Vorlesung 3 Flashcards
(16 cards)
Kontexte schulischen Lernens ‐ Hinführungen
–> Verhältnisse zwischen Miko‐, Meso‐ und Makroebene
- Gängige Unterscheidung in der Bildungsforschung: Individuelle vs. kontextuelle Merkmale
- Synonyme (vgl. Duden): Umgebung, Bezugsrahmen, Verbindung, Zusammenhang…
- „Unter sozialen Kontexten werden (…) im weitesten Sinne materielle, institutionelle und kulturelle Umwelten oder Situationen verstanden.“ (Becker & Schulze 2013, 1)
- Kontexte sind relevant, insofern sie ursächlich für Differenzen sind (bzw. diese nachweisbar sind)
- –> Esser (1999, 443): „Kontexte (wirken) nur insoweit, wie sie die Erwartungen und die Bewertungen der Menschen systematisch zu beeinflussen vermögen.“
- Kontextanalyse (Fuchs‐Heinritz et al. 2011, 370):
„Untersuchungsform, die neben individuellen Merkmalen auch Merkmale von Kontexten (z.B. von Gruppen, Organisationen, Regionen, denen das Individuum angehört) erfasst. Die Kontextmerkmale werden zumeist als unabhängige Variable aufgefasst, die individuelle Größen beeinflussen oder Zusammenhänge zwischen individuellen Größen modifizieren.“
Problematik der Kontextanalyse
(z.B. im Rahmen institutionalisierter Schulbildung)
„(…) Dies verweist darauf, dass nicht nur Menschen auch gestaltend von ihrer sozialen Umwelt beeinflusst werden, sondern umgekehrt die Menschen auch gestaltend in die Umwelt eingreifen. Ein Kontext besteht also weniger an und für sich, sondern in der Regel als das Resultat der Handlungen von Menschen. Wie diese wechselseitige Interaktion von Kontext und Person(en) methodisch zu behandeln ist, stellt eine noch ungelöste Herausforderung dar.“ (Ditton 2013, 176)
–> Reziprozität
Arten von Effekten bei einer Kontextanalyse
- Rein individuelle Effekte
- Rein kontextuelle Effekte
- Interaktionseffekte
–> Es ist nicht zwangsläufig von Mikro‐ auf Makroebene zu schließen und umgekehrt
Kontextdimensionen nach Ditton (2013)
…in die individuelle Personen, aber auch korporative Akteure (Einzelschulen) oder Schulsysteme eingebettet sind
- Normen und Werte
- Kultur und Ethos
- Interaktionen und Vergleichsprozesse
- Opportunitäten und Restriktionen
- Regionale Strukturen (z.B. Sozialräumliche Bedingungen, Demografie, Wirtschaft, Sozialstruktur)
6.
Drei Kontexte schulischen Lernens nach Fend (2006)
- Inhalte schulischen Lernens
– z.B. Lehrpläne, Lehrbücher, Bildungsstandards, didaktische Anleitung etc.
- Soziale Begegnungen, die in Schulen gelebt werden z.B. Schüler‐Lehrer‐Beziehungen, Schüler‐Schüler‐Beziehungen, soziale Dynamiken etc.
- Institutionelle Strukturen – z.B. formalisierte Regeln, Handlungsnormen, Sanktionen, Verteilungsgrundsätze etc.
Mehrebenentheoretisch erweitertes Angebot-Nutzungs-Modell
Bronfenbrenner (1993): Ökologie der menschlichen Entwicklung
- Was nimmt Einfluss auf die menschliche Entwicklung?
- Entwicklung als „dauerhafte Veränderung der Art und Weise, wie die Person die Umwelt wahrnimmt und sich mit ihr auseinandersetzt“ (Ebd., 19)
‐ Was wird wahrgenommen, gewünscht, gefürchtet, bedacht und wie erfolgt Veränderung durch Einfluss der Umwelt auf Person, die ihr ausgesetzt ist und sich mit ihr auseinandersetzt?
- Umwelt als „ineinandergeschachtelte Strukturen“ (ebd.) ‐ Nicht nur Verhalten von Individuen, sondern auch funktionale Systeme für Entwicklung relevant
Bronfenbrenner (1993): Kontextverständnis
- Mikrosystem: Geflecht unmittelbar erlebter Elemente (Rollen, Tätigkeiten, Beziehungen z.B. in der Familie/ Schule/…)
- Mesosystem: Wechselbeziehungen zwischen Lebensbereichen, die aktiv mitgestaltet werden (z.B. zwischen Schule und Elternhaus)
- Exosystem: System von Ereignissen, die ohne Beteiligung den individuellen Lebensbereich beeinflussen (z.B. Beruf der Eltern)
- Makrosystem: gesellschaftliches Gesamtsystem, institutionelle Ordnungen, generalisierte Muster
multiple Kontexte des Schulsystems
3 übergeordnete Herausforderungen:
- Empirisch: Wie ist zwischen Effekten individueller Merkmale und kontextueller Variablen zu diskriminieren? Wie verhalten sich kontextuelle Variablen zueinander?
