2. Annahmen, Konzepte & Ergebnisse ausgewählter psychoanalytischer Entwicklungstheorien Flashcards
(16 cards)
In welchem Verhältnis standen und stehen empirische Entwicklungspsychologie & psychoanalytische Entwicklungspsychologie zu einander?
- auffallende zeitliche, räumliche & inhaltliche Nähe (1920er & -30er Jahre)
- trd lange Zeit kaum wechselseitige Rezeption oder gar Kooperation
- Kind und seine Entwicklung im Fokus -> Gemeinsamkeit oder Unterschied? (2 Grundlinien: Neurosenprophylaxe & Erziehungskritik)
- Grund methodische Unvereinbarkeiten?
Welche Zugänge psychoanalytischer Entwicklungsforschung gibt es? (6)
~ Rekonstruktion ausgehend von Erwachsenenanalysen
~ Kinderanalyse
~ Direktbeobachtung (Freud: Kinder aus seiner Familie beobachtet zB Trennung von Mutter im Spiel)
~ Ethnopsychoanalyse
~ Familien-/Gruppenanalyse
~ Biographieanalyse
Was kann am Freud’schen Bildes vom Psychoanalytiker als “Archäologen” kritisiert werden?
~ Arbeit im “Hier & Jetzt” VS Arbeit am “Dort & Damals”
~ Erinnerungen können nicht unverändert “ausgegraben”/”freigelegt” werden, weil sie immer von einem bereits veränderten psychischen Apparat vollzogen werden
-> “Keine Erfahrung kann exakt 2x gleich gemacht werden - vgl. psychische Strukturbildung”
~ Erinnerung beinhaltet immer Verzerrungen und stellen “psychische Realität” nicht “ontogenetisch-historische Realität” dar (Verführungstheorie, 1896)
~ Erinnerungen psychisch kranker Menschen enthalten mitunter pathozentristische Verzerrungen und sind daher nicht ohne weiteres auf “Normalentwicklung” übertragbar
Wie kann “Entwicklung” als Gegenstand entwicklungspsychologischer Forschung definiert werden
= Veränderungen und Stabilitäten, die sinnvollerweise auf der Zeitdimension Lebensalter registriert werden (Oerter & Montada, 2008)
Nicht jede Veränderung stellt aber eine Entwicklung dar!
= wenn bestimmte Veränderungen/Stabilitäten
- mit Altersunterschieden korreliert sind, durch Alter allein aber nicht erklärt werden können (->Reifung)
- dauerhaft oder nachhaltig wirken, und auf
- Kontinuitäten verweisen, also mit früheren Entwicklungsschritten in Verbindung stehen, die eine Voraussetzung für die fraglichen Veränderungen/Stabilitäten darstellen.
Welche Konzepte von Entwicklung gibt es? Welche Kritikpunkte werden diesen Methoden vorgeworfen?
Phasen VS Stufen
Ziel von Phasenmodellen
= auf deskriptiver Ebene Besonderheiten bestimmter Lebensphasen auszumachen, die es früher oder später im Lebenslauf nicht gibt (zB: “Trotzphase”)
= die Funktion & Bedeutung jeder Entwicklungsphase im Hinblick auf den immanenten Entwicklungsplan bzw -richtung auszumachen
Stufenmodelle nehmen eine bestimmte Reihenfolge von Stufen an, die im Entwicklungsgang durchlaufen werden müssen. (zB: Erikson’s stages of personality development VS Freud’s)
- > Veränderungsreihe mit mehreren Schritten, die eine Richtung auf einen End- oder Reifezustand aufweist,
- > gegenüber dem Ausganszustand höherwertig
- > unumkehrbar (irreversibel): mit Überlegenheit der höheren Stufe erklärbar
- > Stufen als qualitative, strukturelle Transformationen im Unterschied zu nur quantitativem Wachstum
KRITIK:
- viele Veränderungen können nicht als einander bedingende Stufen beschrieben werden (zB Entwicklungsfolgen von Bindungsmustern)
- Konzeption höherer Niveaus bzw. Reifungszustände = problematisch, da für viele keine konsensuellen Wertkriterien bzw. normative Maßstäbe vorliegen (zB Autonomieentwicklung)
- End- bzw. Reifezustände = zu einengend & entsprechen nicht empirischen Befunden (zB Entwicklung im Alter)
- Unumkehrbarkeit = modelltheoretisch problematisch (“Regression im Dienst der Entwicklung”)
Welche 4 prototypischen Modellfamilien von Entwicklungstheorien gibt es?
- Exogenetisches Modell
Entwicklung unter Kontrolle externer Einflussfaktoren (“tabula rasa” bei John Lock bzw. J.J. Rousseau) - Endogenetisches Modell
Entwicklung ist Ergebnis der Entfaltung eines angelegten/immanenten Planes (Anlage, Reifung, sensible Phasen)
=> nach heutiger Forschung weder noch sinnvoll/haltbar (zB: Erhöhte Entwicklungsunterschiede durch Frühförderung. Je größer die Potentiale, desto größer die Fördereffekte.)
