Modul 2 - wissenschaftstheoretische Positionen Flashcards

(30 cards)

1
Q

Was sind die Fragen der Wissenschaftstheorie und wie können sie unterteilt werden?

A

Kern der Wissenschaftstheorie: Bedingungen und Annahmen, unter denen Wissenschaft betrieben wird

Arten der Fragen
ontologisch
* Was existiert?

epistemologisch
* Was können wir wissen?

methodologisch
* Unter welchen Prämissen und bei welchen Fragestellungen lässt sich wie methodisch vorgehen?

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2
Q

Welche erkenntnistheoretischen Positionen gibt es?

A

Quelle menschlicher Erkenntnis = Verstand/Vernunft/Wahrnehmung
* Rationalismus (Verstand/Vernunft)
* Empirismus (sinnliche Wahrnehmung)
* Positivismus (positive Befunde)
* Idealismus (Ideen)

Wirklichkeit = subjektunabhängig
* Realismus (unabhängige Realität)

Wirklichkeit = subjektabhängig
* Konstruktivismus (abhängige Realität)

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3
Q

Was kennzeichnet den Rationalismus?

A

Merkmale
* Verstand = Grundlage aller Erkenntnis
* menschlische Erkenntnis geht vor allem aus intellektuellen Leistungen hervor (nicht allein aus empirischen Gegebenheiten)
* Zentrum der Reflexion = erkennendes Subjekt mit Fähigkeiten seines Verstandes
* Erkenntnistheorie von üblichen theologischen Prämissen abgekoppelt
* erkennendes Subjekt und Objekt der Erkenntnis stehen einander getrennt gegenüber

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4
Q

Was charakterisiert René Descartes und welche erkenntistheoretische Position vertritt er?

A

René Descartes - Rationalismus
* Wunsch: Erklärungsmodell so logisch und grundlegend wie Mathematik
* “Ich denke, also bin ich”
* Dualismus: Trennung Subjekt - Objekt bzw. Geist - Materie

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5
Q

Was kennzeichnet den Empirismus?

A

Merkmale
* Quelle der Erkenntnis = Sinneserfahrung, Beobachtung, Experiment
* Wissen = Macht —> soll den Menschen von der Natur unabhängig machen
* “alle Wahrnehmung der Sinne/des Geistes geschehen nach dem Maß der Natur des Menschen, nicht nach dem des Universums”
* arbeitet an der Kontrolle des Wirklichkeitskontakts
* methodisch kontrollierte Wirklichkeitserfassung: Messen durch quantitative Verfahren, Genauigkeit von Analysen

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6
Q

Was charakterisiert John Locke und welche erkenntnistheoretische Position vertritt er?

A

John Locke - Empirismus
* Sensualismus: alle Erkenntnis stammt aus den Erfahrungen/Sinneswahrnehmungen des Menschen
* Verstand & Logik: dem sinnlichen Erleben nachgeordnet
* bevorzugte Induktion gegenüber Deduktion

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7
Q

Was ist Deduktion?

A

Logik: Untersuchung des Schlussfolgerns, in der von den konkreten Inhalten der Schlussfolgerungen abstrahiert wird

Deduktion
= verstandesmäßige, korrekte Ableitung eines Schlusses aus Prämissen mit Regeln des Schließens

Regeln für eine wahre und schlüssige Folgerung:
* Prämisse = wahr
* Schließen = gültig

Kritik
* macht eigentlich nur explizit, was in beiden Prämissen schon enthalten war —> schafft kein neues Wissen

Beispiel
alle Philosophen sind sterblich
Sokrates ist ein Philosoph

—> Sokrates ist sterblich

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8
Q

Was ist Induktion?

A

Wahrheit komplexer Ideen entsteht durch Induktion
= aus Einzelfällen bildet der menschliche Verstand allgemeine Erkenntnisse
* Bezugspunkt: empirische Realität
* Argumente zwar deduktiv nicht gültig, aber trotzdem “gut”

Vorgehensweise: ampliativ
* Schlussfolgerung hat einen Inhalt, der über den Inhalt der Prämisse(n) hinausgeht

Beispiele
alle Raben, die wir bisher gesehen haben, sind schwarz
—> alle Raben sind schwarz

Herr A beschwert sich ständig über Frau B
—> Herr A mag Frau B nicht

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9
Q

Was charakterisiert David Hume und welche erkenntnistheoretische Position vertritt er?

