Schuldrecht Bitter Flashcards

1
Q

Erlöschen des Anspruchs durch Erfüllung – § 362 I BGB?

Voraussetzung: Bewirken der geschuldeten Leistung

A

a) nicht nur: Vornahme der Leistungshandlung = zweckgerichtete, erfüllungsbezogene Handlung
des Schuldners
hier (+): Übergabe des Geldes durch R am Wohnort des J
b) sondern auch: Eintritt des Leistungserfolgs, d.h. Eigentumsverschaffung an den Geldscheinen
hier: Eigentumserwerb des J – § 929 S. 1 BGB?
aa) Dingliche Einigung i.S.v. § 929 S. 1 BGB
Bei Annahme des Geldumschlags (+).
Fraglich ist allerdings, ob die Einigungserklärung des J im Hinblick auf §§ 106, 107 BGB
wirksam ist, da der beschränkt Geschäftsfähige zur Vornahme bestimmter Willenserklärungen
der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters bedarf.
aaa) keine Einwilligung der Eltern hinsichtlich des Eigentumserwerbs
bbb) auch keine Genehmigung der Eltern (§ 108 I BGB)

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2
Q

Theorien 362 der Leistungsbewirken

A

aa) Vertragstheorie
Nach einer Ansicht ist neben der Vornahme der Erfüllungshandlung der Abschluss eines
sog. Erfüllungsvertrags notwendig, d.h. es erfolgt eine Einigung darüber, dass die erbrachte
Leistung zur Erfüllung dieses schuldrechtlichen Vertrages dient. Anwendbar sind
die Vorschriften des BGB über Willenserklärungen und Rechtsgeschäfte (§§ 145 ff.
BGB). hier: J und R müssten sich wirksam darüber geeinigt haben, dass die Übereignung des
Geldes der Erfüllung des Kaufvertrages über das Mofa (Schuldverhältnis) dienen soll. Eine
solche Einigung könnte konkludent bei Übergabe des Geldes erfolgt sein und zur Begründung
eines Erfüllungsvertrages geführt haben. Da dieser Erfüllungsvertrag aber zum
Erlöschen des Kaufpreisanspruchs aus § 433 II BGB führt, büßt J hierdurch eine rechtliche
Position ein; es liegt ein rechtlich nachteiliges Geschäft für J vor. Erforderlich ist damit
die Einwilligung seiner Eltern (§ 107 BGB). Diese liegt nicht vor, denn von einer
Übergabe des Geldes am Freitag wussten die Eltern des J nichts. Auch eine Genehmigung
nach § 108 I BGB scheidet – angesichts der Äußerung der Eltern und des Nachzahlungsbegehrens
gegenüber R – aus.
Mangels wirksamer Einigung zwischen R und J hinsichtlich des Erfüllungszwecks würde
bei Anwendung der Vertragstheorie keine Erfüllung gemäß § 362 I BGB eintreten;
J könnte erneut Zahlung von R verlangen.
bb) Zweckvereinbarungstheorie
Einschränkend hierzu erachten die Vertreter der Zweckvereinbarungstheorie einen Erfüllungsvertrag
nicht für notwendig, sondern ausreichend sei eine Einigung über den Zweck
der Leistung. Diese Einigung hat im Gegensatz zum Erfüllungsvertrag (s.o.) keine
schuldaufhebende Wirkung, sondern dient der einvernehmlichen Zuordnung der Leistung.
hier: die (konkludente) Zweckvereinbarung zwischen J und R ist für J nicht rechtlich
nachteilig, weil sie nur der Zuordnung der Leistung dient, nicht aber selbst eine schuldaufhebende
Wirkung in sich trägt. Er konnte sie damit ohne Einwilligung seiner Eltern
vornehmen, sodass man nach dieser Ansicht zu dem Ergebnis gelangt, dass Erfüllung des
Kaufpreisanspruches zugunsten der R eingetreten ist.
cc) h.M.: Theorie der realen Leistungsbewirkung
Durchgesetzt hat sich allerdings die Theorie der realen Leistungsbewirkung, nach welcher
kein zusätzliches subjektives Element im Rahmen der Erfüllung notwendig ist. Vielmehr
ist die Erfüllung als realer Tilgungsakt im Sinne der Herbeiführung des Leistungserfolges
anzusehen; auf weitere (ungeschriebene) Voraussetzungen des § 362 I BGB wird verzichtet.
hier: R hat durch Übereignung und Übergabe der Geldscheine den geschuldeten Leistungserfolg
erbracht. Damit trat Erfüllung der Schuld ein, ohne dass es zusätzlicher subjektiver
Momente bedarf. Grundsätzlich wäre der Anspruch damit also erloschen.
dd) Korrektiv: fehlende Empfangszuständigkeit des Minderjährigen
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass dem Minderjährigen nach h.M., zu der Zu berücksichtigen ist jedoch, dass dem Minderjährigen nach h.M., zu der auch die Vertreter
der Zweckvereinbarungstheorie zu zählen sind, die Verwaltung seines Vermögens
nach § 1626 BGB nicht zusteht. Die Einziehung einer Forderung bzw. die Annahme einer Minderjährigen
obliegt. Dem Minderjährigen fehlt also die sog. Empfangszuständigkeit für die
Annahme einer geschuldeten Leistung; stattdessen handeln die Eltern als gesetzliche Vertreter
des Kindes aufgrund der Ihnen hieraus obliegenden Vermögenssorge für das Kind
und nehmen dessen Gläubigerrechte und -pflichten wahr. Dies führt im Ergebnis aus der
Sicht des Schuldners dazu, dass an die Eltern geleistet werden muss und diese gegenüber
dem Schuldner „wie ein Gläubiger“ auftreten, obwohl rechtlich der Minderjährige Gläubiger
i.S.v. § 362 BGB ist.
Die Leistung eines Schuldners an den Minderjährigen selbst hat folglich nur dann Erfüllungswirkung,
wenn der gesetzliche Vertreter zu der Leistungsannahme durch den Minderjährigen
seine Einwilligung erteilt oder im Nachhinein zustimmt (§§ 362 II, 185
BGB).
Hier haben jedoch die Eltern der Übergabe und Übereignung des Geldes an J weder im
Vorfeld noch nachträglich zugestimmt. Mangels Empfangszuständigkeit des J ist eine Erfüllung
der Schuld aus § 433 II BGB nicht eingetreten.
[Hinweis: Aufgrund des ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals der Empfangszuständigkeit wird ein Erlöschen
der Forderung bei Erfüllung gegenüber Minderjährigen also verneint. Zu demselben Ergebnis kommen
die Vertreter der Vertragstheorie über eine Lösung auf rechtsgeschäftlicher Ebene (s.o.). Dies ist nicht
verwunderlich, denn beide Ansätze haben sich aus dem Gedanken entwickelt, dass bestimmte Gläubigergruppen
vor Benachteiligungen geschützt werden müssen. Schutzwürdig sind gerade beschränkt Geschäftsfähige
(Minderjährige mit Vollendung des 7. Lebensjahres) und Geschäftsunfähige. In diesen beiden Konstellationen
kommen alle Ansätze zu demselben Ergebnis.]
 Alle Auffassungen gelangen zu dem gleichen Ergebnis. Die Leistung des R an J hat keine
Erfüllung im Sinne des § 362 I BGB bewirkt.
 Der Anspruch gegen R aus § 433 II BGB ist nicht durch Erfüllung erloschen.

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3
Q

Vertragstheorie

Erfüllungsvertrags notwendig

A

Nach einer Ansicht ist neben der Vornahme der Erfüllungshandlung der Abschluss eines
sog. Erfüllungsvertrags notwendig, d.h. es erfolgt eine Einigung darüber, dass die erbrachte
Leistung zur Erfüllung dieses schuldrechtlichen Vertrages dient. Anwendbar sind
die Vorschriften des BGB über Willenserklärungen und Rechtsgeschäfte (§§ 145 ff.
hier: J und R müssten sich wirksam darüber geeinigt haben, dass die Übereignung des
Geldes der Erfüllung des Kaufvertrages über das Mofa (Schuldverhältnis) dienen soll. Eine
solche Einigung könnte konkludent bei Übergabe des Geldes erfolgt sein und zur Begründung
eines Erfüllungsvertrages geführt haben. Da dieser Erfüllungsvertrag aber zum
Erlöschen des Kaufpreisanspruchs aus § 433 II BGB führt, büßt J hierdurch eine rechtliche
Position ein; es liegt ein rechtlich nachteiliges Geschäft für J vor. Erforderlich ist damit
die Einwilligung seiner Eltern (§ 107 BGB). Diese liegt nicht vor, denn von einer
Übergabe des Geldes am Freitag wussten die Eltern des J nichts. Auch eine Genehmigung
nach § 108 I BGB scheidet – angesichts der Äußerung der Eltern und des Nachzahlungsbegehrens
gegenüber R – aus.
Mangels wirksamer Einigung zwischen R und J hinsichtlich des Erfüllungszwecks würde
bei Anwendung der Vertragstheorie keine Erfüllung gemäß § 362 I BGB eintreten;
J könnte erneut Zahlung von R verlangen.

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4
Q

Zweckvereinbarungstheorie

A

Einschränkend hierzu erachten die Vertreter der Zweckvereinbarungstheorie einen Erfüllungsvertrag
nicht für notwendig, sondern ausreichend sei eine Einigung über den Zweck
der Leistung. Diese Einigung hat im Gegensatz zum Erfüllungsvertrag (s.o.) keine
schuldaufhebende Wirkung, sondern dient der einvernehmlichen Zuordnung der Leistung.
hier: die (konkludente) Zweckvereinbarung zwischen J und R ist für J nicht rechtlich
nachteilig, weil sie nur der Zuordnung der Leistung dient, nicht aber selbst eine schuldaufhebende
Wirkung in sich trägt. Er konnte sie damit ohne Einwilligung seiner Eltern
vornehmen, sodass man nach dieser Ansicht zu dem Ergebnis gelangt, dass Erfüllung des
Kaufpreisanspruches zugunsten der R eingetreten ist.

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5
Q

h.M.: Theorie der realen Leistungsbewirkung

A

Durchgesetzt hat sich allerdings die Theorie der realen Leistungsbewirkung, nach welcher
kein zusätzliches subjektives Element im Rahmen der Erfüllung notwendig ist. Vielmehr
ist die Erfüllung als realer Tilgungsakt im Sinne der Herbeiführung des Leistungserfolges
anzusehen; auf weitere (ungeschriebene) Voraussetzungen des § 362 I BGB wird verzichtet

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6
Q

Korrektiv: fehlende Empfangszuständigkeit des Minderjährigen (Im Rahmen der Theorie der leistungsbewirken)

A

Zu berücksichtigen ist jedoch, dass dem Minderjährigen nach h.M., zu der auch die Vertreter
der Zweckvereinbarungstheorie zu zählen sind, die Verwaltung seines Vermögens
nach § 1626 BGB nicht zusteht. Die Einziehung einer Forderung bzw. die Annahme einer geschuldeten Leistung ist ein Akt der Vermögensverwaltung, der den Eltern des Minderjährigen
obliegt. Dem Minderjährigen fehlt also die sog. Empfangszuständigkeit für die
Annahme einer geschuldeten Leistung; stattdessen handeln die Eltern als gesetzliche Vertreter
des Kindes aufgrund der Ihnen hieraus obliegenden Vermögenssorge für das Kind
und nehmen dessen Gläubigerrechte und -pflichten wahr. Dies führt im Ergebnis aus der
Sicht des Schuldners dazu, dass an die Eltern geleistet werden muss und diese gegenüber
dem Schuldner „wie ein Gläubiger“ auftreten, obwohl rechtlich der Minderjährige Gläubiger
i.S.v. § 362 BGB ist.
Die Leistung eines Schuldners an den Minderjährigen selbst hat folglich nur dann Erfüllungswirkung,
wenn der gesetzliche Vertreter zu der Leistungsannahme durch den Minderjährigen
seine Einwilligung erteilt oder im Nachhinein zustimmt (§§ 362 II, 185
BGB).
Hier haben jedoch die Eltern der Übergabe und Übereignung des Geldes an J weder im
Vorfeld noch nachträglich zugestimmt. Mangels Empfangszuständigkeit des J ist eine Erfüllung
der Schuld aus § 433 II BGB nicht eingetreten.

