Sperrwirkung EBV Flashcards

1
Q
  1. Die Sperrwirkung der §§ 987 ff.
    35 Von großer Bedeutung ist, dass die §§ 987 ff. eine Sonderregelung für das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis enthalten, die zum Schutz des gutgläubigen, unverklagten Besitzers andere (ggf. weitergehende) Haftungsnormen verdrängt. So mögen die §§ 823 ff. oder §§ 812 ff. tatbestandlich zugleich erfüllt sein. § 993 I Hs. 2 stellt jedoch im Grundsatz klar, dass der Zugriff auf diese Normen zulasten des gutgläubigen Besitzers auszuscheiden hat, soweit es um die Haftung auf Schadensersatz oder Nutzungsherausgabe geht (sog. abschließende Sonderregelung oder „Sperrwirkung“ des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses). Wie weit diese Sperrwirkung im Einzelnen geht, ist jedoch fraglich. Hier ist vieles umstritten. Die Klausurrelevanz dieser Fragen ist dementsprechend hoch. Im Wesentlichen geht es um die folgenden Problemkreise.
A
  1. Ansprüche aus bestehendem Vertrag
    36 Ist der Besitzer aufgrund eines bestehenden Vertrags zum Besitz berechtigt, so finden die §§ 987 ff. grundsätzlich keine Anwendung. Diese Normen setzen ja eine Vindikationslage voraus, die bei bestehendem Besitzrecht gerade fehlt. Die vertraglichen Ansprüche bleiben insoweit unberührt (BGHZ 34, 122, 130). Zur Lückenfüllung dienen die §§ 987 ff. hier allenfalls, sofern es um Verwendungsersatzansprüche geht (→ § 23 Rn. 1 ff.). Im Hinblick auf Schadensersatzansprüche gelten die Regeln des allgemeinen Schuldrechts über Unmöglichkeit, Verzug und sonstige Pflichtverletzungen, die nicht durch die §§ 989, 990 verdrängt werden dürfen. Ob Ansprüche auf Herausgabe der während der Vertragslaufzeit gezogenen Nutzungen bestehen, entscheidet sich ebenfalls in erster Linie nach dem Vertrag.
    37 Nutzt der Besitzer eine ihm überlassene Sache in größerem Umfang als ihm vertraglich erlaubt ist, so kommen vertragliche wie deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche in Betracht. Solange der Besitzer auf Basis des jeweiligen Vertrags ein Besitzrecht hat, passen die §§ 987 ff. nicht. Sie gelten auch nicht analog, wenn der vertraglich berechtigte Besitzer die Grenzen seines Besitzrechts überschreitet (sog. nicht so berechtigter Besitzer).
    Beispiel:
    E überlässt seinen Traktor dem Handelsvertreter H für zwei Tage zu Vorführzwecken. Vermietet H jedoch an einem dieser Tage den Traktor an B zum Einsatz auf dem Feld, so überschreitet er seine vertraglichen Rechte. Sofern ein messbarer Schaden eintritt, haftet H daher dem E auf Schadensersatz aus § 280 I. Da der Vertrag fortbesteht, verliert H allerdings nicht sein Recht zum Besitz, ebenso wie ein Wohnungsmieter ohne Kündigung nicht sein Besitzrecht verliert, wenn er vertragswidrig die Wohnung untervermietet. Der Anwendungsbereich der §§ 987 ff. ist daher mangels Vindikationslage nicht eröffnet. Dafür sind neben dem Vertragsrecht Ansprüche aus § 823 I oder aus § 812 I 1 Alt. 2 in Gestalt der Eingriffskondiktion denkbar.
  2. Ansprüche nach Vertragsbeendigung
    38 Nach Beendigung eines Besitzrechtsverhältnisses, wie z. B. Miete oder Pacht, aber auch nach Rücktritt (§§ 346 ff.), z. B. von einem Kaufvertrag, wird der bisherige rechtmäßige Besitzer zum unrechtmäßigen Besitzer (sog. nicht mehr berechtigter Besitzer), der neben dem vertraglichen Herausgabeanspruch, z. B. aus § 546, auch nach §§ 985, 986 zur Herausgabe verpflichtet ist. Es ergibt sich somit nach Ablauf der Vertragszeit auch eine Vindikationslage. Wenn nun Schadens- oder Nutzungsersatz geltend gemacht wird, fragt sich, ob die §§ 987 ff. neben den vertraglichen (z. B. §§ 346, 347, 546a, 571, aber auch §§ 280 I, II, 286 f.; → § 21 Rn. 33) und weiteren allgemeinen Normen zur Anwendung kommen können. Der BGH bejahte diese Frage früher uneingeschränkt (z. B. BGHZ 34, 122), während andere allein die vertraglichen Rückabwicklungsvorschriften anwenden wollen (L. Raiser, JZ 1961, 529). Inzwischen wendet der BGH (NJW 1968, 197; 1989, 2133, 2135; so auch OLG Düsseldorf ZMR 2010, 755) zwar die §§ 987 ff. und daneben §§ 812 ff. an, gibt aber im Kollisionsfall der vertraglichen Rückabwicklung den Vorrang.