A

David Hume - Empirismus
* alle Vorstellungen gehen auf unmittelbar gegebene Sinneseindrücke zurück
* Ideen = blasses Abbild
* Wissen = Verknüpfung von Sinneseindrücken/Beziehungen zwischen Vorstellungen
* keine Ursache-Wirkung-Beziehung sondern aufeinanderfolgende, abgetrennte Vorgänge: es ist logisch immer möglich, dass eine Kausalbeziehung sich ändert

Kritik an Induktion
* rational nicht zu rechtfertigen
* keine Allgemeingültigkeit
* es liegt zwar in unserer menschlichen Natur, induktiv zu schließen, jedoch sollen sich die resultierenden Erkenntnisse ihrer Grenzen bewusst sein

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10
Q

Was kennzeichnet den Positivismus?

A

Merkmale
* Quelle der Erkenntnis = positive ( = tatsächliche, sinnlich wahrnehmbare, überprüfbare) Befunde
* Antimetaphysik (alles nicht Wahrnehmbare ist sinnlos)
* menschliche Gesellschaft als Gefüge von Tatsachen nach dem Muster der Naturwissenschaften untersuchen
* Annahme: Möglichkeit eines direkten Zugriffs auf Wirklichkeit, die entlang von Regelmäßigkeiten und kausalen Zusammenhängen organisiert ist
* Erkenntnis = Interpretation von “positiven Befunden” eines Experiments
* Wertfreiheit/Objektivität: durch Beobachtung, Messung und Experiment kann nur das gelten, was demonstrierbar und empirisch belegbar ist (positive Begründbarkeit)
* Weiterentwicklungen: analytische Philosophie, Neo-Positivismus, …

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11
Q

Was kennzeichnet den Idealismus?

A

Merkmale
* Wirklichkeit, Wissen und Moral basieren auf Ideen und Ideellem
* reale Welt = Objekt des Bewusstseins
* Sammelbegriff für philosophische Ausrichtungen, die Ideen/Bewusstsein betonen
* “Ding an sich” unzugänglich - nur, was der Verstand daraus macht, ist zugänglich
* Vorläufer konstruktivistischer Denkweisen: Theorie = Rekonstruktion des Gegenstandes, nicht eine Abbildung des Gegenstandes selbst

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12
Q

Was charakterisiert Immanuel Kant und welche erkenntnistheoretische Position vertritt er?

A

Immanuel Kant - Idealismus
* Erkenntnisse haben nicht unmittelbar mit Objekten zu tun, sondern beruhen auf bereits vorhandenen Bedingungen des Wahrnehmens
* Erfahrung UND Denken wichtig: Synthese zwischen Rationalismus und Empirismus (dem Bewusstsein sind Denkformen vorgegeben, die Erfahrungen erst ermöglichen)

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13
Q

Was kennzeichnet den ontologischen Realismus und welche Formen gibt es?

A

Merkmale
* Annahme: denk- und beschreibungsunabhängige Wirklichkeit, ansonsten wären keine Erklärungen/Prognosen möglich
* Wahrnehmung der Wirklichkeit = Wirklichkeit
* Wissenschaft produziert Erkenntnisse, die den realen Strukturen entsprechen
* Annahme einer wahren und vollständigen Beschreibung der Welt —> Korrespondenzverhältnis zwischen Realität und Erkenntnis

Kritik
* Verweis auf mittlerweile widerlegte Theorien (zB geozentrisches Weltbild)
* Ziel der Wissenschaft muss nicht Wahrheit sein
* idealistische Argumentationen

Formen
* klassischer/naiver/direkter Realismus
* repräsentationaler Realismus
* kritischer Realismus

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14
Q

Was kennzeichnet den klassischen Realismus?

A
  • Welt = wie der Mensch sie wahrnimmt (unmittelbares Abbildungsverhältnis zwischen Welt und Vorstellungen im Bewusstsein)
  • einem Gegenstand kommt gewisse Eigenschaft zu —> Eigenschaft ≠ Ergebnis unserer Wahrnehmung
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15
Q

Was kennzeichnet den repräsentationalen Realismus?

A
  • Beziehung zw. Gegenstand und Repräsentation durch vermittelnden Akt des Wahrnehmens
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16
Q

Was kennzeichnet den kritischen Realismus?

