Diagnostische Einschätzung krisenhafter Entwicklung (17.05.25 Flashcards

(77 cards)

1
Q

Was ist die Definition eine Krise?

A

“Unter psychosozialen Krisen verstehen wir den Verlust des seelischen Gleichgewichts, den ein Mensch verspürt, wenn er mit Ereignissen und Lebensumständen konfrontiert wird, die er im Augenblick nicht bewältigen kann, weil sie von der Art und vom Ausmaß her seine durch frühere Erfahrungen erworbenen Fähigkeiten und erprobten Hilfsmittel zur Erreichung wichtiger Lebensziele oder zur Bewältigung seiner Lebenssituation überfordern.“

(G. Sonneck et. al. 2016)

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2
Q

Was sind die allgemeinen Charakteristika einer Krise im Bezug auf psychische und physische Verfassung?

A

Das Erleben einer Krise macht uns bewusst, dass etwas getan werden muss!

„Das Tief“ sollten wir daher als Warnreaktion betrachten, um uns mit den Problemen zu beschäftigen

Eine psychosoziale Krise ist ein Ausdruck für das Erreichen oder Überschreiten der Grenze des individuellen Anpassungsvermögens (J. Cullberg, 1978)

Dies wird allgemein deutlich empfunden in Form von Rat- und Hilflosigkeit und ein Gefühl der Spannung

Je nachdem, ob der Krisenanlass subjektiv entweder Verlust, Bedrohung oder Herausforderung bedeutet, kann das Spannungsgefühl auch als Angst (Panik) oder depressive Verstimmung (Depression) erlebt werden (L. Rapoport, 1973)

Diese Gefühle können sich in körperlichen Beschwerden äußern

Körperliche Symptome bei Angst: Herzrasen, Atemnot, Erstickungsanfälle, Schweißausbrüche, motorische Unruhe

Körperliche Symptome bei Depression: Appetitverminderung, Gewichtsverlust, Durchschlafstörung, Verlangsamung der Motorik, Erschöpfung

Körperliche Symptome von Spannung: Einschlafstörung, Kopfschmerzen, Kreislaufbeschwerden, Verdauungsstörungen, Zittern bzw. Nervosität

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3
Q

Was sind die allgemeinen Charakteristika einer Krise im Bezug auf Störungen der Problemlösung/Problembewältigung?

A

Die häufigsten Schwierigkeiten bei der Krisenbewältigung entstehen…

  1. aus der Unfähigkeit, das Problem wahrzunehmen bzw. zu definieren
  2. aus der Unfähigkeit, eine bestimmte, als sinnvoll erkannte Lösung durchzuführen, z. B. wegen falscher oder fehlender Strategien
  3. wegen fehlender oder mangelnder emotionaler oder realer Unterstützung durch die Umwelt
  4. aufgrund der sich verschlechternden psychischen Verfassung
  5. aus dem Krisenanlass:
    A) schwere Schicksalsschläge lösen starke Gefühle aus
    B) die entstandene Situation ist sehr kompliziert oder unübersichtlich
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4
Q

Was sind die allgemeinen Charakteristika einer Krise im Bezug auf Störungen der Kommuniaktion?

A

Sofern Störungen der Kommunikation nicht bereits bestehen und Ursache für die Krise sind, wie z. B. bei Beziehungsproblemen, treten sie auf als Folge…
A. des Rückzugs aus der Situation (Vermeidungsverhalten)
B. des In-sich-Zurückziehens aufgrund der psychischen Verfassung

Dadurch wird die Nutzung der von der Gesellschaft angebotenen Hilfsmöglichkeiten, insbesondere auch der emotionalen Unterstützung durch Mitmenschen, erschwert bzw. verhindert

Zudem ist die affektive Belastung in Krisensituationen sehr hoch

Es besteht eine starke Tendenz zur Entlastung, die sich einerseits in destruktiven oft **kurzschlüssig-impulsiven Handlungen ** und andererseits in langwierigen körperlichen und seelischen Störungen sowie Änderung des Sozialverhaltens manifestieren

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5
Q

Was sind die allgemeinen Charakteristika einer Krise im Bezug auf Gefahren von Krisen?

A

Ob eine Krise Anlass zu innerem Wachstum, zur Heilung oder zur Katastrophe und in den Suizid führen kann, hängt von einer Reihe von Faktoren ab

  • Der Krisenanlass (z. B. Veränderungskrise)
  • Die subjektive Bedeutung für den Betroffenen (z. B. Pubertätskrise)
  • Der individuellen Krisenanfälligkeit (Vulnerabilität)
  • Der Reaktion der Umwelt
  • Hilfsmöglichkeiten und Bewältigungsstrategien, die der Mensch besitzt (Coping)
  • Das Maß seiner sozialen Integration
  • Der Verlauf der Krise
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6
Q

Was sind die allgemeinen Charakteristika einer Krise im Bezug auf Gefahren von Krisen - AKUTE GEFÄHRDUNG?