    Das bedeutet insbesondere, dass ein Mieter oder Entleiher auch dann, wenn er sich nach Ablauf der Vertragszeit – etwa in fälschlicher Annahme einer Schenkung – gutgläubig für den Eigenbesitzer hält, nach den einschlägigen vertraglichen Normen i. V. m. § 280 I auf Schadensersatz haftet, wenn er die gemietete oder geliehene Sache nun weiter nutzt oder beschädigt. Die §§ 987 ff. und § 993 I Hs. 2, die hier ggf. zu einer Haftungsfreistellung des gutgläubigen, unberechtigten Besitzers führen würden, werden insoweit von den vorrangigen Normen des Vertragsrechts verdrängt, die den speziellen Verhältnissen des jeweiligen Vertrags Rechnung tragen.
    Eine zusätzliche Haftung des nicht mehr berechtigten Besitzers aus den §§ 987 ff. neben der Haftung aus dem Vertragsrecht ist hingegen meist möglich. So werden insbesondere neben der Haftung des Mieters aus § 546a I auf Mietfortzahlung bei verspäteter Rückgabe von der h. M. auch Ansprüche aus den §§ 987 ff. bejaht (BGH NJW-RR 2009, 1522; NZM 2014, 582).
  3. Ansprüche auf den Vorenthaltungsschaden
    39 Die Verzugsvorschriften der §§ 280 I, II, 286 f. gelten nach § 990 II auch für den Herausgabeanspruch des § 985, jedoch betrifft § 990 nur die Haftung des bösgläubigen Besitzers für den Herausgabeanspruch. Dies gilt auch für § 990 II (s. als Beispiel BGH NJW 2003, 3621). Der ursprünglich redliche Besitzer kann deshalb bezüglich des Herausgabeanspruchs nur in Verzug geraten, nachdem er gem. § 990 I 2 durch Kenntniserlangung bösgläubig geworden ist. Ein Anspruch aus § 823 I wegen fahrlässiger Vorenthaltung des Besitzes ohne Vorliegen der Verzugsvoraussetzungen, wie insbesondere Mahnung, scheidet wegen der speziellen Regelung in § 990 aus. Bei verspäteter Erfüllung der einmal entstandenen Nebenansprüche aus §§ 987 ff., 994 ff. bleiben die allgemeinen Verzugsvorschriften der §§ 280 II, 286 f. ohne weiteres anwendbar. Gleiches gilt für § 888 (→ § 18 Rn. 26). Auch mit der Herausgabe nach § 861 kann der Verpflichtete in Verzug geraten.
    Beispiel (nach BGH NJW 2012, 528):
    Nachdem das Auto von Falschparker P abgeschleppt worden ist, will Abschleppunternehmer U das Auto nur Zug um Zug gegen Zahlung der Abschleppgebühren herausgeben (vgl. Fallbeispiel → § 5 Rn. 21). P weigert sich zu zahlen, sodass U den Wagen nicht herausgibt. Nach zwei Wochen verlangt P von U Nutzungsausfallentschädigung, weil er sein Auto nicht nutzen konnte. Der Anspruch könnte sich aus §§ 990 II, 280 I, II, 286 ergeben, da grundsätzlich ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis zwischen P und U besteht. Da dem U jedoch aus § 273 I, II ein Zurückbehaltungsrecht am Wagen zusteht, war die Verpflichtung zur Herausgabe nicht fällig, sodass U auch nicht in Verzug war. Der Anspruch des P besteht daher nicht.