- Theoretisch: Wie sind Vermittlungszusammenhänge zwischen mehreren einzelnen Faktoren angesichts mehrdimensionaler Kontexte der Elemente des Mehrebenensystems Schule zu modellieren? Welche Begriffe stützen eine hinreichende Beschreibung?
- Praktisch: In welche Kontexte sind die Schüler eingebunden? Welche Kontexte beeinflussen die Lehrkraft und das System Schule? Was passiert wenn Akteure mit differenten Bezugsrahmen in der Schule aufeinandertreffen? Wie und in welcher Form tangieren die Bezugsrahmen schulische/unterrichtliche Prozesse? Wie können Kontexte angepasst werden?
Baumert, Stanat & Watermann (2006)
(Einzel‐)Schule als Lern‐ und Entwicklungsmilieu
Damit ist gemeint „dass junge Menschen unabhängig von und zusätzlich zu ihren unterschiedlichen persönlichen, intellektuellen, kulturellen, sozialen und ökonomischen Ressourcen je nach besuchter Schulform differenzielle Entwicklungschancen erhalten, die schulmilieubedingt sind und sowohl durch den Verteilungsprozess als auch durch institutionelle Arbeits‐ und Lernbedingungen und die schulformspezifischen pädagogisch‐didaktischen Traditionen erzeugt werden.“ (ebd., 99)
Was zählt als relevante Kontexte?
Beides zählt!
• Effekte der sozialen Komposition:
– Merkmale erklären zwischen 30 und 50 Prozent (von Schulart zu Schulart) der Leistungsvarianz zwischen Schulen derselben Schulart
– Leistungs‐ und Fähigkeitsniveau der Schülerschaft als wichtiges Merkmal
• Effekte der Institution (Schulart):
– Leistungszuwächse je nach besuchter Schulart verschieden
– Hauptschulen werden eher durch Komposition hinsichtlich ihrer Effektivität beeinflusst als etwa Gymnasien
Weiteres organisationales Kontextmerkmal: Ganztag
Positiver Zusammenhang zw. ganztägiger Schulorganisation u. Beziehungsqualität, auch längsschnittlich
Bischof, Hochweber, Hartig & Klieme 2013
Fazit Schulart/Einzelschule
Schulen unterschiedlicher Schularten sowie die Einzelschule innerhalb einer Schulart sind relevante Kontexte für die Leistungsentwicklung von Schülern. Auch organisatorische Merkmale einer Schule, z.B. ob sie als Ganztagsschule geführt wird, zeigen Effekte. Die einzelnen Vermittlungsprozesse zwischen sozialen und institutionellen Kontexten sowie den individuellen Merkmalen sind aber zum Großteil noch zu wenig erforscht.
Schulsysteme als „kontextualisierte Bildungskontexte“
In Deutschland erhalten die Schüler trotz Bedarfs oftmals keinen Förderunterricht. In z.B. Finnland und der gesamten EU wird der Bedarf adäquater gedeckt.
Ausgaben für Bildung:
Dänemark: 7,7 %
Schweden: 6,8 %
Deutschland: 4,6 %
EU: 5,3 %
Die Lage der nächstgelegenen weiterführenden Schule, bezogen auf die Lage der Grundschule, beeinflusst die Übergangsquote auf ein Gymnasium.
Schulentwicklung im Zeichen demografischer Veränderungen
Fazit zum Kontext
- Kontexte schulischen Lernens – Hinführungen
- Empirische Befunde
a. Schulart und Einzelschule als relevante Kontexte
b. Schulsystem als relevanter Kontext (PISA, IGLU, CSP)
Fazit
c. Gesellschaft als relevanter Kontext (Demografie, Finanzierung, Recht)
‐ Schlussfolgerungen für pädagogisches Handeln? (–>Komplexität, Gleichzeitigkeit, Relevanz von Strukturen für Entwicklung)
‐ Einbezug raumtheoretischer Überlegungen für weitere Forschung (z.B. Region/Ungleichheit bei Löw 2001)
‐ Ungleichheit und gerechtigkeitstheoretische Deutungen
‐ ….