A

Eine akute Gefährdung kann durch beabsichtigte Handlungen (z. B. suizidale Handlungen oder Racheakte) oder durch einen Kontrollverlust bedingt werden

Zu einer deutlich herabgesetzten Selbstkontrolle kann es in der Schockphase einer Krise durch Drogen-, Medikamenten- oder Alkoholeinfluss, durch Aggressionsausbrüche oder aufgrund einer psychischen Erkrankung (z. B. Psychose oder BPS) kommen

Akute Gefährdungen sind:

  1. Selbstgefährdung: Suizidalität, Selbstverletzung, Unfälle
  2. Fremdgefährdung: Die körperliche und seelische Schädigung anderer Personen
    - Die aggressive Handlung kann sich gegen Angehörige (Partner, Kinder) oder die Öffentlichkeit (z. B. Vorgesetzte) richten
    - Die physische Bedrohung anderer Personen kann zu seiner sofortigen Verschärfung der Krise für alle Beteiligten, also Täter und Opfer, führen (z. B. Folgen einer polizeilichen Anzeige, Krankenhauseinweisung der misshandelten Person)
    - Möglich ist auch eine scheinbare Entschärfung der Krise, d. h. die bedrohte Person unterlässt eine unerwünschte oder beängstigende Handlung (bspw. Vollzug einer Trennung)
  3. Akute Verschlechterung einer bestehenden psychischen Störung (z. B. Psychose)
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7
Q

Was sind die allgemeinen Charakteristika einer Krise im Bezug auf Gefahren von Krisen - GEFÄHRDUNG MIT LÄNGERFRISTIGEN FOLGEN?

A
  1. Auslösung einer psychischen Störung: Wenn die Disposition zu einer psychischen Störung vorhanden ist (genetisch, embryonal, perinatal, erworben durch ungünstige Erziehungs- und Sozialisationseinflüsse, spätere Schäden)
    Es werden dann objektive wie subjektive Belastungen als Auslöser für Krankheiten wirksam
  2. Beginn somatischer wie psychosomatischer Erkrankungen (Somatisierung): Die starke emotionale Belastung in einer Krise ist häufig mit körperlichen Symptomen verbunden
  3. Beginn von Medikamenten-, Drogen- oder Alkoholmissbrauch
  4. Verlust sozialer Sicherheit: soziales Abgleiten z. B. durch Schulden, Verlust des Arbeitsplatzes oder der Wohnung
  5. Verlust der Beziehungen: Beziehungs- oder Kontaktabbruch des Betroffenen gegenüber Angehörigen oder professionellen Helfern oder umgekehrter Kontaktabbruch durch Angehörige oder Freunde wegen ihrer Überforderung
  6. Chronifizierung:
    Bestimmte soziale oder psychische Faktoren fördern eine Chronifizierung

Soziale Faktoren:
- Sozialer Krankheitsgewinn durch soziale Einordnung mit anerkanntem Status als Patient wird möglich
- Materieller Krankheitsgewinn z. B. ermöglicht die Krankheit eine finanzielle Existenzsicherung (Krankengeld, Rente)

Psychische Faktoren/psychischer Krankheitsgewinn
- Primärer Krankheitsgewinn: Krankheit dient als Lösung eines unerträglichen inneren Konflikts
- Sekundärer Krankheitsgewinn: Krankheit befreit von persönlicher Verantwortung, andere Menschen kümmern sich um Kranke

Vermeidungsverhalten wird als „Problemlösung“ erlebt
- Angstentwicklung kann durch Vermeidung bestimmter Situationen verhindert werden

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8
Q

Welche Formen von Krisen treten im menschlichen Leben auf?

A

Ereignisse und Lebensumstände bei Menschen können Anlässe für Krisen werden

Sie können auftreten als:
1. Katastrophen- und Massenbelastungen
2. Individuelle Belastungen
3. Traumatische Krisen
4. Veränderungskrisen
5. Chronisch-protrahierte Krisen

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9
Q
A
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10
Q

Welche Arten von Katastrophen- und Massenbelastungen können als menschliche Krisen auftreten?

A

Politische und rassistische Verfolgung

Kriegswirren, Terrorismus

Bergwerks-, Eisenbahn-, Schiffs-, Flugzeugkatastrophen

Natur- und Umweltkatastrophen

Unfälle, Epidemien, Pandemien

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11
Q

Welche Individuellen Belastungen können sich als Krisen zeigen

A

Individuelle Belastungen sind i.d.R. Schicksalsschläge oder Situationen des normalen Lebenslaufs

Sie können hauptsächlich eine Ebene der menschlichen Identität treffen, immer jedoch mit weiterem möglichen Einfluss auf die anderen beiden Ebenen:
1. Die körperlich-biologische Ebene (z. B. Pubertät)
2. Die psychische Ebene (seelische Konflikte)
3. Die soziale Ebene (z. B. Scheidung, längere Arbeitslosigkeit), d. h. Ereignisse, die durch Rollenveränderung oder Statusverlust gekennzeichnet sind

Unter Art und Ausmaß von Krisenanlässen wird nicht (nur) etwas “Objektives” verstanden, sondern vor allem die jeweils subjektive Bedeutung des Geschehens einschließlich seiner möglichen realen und fantasierten Konsequenzen!

Zur Lösung oder Bewältigung benötigt der Mensch sowohl eigene Erfahrungen, Kenntnisse und Fähigkeiten als auch außerhalb seiner Person liegende Hilfsmöglichkeiten

Kurz gesagt: Von der Gemeinschaft zur Verfügung gestellten Hilfsmittel (situationsspezifische Beratung etc.)