  4. Ausschluss der §§ 987 ff. durch § 241a
    40 In den Fällen der Zusendung unbestellter Waren fehlt ein Vertragsverhältnis. Hier könnte man folglich eine Vindikationslage bejahen, sofern man kein Besitzrecht des Verbrauchers annimmt (str.). Durch die Regelung des § 241a ist jedoch auch die Anwendung der §§ 985 ff. zum Schutz des Verbrauchers ausgeschlossen. Der Versender hat weder einen Herausgabeanspruch aus § 985 (Lorenz, JuS 2000, 833, 841; str.) noch Schadensersatzansprüche.
    Beispiel:
    F erhält vom V-Verlag per Post ein großes Lexikon zugeschickt. Im Begleitschreiben ist von einem sensationellen Sonderangebot die Rede. F möge das Lexikon zwei Wochen prüfen und dann ggf. per Überweisung bezahlen; andernfalls würde es vom Verlag wieder abgeholt. F interessiert sich nicht für die Sendung und legt sie beiseite. Ihr Hund interessiert sich jedoch umso mehr dafür und zerfleddert das Lexikon vollständig.
    Hier besteht mangels Kaufvertrags kein Anspruch von V aus § 433 II. Den Voraussetzungen nach würde sich aber eigentlich ein Anspruch aus §§ 989, 990 I 1 ergeben, sofern man – mangels Vertrags – ein Besitzrecht der F ablehnt. Aus § 241a I folgt jedoch, dass im Fall unbestellter Leistungen Ansprüche aller Art gegen den Verbraucher ausscheiden, und zwar nicht nur aus Vertrag, sondern auch aus den §§ 987 ff., § 812 oder § 823 I (h. M., vgl. Palandt/Grüneberg, § 241a Rn. 7). V hat daher keinen Schadensersatzanspruch gegen F.
  5. Das Verhältnis der §§ 987 ff. zum Deliktsrecht
    a) Überblick

41 Als Grundsatz kann gelten, dass die §§ 987 ff. zum Schutz des Besitzers gegenüber dem Deliktsrecht eine Sperrwirkung entfalten. Besteht eine Vindikationslage, muss also in der Klausur unbedingt mit der Prüfung der §§ 987 ff. begonnen werden. Der Zugriff auf das Deliktsrecht ist dann, wie sich aus § 993 I Hs. 2 ergibt, grundsätzlich versperrt. Ausnahmsweise kann jedoch eine weitergehende Haftung nach Deliktsrecht in Betracht kommen. Eine erste Ausnahme enthält das Gesetz selbst mit § 992 für den Fall, dass der Besitz durch Straftat oder (schuldhaft) verbotene Eigenmacht erlangt worden ist (→ Rn. 32). Eine zweite Ausnahme bilden die Fälle des Fremdbesitzerexzesses. Gesetzlich geregelt ist insoweit der Fall des § 991 II (→ Rn. 30 f.). Der Fremdbesitzerexzess begegnet uns darüber hinaus aber auch in den Fällen des nichtigen Vertrags (→ Rn. 42). Im Übrigen ist anerkannt, dass ein Anspruch aus unerlaubter Handlung bei sittenwidriger Schädigung nach § 826 stets unberührt bleibt (vgl. Prütting, Rn. 542).
b) Ansprüche bei nichtigem Vertrag (Fremdbesitzerexzess)

42 Auch wenn die Parteien an sich einen Vertrag geschlossen haben, kann dieser von Anfang an (ggf. unerkannt) nichtig sein oder nachträglich durch Anfechtung nichtig werden. Der unwirksame Vertrag (z. B. Mietvertrag) liefert dann auch kein Recht zum Besitz, sodass eine Vindikationslage gegeben ist. Die §§ 987 ff. kommen somit zur Anwendung. Eine Konkurrenz zu vertraglichen Rückabwicklungsansprüchen ergibt sich nicht, weil solche Ansprüche bei nichtigem Vertrag nicht oder nicht mehr bestehen. Es bleibt jedoch die Frage, was in solchen Fällen für Ansprüche aus §§ 823 ff. (oder auch aus §§ 812 ff.) gelten soll.
