3. Zur Entwicklung der Objektbeziehung Flashcards
(22 cards)
Zu welchen Kontroversen Diskussionen & Gruppenbildung kam es in den 1940er Jahren?
“Kleinianer” nach Melanie Klein
Isaacs, Riviere, Segal, Bion, Rosenfeld, etc
“Freudianer” nach Anna Freud
Burlingham, Foulkes, Hoffer, etc
“Middle Group”
Winnicott, Balint, Bowlby, Fairbairn, Guntrip, Strachey, etc
Wie definiert Sigmund Freud die Objektbeziehung?
= primäre Bezugsperson
“Objekt” geht zurück auf Triebtheorie:
= sekundär (im Vergleich zum Trieb)
-> im Dienst der Triebbefriedigung (Lustprinzip)
-> Ödipuskomplex zentral für Entwicklung der Objektbeziehung
-> kaum differenzierte Überlegungen zur präödipalen Entwicklung (Melanie Klein!)
Identifizierung mit dem Objekt -> Bildung des Ichs & Über-Ich (strukturbildende Funktion des Ödipuskomplexes)
Melancholie = “Der Schatten des Objekts fällt auf das Ich”
Angst um das Objekt: fragiles, kindliches Ich ist auf regulierende, schützende Hilfe des Objekts angewiesen
objektgebundene Ängste als Angst vor:
- Objektverlust
- Liebesverlust
- Kastration (als Strafe durch Objekt)
- Über-ich-Ansprüchen (als Niederschlag introjizierter Objekte)
Welche 7 Stufen der Objektbeziehung beschreibt Anna Freud im Zuge der Entwicklung der Objektkonstanz?
“von der infantilen Abhängigkeit zum erwachsenen Liebesleben”
Stufen unter triebökonomischem Gesichtspunkt:
Periode der/des …
… biologischen Einheit
… symbiotischen Verschmolzenheit
… Teilobjekts (Mamma nicht als Ganzes -> Brust)
… Objektkonstanz
… beginnenden Ambivalenz
… ödipalen Rivalität
… Pubertät/Adoleszenz (= Wahl eines außerfamiliären Liebesobjektes)
Wie verändert sich die Objektbeziehung nach der Geburt bis zum 5. LJ?
erster Lebensmonat
- von Bedürfnisbefriedigung bzw Lust-/Unlustgefühlen bestimmt
- Objekt erlangt Bedeutung -> Lust bringt & Unlust vermeidet
= Unterstützung der Affektregulation
zweite Hälfte des 1. LJ
- Beziehung wächst über Bedürfnisbefriedigung hinaus
- libidinöse Besetzung hält an -> Objektkonstanz (Repräsentanz bleibt positiv)
- LJ
- Auftauchen konflikthafter Gefühle -> subjektive Erleben der Objektbeziehung beeinflussen
- Sauberkeitserziehung, Analität - bis 5. LJ
- unvermeidliche ödipale Enttäuschungen
- Trennung -> Wut, Trauer, Enttäuschung & Verzweiflung in der Objektbeziehung
- Grad der Bewältigung maßgeblich für Anpassungs- & Bewältigungskompetenz des Ichs in späteren Trennungs- bzw. Enttäuschungssituationen
=> Abwehr als zentraler Fokus der Ich-Psychologie
=> Adoleszenz als “2. Chance” zur Lösung infantiler objektbezogener Konflikte & zur Neubestimmung der Objektbeziehungen
Wie unterscheiden sich die theoretischen Konzeptionen von M. Klein zu Freuds?