Das Wichtigste ist allerdings die emotionale und reale Unterstützung durch Angehörige, Freunde und andere Menschen, die jedoch der Einzelne auch aktivieren und nutzen können muss!

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12
Q

Definiere traumatische Krisen

A

“Die traumatische Krise ist eine durch einen Krisenanlass mit subjektiver Wertigkeit plötzlich aufkommende Situation von allgemein schmerzlicher Natur, die auf einmal die psychische Existenz, die soziale Identität und Sicherheit und/oder die fundamentalen Befriedigungsmöglichkeiten bedroht.”

(J. Cullberg, 1978)

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13
Q

Was sind Beispiele für eine traumatische Krise?

A

Tod eines Nahestehenden

(chronische) Krankheit

Bekanntwerden von Diagnosen

Plötzliche Invalidität

Plötzliche Beziehungsbedrohung wie Untreue oder Trennung

Soziale Kränkung und Versagen

Äußere Katastrophen

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14
Q

Wie zeigen sich traumatische Krisen?

A

Der typische Verlauf erfolgt in vier Phasen

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15
Q

Beschreibe die erste Phase einer traumatischen Krise

A

Das akute Stadium umfasst dabei die Erste sowie den Beginn der zweiten Phase und dauert bis zu vier bis sechs Wochen

1. Phase - Schock Phase: Die Wirklichkeit wird ferngehalten. Äußerlich kann der Mensch geordnet erscheinen, innerlich ist alles chaotisch. Der seelische Aufruhr führt zu ziellosen Aktivitäten oder zu einem Rückzug bis hin zu einem Zustand der Betäubung.

Dauer: wenige Sekunden bis ca. 24 Stunden

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16
Q

Beschreibe die zweite Phase einer traumatischen Krise

A

2. Phase - Reaktionsphase: Die Konfrontation mit der Realität ist unvermeidbar. Man versucht, die Wirklichkeit so adaptiv wie möglich zu integrieren unter Einsatz psychischer Bewältigungsstrategien

In dieser Phase treten Perioden auf, welche durch “affektive Turbulenzen” gekennzeichnet sind

Apathie wechselt sich ab mit tiefster Verzweiflung, Depressivität, Hoffnungslosigkeit, Hilflosigkeit, Feindseligkeit und Aggression, Wut und Trauer und oft einer schweren körperlichen Begleitsymptomatik, welche den Menschen (zusätzlich) belasten

Dieses Stadium verläuft nicht kontinuierlich ab, sondern schließt Zeiten der Entlastung, durch Bearbeitung und Neuorientierung mit ein!

Dauer: Einige Tage bis Wochen

Intervention: Nicht alleine lassen, Vermittlung eines Gefühls der Geborgenheit

In der Reaktionsphase besteht die Gefahr einer Fehlanpassung durch:
1. Chronifizierung
2. Ausbruch einer Erkrankung
3. Alkohol-, Drogen- und Medikamentenabhängigkeit
4. Psychischer Zusammenbruch und suizidales Verhalten

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17
Q

Beschreibe die dritte Phase einer traumatischen Krise

A

3. Phase - Bearbeitungsphase: Allmählich löst der Mensch sich vom Trauma und der Vergangenheit, Interessen tauchen auf, Zukunftspläne werden geschmiedet

Reaktionsphase und Bearbeitungsphase wechseln sich einander immer wieder ab!

Interventionen zu diesem Zeitpunkt: Viel über das Ereignis und die dazugehörigen Gefühle explorieren und erzählen lassen

Ggf. Medikamente und Krankschreibung

“Verbotene Gefühle” dürfen zugelassen, erkannt und akzeptiert werden, ggf. behutsame Konfrontation mit der Realität, falls Verleugnungstendenzen auftreten

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18
Q

Wodurch besteht eine Gefahr der Fehlanpassung in der Reaktionsphase während einer traumatischen Krise?

A

In der Reaktionsphase besteht die Gefahr einer Fehlanpassung durch:

  1. Chronifizierung
  2. Ausbruch einer Erkrankung
  3. Alkohol-, Drogen- und Medikamentenabhängigkeit
  4. Psychischer Zusammenbruch und suizidales Verhalten
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19
Q
A
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20
Q

Beschreibe die vierte Phase einer traumatischen Krise

A

4. Phase - Neuorientierung: Das Selbstwertgefühl ist wieder „aufgerichtet“, neue Beziehungen werden aufgenommen und gehalten.

Lebenserfahrung wurde gewonnen

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21
Q

Was ist eine Veränderungskrise?

A

Situationen, die allgemein zum Leben gehören und von vielen Menschen auch als etwas Positives erlebt werden

Beispiele: Verlassen des Elternhauses, Heirat, Schwangerschaft, Kinder bekommen, Umzug, Eintritt ins Rentenalter bzw. Bezug von Rente, Konfrontation mit dem eigenen Sterben, berufliche Beförderung, Alltagssituationen jeglicher Art

Veränderungskrisen setzen - entsprechend den Krisenanlässen - nicht schlagartig ein, sondern entwickeln sich innerhalb einiger Tage bis zu max. 6 Wochen

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22
Q

Wie verläuft nach Caplan eine Veränderungskrise?