- Aktionales Modell (konstruktivistisch)
Mensch ist als erkennendes & reflektierendes Wesen Mitgestalter seiner Entwicklung. Wahrnehmung, Deutung & Interpretation von Menschen moduliert Anlagen & Reifungsvorgänge (Pubertät/Adoleszenz) - Transaktionales systemisches Modell (interaktionistisch)
Sowohl Subjekt, als auch Umwelt kommt gestalterischer Einfluss auf Entwicklung zu. -> systemische, wechselseitige Zusammenhänge (Temperament-förderung)
=> für moderne Entwicklungsforschung scheint eine Verschränkung beider Perspektiven sinnvoll.
Was ist die Anlage-Umwelt-Debatte?
Welche für die Entwicklung zentrale Aspekte können nach Tyson & Tyson (2009) als “angelegt” - wenn auch erweiterungs- & differenzierungsbedürftig - betrachtet werden?
Frage nach Gewicht des Einflusses von bestimmten Genen auf Entwicklung wenig sinnvoll! => Erbanalgen & internale/externale Faktoren wirken unauflösbar zusammen
“Welche Komponenten des Genoms interagieren wann bei der Entwicklung mit welchen Aspekten der internalen somatischen und/oder der externalen Umwelt in welcher Weise und mit welchem Ergebnis?”
Tyson & Tyson:
~ Fähigkeit zwischen lustvollen und unlustvollen Empfindungen zu unterscheiden und lustvolle Empfindungen vorzuziehen
(7 Primäraffekten/Basisemotionen = prä-/postnatal angelegt - Freude, Trauer, Verzweiflung, Wut, Ekel, Überraschung, Interesse. Bis Ende des 1. LH kommen weitere Affekte wie Scham und Verachtung etc hinzu. -> VOR Sprache!)
~ Fertigkeiten, die zur Interaktion mit anderen befähigen
~ Bedürfnis nach bzw. basale Fähigkeiten zur Affektregulation
=> Voraussetzungen für Erfahrung und die Kategorien, in denen sie sich verwirklicht
In welcher Weise nehmen vergangene Erfahrungen und deren Verarbeitung Einfluss auf das gegenwärtige Erleben und Verhalten? (6 Früher VS Heute)
Welche “Fallen” & “Irrtümer” psychoanalytischer Forschung werden heute versucht weitgehend zu vermeiden?
“Genetischer Aspekt” = zentral für Psychoanalyse & Ausgangspunkt für ihr Interesse an Entwicklung.
Psychischer Determinismus I:
Zusammenhang zwischen Vergangenem und Gegenwärtigem
Psychischer Determinismus II:
Zusammenhang zwischen Latentem und Manifestem
Früher VS Heute
~ psychosexuelle Entwicklung stand im Zentrum der Forschung => strukturelle & adaptive Gesichtspunkte mehr im Fokus (Strukturbildung, Ich-Entwicklung, Affektregulation, Abwehr, etc.)
~ pathologische Entwicklungsverläufe => “normale” Entwicklungsverläufe
~ Perspektive einer “Ein-Personen-Psychologie” => Untersuchung früher Objektbeziehungen & ihrer Bedeutung
~ dyadische Beziehungskonstellation im Fokus (Mutter-Kind) => triadische Beziehungsstrukturen (Bedeutung des Vaters)
~ auf Phase der (frühen) Kindheit beschränkt => gesamte Lebensspanne
~ Theorien durch Rekonstruktion => andere Zugänge (zB: Direktbeobachtung), versucht jüngere empirische Säuglingsforschung zu integrieren
“Fallen” & “Irrtümer”
- pathozentrischer Irrtum = von pathologisch auf normal schließen
- genetischer Irrtum = monokausale Rückführung auf einzelne Erfahrung
- adultomorphologischer Irrtum
Welche Zentralen Begriffe beinhaltet die Psychosexualität?
sexuelle Triebregungen, infantile Amnesie, Libido
Sexuelle Triebregungen
- finden bereits in früher Kindheit statt
- in engem Zusammenhang mit der gesamten (Persönlichkeits-)Entwicklung (infantile Sexualität als “Motor”)
- entscheidender Anteil an der Entstehung späterer psychischer Störungen
“sexuell” = sinnlicher Genuss, der an verschiedene Körperzonen & Organe, nicht nur die genitalen, gebunden ist -> Lust-Unlust: abfallende Spannung = angenehm zB bei jucken kratzen
Infantile Amnesie = Folge der konfliktreichen infantilen Sexualität?
Libido = Energie des Sexualtriebes & treibende Kraft von Entwicklung und Verhalten
Was ist die Trieblehre? Wie kann der Triebbegriff definiert werden?