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7
Q

Zurückbehaltungsrechtes

der R gemäß § 273 I BGB

A

Möglicherweise ist der Zahlungsanspruch des J aber aufgrund eines Zurückbehaltungsrechtes
der R gemäß § 273 I BGB nicht durchsetzbar. Voraussetzung hierfür ist, dass R dazu berechtigt
ist, eine von ihr geschuldete Leistung solange zu verweigern, bis eine ihr gebührende Leistung
bewirkt wird. Nach § 273 I BGB ist dies statthaft, wenn (a) der Schuldner einer Leistung (b) Gegenansprüche
gegen den Gläubiger (c) aus demselben rechtlichen Verhältnis (sog. Konnexität)
geltend machen kann.
a) Schuldner einer Leistung
R ist – wie soeben gezeigt – Schuldnerin des nicht erloschenen Kaufpreisanspruches aus
§ 433 II BGB gegenüber J.
b) Gegenansprüche der R gegen J
R wiederum hat einen Zahlungsanspruch gegen J aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB bezüglich der an J
übergebenen 600 Euro, wenn J insoweit ungerechtfertigt bereichert ist.

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8
Q

Ohne Rechtsgrund ( im Rahmen der Vertragstheorie)

A

cc) Ohne Rechtsgrund
Fraglich ist, ob die Leistung der R ohne Rechtsgrund erfolgt ist. Zwischen ihr und J bestand
jedoch ein wirksamer Kaufvertrag über das Mofa (s.o.). Ein Rechtsgrund für die
Übereignung des Geldes ist deshalb eigentlich vorhanden. Jedoch ist J für den Empfang
der Leistung nicht empfangszuständig, sondern seine Eltern (so die h.M.), bzw. es fehlte
ein wirksamer Erfüllungsvertrag (so die Vertragstheorie). R hat damit in unwirksamer
Weise geleistet (s.o.). Ein Rechtsgrund für das Behaltendürfen der 600 Euro zu Gunsten
des J besteht aus diesem Grund nicht.

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9
Q

Umfang/Inhalt des Herausgabeanspruches

A

Rechtsfolge des § 812 I 1 Alt. 1 BGB ist, dass der Anspruchsgegner das Erlangte herauszugeben
hat. Da die von R an J übergegebenen Geldscheine durch J „durchgebracht“
wurden, sind sie nicht mehr gegenständlich vorhanden. Gemäß § 818 II BGB ist in einem
solchen Fall Wertersatz – hier also 600 Euro – zu leisten.
ee) Ausschluss des Anspruchs wegen Entreicherung des J (§ 818 III BGB)?
Nach § 818 III BGB ist die Rückgewähr des Erlangten bzw. die Pflicht zum Wertersatz
ausgeschlossen, soweit der Rückgewährschuldner – hier also J – entreichert ist. Der
Schuldner soll nach dem Willen des Gesetzgebers also nur dasjenige herausgeben, was
sich tatsächlich noch in seinem Vermögen befindet.1 J hat das Geld auf der Party seines
Schulfreundes ausgegeben. Es befindet sich also nicht mehr in seinem Vermögen. Eine
Entreicherung wäre jedoch dann abzulehnen, wenn J sich durch das Ausgeben dieser
Geldscheine eigene Aufwendungen – d.h. das Ausgeben eigenen Geldes – erspart hätte.
Hierfür liegen aber keine Anhaltspunkte vor, denn J hatte nicht vor, aus sonstigen Mitteln
600 Euro für die Party seines Freundes aufzubringen. Er hat damit keine eigenen Auf-

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10
Q

Ausschluss des Entreicherungseinwands (§§ 819 I, 818 IV BGB)

A

Auf Entreicherung kann sich jedoch nur der gutgläubige Bereicherungsschuldner berufen,
denn das Bereicherungsrecht soll nur denjenigen schützen, der im Vertrauen auf den
(Fort)Bestand des Rechtsgrundes den empfangenen Gegenstand verbraucht, weiterveräußert
oder verschlechtert.2 Der bösgläubige Schuldner dagegen, der den Mangel des rechtlichen
Grundes kennt (§ 819 I BGB), haftet gemäß § 818 IV BGB nach den „allgemeinen
Vorschriften“. Hierdurch wird auf den allgemeinen Teil des BGB, speziell § 292 BGB,
verwiesen, der wiederum auf die §§ 985 ff. BGB verweist. Hieraus folgt, dass der
Schuldner für jede Verschlechterung des herauszugebenden Gegenstands haftet, soweit
ihm Verschulden zur Last gelegt werden kann.
J musste bewusst sein, dass seine Eltern das Geld selbst in Empfang nehmen wollten,
denn sie hatten ausdrücklichen einen Termin am Wochenende mit R vereinbart, da sie
beide berufstätig sind. Damit kommt eine Bösgläubigkeit des J in Frage. Allerdings ist
fraglich, ob auf die Bösgläubigkeit des J abzustellen ist, weil damit der Schutz des Minderjährigen
unvollständig würde. Da es hier um die Erfüllung eines Vertrages zwischen J
und R geht, sind die Eltern zwingend an der Abwicklung beteiligt, denn J ist nicht empfangszuständig.
Aus diesem Grund ist auf die Kenntnis der gesetzlichen Vertreter bezüglich
eines Mangels des rechtlichen Grundes abzustellen3 und nicht auf die Kenntnis des
minderjährigen J. Da die Eltern des J nichts vom Empfang des Geldes durch J wussten,
hatten sie auch keine Kenntnis von der Leistung der R an eine nicht empfangszuständige
Person. Der Entreicherungseinwand des J ist damit nicht durch §§ 819 I, 818 IV BGB
ausgeschlossen.
 R hat keinen Gegenanspruch gegen J aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB, da sich J auf Entreicherung
(§ 818 III BGB) berufen kann. Auf die weitere Voraussetzung von § 273 I BGB (Konnexität
der Ansprüche) kommt es nicht mehr an.
 Mangels Gegenanspruchs der R hat sie kein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 I BGB, welches
dem Kaufpreisanspruch des J einredeweise entgegen gehalten werden könnte.

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11
Q

Erlöschen des Anspruchs durch Erfüllung

A

a) Erfüllung i.S.v. § 362 I BGB?
Voraussetzung: Bewirken der geschuldeten Leistung an den Gläubiger
Hier: K hat nicht an die Eheleute V gezahlt, sondern an N. Nach § 362 I BGB kann die Kaufpreisschuld
deshalb nicht erloschen sein.
b) Erfüllung i.S.v. §§ 362 II, 185 I BGB?
Voraussetzung: Bewirken der geschuldeten Leistung an einen Dritten (§ 362 II BGB), der
vom Gläubiger zur eigenständigen Entgegennahme der Leistung ermächtigt wurde (§ 185 I
BGB).
aa) Bewirken der geschuldeten Leistung durch K (+)
bb) An einen Dritten (+), da N nicht Partei des Kaufvertrages ist
cc) Ermächtigung des N durch V zur Entgegennahme der Leistung als Erfüllung?
Entscheidend ist, ob N die Einzahlung der Summe auf sein Anderkonto als Erfüllung angenommen
hat, und zwar „mit Einwilligung des Berechtigten“ (§ 185 I BGB), also der
Eheleute V. Die Einwilligung ist die vorherige Zustimmung (§ 183 S. 1 BGB). Zu fragen
ist deshalb, ob die Eheleute V den Willen hatten, N solle das Geld mit der Überweisung
auf sein Anderkonto für sich in Empfang nehmen und dadurch solle die Schuld der K erlöschen.
Liegt – wie hier – eine ausdrückliche Ermächtigung nicht vor, so kann sich diese
aus den Umständen ergeben. Hierzu führt der BGH4 aus:
„[I]m Regelfall ist aufgrund der Interessenlage der Beteiligten nicht anzunehmen, daß bereits
die vereinbarte „Hinterlegung“ des Kaufpreises beim Notar zum Erlöschen des
Kaufpreisanspruches führen soll. In der Regel ist eine Hinterlegung allein zu Sicherungszwecken
(wechselseitige Erfüllung der übernommenen Verpflichtungen gem. §§ 320, 322
BGB) sinnvoll […]. Würde der „Hinterlegung“ beim Notar bereits Erfüllungswirkung

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12
Q

„Hinterlegung“ des Kaufpreises beim Notar (nach BGH keine Erfüllung)

A

Ermächtigung des N durch V zur Entgegennahme der Leistung als Erfüllung?
Entscheidend ist, ob N die Einzahlung der Summe auf sein Anderkonto als Erfüllung angenommen
hat, und zwar „mit Einwilligung des Berechtigten“ (§ 185 I BGB), also der
Eheleute V. Die Einwilligung ist die vorherige Zustimmung (§ 183 S. 1 BGB). Zu fragen
ist deshalb, ob die Eheleute V den Willen hatten, N solle das Geld mit der Überweisung
auf sein Anderkonto für sich in Empfang nehmen und dadurch solle die Schuld der K erlöschen.
Liegt – wie hier – eine ausdrückliche Ermächtigung nicht vor, so kann sich diese
aus den Umständen ergeben. Hierzu führt der BGH4 aus:
„[I]m Regelfall ist aufgrund der Interessenlage der Beteiligten nicht anzunehmen, daß bereits
die vereinbarte „Hinterlegung“ des Kaufpreises beim Notar zum Erlöschen des
Kaufpreisanspruches führen soll. In der Regel ist eine Hinterlegung allein zu Sicherungszwecken
(wechselseitige Erfüllung der übernommenen Verpflichtungen gem. §§ 320, 322
BGB) sinnvoll […]. Würde der „Hinterlegung“ beim Notar bereits Erfüllungswirkung
beigelegt, so liefe der Käufer überdies Gefahr, daß der Verkäufer, bevor er seinerseits erfüllt hätte, in Konkurs[5] fiele […]. Solche Gefahren einer Insolvenz des Verkäufers sind
erheblich größer als die Gefahr einer Veruntreuung des beurkundenden Notars. Deshalb
wird im Normalfall eine Erfüllungsabrede im erörterten Sinne [Ermächtigung des Notars
nach §§ 362 II, 185 I BGB] nicht anzunehmen sein.“
V und K hatten als Parteien des Kaufvertrags den Notar N beauftragt, den Kaufpreis treuhänderisch
entgegenzunehmen und entsprechend den Bestimmungen des Kaufvertrags zu
verwenden. Die Einschaltung diente dazu sicherzustellen, dass die Ansprüche der Vertragsparteien
Zug um Zug erfüllt wurden. Aus dem Sicherungszweck der Kaufpreishinterlegung
beim Notar kann damit keine Ermächtigung zur Erfüllungsannahme hergeleitet
werden. Folglich ist eine Ermächtigung des N zur Entgegennahme der Leistung durch die
Eheleute V abzulehnen.

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13
Q

Erfüllung i.S.v. §§ 362 II, 185 II 1 Var. 1 BGB?
Voraussetzung: Bewirken der Leistung an einen Nichtberechtigten und nachträgliche Genehmigung
des Gläubigers.

A

aa) Bewirken der Leistung durch K (+)
bb) N = Nichtberechtigter? (+), s.o.
cc) Nachträgliche Genehmigung durch Eheleute V – §§ 185 II 1 Var. 1, 184 I BGB?
Da die Eheleute auf erneute Kaufpreiszahlung bestehen (–)
Ein sonstiger Fall von § 185 II 1 BGB (Var. 2: Empfänger wird Gläubiger; Var. 3: Gläubiger
beerbt den Empfänger und haftet unbeschränkt für die Nachlassverbindlichkeiten)
ist ebenfalls nicht gegeben.

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14
Q

Besitz und Eigentum
hat J durch Übereignung der R erlangt, die damit das Ziel verfolgte, ihre aus § 433 II
BGB resultierende Schuld zu tilgen. Das Vermögen des J wurde damit durch eine Leistung
der R zielgerichtet gemehrt.

A

R muss ziel- und zweckgerichtet das Vermögen des J gemehrt haben. Besitz und Eigentum
hat J durch Übereignung der R erlangt, die damit das Ziel verfolgte, ihre aus § 433 II
BGB resultierende Schuld zu tilgen.

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15
Q

Bewirken der geschuldeten Leistung an einen Dritten (§ 362 II BGB), der
vom Gläubiger zur eigenständigen Entgegennahme der Leistung ermächtigt wurde (§ 185 I
BGB).

A

aa) Bewirken der Leistung durch K (+)
bb) N = Nichtberechtigter? (+), s.o.
cc) Nachträgliche Genehmigung durch Eheleute V – §§ 185 II 1 Var. 1, 184 I BGB?
Da die Eheleute auf erneute Kaufpreiszahlung bestehen (–)
Ein sonstiger Fall von § 185 II 1 BGB (Var. 2: Empfänger wird Gläubiger; Var. 3: Gläubiger
beerbt den Empfänger und haftet unbeschränkt für die Nachlassverbindlichkeiten)
ist ebenfalls nicht gegeben.

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16
Q

K  B auf Zahlung des Werklohns
AGL: § 631 I BGB
1. Wirksame Begründung des Zahlungsanspruchs?