A

Nach G. Caplan (1964) nehmen Veränderungskrisen einen typischen Verlauf in vier Phasen

Das akute Stadium beginnt jedoch erst am Ende der dritten Phase und ist in der Vierten voll ausgeprägt

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23
Q

Beschreibe die erste Phase einer Veränderungskrise

A

1. Phase: in der Konfrontation mit dem problematischen Ereignis bleibt das gewohnte Problemlöseverhalten (persönliche Fähigkeiten und Strategien, übliche Hilfsmittel) wirkungslos

-> Führt zu Spannung und Unbehagen

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24
Q

Beschreibe die zweite Phase einer Veränderungskrise

A

2. Phase: Der Mensch erlebt, dass er die Belastung nicht bewältigt, d. h. er erlebt sich als Versager; sein Selbstwertgefühl sinkt, während die Spannung steigt

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25
Beschreibe die dritte Phase einer Veränderungskrise
**3. Phase:** Der innere Druck führt zur **Mobilisierung** aller inneren und äußeren Bewältigungskapazitäten D. h. Ungewohntes, Neues wird getan (der Mensch wendet sich z. B. an eine Beratungsstelle), evtl. wird die Situation anders eingeschätzt Diese Anstrengungen können zu folgenden Resultaten führen: A. Entweder zur **Bewältigung** der Krise **ODER** B. zum Rückzug aus der Situation, eigene Ziele werden aufgegeben, **das Gefühl der Resignation bleibt erhalten** Es besteht die **Gefahr der Chronifizierung** aufgrund des Rückzugsverhaltens als Lösungsstrategie
26
Beschreibe die vierte Phase einer Veränderungskrise
**4. Phase: Das Vollbild der Krise** mit **unerträglicher Spannung** entwickelt sich! Der Mensch ist rat- und orientierungslos, Verhalten und Äußerungen bestehen aus ungesteuerten, ziellosen Aktivitäten (schreien, toben, Suizidhandlungen) zum Zweck der Spannungsabfuhr **ODER** Der **Mensch ist innerlich "gelähmt"** was das Denken, Fühlen und Handeln betrifft. Die Person ist dann, meistens von den Interaktionen und Reaktionen der Umwelt (Bezugspersonen, zufällige oder professionelle Helfer) abhängig
27
Beschreibe die fünfte und sechste Phase einer Veränderungskrise
**5. Phase: Bearbeitung** des Krisenanlasses und seiner Konsequenzen **6. Phase: Neuanpassung** - Der Mensch entwickelt neue Anpassungsstrategien an die veränderte Situation Veränderungskrisen können in jeder Phase beendet werden, falls der Krisenanlass wegfällt oder weil Lösungsstrategien bzw. Bewältigungsvermögen entwickelt werden
28
Welche Phasen hat eine Veränderungskrise?
29
Was ist eine chronisch-protrahierte Krise?
Chronifizierte Krisen entstehen, wenn **Veränderungskrisen** durch Vermeidungsverhalten oder destruktive Bewältigungsmuster "gelöst" werden **ODER** **Traumatische Krisen** in ihrem natürlichen Verlauf in der Reaktionsphase festgefahren sind, weil keine Bearbeitung stattgefunden hat, sondern schädigende Strategien eingesetzt wurden **Schädigende Strategien:** Alkohol-, Drogen- und Medikamentenmissbrauch, sozialer Rückzug und Isolation, Hilflosigkeit des Menschen wird durch die Umwelt gefördert
30
Wie zeigen sich Menschen in chronisch-protrahierten Krisen?
Menschen in chronischen Krisen zeigen ein stark ausgeprägtes Vermeidungsverhalten Sie scheuen Kontakte und vermeiden insbesondere jegliche Anstrengung, die zu einer Veränderung führen könnte Ihre Aktivität erschöpft sich häufig in Klagen und Anklagen Die Stimmung ist subdepressiv (depressiv verstimmt) mit Schwankungen in begrenztem Umfang, meist ohne klaren Anlass Fast immer begleitet von körperlichem Unbehagen, das sich in verschiedenen diffusen Beschwerden äußert (Kreislaufstörungen, Schwindel, Schwächegefühl etc.) Damit wird auch der Medikamentenkonsum erklärt, der i. d. R. nicht zur Sucht führt Nicht selten sind die Betroffenen misstrauisch
31
Nenne Beispiele für chronisches Krankheitsverhalten
Mangelnde Selbsthilfemöglichkeiten, Passivität und Hilflosigkeit Fehlende Veränderungsmotivation bei vordergründiger Kooperation Persistieren der Beschwerden durch das Verhalten der Umgebung Vermeidungsverhalten Abgabe der Verantwortung Konsequenzen bzw. Einfluss auf die Leistungsfähigkeit sozialer Rückzug Medizinische Interventionen müssen zur Verfügung stehen
32
Wie lange dauert eine chronisch-protrahierte Krise?
Die **Frage nach der Dauer** der bestehenden Schwierigkeiten und des Zustandes ist die wichtigste Entscheidungshilfe, ob es sich um eine akute oder chronische Krise handelt Bei einer **akuten Krise** wird im Sinne einer **Krisenintervention** gehandelt Bei einer **chronischen Krise** muss festgestellt werden, ob neben dem Wunsch nach aktueller Hilfe auch ein Wunsch nach einer erreichbaren Lebensveränderung (i. d. R. durch Psychotherapie) besteht!