A
  • reale Welt, die nicht in allen Zügen so beschaffen ist, wie sie uns erscheint
  • Dinge durch Mensch schrittweise, aber nicht gänzlich erfasst
  • Wirklichkeitserkenntnisse = Hypothesen, die irgendwann widerlegt werden können
  • Verbindung zu kritischem Rationalismus: Abweisung von Annahmen durch die kritische Prüfung an Wirklichkeit
17
Q

Was kennzeichnet den Konstruktivismus und welche Formen gibt es?

A

Merkmale
* Zentrum: prozessual verstandene Entstehung von Wirklichkeit über Bewusstsein/Kognition.. und über Gesellschaft/Sprache/Kommunikation…
* Erkenntnis ≠ beobachtungsunabhängig: bedarf einer erkennenden Instanz
* stabile Realität benötigt reproduzierende Konstruktionsarbeit
* zentrale Frage: Ist die Welt, wie wir sie sehen, Wirklichkeit oder konstruiert sich jeder sein Weltbild selbst?

Formen
* Sozialkonstruktivismus
* kognitionstheoretischer Konstruktivismus
* empirisches Programm des Konstruktivismus
* radikaler Konstruktivismus
* systemtheoretischer Konstruktivismus

18
Q

Was kennzeichnet den Sozialkonstruktivismus?

A

Merkmale
* Produktion sozialer Verhältnisse: Wie wird soziale Ordnung gemeinsam hergestellt und als objektiviert erfahren
* Institutionalisierung/Objektivierung/Legitimation

19
Q

Was kennzeichnet kognitionstheoretischen Konstruktivismus?

A

Merkmale
* Annahme: kognitive Geschlossenheit und Konstruktion der Wirklichkeit durch Gehirn
* zwischen Wissen & Realität: Passungsverhältnis

20
Q

Was kennzeichnet das empirische Programm des Konstruktivismus?

A

Merkmale
* * Fabrikation von Erkenntnis: Wie Wirklichkeit konstruiert wird muss beantwortet werden, um zu klären, was diese ausmacht.
* Fokus: soziale Konstruiertheit natur- und sozialwissenschaftlicher Tatsachen

21
Q

Was kennzeichnet den radikalen Konstruktivismus?

A

Merkmale
* wir haben es nie mit Dingen, sondern nur mit der Wahrnehmung von Dingen zu tun
* Erkenntnis = strukturell autonome Produktion einer Wirklichkeit, welche nur einen indirekten Bezug auf die Umwelt hat
* es gibt keine Beobachtung ohne Beobachter
* zentrale Frage, wie das Verhältnis zwischen Wissen und Wirklichkeit zu fassen ist: Annahme eines Passungsverhältnisses, das mit Viabilität und erfolgreichem Handeln zu verbinden ist
* “Wirklichkeit” mit “Viabilität” ersetzen
* keine Verbindung zwischen Realität (Welt) und Wirklichkeit (Bild der Welt)

22
Q

Was kennzeichnet den systemtheoretischen Konstruktivismus?

A

Merkmale
* Wissenschaft = Kommunikationssystem: Differenz zwischen Wissern und Wahrheit —> Frage, ob Wissen wahr oder falsch ist
* Annahme: Systemrelativität von Vorstellungen/Erkenntnissen: Wissenschaft = Beobachten zweiter Ordnung (Systeme beobachten sich selbst und andere Systeme beim Beobachten)
* Feststellung einer Übereinstimmung von Vorstellung und Realität nicht möglich

23
Q

Was ist ein quantitatives Paradigma?

A

empirisch-analytisch/normativ
* Denkrichtung mit logischem Empirismus/kritische Rationalismus kompatibel
* Erkenntnisziel: nomothetische Sätze (Beschreiben, Erklären, Prognose)
* Regeln und Techniken der quantitativen Sozialforschung

24
Q

Was ist ein qualitatives Paradigma?