A

K  B auf Zahlung des Werklohns
AGL: § 631 I BGB
1. Wirksame Begründung des Zahlungsanspruchs?

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17
Q

durch Leistung eines Dritten (§§ 362 I, 267 BGB)

A

Möglicherweise hat P als Dritter geleistet und durch die Zahlung von 6.000 Euro die Schuld
des B gemäß §§ 362 I, 267 BGB getilgt.
Voraussetzungen:
aa) P = Dritter?
Dritter ist, wer aus eigenem Antrieb, also unabhängig von einer Veranlassung des
Schuldners, leistet.6 Dritter ist damit weder der Stellvertreter (§§ 164 ff. BGB) noch der
Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB) des Schuldners, da eine Leistung durch diese Personen
bzw. eine Leistung mit ihrer Hilfe dem Schuldner zugerechnet wird, also eine Leistung
des Schuldners selbst darstellt.
Hier: P hat nicht als Stellvertreter oder Erfüllungsgehilfe des B gehandelt und ist damit Dritter.
bb) Keine höchstpersönliche Leistungspflicht des B
Eine höchstpersönliche Leistungspflicht wäre zu bejahen, wenn B den Geldbetrag „in
Person [zu] erbringen“ hätte (§ 267 I 1 BGB). Eine solche Verpflichtung besteht jedoch
nicht. Geld kann vielmehr grundsätzlich auch von Dritten geleistet werden.
cc) Fremdtilgungswille des Dritten
Der Dritte muss mit dem Willen leisten, die Verpflichtung des Schuldners zu tilgen.7
Hierzu führt das OLG Brandenburg8 aus:
„Dabei kommt es nicht auf den inneren Willen des leistenden Dritten, sondern darauf an,
wie der Gläubiger dessen Verhalten verstehen durfte. Vorliegend ist kein Anhalt dafür ersichtlich,
dass die [P] eine Schuld des [B] tilgen wollte. Im Zeitpunkt der Zahlung von
Seiten der [P] […] bestand aus Sicht der [K] ihr gegenüber eine Schuld des [B] (noch)
nicht. Sie hatte ihre Zusatzleistungen […] lediglich im Verhältnis zur [P] […], nicht aber
im Verhältnis zum [B] unmittelbar abgerechnet. Bei dieser Sachlage konnte die [K] die
von der [P] mit „Nachtragsaufträge […]“ gekennzeichnete Zahlung nur als Leistung auf
ihre der [P] gegenüber geltend gemachte Forderung auffassen.“
Ergebnis: Mangels Erfüllung ist der Anspruch gegen B nicht erloschen. Der Anspruch auf Werklohn
i.H.v. 6.000 Euro aus § 631 I BGB besteht fort.

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18
Q

Nichtigkeit des Darlehensvertrags wegen Formmangels (§ 494 I BGB)?

a) Wirksamer Darlehensvertrag zwischen S und D

A

aa) Vertragsschluss zwischen D und S (+)
bb) Nichtigkeit des Darlehensvertrags wegen Formmangels (§ 494 I BGB)?
[Hinweis: § 494 I BGB ist eine Spezialvorschrift im Verhältnis zu der – im ersten Semester besprochenen –
allgemeinen Regelung des § 125 BGB. Sie gilt nur für Verbraucherdarlehensverträge, eine Sondermaterie
im Schuldrecht BT, und ist insoweit vorrangig vor der Regelung des BGB AT heranzuziehen.]
Nach § 488 BGB kann ein Darlehen formlos vereinbart werden.
Allerdings könnte hier § 492 I 1 BGB anwendbar sein. Demnach wäre der Vertrag
schriftlich abzuschließen. Voraussetzung ist, dass zwischen D und S ein Verbraucherdarlehensvertrag9
im Sinne des § 491 I BGB geschlossen wurde.
[Hinweis: Mit dem Verbraucherkreditrecht beschäftigt sich die gesonderte Vorlesung zum AGB- und Verbraucherrecht,
ferner die Vorlesung Bankrecht im 4. Semester.]
 Verbrauchereigenschaft10 der D – § 13 BGB (+)
 Unternehmereigenschaft11 der S – § 14 BGB (+)
 Entgeltlichkeit der Darlehensvergabe (+), da Zinsen geschuldet waren
Damit ist § 492 I 1 BGB anwendbar; zu ihrer Gültigkeit bedurfte der zwischen S und D
geschlossene Vertrag der Schriftform (§§ 492 I, 126 BGB). Da der Vertrag formularmäßig
abgeschlossen wurden, kann unterstellt werden, dass sowohl D als auch ein Vertreter
der S unterschrieben haben. Zudem enthielt der Formularvertrag die gemäß § 492 II BGB
i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB erforderlichen Angaben. Damit wurde auch der sog.
qualifizierten Schriftform genügt.
 wirksamer Darlehensvertrag (+)

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19
Q

Verbraucherdarlehensverträgen (und nur für solche!) nach

§ 494 II 1 BGB eine Heilungsmöglichkeit.

A

Damit ist § 492 I 1 BGB anwendbar; zu ihrer Gültigkeit bedurfte der zwischen S und D
geschlossene Vertrag der Schriftform (§§ 492 I, 126 BGB). Da der Vertrag formularmäßig
abgeschlossen wurden, kann unterstellt werden, dass sowohl D als auch ein Vertreter
der S unterschrieben haben.
Wird die Schriftform i.S.v. §§ 492 I, 126 BGB nicht eingehalten, so ist der Darlehensvertrag
nichtig (§ 494 I BGB). Die Nichtigkeitsfolge tritt auch dann ein, wenn in der vom Darlehensnehmer zu unterzeichnenden
Vertragserklärung die in § 492 II BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6 und 9 bis 13 EGBGB genannten
Angaben fehlen. Jedoch besteht bei Verbraucherdarlehensverträgen (und nur für solche!) nach
§ 494 II 1 BGB eine Heilungsmöglichkeit. Hiernach wird ein formunwirksamer Verbraucherdarlehensvertrag
gültig, soweit der Darlehensnehmer das Darlehen empfängt. An dieser Stelle wird praktisch bedeutsam,
dass § 494 BGB als lex specialis die allgemeine Regel des § 125 BGB aus dem BGB AT hinsichtlich
seiner Rechtsfolgen verdrängt. § 125 BGB würde nämlich immer zur gänzlichen Nichtigkeit formunwirksamer
Rechtsgeschäfte führen; eine Heilungsmöglichkeit gibt es dort nicht. Mit der Heilung durch
§ 494 II 1 BGB soll verhindert werden, dass der Darlehensnehmer aufgrund der Nichtigkeit des Darlehens-
Die Nichtigkeitsfolge tritt auch dann ein, wenn in der vom Darlehensnehmer zu unterzeichnenden
Vertragserklärung die in § 492 II BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6 und 9 bis 13 EGBGB genannten
Angaben fehlen. Jedoch besteht bei Verbraucherdarlehensverträgen (und nur für solche!) nach
§ 494 II 1 BGB eine Heilungsmöglichkeit. Hiernach wird ein formunwirksamer Verbraucherdarlehensvertrag
gültig, soweit der Darlehensnehmer das Darlehen empfängt. An dieser Stelle wird praktisch bedeutsam,
dass § 494 BGB als lex specialis die allgemeine Regel des § 125 BGB aus dem BGB AT hinsichtlich
seiner Rechtsfolgen verdrängt.

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20
Q

Zinssatz auf den gesetzlichen Zinssatz (§ 494 II 2 BGB)

A

vertrags sogleich gemäß § 812 BGB zur Rückzahlung der vollen Darlehensvaluta verpflichtet ist, die er im
Regelfall bereits zur Anschaffung eines finanzierten Gegenstandes verwendet hat und daher nicht in einem
Schlag aufbringen kann. Damit der vom Unternehmer verursachte Formverstoß nicht sanktionslos bleibt,
ermäßigt sich allerdings der vereinbarte Zinssatz auf den gesetzlichen Zinssatz (§ 494 II 2 BGB). Zu weiteren
Rechtsfolgen siehe § 494 III-VI BGB. Diese Details des Verbraucherkreditrechts werden in der Vorlesung
„Bankrecht“ im 4. Semester behandelt.]

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Q

366 I Tilgungsbestimmung

A

Das Recht zu bestimmen, welche von mehreren gesicherten Forderung getilgt werden soll,
steht grundsätzlich nicht dem Gläubiger (hier S), sondern dem Schuldner (hier D) zu (vgl.
§ 366 I BGB). Sind die Parteien sich bei der Leistung über die Anrechnung einig, so gilt ihr
übereinstimmender Wille. Eine solche Anrechnungsabrede schließt das Bestimmungsrecht
des Schuldners aus12, da § 366 I BGB innerhalb der Grenzen der §§ 138, 242 BGB13 und der
§§ 305 ff. BGB14 abdingbar ist.
So kann zwischen Gläubiger und Schuldner etwa vereinbart werden, welche von mehreren
Forderungen als erste zu tilgen ist oder dass – abweichend von § 366 I BGB – nicht der
Schuldner, sondern der Gläubiger einseitig bestimmen darf, welche der Forderungen mit einer
Leistung zu verrechnen ist.
Ausdrücklich ist zwischen D und S weder eine Anrechnungsabrede getroffen worden noch ist
der S das Recht zugesprochen worden, einseitig über die Tilgungsreihenfolge zu entscheiden.
Möglicherweise ergibt sich jedoch aus der Zweckvereinbarung über die Grundschuld eine von
§ 366 I BGB abweichende Regelung der Parteien.

22
Q

Rechtsfähigkeit der GbR

A

Der BGH hat mit Urteil vom 29.1.200118 die in §§ 705 ff. BGB geregelte Gesellschaft bürgerlichen
Rechts (GbR) als rechtsfähige Personengesellschaft anerkannt, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene
Rechte und Pflichten begründet (sog. Außen-GbR). Die Rechtsfähigkeit der Außen-GbR wird vor allem damit
begründet, dass sie hinreichend körperschaftlich organisiert und verselbständigt ist. Sie ist von ihren Gesellschaftern
losgelöst, d.h. ihr Bestand ist unabhängig von Person und Zusammensetzung ihrer Mitglieder. Die Mitglieder (auch:
Gesellschafter) der GbR haften für die Verbindlichkeiten der GbR analog § 128 HGB persönlich. Nichtsdestotrotz
ist Vertragspartner und Verpflichteter die GbR als solche, nicht die einzelnen Gesellschafter. Der BGH hat in diesem
spektakulären Urteil mit einer 100jährigen Rechtstradition gebrochen, in der die Rechtsfähigkeit der GbR nicht
anerkannt war. Die Frage wird näher behandelt in der Vorlesung „Gesellschaftsrecht“ im 3. Semester.]

23
Q

Beseitigung der Tilgungsbestimmung vom 21.3.2014 durch Anfechtung

A

Die durch die Bauherrengemeinschaft getroffene Tilgungsbestimmung könnte allerdings angefochten
worden und damit von Anfang an nichtig sein (§ 142 I BGB).
Anfechtbarkeit von Tilgungsbestimmungen?
Nach § 142 I BGB sind Rechtsgeschäfte anfechtbar. Diese sind definiert als ein Tatbestand,
der mindestens eine Willenserklärung enthält und dessen Wirkungen sich nach dem
Inhalt der Willenserklärungen bestimmen.20 Die Anfechtung bezieht sich dabei auf eine
konkrete Willenserklärung innerhalb des Rechtsgeschäfts und führt zu deren Nichtigkeit
mit der Folge der Nichtigkeit des gesamten Rechtsgeschäfts, z.B. eines Vertrages.21
Die Tilgungsbestimmung wäre also dann anfechtbar, wenn sie als Willenserklärung zu
qualifizieren ist. Dies ist umstritten. Nach einer Ansicht ist eine Tilgungsbestimmung als
einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung anzusehen22, nach einer anderen Auffassung
dagegen als rechtsgeschäftsähnliche Handlung.23 Nach überwiegender Auffassung
sind aber die Vorschriften über Willenserklärungen – insbesondere also die §§ 142 I,
119 ff. BGB – auf rechtsgeschäftsähnliche Handlungen entsprechend anzuwenden, sodass
es keiner abschließenden Entscheidung bedarf.24 Tilgungsbestimmungen können damit in
jedem Fall gemäß § 142 I BGB (ggf. analog) angefochten werden, soweit die Voraussetzungen
einer Anfechtung vorliegen.

24
Q

Wissenszurechnung aufgrund von § 166 I BGB?

Wissenszurechnung analog § 166 I BGB?