33
Was sind die Therapieziele bei der Arbeit mit Menschen in einer chronisch-protrahierten Krise?
Die **unmittelbaren Therapieziele** sind zusammengefasst Folgende: - Informationen, Aufklärung, Beratung - Wiedererwerben von Vertrauen in die eigene Kompetenz und in die Funktionstüchtigkeit des eigenen Körpers - Wiedererwerben von Vertrauen in die psychische und soziale Funktionstüchtigkeit - Abbau von Schonungs- und Vermeidungsverhalten im sozialen und körperlichen Bereich - Umgang mit Gefühlen und kritischen Situationen - Aufgeben der Krankenrolle - Erlernen von Entspannung - Kritischer Umgang in der Inanspruchnahme von medizinischen Hilfen, Medikamenten und Suchtmitteln - Rückfallprophylaxe **Therapieabbrüche** sind bei Menschen mit chronisch-protrahierten Krisen nicht ungewöhnlich Psychotherapeut*Innen haben auch eine **beratende und weitervermittelnde Funktion** an die entsprechende(n) Stelle(n)
34
Was ist an dem Klischee *Wer von Suizid spricht, tut es nicht.* dran?
35
Was ist an dem Klischee *Wer sich wirklich umbringen will, ist nicht aufzuhalten* dran?
36
Was ist an dem Klischee *Wer es einmal versucht hat, versucht es immer wieder* dran?
37
Was ist an dem Klischee *Ein Suizid ist nur Erpressung* dran?
38
Was ist an dem Klischee *Nur wer es „ernsthaft“ v ersucht ist, ist weiterhin suizidgefährdet* dran?
39
Was ist an dem Klischee *Wenn man jemanden auf Suizidgedanken und -Pläne anspricht, bringt man ihn erst auf die Idee, sich umzubringen.* dran?
40
Was ist an dem Klischee *“Suizid ist vererbbar“. Gehäuftes Vorkommen von Suizidhandlungen in einer Familie erklärt nicht nur weitere, sonders lässt sie sogar erwartet - jede Hilfe ist sinnlos.* dran?
41
Was ist an dem Klischee *Zu Weihnachten und Neujahr sowie an grauen Novembertagen sind die meisten Suizide zu verzeichnen* dran?
42
Was ist der Werther-Effekt?
Die Nachahmung medial vermittelter Suizide wird als Werther-Effekt (Niederkrotenthaler et al., 2010) bezeichnet
43
Was ist der Papageno-Effekt und wann wurde er zuerst aufgezeigt?
2010 konnte erstmalig der Papageno-Effekt aufgezeigt werden bzgl. dem Erscheinen von Berichten über Personen, die sich in psychosozialen Krisen befanden und diese bewältigen konnten, welche mit nachfolgend niedrigeren Suizidraten assoziiert waren (Niederkrotenthaler et al., 2010) Der Papageno-Effekt nimmt Bezug auf die Hauptfigur in Mozarts Oper "Die Zauberflöte"- Drei Knaben führen Papageno Alternativen zum Suizid vor Augen und er kommt erfolgreich über seine suizidale Krise hinweg
44
Was bedeutet Krisenintervention?
**Krisenintervention** ist jene Form psychosozialer Betreuung und Behandlung, die sich mit Symptomen, Krankheiten und "Fehlhaltungen" befasst, deren Auftreten in engerem Zusammenhang mit Krisen steht Die Krisenintervention ist von Maßnahmen der Akutpsychiatrie (akute Psychosen, akute Bewusstseinsstörungen, Intoxikationen etc.) zu unterscheiden Die Krisenintervention umfasst alle Aktionen, die dem Betroffenen bei der Bewältigung seiner aktuellen Schwierigkeiten helfen Der **Krisenbegriff** beruht auf der Akuität des Zustandsbildes, wenn therapeutisches Handeln unverzüglich einsetzen muss, um irreversible Schäden (z. B. Chronifizierung oder Suizid) zu verhindern Da eine Krise hoch individuell ist, ist es schwierig eine diagnostische Indikationsliste zu erstellen Krisen treten in jedem Lebensalter auf, besonders bei Jugendlichen (Pubertätskrisen) sowie älteren Menschen, bei denen, als Folge starker innerer und äußerer Isolierung und / oder Mehrfachbelastungen, chronische Krisen auftreten können
45
Was ist das Ziel einer Krisenintervention?
Das **Ziel der Krisenintervention** ist die Unterstützung der eigenen Fähigkeiten des / der Betroffenen und seiner / ihrer Umgebung, sich selbst zu helfen! Negative soziale, psychische und medizinische Folgen sollen verhindert werden Nicht der Ersatz von Verlorenem oder die Verleugnung der schmerzlichen Realität, sondern die **Stütze** und die **Empathie** sowie die **Ermutigung, Gefühle** von Trauer, Schmerz, Feindseligkeit und Aggression **zu zeigen,** ist die Funktion des Helfers / der Helferin **Dieses Ziel muss kurzfristig realisierbar sein, eine tief greifende Persönlichkeitsänderung zu diesem Zeitpunkt anzustreben, wäre nicht sinnvoll!**
46
Was sind die Prinzipien der Krisenintervention?