A

interpretativ
* Denkrichtung mit Hermeneutik und Sozialkonstruktivismus kompatibel
* Verstehen und Rekonstruieren von Sinn- und Bedeutungsstrukturen
* nicht-standardisierte Methoden

25
Was kennzeichnet den kritischen Rationalismus?
**Merkmale** * Popper: Versuch einer Neubegründung des Positivismus * Paradigma des Empirismus + Falsifikationsprinzip (= Abgrenzung der Wissenschaft von Metaphysik) * Verifikation nicht möglich ---> stattdessen ständige Falsifikation * Hypothese = nützlich, bis sie von einer anderen durch Falsifizierung abgelöst wird (davor bewährt sie sich) * kritische Prüfung der Geltung von Theorien nur in offener Gesellschaft mit mündigen Bürgern möglich * was empirisch nicht testbar ist, ist nicht falsifizierbar (aber Popper: "Alles Leben ist Problemlösen") **Kritik** * einseitig (Teil der Wirklichkeit wird ausgeblendet) * einfache, ahistorische Vorstellung von der Entwicklung und Funktion von Wissen/Erkenntnis * einheitliche, homogene Vorgangsweise ---> Ertrag gering * mit Wissenschaft verbundene Interessen und Folgen werden ausgeklammert
26
Was ist Hermeneutik?
**Allgemein** = Verstehen und Auslegen von Texten * hermeneutische Zugänge dienen der Fundierung eines geisteswissenschaftlichen Zugangs * hermeneutische Haltung: Versuch, in Alltag und Lebenswelt Verstehensstrukturen und -prozesse zu ergründen und freizulegen, während der Ort der Analyse selbst zum Gegenstand der Untersuchung wird * Verstehen = Entschlüsselung von verborgenen (latenten) Sinn- und Bedeutungsstrukturen * Hinterfragung des fraglos Gegebenen in Alltagserfahrungen
27
Was ist sozialwissenschaftliche Hermeneutik?
**Merkmale** * betont lebensweltliche Grundlagen der Wissenschaft: Wissenschaft muss ihr geschichtliches Gewordensein und ihre Erkenntnisinteressen reflektieren * Forschungsgegenstand nicht nur "vor sich" sondern auch "in sich" * Betonung: historischer Kontext und Entwicklungsgeschichte der Theorien und Methoden; Zweck und Mittel des Erkenntnisinteresses * Text unter Berücksichtigung von Situation, Motivation und Intention eines Verfassers verstehen **Nähe und Distanz zum Leben (Wissenschaft vs. Alltag)** Hauptproblem der Hermeneutik: Trennung von wissenschaftlichem und nicht-wissenschaftlichem Verstehen * wissenschaftlicher Verstehprozess darf nicht von Werturteilen, Vorlieben und Wünschen gesteuert werden * hermeneutische Aufmerksamkeit: Fokussierung des Bewusstseins (Deautomatisierung des alltäglichen Verstehens) * Andere als Zweck (nicht als Mittel) der hermeneutischen Tätigkeit verstehen * Alltag: Verstehen sorgt für Eindeutigkeit * Wissenschaft: Verstehen produziert Mehrdeutigkeit
28
Was ist (Sozial-)Phänomenologie?
* zentrale Frage: Was bedeutet es, mit einem Handeln sozialen Sinn zu verbinden? * keine bewusstseinsunabhängige Wirklichkeit * Intentionalität: Bewusstsein ist immer "Bewusstsein von etwas" * Faktizität des Anderen: Anderer erscheint mir als anderes Ich * verstehende Soziologie: Ausdrucksgestalten der Sozialität (Wie sollen wir die soziale Wirklichkeit wissenschaftlich verstehen?)
29
Warum scheint es unvorstellbar zu sein, eine einheitliche Basis für die Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie zu finden?
* nicht eine, sondern verschiedene Problemlagen * Erkenntnis- und Wissenschaftstheorien sind selbst ein Theorietyp: hat bestimmte Eigenschaften/Probleme, die keine Vereinheitlichung erlauben
30
Wie kann versucht werden, Wissenschaften im Gegenstand statt ihrer Theorie zu unterscheiden?
**denotative Theorien** * rein nomologische Realität * methodisch fixiert * metrisiert * aus Zusammenhängen herauslösbar * in kontextunabhängiger/formaler Logik mit statistischen Operationen erfassbar * können themenunabhängige Methodologie verwenden **konnotative Theorien** * autopoietische (humane) Realität * offener Entwicklungshorizont * veränderlich * immer verschieden * Besonderheiten können nicht aus allgemeinen Gesetzen abgeleitet werden * unterschiedliche Erklärungsansätze möglich * mögliche Folgen: methodologische Uneindeutigkeit, dauerhafte Begründungsproblematik