A

Wissenszurechnung aufgrund von § 166 I BGB?
Die Annahme eines Irrtums könnte allerdings ausgeschlossen sein, soweit sich
die Bauherrengemeinschaft aufgrund von § 166 I BGB die Kenntnis des F über
die irrtumsbegründenden Umstände zurechnen lassen muss. Dies wäre zu bejahen,
wenn F bei der Überweisung als Vertreter der Bauherrengemeinschaft gehandelt
hätte.
Die aus F, T und K bestehende Bauherrengemeinschaft hatte jedoch nur bis zum
15.3.2014 Bestand, da F zu diesem Datum ausschied. Im Zeitpunkt der Überweisung
am 20.3.2014 gehörte F der Bauherrengemeinschaft nicht mehr an und besaß
daher keine Vertretungsmacht mehr. Eine Wissenszurechnung nach § 166 I
BGB scheidet damit aus, ohne dass es noch darauf ankommt, ob F überhaupt
hinreichend in den Überweisungsauftrag involviert war, um bei bestehender Vertretungsmacht
eine Zurechnung nach § 166 I BGB anzuerkennen.
(3) Wissenszurechnung analog § 166 I BGB?
Anerkannt ist jedoch, dass § 166 I BGB entsprechende Anwendung findet, wenn
eine dem § 166 I BGB vergleichbare Interessenlage vorliegt. Dies folgt daraus,
dass § 166 I BGB seine Rechtfertigung in dem Gedanken der Zurechenbarkeit
findet. Wer sich im Rechtsverkehr bei der Abgabe von Willenserklärungen eines
Vertreters bedient, muss es im schutzwürdigen Interesse des Adressaten hinnehmen,
dass ihm die Kenntnis des Vertreters als eigene zugerechnet wird, kann
sich also nicht auf eigene Unkenntnis berufen. Die Rechtsprechung hat deshalb
wiederholt bei einem der Interessenlage zwischen Vertreter und Vertretenem vergleichbaren Sachverhalt § 166 I BGB entsprechend angewendet.25 Ein vergleichbarer
Sachverhalt liegt z.B. dann vor, wenn eine Hilfsperson ähnlich wie
ein Vertreter erkennbar als für den Geschäftsherren handelnd in Erscheinung
tritt, z.B. die Verhandlungen maßgeblich führt, ohne später selbst den Vertrag in
Vertretung zu schließen. Erforderlich ist aber in jedem Fall, dass sich der Vertretene
des Dritten wie eines Vertreters bedient hat.
Hierfür liegen aber ebenfalls keine Anhaltspunkte vor. Auch anlässlich des Telefonats
vom 20.3.2014 trat F nicht als für die Bauherrengemeinschaft handelnd
auf, sondern gab seine Erklärung ersichtlich als Schuldner der eigenen Werklohnforderung
ab, da er durch den Anruf ausschließlich seine eigenen Interessen
verfolgte und nicht die der Bauherrengemeinschaft. Offenbar wollte F Rückfragen
der S-GmbH bei der Bauherrengemeinschaft vermeiden; hierin kann indes
noch kein auf die Rechtsgeschäfte der Bauherrengemeinschaft bezogenes Handeln
gesehen werden.
Eine Wissenszurechnung zu Lasten der Bauherrengemeinschaft analog § 166 I
BGB ist damit ausgeschlossen. K und T können sich auf ihren Irrtum berufen.

25
Q

Die Annahme eines Kauf-Tausch-Vertrages

A

Kaufvertrag zwischen K und V über den Jahreswagen zum Preis von 23.500 Euro (+)
Die Annahme eines Kauf-Tausch-Vertrages oder eines sonstigen typengemischten Vertrages ist
abzulehnen, da – so der BGH28 – das Interesse des Kraftfahrzeughändlers erkennbar auf die Veräußerung
von Fahrzeugen gegen Geld und nicht auf den Erwerb gebrauchter Fahrzeuge gerichtet
ist. Ein Vertragshändler lässt sich auf die Inzahlungnahme eines Altfahrzeugs – insbesondere eines
anderen Herstellers – nur ein, um hiermit Kunden zu werben und das von ihm erstrebte Geschäft
abschließen zu können.

26
Q

Annahme an Erfüllungs statt i.S.v. § 364 I BGB?

A

Entgegen der Regel, dass nur das Bewirken der geschuldeten Leistung zum Erlöschen des
Anspruchs führt (§ 362 I BGB), kann ausnahmsweise auch das Bewirken einer anderen als
der geschuldeten Leistung zur Erfüllung führen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn der Gläubiger
die neue Sache statt der ursprünglich geschuldeten als Erfüllung annimmt (§ 364 I
BGB). Erforderlich ist hierfür, dass Schuldner und Gläubiger eine Einigung dahingehend erzielen,
dass die Schuld durch Hingabe einer anderen Sache getilgt sein soll. Ob diese Einigung,
die auch als Erfüllungsvertrag bezeichnet wird29, schon von vorneherein oder erst bei
der Erfüllung selbst getroffen wird, spielt keine Rolle.30 Wird sie von vorneherein vereinbart,
so wird eine – gesetzlich nicht geregelte – Ersetzungsbefugnis31 des Schuldners begründet.
Macht der Schuldner von ihr Gebrauch, so führt das zu einer Leistung an Erfüllungs statt nach
§ 364 I BGB.32
K und V einigten sich über den Kauf des Jahreswagens zum Preis von 23.500 Euro. Hierbei
bot V dem K an, einen Teil des Kaufpreises mit dem Wert seines Altfahrzeuges zu verrechnen.
K und V waren sich damit einig, dass statt der Zahlung der restlichen 5.500 Euro der
Altwagen des K an V übereignet werden konnte. K wurde damit eine Ersetzungsbefugnis eingeräumt,
die er in Anspruch nahm. Eine Abrede dahingehend, dass V das Altfahrzeug nur zu

27
Q

362 I

A

Entgegen der Regel, dass nur das Bewirken der geschuldeten Leistung zum Erlöschen des
Anspruchs führt (§ 362 I BGB), kann ausnahmsweise auch das Bewirken einer anderen als
der geschuldeten Leistung zur Erfüllung führen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn der Gläubiger
die neue Sache statt der ursprünglich geschuldeten als Erfüllung annimmt (§ 364 I
BGB). Erforderlich ist hierfür, dass Schuldner und Gläubiger eine Einigung dahingehend erzielen,
dass die Schuld durch Hingabe einer anderen Sache getilgt sein soll. Ob diese Einigung,
die auch als Erfüllungsvertrag bezeichnet wird29, schon von vorneherein oder erst bei
der Erfüllung selbst getroffen wird, spielt keine Rolle.30 Wird sie von vorneherein vereinbart,
so wird eine – gesetzlich nicht geregelte – Ersetzungsbefugnis31 des Schuldners begründet.
Macht der Schuldner von ihr Gebrauch, so führt das zu einer Leistung an Erfüllungs statt nach
§ 364 I BGB.32
K und V einigten sich über den Kauf des Jahreswagens zum Preis von 23.500 Euro. Hierbei
bot V dem K an, einen Teil des Kaufpreises mit dem Wert seines Altfahrzeuges zu verrechnen.
K und V waren sich damit einig, dass statt der Zahlung der restlichen 5.500 Euro der
Altwagen des K an V übereignet werden konnte. K wurde damit eine Ersetzungsbefugnis eingeräumt,
die er in Anspruch nahm. Eine Abrede dahingehend, dass V das Altfahrzeug nur zu dem tatsächlich erzielten Verkaufserlös anrechnen würde, bestand nicht. Vielmehr erfolgte
die Inzahlungnahme vorbehaltslos und unter sofortiger Verrechnung mit dem Kaufpreis des
Neuwagens, sodass von einer Annahme des V an Erfüllungs statt i.S.v. § 364 I BGB auszugehen
ist. Für § 364 I BGB ist also charakteristisch, dass allein der Gläubiger das Verwertungs-
und Verwendungsrisiko trägt.33 Der Gläubiger kann nicht etwa auf den Schuldner
„zurückgreifen“, wenn die geplante Verwertung scheitert.
Die Differenz zwischen veranschlagtem Wert und tatsächlich erzieltem Erlös kann der Gläubiger
– hier also V – vom Schuldner nicht ersetzt verlangen. Die ursprüngliche Kaufpreisschuld
ist deshalb im Grundsatz gemäß § 364 I BGB in Höhe der restlichen 5.500 Euro erloschen.

28
Q

§ 365 BGB an, dass ihm gegen den Schuldner Gewährleistungsrechte
aus einer entsprechenden Anwendung des Kaufrechts zustehen

A

Im Ergebnis findet so ein Ausgleich zu
Gunsten des Gläubigers als Kompensation für das Ungleichgewicht zwischen Wert der hingegebenen
Sache und erloschener Schuld statt. Nach der – in der Vorlesung „Leistungsstörungsrecht“ näher
behandelten – Zweistufigkeit des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts kann der Gläubiger
auf der ersten Stufe verlangen, dass der Mangel auf Kosten des Schuldners beseitigt oder eine neue,
mangelfreie Sache geliefert wird (Nacherfüllung: §§ 437 Nr. 1, 439 BGB).37 Ist der Schuldner einem
Nacherfüllungsverlangen trotz Fristsetzung nicht nachgekommen, kann der Gläubiger auf der
zweiten Stufe die Rückabwicklung des gesamten Geschäfts verlangen, soweit ein erheblicher Mangel
vorliegt (Rücktritt, §§ 437 Nr. 2, 346 ff. BGB). Das Gleiche gilt auch ohne Fristsetzung bei
Unmöglichkeit (§ 326 V BGB) oder Fehlschlagen (§ 440 BGB) der Nacherfüllung. Bei erheblichen
wie unerheblichen Mängeln besteht die Möglichkeit der Minderung (§§ 437 Nr. 2, 441 BGB), die
zu einer Zahlungspflicht des Schuldners in Höhe der Wertdifferenz führt (§ 441 IV 1 BGB). Hat der
Schuldner darüber hinaus die Mangelhaftigkeit der Sache zu vertreten, kommt ein Schadensersatzanspruch
des Gläubigers nach Maßgabe des § 437 Nr. 3 BGB in Betracht.
Aufgrund der Zweistufigkeit des Gewährleistungsrechts könnte V also ohnehin nicht sogleich die
Differenz von 2.500 Euro verlangen, sondern müsste sich darauf verweisen lassen, zunächst die
Reparatur des Wagens durch K zu verlangen. Anspruchsgrundlage wäre § 365 i.V.m. §§ 437 Nr. 1,
439 BGB. Jedoch nimmt die herrschende Meinung38 seit dem Urteil des BGH vom 21.4.198239 einen
stillschweigenden Haftungsausschluss für Verschleißmängel des in Zahlung gegebenen
Altwagens an. Der Leitsatz der Entscheidung lautet:
„Nimmt der gewerbliche Verkäufer eines neuen Kraftfahrzeuges den Gebrauchtwagen des Käufers
derart “in Zahlung”, daß über den Altwagen ein besonderer Kaufvertrag abgeschlossen und der
Kaufpreis mit dem für den Neuwagen verrechnet wird, so ist die Gewährleistung des Neuwagen

29
Q

Urteil des BGH vom 21.4.198239 einen
stillschweigenden Haftungsausschluss für Verschleißmängel des in Zahlung gegebenen
Altwagens an. Der Leitsatz der Entscheidung lautet:

A

„Nimmt der gewerbliche Verkäufer eines neuen Kraftfahrzeuges den Gebrauchtwagen des Käufers
derart “in Zahlung”, daß über den Altwagen ein besonderer Kaufvertrag abgeschlossen und der
Kaufpreis mit dem für den Neuwagen verrechnet wird, so ist die Gewährleistung des Neuwagenkäufers für sog. Verschleißmängel stillschweigend ausgeschlossen, sofern nicht eine eindeutige
andere Regelung vereinbart wird oder Mängel arglistig verschwiegen worden sind.“40
Diesen stillschweigenden Gewährleistungsausschluss begründet der BGH wie folgt: „Der wesentliche
Anknüpfungspunkt für einen Haftungsausschluss liegt in der typischen Interessenlage der an
dem Vertrag Beteiligten. Zu dem Verkauf (oder der Inzahlungnahme) des Gebrauchtwagens kommt
es nur, weil gleichzeitig ein Neuwagen gekauft wird. Beide Vertragspartner wissen, daß der Altwagen
infolge seiner Abnutzung Verschleißerscheinungen aufweist, die […] in der Preisbemessung
ihre Berücksichtigung finden. […] Im übrigen hängt der Kaufpreis [für das Altfahrzeug] nicht allein
vom Verschleißgrad ab, sondern u.a. auch vom Interesse des Händlers am Zustandekommen des
Neuwagengeschäfts, so daß […] besonders bei weniger gängigen Fahrzeugmarken oder in Zeiten
schwächerer Konjunktur dem Neuwagenkunden häufig ein verhältnismäßig hoher Gebrauchtwagenpreis
zugestanden wird. Der Neuwagenkäufer, der häufig den Neuwagen nur bei gleichzeitiger
Veräußerung des Altwagens bezahlen kann oder will, will in aller Regel den Gebrauchtwagen in
dem Zustand abgeben, in dem er sich gerade befindet, ohne später zu nachträglichen Leistungen,
etwa zur Nachzahlung oder -besserung, oder gar zur Rücknahme des Wagens verpflichtet zu sein.
Dem Händler ist dieses Interesse bewußt. Wird nicht eine andere Regelung in einer für den Vertragspartner
eindeutigen Weise vereinbart, muß die Erklärung des Händlers über den Vertragsabschluß
von dem anderen Teil als Einverständnis mit einem Gewährleistungsausschluß für die – bei
Gebrauchtwagen typischen – auf der bisherigen Abnutzung und dem Gebrauch beruhenden sog.
Verschleißmängel verstanden werden.“41
Da V den K aufgrund verschleißbedingter Mängel an dem Kleinwagen in Anspruch nimmt, kann K
sich auf einen konkludenten Gewährleistungsausschluss nach den soeben ausgeführten Grundsätzen
des BGH stützen. Im Ergebnis ist die Abwandlung damit genau so zu beantworten wie der Ausgangsfall:
V kann keinerlei Nachzahlung von K für den Differenzbetrag verlangen.