- Rascher Beginn - Aktivität - Methodenflexibilität - Fokussierung auf die aktuelle Situation / das Ereignis - Einbeziehung der Umwelt - Entlastung - Interdisziplinäre Zusammenarbeit Die **Krisenintervention** ist ein Verfahren, das **lediglich bei akuten Krisen** erfolgreich angewendet werden kann (auch bei Krisen mit Suizidgefahr) Das Verfahren der **Krisenintervention** bewährt sich **nicht bei chronisch- protrahierten Krisen bzw. chronischer Suizidalität** (H. Henseler, 1981) In der Regel ist es nicht möglich, alle Sorgen mit einem Schlag zu beseitigen! Wir müssen uns **vorerst auf die aktuelle Problematik konzentrieren** und alle weiteren Belastungen **nach Dringlichkeit und den bestehenden Möglichkeiten ordnen** **Ziel: einen Überblick über unsere Lage erhalten!**
47
Nenne die Schritte des allgemeinen Interventionskonzepts bei akuten Krisen nach Sonneck
1. Beziehung 2. Emotionale Situation / spezifische Gefahren (Suizid, SVV etc.) 3. Aktueller Anlass 4. Soziale Situation / vorhandene Hilfsmöglichkeiten 5. Weiteres Vorgehen 6. Beendigung
48
Beschreibe die erste Komponente (Beziehung) des allgemeinen Interventionskonzepts bei akuten Krisen nach Sonneck
Die **Beziehung** in der Krisensituation: - Eine günstige Nähe-Distanz-Relation zu finden und zu halten ist wichtig - Es gibt zwei Pole, die vermieden werden sollten A. **Sich aus der Beziehung heraushalten wollen:** Das führt dazu, dass wir uns mit dem Menschen nicht (ausreichend) identifizieren können Als **Folge davon...** - nehmen wir den Menschen in seinen Problemen richtig nicht ernst - hören wir ihm zwar aufmerksam zu, lassen aber unsere Gefühle nicht sprechen und damit auch nicht seine - wir suchen dann für alles, was ihn quält, vernünftige und logische Argumente, Erklärungen und Vorschläge - sind wir an ihm nicht interessiert, langweilen uns, schieben ihn zu sogenannten "Experten*Innen" ab B. **Sich zu sehr in die Beziehung einlassen bzw. verwickeln zu lassen, führt dazu, dass...** - wir uns stark mit dem Menschen in Not identifizieren und uns von seinen Bedürfnissen und Gefühlen zu wenig distanzieren können - wir über- oder unterschätzen dann Fähigkeiten, Bedürfnisse, Gefühle oder das Durchhaltevermögen des betroffenen Menschen - wir "ganz besonders" helfen wollen, daher "besonders aktiv" sind und an seiner Stelle Lösungen überlegen und vorschlagen, wodurch wir ihm seine Eigenverantwortung nehmen (G. Sonneck, 1989)
49
Beschreibe die zweite Komponente (emotionale Situation/spezifische Gefahren) des allgemeinen Interventionskonzepts bei akuten Krisen nach Sonneck
Wir gehen auf die emotionale Situation des Menschen in Not und auf die körperliche Begleitsymptomatik ein Wir schätzen das Ausmaß von Angst und Depression ein, sowie deren möglichen Konsequenzen, wobei wir insbesondere das **Suizidrisiko versuchen herauszufinden!** Zur eigenen Unterstützung kann ein **Suizideinschätzungsbogen** benutzt werden Der sicherste Indikator für eine Gefährdung ist der direkte oder indirekte Suizidhinweis! Das **Wahrnehmen dieser Ankündigung**, das **Verstehen dieser Ankündigung als Notsignal** und das **vorurteilslose Gespräch** über die Suizidtendenz sind die ***wichtigsten primären suizidpräventiven Interventionen**
50
Beschreibe die dritte Komponente (aktueller Anlass) des allgemeinen Interventionskonzepts bei akuten Krisen nach Sonneck
Wir befassen uns mit dem Krisenanlass und mit der Frage, wer davon noch unmittelbar betroffen ist sowie mit möglichen Veränderungen und bereits angewandten Lösungsstrategien Die Vergangenheit interessiert uns primär hinsichtlich der Dauer der Krise und der Bewältigung früherer Schwierigkeiten Liegt eventuell eine körperliche, psychische und / oder soziale Vorbelastung (Krisenanfälligkeit) vor?
51
Beschreibe die vierte Komponente (soziale Situation) des allgemeinen Interventionskonzepts bei akuten Krisen nach Sonneck
Die soziale Situation, mögliche Belastungen, Gefährdungen oder Ressourcen werden abgeklärt Bestehende Hilfssysteme des Menschen in Not (Angehörige, Freunde, Nachbarn etc.) lassen wir, wenn gewünscht, von ihm unterstützend miteinbeziehen Ggf. im Notfall werden wir selbst diese aktivieren Ggf. auch Hilfen des Sozialsystems vermitteln (z B. Selbsthilfegruppen, Krisendienst, Schuldnerberatung etc.)
52
Beschreibe die fünfte Komponente (weiteres Vorgehen) des allgemeinen Interventionskonzepts bei akuten Krisen nach Sonneck
Wir klären mit dem Menschen in Not das genaue Setting für weitere Kontakte (Anzahl der teilnehmenden Personen, Zeit, Anzahl der Kontakte, Intervalle) in Abstimmung mit seinen und unseren Möglichkeiten, Wünschen und Zielvorstellungen ab In den Folgegesprächen stellen wir immer wieder den Bezug zwischen der Anfangssituation, der jetzigen Situation und den konkreten Zielvorstellungen her Ggf. Anpassung der Zielvorstellungen
53