Beispiel:
M beschädigt fahrlässig die ihm von E mietweise überlassene technische Anlage. Später ficht er den Mietvertrag wegen arglistiger Täuschung über die Leistungsfähigkeit der Anlage an. Vertragliche Ansprüche entfallen damit. M ist im Zeitpunkt der Beschädigung noch gutgläubiger Besitzer und wäre deshalb nach § 993 I Hs. 2 an sich auch nicht zum Schadensersatz verpflichtet. Das Ergebnis wäre jedoch verwunderlich, da M als Fremdbesitzer – unabhängig von der Wirksamkeit des Mietvertrags – wusste, dass er die Anlage des E nicht beschädigen darf. Die Schadensersatzpflicht hätte sich bei wirksamem Vertrag sowohl aus § 280 I als auch aus § 823 I ergeben. Es ist nicht ersichtlich, warum M nun bei unwirksamem Vertrag als unberechtigter Besitzer besser stehen sollte als bei wirksamem Vertrag als berechtigter Besitzer. Der Schutzzweck der §§ 987 ff., der sich eben primär am gutgläubigen Eigenbesitzer orientiert, passt hier nicht.
Um eine Schlechterstellung des rechtmäßigen Besitzers zu vermeiden, lässt die h. M. den gutgläubigen unrechtmäßigen Fremdbesitzer somit trotz § 993 I Hs. 2 aus § 823 haften, wenn er für die Eigentumsverletzung auch als rechtmäßiger Besitzer verantwortlich wäre. Das ist gerechtfertigt, da man als Fremdbesitzer bei der Verletzung fremden Eigentums stets mit einer Haftung rechnen muss (Palandt/Herrler, § 993 Rn. 4; Roth, JuS 2003, 937, 942).
c) Weitergehende Haftung des bösgläubigen Besitzers?

43 Umstritten ist, ob der verklagte/bösgläubige Besitzer – über die genannten Ausnahmen hinaus – generell der deliktischen Haftung unterliegen soll. Dafür könnte sprechen, dass die Beschränkungen der §§ 987 ff. nach h. M. dem Schutz des gutgläubigen, unverklagten Besitzers dienen sollen, sodass kein Anlass für eine Sperrwirkung dieser Normen zugunsten des bösgläubigen Besitzers besteht. Der bösgläubige Besitzer erscheint insoweit kaum schutzbedürftig. Ein Teil der Literatur will ihn daher generell der deliktischen Haftung unterwerfen (z. B. Schreiber, Jura 1992, 356, 362; Prütting, Rn. 542). Dagegen spricht jedoch der Wortlaut des § 993 I Hs. 2, der eine weitergehende Haftung ohne Rücksicht auf die Bösgläubigkeit grundsätzlich ausschließt. Und auch die Regelung des § 992 zeigt, dass der Gesetzgeber eine Öffnung des Deliktsrechts nur unter den dort genannten Voraussetzungen erlauben wollte. Damit wäre eine weitergehende deliktische Haftung des bösgläubigen Besitzers unvereinbar. Daher ist der Gegenauffassung (BGHZ 56, 73, 77) zu folgen.

  1. Das Verhältnis der §§ 987 ff. zu den §§ 812 ff.
    a) Leistungskondiktion (Rn. 44)
    b) Eingriffskondiktion (Rn. 45-47)

a) Leistungskondiktion
44 Neben den §§ 987 ff. können im Einzelfall auch Ansprüche aufgrund einer Leistungskondiktion nach §§ 812 ff. auf Herausgabe von Nutzungen gegeben sein. Das betrifft die Fälle eines Leistungsaustausches (→ § 6 Rn. 6), in denen nicht nur der zugrunde liegende Vertrag, sondern auch die Übereignung nichtig ist (z. B. wegen §§ 104 Nr. 2, 105 I). Hier soll der unrechtmäßige Besitzer nicht besser stehen, als wenn er Eigentümer der Sache geworden wäre, die er dann nach § 812 I 1 Alt. 1 zurückzugeben gehabt hätte.

b) Eingriffskondiktion
45 Ansprüche aus § 812 I 1 Alt. 2 in Gestalt der Eingriffskondiktion sind dagegen, soweit es die Nutzungen betrifft, neben §§ 987 ff. grundsätzlich nicht gegeben, da die §§ 987 ff. ihrer Natur nach selbst ein spezial-gesetzlich geregelter Fall der Eingriffskondiktion sind, die den gutgläubigen Besitzer schützen sollen. Dieser Schutz darf nicht durch Ansprüche aus Eingriffskondiktion unterlaufen werden.