30
Q

Nichtigkeit des Darlehensvertrags wegen Formmangels (§ 494 I BGB)?

A

aa) Vertragsschluss zwischen D und S (+)
bb) Nichtigkeit des Darlehensvertrags wegen Formmangels (§ 494 I BGB)?
[Hinweis: § 494 I BGB ist eine Spezialvorschrift im Verhältnis zu der – im ersten Semester besprochenen –
allgemeinen Regelung des § 125 BGB. Sie gilt nur für Verbraucherdarlehensverträge, eine Sondermaterie
im Schuldrecht BT, und ist insoweit vorrangig vor der Regelung des BGB AT heranzuziehen.]
Nach § 488 BGB kann ein Darlehen formlos vereinbart werden.
Allerdings könnte hier § 492 I 1 BGB anwendbar sein. Demnach wäre der Vertrag
schriftlich abzuschließen. Voraussetzung ist, dass zwischen D und S ein Verbraucherdarlehensvertrag9
im Sinne des § 491 I BGB geschlossen wurde.
[Hinweis: Mit dem Verbraucherkreditrecht beschäftigt sich die gesonderte Vorlesung zum AGB- und Verbraucherrecht,
ferner die Vorlesung Bankrecht im 4. Semester.]
 Verbrauchereigenschaft10 der D – § 13 BGB (+)
 Unternehmereigenschaft11 der S – § 14 BGB (+)
 Entgeltlichkeit der Darlehensvergabe (+), da Zinsen geschuldet waren
Damit ist § 492 I 1 BGB anwendbar; zu ihrer Gültigkeit bedurfte der zwischen S und D
geschlossene Vertrag der Schriftform (§§ 492 I, 126 BGB). Da der Vertrag formularmäßig
abgeschlossen wurden, kann unterstellt werden, dass sowohl D als auch ein Vertreter
der S unterschrieben haben. Zudem enthielt der Formularvertrag die gemäß § 492 II BGB
i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB erforderlichen Angaben. Damit wurde auch der sog.
qualifizierten Schriftform genügt.
 wirksamer Darlehensvertrag (+)

31
Q

die Hingabe der Kreditkarte die geschuldete Leistung noch
nicht, denn der Leistungserfolg – Erwerb freier Verfügungsgewalt über das Bar- oder Buchgeld
– ist noch nicht eingetreten.

A

Der Karteninhaber weist vielmehr durch seine Unterschrift auf dem Kreditkartenbelastungsbeleg
den Kartenherausgeber (z.B. Eurocard, VISA, American Express) – ähnlich wie bei einem
Überweisungsauftrag an die Hausbank – an, für Rechnung des Karteninhabers an das
die Karte akzeptierende Vertragsunternehmen zu zahlen. Zusätzlich erwirbt der Vertragshändler
(Gläubiger) einen direkten Zahlungsanspruch gegen den Kartenherausgeber, der
für den Vertragshändler wirtschaftlich relevant wird, wenn der angewiesene Betrag vom Karteninhaber
nicht zu erlangen ist, dessen Konto also keine Deckung aufweist. Die Anspruchsgrundlage
für diesen eigenständigen Zahlungsanspruch gegen den Kartenherausgeber sieht
die h.M.42 in einem abstrakten Schuldversprechen (§ 780 BGB), das der Kartenherausgeber
durch seine Zahlungszusage im sog. Akquisitionsvertrag43 mit dem Vertragshändler abgebe.
Richtigerweise handelt es sich hingegen um eine Garantie: Der Kartenherausgeber garantiert
die Ausführung der in dem Belastungsbeleg liegenden Weisung des Karteninhabers.44
[Hinweis: Der Kreditkartenvertrag wird – zusammen mit den anderen Formen des Zahlungsverkehrs (Überweisung,
Lastschrift, Zahlung mit ec-Karte etc.) – ausführlich in der Vorlesung „Bankrecht“ im 4. Semester behandelt.
Detailkenntnisse dazu werden von Studierenden, die nicht den Schwerpunkt Bank- und Kapitalmarktrecht
wählen, nicht erwartet.]
Unabhängig von der Frage, woraus sich der Zahlungsanspruch des Vertragshändlers (Gläubigers)
gegen den Kartenherausgeber ergibt, stellt jedenfalls die „Bezahlung“ mit einer Kre

32
Q

h.M.42 in einem abstrakten Schuldversprechen (§ 780 BGB), das der Kartenherausgeber
durch seine Zahlungszusage im sog. Akquisitionsvertrag43 mit dem Vertragshändler abgebe

Annahme an Erfüllungs statt (§ 364 I BGB)
Durch das Verwenden der Kreditkarte

A

Zahlung des Kartenherausgebers an das Vertragsunternehmen keine Erfüllung
im Sinne des § 362 I BGB dar, sodass die Schuld des U gegenüber E mit Hingabe der
Kreditkarte nicht erloschen ist.

33
Q

Durch das Verwenden der Kreditkarte

Annahme an Erfüllungs statt (§ 364 I BGB)

A

Annahme an Erfüllungs statt (§ 364 I BGB)
Wie bereits in Fall 6 erläutert, kann ausnahmsweise auch das Bewirken einer anderen als der
geschuldeten Leistung zur Erfüllung führen. Durch das Verwenden der Kreditkarte verpflichtete
U das kartenausstellende Unternehmen L, für die Erfüllung seiner gegenüber E bestehenden
Schuld aus dem Mietvertrag zu sorgen. Der Karteninhaber bringt – wie soeben dargelegt
– einen Anspruch seines Vertragspartners gegenüber einem Dritten, dem Kartenherausgeber,
zum Entstehen anstatt mit Bargeld zu leisten. Diesen Anspruch muss der Gläubiger als
Ersatz für die ursprünglich geschuldete Leistung angenommen haben, um die Rechtsfolge
des § 364 I BGB – Erlöschen des Anspruchs aus dem Mietvertrag – auszulösen. Erforderlich
ist eine hierauf gerichtete Einigung der Parteien, die im Verhältnis zwischen E und U nicht
ausdrücklich erfolgt ist. Daher ist zu fragen, ob sich aus den Umständen eine Vereinbarung
dahingehend ergibt, dass der Anspruch gegen L an die Stelle der Mietzinsforderung treten
solle.
In diesem Zusammenhang ist § 364 II BGB zu berücksichtigen, der eine gesetzliche Auslegungsregel
enthält. Demnach ist die Begründung einer neuen Verbindlichkeit zwischen
Schuldner und Gläubiger im Zweifel nicht als Annahme des Gläubigers an Erfüllungs statt
anzusehen. Dies folgt daraus, dass die eingegangene Neuverbindlichkeit unter Umständen
unsicherer ist als die ursprüngliche. Der Gläubiger hat also ein Interesse daran, die ursprüngliche
Verbindlichkeit nicht zu verlieren, sondern auf diese zurückgreifen zu können, wenn es
zu Schwierigkeiten kommt. Das Eingehen einer neuen Verbindlichkeit begründet für den
Gläubiger also nur die Pflicht, diese vorrangig zur Befriedigung zu verwerten. Das Verwertungs-/
Ausfallrisiko übernimmt er dagegen – anders als im Falle von § 364 I BGB – nicht.45
Eine solche Vereinbarung wird als Leistung erfüllungshalber bezeichnet und soll die geschuldete
– im Gegensatz zur Leistung an Erfüllungs statt – nicht ersetzen, sondern dem
Gläubiger lediglich eine zusätzliche Befriedigungsmöglichkeit verschaffen.
§ 364 II BGB sieht allerdings vor, dass der Schuldner eine eigene neue Verbindlichkeit übernimmt.
Bei einer Zahlung mit Kreditkarte ist dies aber nicht der Fall, denn der Schuldner
zahlt nur auf einem anderen, bargeldlosen Weg – nämlich mittels seiner Weisung an einen
Dritten, den Kreditkartenherausgeber –, und bringt zusätzlich eine eigene Verbindlichkeit
dieses Dritten gegenüber dem Vertragspartner zum Entstehen (abstraktes Schuldversprechen
bzw. Garantie). Aufgrund der vergleichbaren Interessenlage des Gläubigers ist der Rechtsgedanke
des § 364 II BGB aber entsprechend anzuwenden, wenn der Gläubiger sich bereit erklärt,
vorrangig Befriedigung aus einem Anspruch gegen einen Dritten zu suchen.46
Aufgrund des Rechtsgedankens des § 364 II BGB ist folglich davon auszugehen, dass E die
Kreditkartenzahlung – genauer: den mit der Weisung verbundenen Zahlungsanspruch gegen
das Kreditkartenunternehmen L – nicht an Erfüllungs statt angenommen hat. Entgegenstehende
Anhaltspunkte sind dem Sachverhalt nicht zu entnehmen. Durch Annahme der Kreditkarte
des U ist die Forderung der E-Autovermietung also nicht aufgrund von § 364 II BGB
erloschen.

34
Q

Verschlechterung infolge vertragsgemäßem

Gebrauch i.S.v. § 538 BGB

A

Das Gesetz unterscheidet in § 538 BGB zwischen Veränderungen und Verschlechterungen der Mietsache. Maßstab dafür, ob im Einzelfall eine Veränderung oder eine bloße Verschlechterung der Mietsache anzunehmen ist, ist der Zustand der Sache bei Übergabe der Mietsache an den Mieter (Roquette § 548 Rn 2). Während mit Verschlechterungen jede negative Abweichung des Zustandes der Sache von dem bei Übergabe infolge des vertragsgemäßen Gebrauchs gemeint ist, ist der Begriff der Veränderungen wertneutral und umfasst auch Verbesserungen der Mietsache, da diese, vor allem also bauliche Veränderungen, dem Mieter gleichfalls nur in den Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs gestattet sind (s § 535 Rn 40 ff). Weitergehende Bedeutung hat die Unterscheidung zwischen Verschlechterungen und Veränderungen der Mietsache in § 538 BGB nicht, weil das Gesetz hier beide grundsätzlich gleichbehandelt: Veränderungen wie Verschlechterungen der Mietsache sind dem Mieter gleichermaßen allein in den Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs erlaubt; eine Überschreitung dieser Grenze führt gegebenenfalls zur Haftung des Mieters nach den §§ 276 und 280 Abs 1 BGB.

35
Q

Durchsetzbarkeit der Aktivforderung

A

Allerdings findet der Aufrechnungsausschluss nach § 390 BGB nicht statt, wenn das Zurückbehaltungsrecht
gerade diejenige Gegenforderung sichert, gegen die sich die Aufrechnung
richtet. Denn durch die Aufrechnung als Erfüllungssurrogat wird die zu sichernde
Forderung befriedigt; damit wird die Einrede des Zurückbehaltungsrechtes gegenstandslos.
54

36
Q

Durchsetzbarkeit der Aktivforderung

A

Erfüllbarkeit der Passivforderung
Nach § 387 BGB muss der Aufrechnende die ihm obliegende Leistung bewirken dürfen.
A muss also dazu berechtigt sein, die von ihm geschuldete Schadensersatzforderung an B
zu bewirken. Dies ist hier ohne Weiteres der Fall, da B die Zahlung selbst begehrt hat.