Beschreibe die sechste Komponente (Beendigung) des allgemeinen Interventionskonzepts bei akuten Krisen nach Sonneck
Da eine Krisenintervention mit maximal 10 - 12 Gesprächen beendet sein sollte, ist das Vorbereiten der Beendigung sehr wichtig Wir rekapitulieren in den letzten Gesprächen gemeinsam, was der Mensch in Not erreicht hat und wie er es erreicht hat und besprechen vorplanend, wie er sich bei zukünftigen Schwierigkeiten verhalten wird Jede Krise ist eine Belastung - jede Krise ist eine Chance
54
Was sind die unmittelbaren Ziele der Krisenintervention bei akuten Krisen?
Unsere **unmittelbaren** Ziele sind: - Eine Beziehung zwischen dem Menschen in Not und uns herstellen - Seine schwere Symptomatik erleichtern - Problembewältigung einleiten - zielgerichtetes, zumutbares und mögliches Verhalten beim Patienten **sofort** einleiten
55
Was sind die übergeordneten Ziele der Krisenintervention bei akuten Krisen?
Unsere **übergeordneten** Ziele sind: - Der Mensch in Not soll Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl entwickeln - Seine Entscheidungsfähigkeit wieder erreichen - Alternative konstruktive Verhaltensweisen finden und erproben **Der Mensch in Not soll sein Leben aktiv(er) selbst gestalten, er soll von einem passiv-abhängigem zu aktiv-autonomem Verhalten finden!**
56
Was ist das BELLA-System?
57
Welchen Stellenwert haben Medikamente in der Krisenintervention?
Psychopharmaka haben in der Intervention bei Menschen in akuten Lebenskrisen ihren Stellenwert in der raschen **Linderung von Symptomen** Sie sollen temporär zur **Entlastung** und zum **Wiedererlangen von Handlungsfähigkeit** bei der betroffenen Person dienen Sie kommen zum Einsatz, wenn die Entlastung im Rahmen der psychotherapeutischen Krisenintervention nicht ausreichend möglich ist oder der Zugang im persönlichen Kontakt nicht möglich ist Sie spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, **Gefährdungen** in Folge einer akuten Krise zu **reduzieren bzw. abzuwenden** Es ist meist eine "flankierende Maßnahme" zur positiven Krisenbewältigung
58
Was sind typische Warnsignale für Suizidgefährdung?
Veränderungen des Äußeren (z. B. dunkle Kleidung); Sozialer Rückzug; Änderungen von wichtigen Gewohnheiten; Vernachlässigung von Ernährung und Körperpflege; Direktes oder indirektes Ansprechen von Suizidgedanken; Krisenhafte Zustände (z. B. Lebensereignisse) mit Auswirkungen auf Stimmung, Schlaf, Verhalten; Risikoreiches Verhalten; Verabschiedungen / Verschenken, Testament Quelle: Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention (DGS): Suizidalität. Allgemeine Informationen.
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Was sind allgemeine Risikofaktoren für Suizid?
- Frühere Suizidversuche - Stark belastende Lebensereignisse (z. B. Trennungen, Umzüge, Jobverlust, Flucht) - Psychische Erkrankungen (z. B. Depressionen, Suchterkrankungen, Schizophrenien u. a.) - Körperliche Erkrankungen (besonders mit chronischen Schmerzen) - Suizide in der Familiengeschichte - Wenige oder keine sozialen Kontakte bzw. Bindungen - Höheres Lebensalter - Männliches Geschlecht Quelle: Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention (DGS): Suizidalität. Allgemeine Informationen.
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Nenne potenzielle Risikogruppen nach dem Maß ihrer Suizidgefährdung in Reihenfolge
(Überschneidungen und Mehrfachdeterminierungen möglich): 1. Alkohol-, Medikamenten- und Drogenabhängige 2. Depressive Störungen jeglicher Art 3. Alte und vereinsamte Menschen 4. Personen die durch eine Suizidankündigung auffällig wurden 5. Personen die durch einen Suizidversuch (Parasuizid) auffällig wurden
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In welcher Form sollte akute Suizidgefahr eingeschätzt werden?
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Warum ist der Umgang mit suizidgefährdeten Personen so individuell unterschiedlich?
Weil die Maßnahmen auf das tatsächliche Anliegen und die jeweilige Lebenssituation der betroffenen Person abgestimmt sein müssen.
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Welches zentrale Dilemma zeigt sich häufig bei suizidgefährdeten Menschen?
Sie möchten oft nicht mehr leben, sind sich dieses Wunsches jedoch noch nicht ganz sicher – sie erleben eine innere Ambivalenz.
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Welcher Faktor kann im Umgang mit suizidgefährdeten Menschen als wichtiger „Verbündeter“ genutzt werden?
Das soziale Umfeld des Betroffenen – es kann unterstützend in die Betreuung eingebunden werden.