Soweit es jedoch um den Wert der Sache selbst geht, finden Ansprüche aus §§ 816, 951 und 812 I 1 Alt. 2 (Eingriffskondiktion) neben §§ 989, 990 I Anwendung (BGHZ 55, 176). Schließlich soll dem Eigentümer der Wert seiner Sache auf jeden Fall zukommen. Er hätte ja, solange die Sache noch existiert, auch den Anspruch aus § 985. Wenn § 993 I schon eine bereicherungsrechtliche Haftung für die sog. Übermaßfrüchte vorsieht (→ Rn. 21), so muss dies erst recht gelten, wenn der Besitzer den gesamten Sachwert an sich zieht. Bedeutsam ist vor allem der Anspruch aus § 816 I 1.
Beispiel:
Dem E ist ein wertvolles Gemälde gestohlen worden, das der gutgläubige Kunsthändler K erstanden und an einen unbekannten Interessenten weiter veräußert hat. E hat sein Eigentum wegen § 935 I (→ § 8 Rn. 29) nicht verloren. Der Anspruch aus § 985 hilft dem E hier jedoch nicht weiter, weil die Person des Besitzers unbekannt ist. Ein Anspruch aus §§ 989, 990 I gegen K kommt nicht in Betracht, da K nicht bösgläubig war. Jedoch kann E von K nach § 816 I 1 den Erlös herausverlangen, wenn er die Veräußerung durch K – auflösend bedingt, falls er von K nicht befriedigt wird – genehmigt. Wäre K bösgläubig, so können neben § 816 I 1 auch die §§ 687 II 1, 681 S. 2, 667 sowie die §§ 989, 990 I zur Anwendung kommen. Die im Zusammenhang mit § 816 I 1 erteilte Genehmigung steht der Anwendung der §§ 989, 990 I nicht entgegen (BGH NJW 1960, 860), weil dadurch nicht der unerlaubte Eingriff in das Eigentum und die ehemals bestehende unrechtmäßige Besitzlage beim Nichtberechtigten beseitigt wird, sondern nur dem Erwerber das Eigentum verschafft werden soll.
46 Die Anwendbarkeit der §§ 951 I, 812 I 1 Alt. 2 neben den §§ 987 ff. wiederum ist wichtig, wenn es infolge der §§ 946 ff., insbesondere durch Verarbeitung, zum Eigentumsverlust an der Sache kommt.
Beispiel (nach BGHZ 55, 176):
D stiehlt dem B zwei Jungbullen von der Weide und verkauft sie an H, der die Rinder zu Hundefutter verarbeitet. Nachdem D verschwunden ist, fragt B nach Ansprüchen gegen H.
Hier hilft dem B ein Anspruch gegen H aus §§ 989, 990 I nicht weiter, wenn H als Besitzer im Zeitpunkt der Verarbeitung gutgläubig und unverklagt war. B hat jedoch einen Anspruch gegen H auf Wertersatz aus §§ 951 I, 812 I 1 Alt. 2. Diese Normen werden durch die §§ 987 ff. nicht verdrängt, weil sie ein anderes Anspruchsziel verfolgen, nämlich Wertersatz. Schließlich hätte H vor der Verarbeitung die Tiere auch als gutgläubiger Besitzer nach § 985 herausgeben müssen. Geht dieser Anspruch infolge von Verarbeitung gem. § 950 unter, so tritt an seine Stelle der Wertersatzanspruch.
47 Ansprüche aus §§ 812 I, 818 II kommen trotz § 993 I Hs. 2 auch im Falle des Verbrauchs einer Sache in Betracht, da § 987 nur die Nutzungen und damit nur den Gebrauch (§ 100) und gerade nicht den Verbrauch erfasst, während § 989, der auch Verbrauchsschäden einschließen würde, Verschulden voraussetzt. Dadurch entsteht bei schuldlosen Eingriffen in das Eigentum in Form des Verbrauchs eine Schutzlücke, die durch die Anwendung der Eingriffskondiktion geschlossen werden muss.
Empfehlungen zur weiterführenden Lektüre:
Kempny, Zum Verständnis und zur Prüfung des § 992 BGB, JuS 2008, 858; Kindl, Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis: Schadensersatz und Nutzungen, JA 1996, 115; Lorenz, Grundwissen – Zivilrecht: Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, JuS 2013, 495; Moebus/Schulz, Die Haftung des redlichen Besitzmittlers nach § 991 Abs. 2 BGB, Jura 2013, 189; Mylich, Die Eigentumsverletzung – Fallgruppen und Ansprüche, JuS 2014, 298 und 398.
S. auch Literatur bei → § 23 nach Rn. 27.

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