37
Q

Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung

A

Aufrechnungsverbot gemäß § 393 BGB
Jedoch kann die Aufrechnung des A am Aufrechnungsverbot des § 393 BGB scheitern. Danach
ist es unzulässig, gegen eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten
Handlung aufzurechnen.
aa) Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung
Wie oben festgestellt, hat B gegen A einen Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen
unerlaubten Handlung gemäß § 823 I BGB.
bb) Einschränkung bei einheitlichem Lebensverhältnis
Fraglich ist jedoch, ob § 393 BGB teleologisch zu reduzieren ist, wenn sich – wie hier –
zwei Forderungen aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung gegenüber stehen, die aus einem
einheitlichen Lebensverhältnis resultieren.

Dafür könnte sprechen, dass die Vorschrift einem kalkulierten Missbrauch des Aufrechnungsrechts
zum Zwecke der Privatrache gegenüber einem zahlungsunfähigen Erstschädiger
vorbeugen wolle und diese Gefahr nicht bestehe, wenn das Zweitdelikt innerhalb
desselben Raufhandels begangen wird.
Der BGH lehnt mit der h.M. eine Einschränkung ab.

Er begründet dies damit, dass es
sonst zu einer nicht hinnehmbaren Rechtsunsicherheit führen würde, weil dann in jedem
Einzelfall geprüft werden müsste, ob die Voraussetzung eines einheitlichen Lebensvorganges
gegeben ist. Zudem gebietet der Sinn der Vorschrift, der erreichen will, dass der
aus einer unerlaubten Handlung Geschädigte auch tatsächlich entschädigt wird, keine andere
Beurteilung. Vielmehr erfüllt das Aufrechnungsverbot des § 393 BGB auch dann
seinen Sinn, wenn sich Ansprüche aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen
gegenüberstehen. Sonst könnte jemand, der durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte
Handlung eines anderen geschädigt worden ist, leicht in Versuchung kommen, sich zu rächen,
wenn er die Verwirklichung seines Anspruchs aus dem Delikt des anderen gefährdet
oder schwinden sieht. Er braucht dann nur dem anderen vorsätzlich einen gleich hohen
Schaden zuzufügen und die Aufrechnung zu erklären, ohne finanzielle Nachteile bekommen.

38
Q

§§ 823 II 1, 253 II BGB i.V.m. § 223 I StGB
Ein Anspruch des B auf Schmerzensgeld kann auch aus § 823 II 1 BGB i.V.m. einem Schutzgesetz
folgen. Als Schutzgesetz kommt § 223 I StGB (vorsätzliche Körperverletzung) in Frage.

A
  1. Schutzgesetzeigenschaft des § 223 I StGB
    Unter einem Schutzgesetz i.S.v. § 823 II 1 BGB ist eine Norm zu verstehen, die zumindest auch
    dazu dient, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten
    Rechtsguts zu schützen. Dabei kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck
    des Gesetzes an sowie darauf, ob der Gesetzgeber bei seinem Erlass gerade einen individuellen
    Rechtsschutz intendiert hat.59 Die Vorschriften des StGB zählen zu den Schutzgesetzen, da sie
    den Einzelnen vor Rechtsgutsverletzungen schützen wollen, folglich auch § 223 I StGB.
  2. Körperverletzung nach § 223 I StGB
    Eine Strafbarkeit nach § 223 I StGB setzt voraus, dass jemand vorsätzlich (§ 15 StGB), rechtswidrig
    und schuldhaft eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt.
    Diese Voraussetzungen liegen hier bei A – wie schon zu § 823 I BGB ausgeführt – vor.
  3. Ergebnis
    B kann deshalb auch aus §§ 823 II 1, 253 II BGB i.V.m. § 223 I StGB Schmerzensgeld i.H.v.
    3.000 Euro von A verlangen. Hinsichtlich der (fehlenden) Möglichkeit der Aufrechnung gilt das
    oben zu § 823 I BGB Gesagte.
    fürchten zu müssen.58 Es ist daher überzeugender, eine teleologische Reduktion des § 393
    BGB zu verneinen.
    d) Zwischenergebnis
    Der Aufrechnung durch A steht somit das Aufrechnungsverbot aus § 393 BGB entgegen.
  4. Ergebnis
    B hat folglich Anspruch gegen A auf Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. 3.000 Euro aufgrund
    der §§ 823 I, 253 II BGB.
39
Q

Ein Arztvertrag

A

Zwischen Z und P ist ein wirksamer Vertrag zustande gekommen. Fraglich ist die Rechtsnatur des
Vertrages. Ein Arztvertrag könnte als Dienstvertrag in der Sonderform des Behandlungsvertrags
(§§ 611 ff., 630a ff. BGB) oder als Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB) qualifiziert werden. Üblicherweise
erfolgt die Abgrenzung mit der Formel, dass beim Dienstvertrag die ordnungsgemäße Erbringung
der Dienstleistung, beim Werkvertrag aber auch ein bestimmter Erfolg geschuldet ist.60
Nach überwiegender, inzwischen vom Gesetzgeber durch §§ 630a ff. BGB bestätigter Ansicht ist
der Arztvertrag in der Regel als Dienstvertrag, und zwar über höhere Dienste, die der Patient dem
Arzt aufgrund besonderen Vertrauens übertragen hat, zu qualifizieren. Entscheidend für diese Einordnung
ist, dass der Arzt den Behandlungserfolg nicht garantieren kann und will, weil die Heilung
des Patienten nicht nur von seiner Tätigkeit abhängt, sondern von vielen Faktoren, die selbst bei
optimalen Bedingungen nur zum Teil durch die Medizin beherrschbar sind. Eine „Gesundheitsgarantie“
würde den Arzt mit einem unüberschaubaren Haftungsrisiko belasten. Wegen dieser Unberechenbarkeit
des lebenden Organismusses schuldet der Arzt nicht Heilung, sondern das fachgerechte
Bemühen um Gesundung.61 Folglich ist der zwischen Z und P geschlossene Vertrag als in
der Sonderform des Behandlungsvertrags (§§ 611 ff., 630a ff. BGB) zu qualifizieren. P schuldet
somit Z gemäß §§ 630b, 611 I die Zahlung der vereinbarten Vergütung in Höhe von 5.000 Euro.
[Hinweis: Jedenfalls in Klausuren für Fortgeschrittene wäre es auch erlaubt, die Festlegung des Vertragstyps offen zu
lassen, weil sie allein der konkreten Benennung der Anspruchsgrundlage dient. Für die Existenz der abgetretenen Forderung
und die daraus sich ergebende Leistungspflicht des Schuldners ist es letztlich unerheblich, welcher Vertragstyp
vorliegt, weil die Zahlungspflicht in jedem Fall aus dem – wie auch immer zu charakterisierenden – Vertrag folgt.]

40
Q

Für einen Gesetzesverstoß im Sinne des § 134 BGB

A

Für einen Gesetzesverstoß im Sinne des § 134 BGB
genügt, wenn der Tatbestand des Verbotsgesetzes objektiv erfüllt ist.62 P kann durch die Weitergabe
der Behandlungsunterlagen den objektiven Tatbestand des § 203 I Nr. 1 StGB verwirklicht haben.
Nach dieser Vorschrift ist strafbar, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen
Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart,
das ihm in besonderer Position, insbesondere als Arzt, Rechtsanwalt, Notar etc., anvertraut
oder sonst bekannt geworden ist.
a) Verstoß gegen § 203 I Nr. 1 StGB
Die zahnprothetische Behandlung des P stellt ein zum persönlichen Lebensbereich des P gehörendes
Geheimnis dar. Dieses ist dem Z auch in seiner Eigenschaft als Arzt bekannt geworden, da er
die Behandlung vorgenommen hatte.
Zur Erfüllung des Tatbestandes muss Z dieses Geheimnis auch offenbart haben im Sinne des
§ 203 I Nr. 1 StGB. Offenbaren im Sinne des § 203 I Nr. 1 StGB ist jede Mitteilung über die geheimzuhaltende
Tatsache an einen Dritten.63 Z hat V zur Rechnungserstellung sämtliche Behandlungsunterlagen
herausgegeben. Die Mitarbeiter der V erlangten dadurch Kenntnis von behandlungsbezogenen
Informationen und damit von geheimzuhaltenden Tatsachen des P.
Weiterhin muss die Weitergabe der Behandlungsunterlagen nach § 203 I StGB unbefugt erfolgt
sein. Liegt eine wirksame Einwilligung des Geheimnisgeschützten in die Offenbarung seines Geheimnisses
vor, so ist die Offenbarung nicht unbefugt.64 Eine ausdrückliche Einwilligung des P in
die Weitergabe der Behandlungsunterlagen lag nicht vor. Fraglich ist, ob der Abschluss eines Behandlungsvertrages
mit einem Arzt eine konkludente Einwilligung des Patienten in die Weitergabe
von Patientendaten und Befunden an eine externe Verrechnungsstelle enthält. Der BGH verneint
dies.65 Die widerspruchslose Entgegennahme privatärztlicher Leistungen enthalte nach verständiger
Würdigung gemäß §§ 133, 157 BGB keine konkludente Einwilligung in die Weitergabe von Behandlungsunterlagen.
Der Patient müsse nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass der Arzt, den er
zur Behandlung aufsucht, sein Honorar durch eine Verrechnungsstelle abrechnen und einziehen
lässt. Die häufig über intimste Dinge des Patienten genaue Auskunft gebenden Behandlungsunterlagen
verdienten einen besonders wirksamen Schutz. Dieser sei grundsätzlich nur gewährleistet,

41
Q

b) Nichtigkeit des Abtretungsvertrages (§ 134 BGB)

A

Fraglich ist, ob der Verstoß gegen § 203 I Nr. 1 StGB die Nichtigkeit des Abtretungsvertrages zwischen
V und Z zur Folge hat.
In den Fällen, in denen sich das Verbot nur gegen das Verhalten einer Partei richtet bzw. nur eine
Partei gegen das Verbotsgesetz verstößt, ist das unter Verstoß gegen das Verbotsgeschäft abgeschlossene
Rechtsgeschäft grundsätzlich wirksam.67 Das gesetzliche Verbot des § 203 I Nr. 1 StGB
richtet sich allein an den schweigeverpflichteten Arzt. Der einseitige Gesetzesverstoß nur einer
Partei genügt aber ausnahmsweise dann, wenn der Zweck des Verbotsgesetzes anders nicht erreicht
und die rechtsgeschäftliche Regelung nicht hingenommen werden kann.68 Letzteres ist bei einem
einseitigen Verstoß gegen die Schweigepflicht eines Arztes anzunehmen, da der Zweck der Strafvorschrift,
dem Patienten einen effektiven Geheimnisschutz zu gewähren – als Ausdruck des von
Verfassungs wegen anerkannten Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 I i.V.m.
Art. 1 I GG) – nur durch die Nichtigkeitsfolge gesichert wird.69
Die Nichtigkeit bezieht sich jedoch zunächst nur auf das schuldrechtliche Kausalgeschäft, hier den
der Abtretung zugrunde liegenden Forderungskauf. Die Abtretung ist als Verfügungsvertrag abstrakt
gegenüber dem Kausalgeschäft. Die Wirksamkeit der Abtretung ist deshalb rechtlich unabhängig
von der Wirksamkeit des zugrundeliegenden Verpflichtungsgeschäfts zu beurteilen.70
Es ist deshalb in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob auch der Abtretungsvertrag nichtig ist. Dabei
kann die Auslegung des Verbotsgesetzes ergeben, dass neben dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft
auch das dingliche Erfüllungsgeschäft nichtig sein soll. Das ist insbesondere der Fall,
wenn die Umstände, die den Gesetzesverstoß begründen, zugleich und unmittelbar auch das Erfüllungsgeschäft
betreffen.71 Der Verstoß gegen § 203 I Nr. 1 StGB betrifft nicht nur den Forderungskauf,
sondern auch die Abtretung als solche. Gerade die Abtretung führt zu einem Verstoß gegen § 203 I Nr. 1 StGB, sodass die Nichtigkeit des Forderungskaufs in diesem Fall auch auf den Abtretungsvertrag
„durchschlägt“ (sog. Fehleridentität).72
Zu berücksichtigen ist dabei, dass der Zedent nach § 402 BGB verpflichtet ist, dem Zessionar die
zur Geltendmachung der Forderung nötige Auskunft zu erteilen und ihm die zum Beweis der Forderung
dienenden Urkunden, soweit sie sich im Besitz des Zedenten befinden, auszuliefern. Aufgrund
dieser aus § 402 BGB folgenden umfassenden Informationspflicht des Zedenten gegenüber dem
Zessionar hat die Abtretung von Honorarforderungen von Ärzten die Preisgabe von anvertrauten
Geheimnissen zur Folge und ist deshalb bei fehlender Einwilligung des Patienten wegen eines Verstoßes
gegen § 203 I Nr. 1 StGB nach § 134 BGB nichtig.73 Der Sache nach handelt es sich hierbei
zwar um eine Nebenpflicht, wobei ihre Rechtsgrundlage richtigerweise das zwischen Zedent und
Zessionar bestehenden Kausalgeschäft ist und nicht, wie es die Stellung der § 402 BGB nahe legt,
die Verfügung als solche.74 Die aus § 402 BGB resultierenden Informationspflichten begründen
jedoch einen Verstoß gegen § 203 I Nr. 1 StGB, der ebenfalls die Abtretung als Erfüllungsgeschäft
erfasst. Somit ist der zwischen Z und V geschlossene Abtretungsvertrag nach § 134 BGB i.V.m.
§ 203 I Nr. 1 StGB nichtig. Damit ist V nicht Forderungsinhaber geworden.
Ergebnis: V kann von P nicht die Zahlung von 5.000 Euro verlangen