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Welche Maßnahmen sind im Umgang mit suizidgefährdeten Personen besonders hilfreich?
Beziehungsfördernde Maßnahmen, die Vertrauen und Stabilität schaffen.
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Was sollte im Umgang mit suizidgefährdeten Menschen im Mittelpunkt stehen?
Die Verbesserung der Lebensumstände, sodass das Leben für die Betroffenen wieder lebenswert erscheint.
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Wie sollten konkrete Maßnahmen bei Suizidgefährdung gestaltet sein?
Sie sollten an der individuellen biopsychosozialen Problematik orientiert und flexibel angepasst sein.
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Was ist der wichtigste Grundpfeiler im professionellen Umgang mit suizidgefährdeten Personen?
Eine tragfähige Beziehung und ein vorurteilsfreies Gespräch über Suizidgedanken.
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Wie sollte Suizidalität im professionellen Umgang verstanden werden?
Als sinnvolles Notsignal und als Ausdruck der individuellen Lebenssituation der betroffenen Person.
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Was bedeutet es, im Umgang mit suizidgefährdeten Menschen aktiv zu werden?
Den Kontakt aktiv aufnehmen, Interesse zeigen und sich um die betroffene Person bemühen.
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Warum ist das Erkennen von Ambivalenz bei suizidgefährdeten Personen so wichtig?
Weil sie meist nicht unbedingt sterben wollen, sondern nur nicht mehr so weiterleben können wie bisher.
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Welche Interventionen bei suizidalen Krisen empfiehlt Sonneck?
1. Akzeptieren des suizidalen Verhaltens als Notsignal 2. Verstehen der Bedeutung und subjektiven Notwendigkeit dieses Notsignals 3. Bearbeitung der gescheiterten Bewältigungsversuche 4. Aufbau einer tragfähigen Beziehung 5. Wiederherstellen der wichtigsten Beziehungen (Ermutigen zu ...) 6. Gemeinsame Entwicklung alternativer Problemlösungen 7. Gemeinsame Entwicklung alternativer Problemlösungen auch für zukünftige Krisen (Prinzip Hoffnung), Coping-Behaviour 8. Kontaktangebote als Hilfe zur Selbsthilfe
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Welche Gefahren im Umgang mit Suizidgefährdeten sind zu beachten?
- Vorschnelle Tröstung - Ermahnung - Verallgemeinerung - Ratschlag - Belehrung - Herunterspielen des Problems (ggf. des Suizidversuchs) - Beurteilen und kommentieren - Nachforschen, ausfragen, analysieren - Vorschnelle Aktivitäten entwickeln
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Was ist chronische Suizidaliät?
Unter **chronischer Suizidalität** wird üblicherweise verstanden, dass suizidales Verhalten nicht nur in einem engem Zusammenhang mit Krisen, sondern über lange Zeit besteht Meist auf Basis lang andauernder (psychischer) **Krankheiten,** aussergewöhnlicher **Lebensbiografien** und **Persönlichkeitsentwicklungen/-störungen** Die Therapie mit chronisch Suizidalen ist keine Aneinanderreihung von Kriseninterventionen, sondern muss über die Bewältigung unmittelbarer suizidaler Krisen hinausgehen Im Fokus ist dann das **therapeutische Arbeiten "an den Wurzeln"** der individuellen Entwicklung und den dysfunktionalen Erlebens- und Verhaltensweisen, welche sich in der Persönlichkeitsstruktur, im Lebensstil und einer möglichen psychischen Störung verfestigt haben
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Welche psychischen Störungen stehen mit chronischer Suizidalität in Verbindung?
Depressionen Süchte Emotional instabile PS des Borderline-Typs bzw. Persönlichkeitsstörungen
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Was ist bei der therapeutischen Arbeit mit chronischer Suizidalität zu beachten?
Für die Psychotherapie mit chronisch Suizidalen lassen sich wenig allgemeine Regeln aufstellen Eine "spezielle Psychotherapie" gibt es nicht, da es unterschiedliche psychotherapeutische Methoden zur Behandlung gibt (z. B. die DBT nach M. Linehan) Bei der Psychotherapie ist auch darauf zu achten, ob der / die Patient*In aus der Suizidneigung einen **primären** und / oder **sekundären Gewinn** zieht und darin bestärkt wird, die Suizidalität als "Konfliktlösungsstrategie" beizubehalten *Beispiele:* A. Die Suizidäußerungen bzw. die parasuizidalen Verhaltensweisen dienen der Emotionsregulation B. Suizidäußerungen zur „Kontrolle der Umwelt“, um von dieser ein bestimmtes Verhalten zu "erzwingen“ C. Mehr Zuwendung von Nahestehenden aufgrund von Suizidalität Dieser **Gewinn kann zur Aufrechterhaltung und Chronifizierung beitragen!**
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