(Verwandte Begriffe)
Trieblehre = bedeutsamste, aber unfertigste Stück der psychoanalytischen Theorie
“Ein Trieb kann nie Objekt des Bewusstseins werden, nur die Vorstellung, die ihn repräsentiert.” => Wunsch = kleinste psychologische Einheit, in der der “Trieb” repräsentiert ist, die als solche auch bewusst werden kann
Verwandte Begriffe des Triebbegriffs:
~ Instinkt = angeborene Reaktionsmuster, die dazu befähigen auf bestimmte Umweltreize oder Objekte zu reagieren (Gefahr -> Fluchtinstinkt)
=> biologisch determiniert & eingeschränkt
~ Reiz = von außen kommender Stimulus, der eine körperliche oder psychische Erregung nach sich zieht (Berührung, Licht, …)
Erste Definitionsversuche:
~ Triebbegriff im Freud’schen Sinn = “psychische Repräsentanz einer kontinuierlich fließenden, innersomatischen Reizquelle”
~ Trieb als Grenzbegriff zwischen Somatischem & Psychischem
~ “Der Charakter des drängenden ist eine allgemeine Eigenschaft der Triebe, ja das Wesen derselben” (Freud, 1915)
~ Trieb = als letzte Ursache jeglicher psychischen Aktivität zu verstehen
Trieb als Konstrukt:
~ als theoretisches Konzept bzw. Konstrukt zu denken
~ nicht beobachtbar oder messbar
~ aus verschiedenen psychischen Erscheinungen bzw. “Abkömmlingen” (Wünsche, Bedürfnisse) erschlossen werden
Zusammengefasst:
“Man kann am Trieb, Quelle, Objekt & Ziel unterscheiden. Die Quelle ist ein Erregungszustand im Körperlichen, das Ziel die Aufhebung dieser Erregung, auf dem Wege von der Quelle zum Ziel wird der Trieb psychisch wirksam” (Freud, 1915)
Was ist eine Triebquelle und welche Erogenen Zonen gibt es?
Triebquelle
= Erregungsvorgang in einem Organ der - mehr oder weniger - als unangenehmer Spannungszustand erlebt wird.
“die Befriedigung muss vorher erlebt worden sein, um ein Bedürfnis nach einer Wiederholung zurückzulassen” (Freud, 1905)
Erogene Zonen
= Haut- oder Schleimhaut, an der bestimmte Reizungen eine Lustempfindung von spezifischer Qualität auslösen können
-> grundsätzlich jede beliebige Stelle kann die Funktion erfüllen, dennoch sind bestimmte Körperregionen besonders geeignet:
- Orale Zone (Beißen, Saugen, Geschmack, …)
- Anale Zone (Stimulation durch Ausscheidung, Körperpflege, …)
- Urethrale Zone (lustvolle Empfindungen im Zuge der Harnentleerung und die sie begleitenden Phantasien)
- Genitale Zone (div. Stimulaiton)
- …
Was sind Partialtriebe & wie wirken sie sich auf die infantile Sexualität aus?
= mehrere Komponenten des Sexualtriebs stehen mit bestimmten organischen Quellen (erogenen Zonen) in Zusammenhang & sind durch spezifische Ziele definiert (oral, anal, Schautrieb, Bemächtigungstrieb, etc.)
infantile Sexualität = polymorph-pervers
=> durch ein freies unorganisiertes Zusammenspiel der Partialtriebe bestimmt - in bestimmten Entwicklungsphasen stehen bestimmte PT im Vordergrund
Pubertät -> vereinigen sich die Partialtriebe zum Sexualtrieb (Genitalität)
die adäquate Befriedigung der Partialtriebe = notwendige Vorstufe der reifen Objektliebe
Wie kann Perversion definiert werden?
~ Partialtriebe -> Erwachsenensexualität als Vorlust
~ sexuelle Partnerbeziehungen als “normal”, wenn im Einvernehmen genug Platz für Befriedigung der Partialtriebe, aber primär genital orgastische Befriedigung
~ Perversionen = wenn Sexualobjekt unangemessen (Pädophilie, Sodomie, Fetischismus) oder wenn Befriedigung ausschließlich durch Partialtriebe (Voyeurismus, Exhibitionismus, Sado-Masochismus, etc.)
Was ist ein Triebziel und wie kann dieses erreicht werden?
= Aufhebung des Spannungszustandes an der Triebquelle (unveränderlich)
Wie dieses erreicht werden kann ist aber vielgestaltig und austauschbar
-> am eigenen Körper = autoerotisch zB: Daumen lutschen oder über äußeres Objekt
KIND -> befriedigende Reizung der erogenen Zonen (verschiedene Entwicklungsphasen); = polymorph-pervers, weil nicht Reizung der Genitalzone
Was ist ein “Trieb-/Sexualobjekt”?
= das Variabelste am Trieb
= ihm untergeordnet
= kann beliebig oft gewechselt werden
= wird im Dienste der Befriedigung gewählt und ist austauschbar
Was sind “Triebschicksale”? (4)
Triebäußerungen = äußerst wandlungsfähig
Triebschicksale nach Freud:
~ Verkehrung ins Gegenteil zB: Voyeurismus-Exhibitionismus
~ Wendung gegen die eigene Person zB: Masochismus
~ Sublimierung (neues nicht-sexuelles Ziel & Objekt)
~ Verdrängung (Spezialfall)