42
Q

eine gescheiterte Forderungsabtretung in eine wirksame Einziehungsermächtigung
umdeuten kann

A

Fraglich ist, ob man eine gescheiterte Forderungsabtretung in eine wirksame Einziehungsermächtigung
umdeuten kann. Eine nichtige Forderungsabtretung kann zwar gemäß § 140 BGB grundsätzlich
in eine Einziehungsermächtigung umgedeutet werden.75 Für die Zulässigkeit einer Einziehungsermächtigung
ist jedoch Voraussetzung, dass der geltend gemachte Anspruch abgetreten werden
kann. Für Abtretungsverbote i.S.d. §§ 399, 400 BGB ist dies anerkannt; einem Dritten kann
nicht durch eine Einziehungsbefugnis eine Rechtsstellung verschafft werden, die er durch eine Abtretung
nicht hätte erlangen können.76 Gleiches muss gelten, wenn ein Dritter die Inhaberschaft an
der Forderung wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot grundsätzlich nicht erlangen
kann. Die Umdeutung einer nach § 134 BGB i.V.m. § 203 I Nr. 1 StGB nichtigen Abtretung in eine
zulässige Einziehungsermächtigung würde den Schutzzweck des § 203 I Nr. 1 StGB, nämlich den
umfassenden Schutz des Geheimnisgeschützten, beeinträchtigen. In diesem Fall müsste der Ermächtigende
dem Ermächtigten ebenfalls die zur Einziehung erforderlichen Informationen zur Verfügung
stellen. Dadurch käme es wiederum zu einem Verstoß gegen § 203 I Nr. 1 StGB und die
Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB würde relativiert. Deshalb kann die gescheiterte Forderungsabtretung
zwischen Z und V nicht in eine wirksame Einziehungsermächtigung umgedeutet werden.

43
Q

Nach § 409 BGB muss der Zedent die dem Schuldner anzeigte Abtretung gegen
sich gelten lassen, auch wenn die Abtretung nicht erfolgt oder unwirksam ist. Nach h.M.
kommt es nicht auf die Gutgläubigkeit des Schuldners an.

A

Erfüllung nach § 409 I 1 BGB i.V.m. § 362 I BGB
Durch die Zahlung des P an V kann die Forderung des Z jedoch gemäß § 409 I 1 i.V.m. § 362 I
BGB erloschen sein. Nach § 409 BGB muss der Zedent die dem Schuldner anzeigte Abtretung gegen
sich gelten lassen, auch wenn die Abtretung nicht erfolgt oder unwirksam ist. Nach h.M.
kommt es nicht auf die Gutgläubigkeit des Schuldners an. Wird ihm eine Abtretung angezeigt, genießt
er den Schutz des § 409 BGB auch dann, wenn er tatsächlich positive Kenntnis von der Unwirksamkeit
der Abtretung hat.77 Dadurch soll vermieden werden, dass der Schuldner in einem
möglichen Rechtsstreit mit dem vermeintlichen Neugläubiger die Unwirksamkeit der Abtretung
beweisen muss.
Allerdings soll § 409 BGB den Schuldner nach h.M. dann nicht schützen, wenn der angezeigten
Abtretung ein gesetzliches Abtretungsverbot entgegensteht.78 Dem dürfte der Gedanke zugrunde liegen, dass in einem solchen Fall beim Schuldner von vorneherein kein berechtigtes Vertrauen in
die Wirksamkeit der Abtretung entstehen kann.
Allerdings hat die Rechtsprechung in den bislang entschiedenen Fällen jeweils solche Vorschriften
als Abtretungsverbote diskutiert, die entweder dem Schutz des Gläubigers dienen, diesem also die
Forderung erhalten wollen79, oder dem Schutz Dritter.80 In solchen Fällen soll sich der Schuldner
nicht zu Lasten des schutzwürdigen Gläubigers bzw. Dritten auf die Anzeige der gesetzwidrigen
Abtretung berufen dürfen. Ob Gleiches in dem hier vorliegenden Fall gilt, in dem das Abtretungsverbot
allein dem Schutz des Schuldners dient, ist deshalb nicht gesagt. Zwar ließe sich argumentieren,
der Schuldner habe auch in diesem Fall nicht auf eine wirksame Abtretung vertrauen können.
Doch erscheinen der Zedent und der Zessionar noch weniger schutzwürdig als der Schuldner, weil
sie den gesetzwidrigen Abtretungsvertrag miteinander geschlossen haben. Bei vorheriger Einwilligung
des Schuldners hätte zudem gar kein Verstoß gegen § 203 StGB vorgelegen, weshalb es dem
Schuldner gestattet werden sollte, auf den allein ihm dienenden Schutz des § 134 BGB zu verzichten
und sich nach Zahlung an den Scheinzessionar auf § 409 BGB zu berufen (a.A. vertretbar).
Die Rechtsfolge des § 409 BGB ist dem Wortlaut nicht ohne Weiteres zu entnehmen. Es ist jedoch
anerkannt, dass § 409 eine Schuldnerschutzvorschrift ist.81 Die Wirkung des § 409 BGB besteht
darin, dass der Schuldner zu seinen Gunsten die mitgeteilte Abtretung als wirksam behandeln kann,
auch wenn sie das nicht ist. Er kann also mit befreiender Wirkung an den angezeigten Scheinzessionar
leisten. P verweigert eine nochmalige Zahlung und beruft sich somit konkludent auf den
Schutz des § 409 I 1 BGB. P hat somit durch die Zahlung an V nach § 409 I 1 i.V.m. § 362 I BGB
mit befreiender Wirkung gegenüber Z geleistet. Mithin ist die Forderung des Z gegen P erloschen.
[Hinweis: Wer entgegen der hier vertretenen Ansicht dem Schuldner wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot
keinen Schutz über § 409 BGB gewährt, muss darüber nachdenken, ob die Inanspruchnahme des P durch Z möglicherweise
treuwidrig i.S.v. § 242 BGB ist. Immerhin hat Z mit der Abtretung seine strafrechtlichen Pflichten aus
§ 203 StGB verletzt, dem P aber gleichwohl die – gesetzwidrige – Abtretung angezeigt und ihn damit veranlasst, an V
zu zahlen. Wenn er sich später auf die Nichtigkeit der von ihm selbst in seinem Interesse vorgenommene Abtretung
beruft, um dadurch P erneut in Anspruch nehmen zu können, mag man darin ein widersprüchliches Verhalten sehen.]
Ergebnis: Z kann von P nicht die Zahlung von 5.000 Euro verlangen. P hat zu Recht die Zahlung
verweigert.
79

44
Q

der Schuldner die Anfechtung des Rechtsgeschäfts, aus dem die abgetretene
Forderung resultiert, gegenüber dem Zessionar oder dem Zedenten erklären muss

A

Nach h.M. ist die Anfechtung gegenüber dem Zedenten zu erklären.93 Für die h.M. spricht, dass
nach allgemeiner Auffassung der Zedent – trotz Abtretung der aus dem Rechtsgeschäft resultierenden
Forderung – Vertragspartner des Schuldners bleibt. Der Zedent tritt nur den aus dem Rechtsverhältnis
entstehenden Anspruch – das Schuldverhältnis i.e.S. – ab; das Vertragsverhältnis mit
sämtlichen Rechten und Pflichten – das Schuldverhältnis i.w.S. – bleibt jedoch weiterhin zwischen
den Vertragsparteien bestehen, hier zwischen V und K. Die Abtretung bewirkt gerade keine Vertragsübernahme durch den Zessionar.94 Es scheidet also nur die Forderung aus dem Rechtsverhältnis
zwischen Schuldner und Zedent aus und wird verselbstständigt.95
Gegenstand der Anfechtung ist jedoch nicht die abgetretene Forderung, sondern gerade das zugrunde
liegende Rechtsgeschäft, im Verhältnis zwischen V und K also der Kaufvertrag. Weiterhin
spricht für die h.M., dass sich in der Regel nur der Zedent sachgerecht auf das Anfechtungsbegehren
des Schuldners einlassen kann.96 Somit ist der Zedent richtiger Anfechtungsgegner im Sinne des
§ 143 II BGB. Demnach hat K die Anfechtung gegenüber dem richtigen Anfechtungsgegner erklärt.
Im Hinblick auf die wirksame Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ist der Kaufvertrag (genauer:
die Willenserklärung von K) gemäß § 142 I BGB ex-tunc nichtig. Infolgedessen erlischt auch
die aus dem Kaufvertrag resultierende, ursprüngliche Kaufpreisforderung des V ex-tunc.

45
Q

Kaufpreisforderung des V ex-tunc.

2. Begründetheit der Einwendung im Zeitpunkt der Abtretung

A

In einem zweiten Schritt ist nun zu prüfen, ob K der B diese Einwendung nach § 404 BGB entgegenhalten
kann. Dazu müsste diese Einwendung schon im Zeitpunkt der Abtretung begründet gewesen
sein. Begründet im Sinne des § 404 BGB ist eine Einwendung bereits dann, wenn sie im
Zeitpunkt der Abtretung ihren Rechtsgrund in dem Schuldverhältnis gehabt hat, aus dem die abgetretene
Forderung stammt.97 Nicht erforderlich ist hingegen, dass die den Einwand auslösende Tatsache
bereits vor der Abtretung eingetreten ist.98 Bei der Anfechtung kann der Schuldner also dem
Zessionar das Nichtbestehen der Forderung infolge der Anfechtung auch dann entgegenhalten,
wenn der Schuldner die Anfechtung zur Zeit der Abtretung noch nicht erklärt hatte, aber die Tatsachen,
die einen Anfechtungsgrund begründeten, schon vorlagen. V hat K über die Unfallfreiheit des
PKW arglistig getäuscht. Diese Tatsachen, die zugunsten der K einen Anfechtungsgrund nach § 123
I Alt. 1 BGB begründen, lagen schon vor der Abtretung vor. Folglich war diese Einwendung auch
schon im Zeitpunkt der Abtretung begründet.
Mithin kann K der B das Erlöschen der Forderung nach § 404 BGB entgegenhalten.
Ergebnis: B kann von K nicht die Zahlung von 25.000 Euro verlangen.

46
Q

Die Aufrechnung gegenüber dem Zedenten nach Abtretung der Hauptforderung
stellt ein Rechtsgeschäft über die Forderung im Sinne des § 407 I BGB dar.

A

Weitere Voraussetzung
für die Anwendung des § 407 I BGB ist, dass der Schuldner die Aufrechnung gegenüber dem
Zedenten in Unkenntnis der Abtretung erklärt. Die Kenntnis von der Abtretung grenzt den Anwendungsbereich
des § 406 BGB von dem des § 407 BGB ab.102 S hat am 10.2.2014 die Aufrechnung
gegenüber G erklärt, jedoch erst am 16.2.2014 – zeitgleich mit der Inanspruchnahme durch B
– Kenntnis von der Abtretung der Kaufpreisforderung an B erhalten. Somit hat S die Aufrechnung
gegenüber G in Unkenntnis der Abtretung erklärt. Folglich sind die Voraussetzungen des § 407 I
BGB erfüllt. Die Kaufpreisforderung ist somit auch in dieser Konstellation erloschen, jedoch nach
§ 407 I BGB i.V.m. § 389 BGB.
Ergebnis: B kann von S nicht die Zahlung der restlichen 10.000 Euro verlangen.