~ Ödipus wird in Frage gestellt => Bedeutung präödipaler Prozesse: Beginn der Über-Ich-Bildung deutlich früher
~ Annahme eines (rudimentären) Ich bzw. von Ich-Kernen von Geburt an -> Fähigkeit zu primitiver Abwehr (bei Freud: ES bei Geburt)
~ kindliche Phantasie als unmittelbarer Ausdruck des Trieblebens (nicht als Kompromiss zwischen Triebimpuls & Abwehr -> Freud) => “halluzinatorische Wunscherfüllung”
~ Angst als unmittelbare Bedrohung der psychischen Integrität (nicht als Signal)
~ Folgen für kinderanalytisches Konzept: technische Divergenzen zu Anna Freuds Ansatz der Kinderanalyse
Welche Grundannahmen gibt es in der Kleinianischen Entwicklungstheorie? (3)
- Beginn des Lebens ist mit großen Ängsten verbunden
-> Vernichtungsängste aus dem Todestrieb verstärkt durch Geburt & unausweichliche Erfahrungen von Entbehrung
erste Objektbeziehung zu Partialobjekten (= Teilobjekt Brust) - auf die Brust richten sich folgende Strebungen & Phantasien
- oral-libidinöse (Befriedigung/Zuneigung/Liebe)
- oral-destruktive (Aggression/Wut/Destruktion/Neid)
optimales Gleichgewicht; wenn frei von Hunger & Spannungen -> Erfahrungen von Entbehrung oder Spannung destabilisieren dieses
(erhöht Vernichtungsangst & orale Gier) - frühkindliche Gefühle = von extremer Intensität & Polarität
- > Gefährdung Integrität des frühkindlichen Ich: Wahrung durch frühe Abwehrformen (Spaltung, Projektion) = wichtige Funktion des rudimentären Ich
Erkläre Spaltung bzw. Projektion im Zuge der Kleinianischen Entwicklungstheorie
- Spaltung
=> “gute” VS “böse” Brust: diametrale Erlebensweise (Liebe-Hass) können noch nicht synthetisiert werden
frühkindliches Ich reguliert sich, indem es die gute Brust von der bösen getrennt hält -> um das “gute Objekt” unbeschadet am Leben lassen zu können
Projektion
=> schmerzvolle, unangenehme, aggressive Affekte werden ausgestoßen (böse Brust); die gute Brust -> Prototyp aller hilfreichen & befriedigenden Objekt, die böse -> aller äußeren & inneren verfolgenden Objekte
Erkläre die 3 Aspekte der Projektive Identifizierung im Kleinschen Sinn
- Projektive Identifizierung:
3 Aspekte
- Verlagerung unerwünschter/unerträglicher Selbstanteile in andere
- interaktioneller Druck auf Objekt, sich gemäß den Projektionen zu verhalten
- Re-Introjizierung der “prozessierten”/”metabolisierten” psychischen Inhalte (-> Containment)
Zum Abwehrkonzept kommt der Aspekt der unbewussten Kommunikation hinzu
Erkläre die Paranoid-schizoide Position im Zuge der Kleinianischen Entwicklungstheorie
- Paranoid-schizoide Position (ca 0 bis 4 M)
~ dominante Abwehraktivitäten -> Projektion, Spaltung
~ destruktive Phantasien (Neid, Gier, Zerbeißen, Zerstören) erhöhen Verfolgungsangst
~ Beziehung zur guten Brust wirkt entgegen & stärkt Vertrauen
~ Babys können die widerstreitenden Gefühle gegenüber dem Objekt (Mutter) zusehends synthetisieren/integrieren
=> verfolgende (paranoide) Phantasien nehmen ab -> Rückgang der Projektionsdynamik (Entschleunigung des “Angst-Projektion-Angst-Projektion” Kreislaufes)
Erkläre die depressive Position im Zuge der Kleinianischen Entwicklungstheorie
- Depressive Position
~ Ausweitung der Synthese & zusehends als ganz erlebtes Objekt -> depressiv getönte Phantasien: geliebtes Objekt mit eigenen aggressiven/sadistischen Impulsen beschädigt oder verletzt zu haben
~ Neid weicht zusehends Dankbarkeit
~ 2 entwicklungswichtige Strebungen:
- Wiedergutmachung (Quelle von Beziehungsfähigkeit)
- Suche nach Ersatzobjekten (zB: Vater - Quelle sozialer Orientierung)
~ Erreichen der depressiven Position ist nicht statisch/unumkehrbar, sondern tendenziell zu verstehen => Pendeln bzw. Osszilieren zwischen Positionen
Wie sieht W. Bions Theorie der Denkentwicklung aus?
- Gedanken sind dem Denken vorgängig -> jenseits der Sprache, (noch) nicht geträumt oder symbolisiert werden kann
- Sinnesdaten = über Sinnesorgane vermittelte Außenwelt
- innere Daten = emotionale Erfahrung
Konzeption des Unbewussten im Unterschied zu Freud (dynamisches UB vs das UB als Funktion) - Alphaelemente => können gedacht, geträumt, symbolisiert & später in Sprache gefasst werden -> Unterscheidung “bewusst-unbewusst”
VS
Betaelemente => stehen dem Denken NICHT zur Verfügung & müssen daher “ausgeschieden” werden (Projektion!)
-> “Schnitzelanalogie” (Denken/Alphafunktion als psychisches Verdauen) - Containment = Entwicklung des Denkens ist eng mit Introjektion eines Objekts verbunden -> in der Lage ist, kindliche Erfahrungen auf projektivem Weg aufzunehmen, zu ertrage, zu verstehen & ihnen Bedeutung zu verleihen (“denkende Brust”)
-> Bezugsperson übernimmt stellvertretend die Alphafunktion
-> Kind introjiziert nicht nur die “stellvertretend verdauten” Alphaelemente, sondern auch die Alphafunktion des Objekts
Versagen des Containers: Introjektion aggressiv-sadistischer Anteile & Ausbildung “namenloser” Angst”
- Dynamisierung der Spaltungs- & Projektionsdynamik
- “Angriff auf Verbindungen” (-> Psychose, Borderline)
Was ist das/die zentrale Ziel/Aufgabe von Therapie?
