Umfeld können Unternehmen mittels moralischer Bindungen – formaler
oder informaler Art – sich selbst als moralische Akteure konstituieren und sich glaubwürdig
auf integre Verhaltensweisen verpflichten. So lösen sie bei ihren Interaktionspartnern
Gegenreaktionen aus, die sich für eine gemeinsame Wertschöpfung als sehr produktiv (und
profitabel) erweisen.“

In der Unternehmensethik der ÖTM
• wird meist ein positiver Zusammenhang zwischen Moral und Gewinn angenommen
(„Business Case“)
• wird Moral für die Gewinnerzielung instrumentalisiert
• sind moralische Verhaltensweisen sowieso nur zumutbar, wenn die Finanzkraft und
Wettbewerbsposition es erlauben
• kann von den Unternehmen verlangt werden, dass sie (nur) zusammen mit Politikern
nach Lösungen suchen, die zu einer höheren Wohlfahrt führen.
=> Unternehmer sollten Politiker bei der Regulierung beraten.

Teleologische Ethik, da implizit utilitaristisch.
• Keine Gesinnungsethik (Tugendethik, Kant)
„Das Gewissen des Einzelnen kann ein Versagen der Institutionen nicht kompensieren.“
(Krings 1991,230)
• Anreiz- und Institutionenethik, d.h. die Implementierungsaufgabe wird auf die
wirtschaftspolitische Ebene verlegt
=> Ökonomische Institutionen sind so auszugestalten, dass sich moralisches Verhalten
individuell lohnt und unmoralisches Verhalten bestraft wird
=> Normative Institutionenökonomik.
Die Handlungsbedingungen sind entscheidend für moralisches Handeln.
• Neoliberale Wirtschaftsethik