47
Q

ein Angebot auf Abschluss eines Abtretungsvertrages oder lediglich die Erteilung
einer Einziehungsermächtigung darstellt

A

Zu klären ist, ob die Bitte des G an W, sich bezüglich der restlichen Forderung in Höhe von 50 Euro
an S zu wenden, ein Angebot auf Abschluss eines Abtretungsvertrages oder lediglich die Erteilung
einer Einziehungsermächtigung darstellt. Bei der sog. Einziehungsermächtigung handelt
es sich gerade nicht um eine Abtretung im Sinne des § 398 BGB. Ein Dritter wird in diesem Fall
vom Gläubiger lediglich ermächtigt, die Forderung im eigenen Namen, aber für die Rechnung des
Gläubigers einzuziehen, ohne Inhaber der Forderung zu werden. Die Zulässigkeit der Einziehungsermächtigung
wird weitgehend aus §§ 362 II, 185 BGB abgeleitet.108 Bestehen Zweifel, ob die Parteien
eine bloße Einziehungsermächtigung oder eine Abtretung der Forderung vereinbart haben, ist
dies durch Auslegung zu ermitteln.109 G wollte gegenüber W die restliche Forderung aus dem Bewirtungsvertrag in Höhe von 50 Euro erfüllen. Unabhängig von der Frage, ob die Hingabe seiner
Darlehensforderung gegenüber S als Leistung an Erfüllungs statt (§ 364 I BGB) oder erfüllungshalber
zu werten ist, sollte W jedenfalls eine möglichst weitreichende Rechtsstellung erhalten, da er
auf die Durchsetzung seiner fälligen Forderung gegen G verzichtete. Anders als in den typischen
Fällen der Einzugsermächtigung, in denen die Befugnis zur Einziehung im Interesse des (bisherigen
und verbleibenden) Forderungsinhabers erteilt wird, sollte der zwischen G und W vereinbarte rechtliche
Vorgang dem Interesse des W dienen. Damit hat G bei verständiger Würdigung gemäß
§§ 133, 157 BGB konkludent zum Ausdruck gebracht, dass W nun berechtigt sein soll, die Forderung
gegen G im eigenen Namen und für seine Rechnung einzuziehen. Mithin stellt die Bitte des G
an W, sich an S zu wenden, ein Angebot auf Abschluss eines Abtretungsvertrages dar.

48
Q

Schuldnerschutz gemäß § 407 I BGB i.V.m. § 362 I BGB
In Betracht kommt jedoch eine Erfüllung in Anwendung der Schuldnerschutzvorschrift des § 407 I
BGB

A

Nach dieser Norm muss der Zessionar eine Leistung, die der Schuldner nach der Abtretung
an den Zedenten bewirkt sowie jedes Rechtsgeschäft über die Forderung zwischen dem Schuldner
und dem Zedenten gegen sich gelten lassen, solange der Schuldner keine Kenntnis von der Abtretung
hat. Der Schuldner kann also in diesem Fall seine Leistung weiterhin mit Erfüllungswirkung
an den alten Gläubiger erbringen.
S hat durch Zahlung in Höhe von 50 Euro eine Leistung an seinen bisherigen Gläubiger G erbracht.
Dies muss in Unkenntnis der Abtretung geschehen sein.
Entscheidend für die Kenntnis ist der Zeitpunkt der Leistungshandlung, nicht der des Leistungserfolges.
111 Es schadet allein die positive Kenntnis des Schuldners, wie sich aus dem Wortlaut des
§ 407 I BGB ergibt. Fahrlässige Unkenntnis (Kennenmüssen) genügt nicht.112
S hatte im Zeitpunkt der Zahlung an G keine Kenntnis von der Abtretung der Darlehensforderung
an W. Somit liegen die Voraussetzungen des § 407 I BGB vor. Der Schuldner S kann also seine
Leistung weiterhin mit Erfüllungswirkung an den alten Gläubiger G erbringen, ohne dass der Zessionar
W als Forderungsinhaber die Leistung erhalten hat. Allerdings will die Vorschrift dem
Schuldner nur die rechtliche Möglichkeit, also ein Wahlrecht geben, sich auf ihren Schutz zu berufen.
Der Schuldner kann auch auf den Schutz des § 407 I BGB gegenüber dem Zessionar verzichten
und die wahre Rechtslage gegen sich gelten lassen.
S hat gegenüber W die Zahlung verweigert. Er hat sich damit konkludent auf den Schutz des § 407 I
BGB berufen. Mithin ist S durch die Zahlung an G von seiner Schuld gegenüber W frei geworden
mit der Folge, dass die Darlehensforderung des W gegen S in Höhe von 50 Euro erloschen ist.
Ergebnis: W kann von S nicht die Zahlung von 50 Euro verlangen.
Aufgabe

49
Q

§ 364 I BGB die Forderung.

Abzugrenzen ist die Leistung an Erfüllungs statt von der Leistung erfüllungshalber

A

Die restliche Forderung des W gegen G in Höhe von 50 Euro kann jedoch nach § 364 I BGB untergegangen
sein. Danach erlischt eine Forderung, wenn der Gläubiger eine andere als die geschuldete
Leistung an Erfüllungs statt annimmt. Bei der Leistung an Erfüllungs statt wird vereinbart, dass
eine andere als die geschuldete Leistung an die Stelle der geschuldeten treten soll.113 Wenn diese
ursprünglich nicht geschuldete Leistung erbracht wird, erlischt gemäß § 364 I BGB die Forderung.
Abzugrenzen ist die Leistung an Erfüllungs statt von der Leistung erfüllungshalber. Die Annahme
einer Leistung durch den Gläubiger erfüllungshalber führt nicht eo ipso zum Erlöschen der Forderung.
Erfüllung tritt in diesem Fall erst dann ein, wenn sich der Gläubiger aus dem alternativ Geleisteten
befriedigt hat.114 Dem Gläubiger wird allein eine zusätzliche Befriedigungsmöglichkeit
eröffnet, ohne dass das Verwertungsrisiko auf ihn übergeht.115 Ob eine Leistung an Erfüllungs statt
oder erfüllungshalber vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln.116
Bei der Abtretung einer Forderung gegen Dritte ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Leistung
erfüllungshalber angenommen wird117, da der Zessionar dann auf seine ursprüngliche Forderung
gegen den Zedenten zurückgreifen kann, wenn die abgetretene Forderung mangels Bonität nicht
realisierbar ist. Allerdings hat W gegenüber G geäußert, dass die Rechnung damit „beglichen sei“.
Auch wenn diese von einem Laien verwendete Wortwahl nicht das allein ausschlaggebende Kriterium
sein kann, sondern zugleich die Interessenlage der Parteien zu berücksichtigen ist, hat W damit
bei verständiger Würdigung nach §§ 133, 157 BGB doch zum Ausdruck gebracht, dass seine
restliche Forderung in Höhe von 50 Euro gegenüber G schon jetzt erlöschen sollte und nicht erst
nachdem er die an ihn abgetretene Forderung gegen S realisiert hatte. Die Annahme, dass W das
Verwertungsrisiko übernehmen wollte, lässt sich auf die dem W bekannten finanziellen Verhältnisse
der Familie des S stützen. W ging offenbar davon aus, dort in jedem Fall seine Forderung realisieren
zu können.
Daher lässt sich ausnahmsweise annehmen, dass W die Abtretung der Darlehensforderung nicht nur
erfüllungshalber, sondern an Erfüllungs statt i.S. des § 364 I BGB angenommen hat. Die restliche

50
Q

Schadensersatz aus § 280 I

BGB wegen des Untergangs der Forderung,

A

Damit ist W aber nicht rechtlos gestellt. G schuldet W möglicherweise Schadensersatz aus § 280 I
BGB wegen des Untergangs der Forderung, die W gegen S hatte und die nunmehr gemäß § 407
BGB wirksam von S gegenüber G erfüllt wurde.
1. Schuldverhältnis
Ein Schuldverhältnis zwischen G und W ergibt sich aus dem Bewirtungsvertrag und der zur Erfüllung
dieses Vertrags getroffenen Abrede über die Annahme der Forderung gegen S an Erfüllungs
statt. In dieser Abrede hatte sich G verpflichtet, seine Forderung gegen S an W abzutreten.
2. Pflichtverletzung
Fraglich ist, welche sich aus diesem Schuldverhältnis ergebende Pflicht des G gegenüber W von G
verletzt worden ist.
Aus dem schuldrechtlichen Geschäft, das der Forderungsabtretung zugrunde liegt, ergibt sich nach
Treu und Glauben die Pflicht des Zedenten, alles zu unterlassen, was die Rechte des Zessionars
beeinträchtigen könnte; insbesondere hat der Zedent nach der Abtretung die Einziehung der Forderung
zu unterlassen (wenn er dazu nicht ausnahmsweise ermächtigt ist).118 Zieht er die Forderung
gleichwohl mit der Wirkung des § 407 BGB ein und bringt die an den Zessionar abgetretene Forderung
zum Erlöschen, liegt darin eine Verletzung dieser sich aus dem schuldrechtlichen Grundgeschäft
ergebenden Nebenpflicht.119
G hätte also den S, als dieser bei ihm die 50 Euro ablieferte, darauf hinweisen müssen, dass er gar
nicht mehr Inhaber der Forderung ist, sondern S nunmehr an W zahlen müsse. Da er dies unterließ
und das Geld trotz der Abtretung pflichtwidrig entgegen nahm, hat er seine Nebenpflichten aus dem
vertraglichen Grundverhältnis mit W verletzt.
3. Vertretenmüssen
Diese Pflichtverletzung hat G auch i.S.v. § 276 BGB zu vertreten, weil er vorsätzlich gehandelt,
nämlich das Geld trotz der Abtretung entgegen genommen hat, weil es um seine Finanzen immer
noch schlecht bestellt war.
4. Schaden
Durch diese Pflichtverletzung ist dem W eine Vermögenseinbuße in Gestalt des Verlustes der Forderung
gegen S und damit ein Schaden i.S.v. § 249 BGB entstanden.
5. Rechtsfolge
Folglich schuldet G dem W Ersatz dieses Schadens i.H.v. 50 Euro aus § 280 I BGB.

51
Q

III. Anspruch auf Herausgabe der von S erlangten 50 Euro (§ 816 II BGB)

  1. Leistung an einen Nichtberechtigten
  2. Wirksamkeit gegenüber dem Berechtigten
  3. Rechtsfolge
A

III. Anspruch auf Herausgabe der von S erlangten 50 Euro (§ 816 II BGB)
Daneben kann W gemäß § 816 II BGB Anspruch gegen G auf Herausgabe der 50 Euro haben, die
dieser von S erlangt hat.
1. Leistung an einen Nichtberechtigten
Erste Voraussetzung des Anspruchs aus § 816 II BGB ist das Bewirken einer Leistung an einen
Nichtberechtigten. Der Leistungsbegriff des § 816 II BGB stimmt mit dem des § 812 I BGB überein120
und meint damit jede bewusste und zielgerichtete Vermehrung fremden Vermögens.121 S hat
dem G am 3. März Eigentum und Besitz an den Geldscheinen im Wert von 50 Euro verschafft.
Damit hat S eine Leistung an G bewirkt.
Weiterhin muss G Nichtberechtigter i.S.v. § 816 II BGB gewesen sein, also ein Leistungsempfänger,
der weder Inhaber der zugrunde liegenden Forderung noch auf Grund Rechtsgeschäfts oder
Gesetzes zur Einziehung der Forderung befugt ist.122 Am 3. März war nicht G, sondern W Inhaber
der Darlehensforderung. G war weder durch Rechtsgeschäft noch durch Gesetz berechtigt, die Forderung
gegenüber S einzuziehen. Diese Befugnis stand alleine W als Forderungsinhaber zu. Somit
war G Nichtberechtigter i.S.v. § 816 II BGB.
2. Wirksamkeit gegenüber dem Berechtigten
Des Weiteren muss nach § 816 II BGB die Leistung gegenüber dem Berechtigten wirksam sein. Ein
Ausgleich im Verhältnis zwischen nichtberechtigtem Leistungsempfänger und wahrem Inhaber der
Forderung ist dann notwendig und geboten, wenn der Schuldner durch Leistung an den Nichtberechtigten
auf Grund besonderer Vorschrift auch gegenüber dem Berechtigten befreit wird. S ist
durch die Zahlung an G gemäß § 407 I i.V.m § 362 I BGB von der Schuld gegenüber W frei geworden.
Die Darlehensforderung des W gegen S ist infolgedessen erloschen (s.o. Aufgabe 1). Folglich
war die Leistung auch gegenüber dem Berechtigten wirksam im Sinne des § 816 II BGB.
3. Rechtsfolge
Nach § 816 II BGB ist der Nichtberechtigte gegenüber dem Berechtigten zur Herausgabe des an ihn
Geleisteten verpflichtet. G hat von S Eigentum und Besitz an den Geldscheinen im Wert von
50 Euro erlangt. Diese Leistung muss G an W herausgeben. Sollte G nicht mehr im Besitz der
Geldscheine sein, hätte W gegenüber G einen Wertersatzanspruch in Höhe von 50 Euro gemäß
§§ 816 II, 818 II BGB.
W hat folglich gegen G einen Anspruch auf Herausgabe/Zahlung von 50 Euro gemäß § 816 II BGB.