- Herstellen & Aufrechterhalten einer Verbindung zwischen 2 “minds”
- > Stärkung der Kapazität mentalen Schmerz zu ertragen & diesen mit Bedeutung zu versehen (Schmerz denken können, statt projizieren & agieren zu müssen) - Analytiker erfüllt die Funktion eines “Containers” der
- sich für Verbindung grundsätzlich zur Verfügung stellt &
- als Container für Projektionen des Patienten fungiert, indem er diese stellvertretend “aushalten” & “verdauen” kann.
Analytiker versucht Projektionen schrittweise mit Bedeutung zu versehen =”Alphafunktion” & Patienten in “verdauter” Form =”Alphaelement” zur Introjektion verfügbar zu machen
Wie sieht Containment in pädagogischen Beziehungen aus?
pädagogische Situationen -> in hohem Ausmaß von Projektionen & Ängsten bestimmt
=> Containment: als zentrale pädagogische Aufgabe & Voraussetzung für Lehren & Lernen
Wiederholungszwang: emotionaler Schmerz muss “weitergereicht” werden, wenn er nicht mit Bedeutung versehen & gedacht werden kann -> Alphaelement
Was versteht Margret Mahler unter “ Psychischer Geburt, Loslösung & Individuation?
Ausgangspunkt = kindliche Psychose
-> “Trendwende” in psychoanalytischer Forschung (früher: Neurose & Ödipus VS heute: psychotische & narzisstische Kerne der frühen Persönlichkeitsbildung)
grundlegende These:
Ähnlichkeit zwischen sehr jungem Säugling & psychotischem Kind
-> das Neugeborene habe noch nicht erreicht, was das psychotische Kind, nicht zu erreichen vermochte = die “psychische Geburt”
Ziel = Entwicklung eines Bewusstseins der psychischen Getrenntheit & erlangen einer basalen Selbstidentität
Psychose = Scheitern der “psychischen Geburt”
Welche Ausgangsannahmen gehen der “psychischen Geburt” voraus?
mangelnde biologische Vorbereitung -> verlängerte postnatale Abhängigkeit -> Notwendigkeit einer Mutter-Kind-Symbiose
gleichzeitig intrapsychisch Wunsch nach Individuation vom primären Objekt VS Angst vor Objektverlust bzw Trennung!
-> frühkindliche Entwicklung zwischen Wunsch nach & Angst vor Loslösung = Konflikt
In welche 3 Hauptphasen unterteilte Mahler ihr Konzept der psychischen Geburt?
- Autistische Phase (1. Lebensmonat)
= objektlose, physiologische Phase
Funktion: Aufrechterhaltung des homöostatischen Gleichgewichts nach Geburt mit physiologischen Mechanismen (warm, satt, sauber, reizgeschützt, …) - Symbiotische Phase (2. bis 5. M)
= präobjektale Phase
Mutter als Partialobjekt: zunächst nur vage wahrgenommen & als bedürfnisbefriedigendes Objekt zeitweise libidinöse besetzt
Kind erlebt sich, als ob es gemeinsam mit der Mutter ein omnipotentes System bilden würde -> gemeinsame Grenze nach außen
=> alle unlustvollen & inneren & äußeren Reize werden außerhalb des symbiotischen Systems projiziert - Loslösungs- & Individuationsphase (5. M bis 3. J)
Vier Subphasen :
- Gewahrwerden der getrennten Existenz
- Einüben der Loslösung
- Wiederannäherung
- Festigung der Individualität & Beginn der Objektkonstanz
Wie sehen Äußere Anzeichen der ersten Subphase der psychischen Geburt aus?
Gewahrwerden der getrennten Existenz & Entwicklung des Körperbildes (4./5. bis ca 10. Lebensmonat)
- anhaltende/konstante Aufmerksamkeit
- erste zögerliche Tastversuche über den “Mutterschoß” hinaus
- erste Versuche, sich aus den Armen zu lösen
- aktives Explorationsverhalten (zB: Lust am Untersuchen der Mutter & Gegenstände)
- Kind beschäftigt sich nicht mehr ausschließlich mit Dingen aus dem engeren symbiotischen Umkreis
- Muster der visuellen Rückversicherung (ca 7. bis 8. Lebensmonat) = wichtiges Anzeichen normaler Entwicklung
- Achtmonatsangst nicht als Zeichen gesunder Entwicklung (umgekehrtes Verhältnis von Urvertrauen & Fremdenangst)
gegen Ende des 1. LJ ist die frühkindliche Entwicklung durch 2 Komponenten geprägt:
1. Individuation
2. Loslösung
=> sollten sich parallelisiert entwickeln, in Selbstrepräsentanzen münden & sich von Objektrepräsentanzen unterscheiden
Wie sehen die Hauptkennzeichen der zweiten Subphase der psychischen Geburt aus?
Übungsphase (ca 10 M bis 1 1/2 J )
- Experimentieren mit Sich-Entfernen von der Mutter
- narzisstischer Überschwang über neu errungene Fähigkeiten
frühe Übungsphase:
- Kind bewegt sich krabbelnd von Mutter weg
- Welt abseits gewinnt zusehends an Bedeutung
- kehrt nur vorübergehend zum “emotionalen Auftanken” zurück
- > Aufrechterhalten der Beziehung über Distanzmodalitäten (Sehen & Hören)
späte Übungsphase:
- Übergang zum aufrechten Gang & Fortschritt der Ich-Funktionen
- Kind erlebt sich durch Fortschritte als “magischer Meister”
- Beginn der “love affair with the world”
- nicht pathologischer Narzissmus auf Höhepunkt
- libidinöse Besetzung verschiebt sich von Mutter auf das autonome Ich (eigener Körper & Umwelt)
- längere Phasen des Überschwangs bzw. stimmungsmäßigen Gehobenheit
Wie sieht die dritte Subphase der psychischen Geburt aus?
Wiederannäherungsphase (ca 1 1/2 bis fast 2J)
- Kind hat in 2. Subphase Selbstständigkeit & Individualität erlangt
- Trennung von Mutter im narzisstischen Überschwang der Übungsphase kaum wahrgenommen
- einsetzendes, wachsendes Bewusstsein der Trennung -> Trennungs- & Verlustangst -> Tendenz der Wiederannäherung
3 Perioden der Wiederannäherung
- beginnende Wiederannäherung (Stimmungsabfall, Anhänglichkeit)
- Wiederannäherungskrise (Ambivalenz, Wechsel von regressiven Tendenzen & hypomaner Abwehr)
- Individuelle Lösung der Krise (optimale Distanz zur Mutter)
Wie sieht die vierte Subphase der psychischen Geburt aus?
Konsolidierung der Individualität & Anfänge der emotionalen Objektkonstanz (1 1/2 bis 3J)
Voraussetzung für das Erreichen emotionaler Objektkonstanz
- > Erkenntnis der raum-zeitlichen Identität der Mutter
- > Vereinigung der “guten” & “bösen” Objektaspekte zu gemeinsamer Repräsentanz
Erkläre die Pathogenetischen Annahmen Mahlers
Psychosen -> wenn symbiotische Phase nicht erfolgreich durchlaufen wurde & Loslösung bzw. Individuation nicht gelungen ist
Zu “milderen” Persönlichkeitsstörungen (Borderline oder narzisstische Persönlichkeitsstörung) -> wenn zwar Loslösung/Individuation gelungen ABER einzelne Subphasen problematisch verlaufen
Neurosen -> unvollständiger Individuation & ungenügende Loslösung vom Mutterbild
Wie sieht die Kritik an der Mahler’schen Symbiosetheorie aus Richtung der jüngeren Säuglings- & Kleinkindforschung?
Welche 2 Ansätze zur “Rehabilitierung” der Annahmen gibt es?
KRITIK
Forschung: erstaunliche Wahrnehmungs- & Handlungsfähigkeiten des Neugeborenen -> sprechen gegen Annahme einer Phase des symbiotischen Erlebens
3 exemplarische Fähigkeiten des Säuglings, die gegen Mahlers Konzept sprechen
- Willensgefühl (zielgerichtetes Handeln)
- propriozeptives Feedback (Eigenempfindungen)
- differentielle Kontingenzwahrnehmung (Verhältnis Handlung & Effekt in Bezug auf Selbst & andere)
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Symbiose als Metapher
- Begriff -> objektivistisch & falsifizierbares Theoriegebäude (widerlegt Symbiose)
+ Metapher -> hermeneutisch-metaphorische Annäherung an subjektive psychische Wirklichkeit (“Mir fällt ein Stein vom Herzen”)
Ansatz einer entwicklungspsychologischen Teilrehabilitierung der Symbiose
- Forschung fokussiert nur Phasen ruhiger & aktiver Aufmerksamkeit
- Beim schlafen, dösen, schreien, toben, … = Wahrnehmung & Fähigkeit zur Unterscheidung zwischen Selbst & Objekt geringer
=> nur ein Pol des kindlichen Erlebensspektrums