7. Wirtschaftssystem, Erwerbstätigkeit und Arbeitsmarkt, Arbeitsbegriff und Fürsorge Flashcards
(38 cards)
Wirtschaftsordnung
- basale Regeln und Strukturen, die das Wirtschaftsspiel normieren
- gegenwärtig i.d.R. Marktwirtschaft(en)
Markt:
Tausch von Produktions-und Konsumgütern
-> Wer nichts besitzt, kann nichts tauschen
•Konkurrenz-bzw. Wettbewerbsbedingungen
•Freie Preisbildung (qua Angebot und Nachfrage)
•Freier Marktzutritt
-> Allokations-und Distributionsfunktion des Markte
Marktwirtschaft kann, aber muss nicht kapitalistisch organisiert sein
„soziale Marktwirtschaft“ in Deutschland
Art. 20 GG) (zuerst: Müller-Armack
Freiheit des Marktes UND Sozialer Ausgleich werden verbunden
- > aktive staatliche Eingriffe in die Wirtschaft ergänzen / korrigieren das Marktgeschehen – v.a. durch sozialpolitische, konjunkturpolitische oder arbeitsmarktpolitische Maßnahmen
- > Einkommensumverteilung wichtig Ausmaß der staatlichen Eingriffe ist umstritten
Wirtschaftsentwicklung seit Nachkriegszeit
- BIP stieg seit der Nachkriegszeit (fast) immer an, wenngleich die Wachstumsraten sinken
- „Wirtschaftswunder“ der Nachkriegszeit
-Ein wichtiger Grund: „Modell Deutschland“ bzw. korporative oder koordinierte Marktwirtschaft:
•staatliche Vollbeschäftigungspolitik + regulierte Arbeitsmärkte, die die Arbeitnehmer_innen schützen
•ausgebautes System sozialer Sicherung
•Sozialpartnerschaft von Arbeit (Arbeitnehmer_innen, Gewerkschaften) und Kapital (Arbeitgeber)
Wirtschaftsentwicklung
Seit einigen Jahren:
Wandel von der „koordinierten“ zur „liberalen“ Marktwirtschaft (Hall/Soskice):
- Stärkung der shareholder values
- Liberalisierung und Deregulierung der Wirtschaft und der Arbeitsbeziehungen
- Sozialstaatlicher Wandel vom „fürsorgenden“ hin zum „aktivierenden“ Sozialstaat
- > Ungleichheiten
Dazu: Sektoraler Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft („Tertiarisierung“)
-> Ungleichheiten nach Qualifikation (Dienstleistungen > Land-wirtsch., Produktion) und Region (By/BaWü vs. NBL, Ruhrg.)!
(Erwerbs-)Arbeit – Was ist Arbeit?
Verständnis und Erscheinungsformen von Arbeit unterliegen historischem Wandel
•Antike: Arbeit negativ konnotiert, nur „Unfreie“ arbeiten
•Mittelalter: Arbeit als Mühe, aber als „Weg zu Gott“
•Reformation: Protestantische Ethik, Abwertung von Müßiggang
Karl Marx
Frühschriften:
-Tätige Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur
-Entäußerung des Menschen, Arbeit als Lebenstätigkeit
Später:
-Lohnarbeit als entfremdete Arbeit
(Erwerbs-)Arbeit – Was ist Arbeit? Hannah Arendt (*1906 – 1975)
„Vita Activa oder vom tätigen Leben“ (1958/1960)
•Arbeit (labor / ponos): Tätigkeit, die dem Fortbestand des Einzelnen / der Gattung dient; unter Zwang und notwendig
•Herstellen (work / poiesis) von Artefakten, die dauerhafter sind als der Mensch selbst
•Handeln (action / praxis): interaktive Tätigkeit im öffentlichen Raum zwischen Menschen
Arbeitsbegriffe (Auswahl)
-Arbeit als Mühe
(Kritik: nicht alles was mühevoll ist, ist ökonomische Arbeit und nicht jede ökonomische Arbeit ist mühevoll)
-Arbeit als zweckrationales Handeln, als planvolle und zielgerichtete Tätigkeit (z.B. Aristoteles, Jürgen Habermas)
(Kritik: es gibt auch zielgerichtete Tätigkeiten, die keine ökonomische Arbeit sind)
-Arbeit als Arbeit als Güterproduktion
(Kritik: oft verwendet, aber nicht jede Güterproduktion ist ökonomische Arbeit)
- Arbeit als gesellschaftlich notwendige Tätigkeit
(gut: auch Fürsorge, Hausarbeit enthalten – aber: wer bestimmt, was notwendig ist? Unklares Konzept)
-Arbeit als bezahlte Tätigkeit / Lohnarbeit
Quelle: Krebs, Angelika (2002): Arbeit und Liebe. Die philosophischen Grundlagen sozialer Gerechtigkeit. Frankfurt: Suhrkamp.
Arbeit als bezahlte Tätigkeit / Lohnarbeit Verbreiteter Begriff, auch im Alltag
Schwierigkeiten
- Erfasst nicht Tätigkeiten, die unbezahlt, aber gesellschaftlich notwendig sind (Fürsorge für Angehörige, Kinder)
- Erfolgt diese Tätigkeit bezahlt (Erzieherinnen, Pflegerinnen), ist es plötzlich doch „Arbeit“
- Affirmativ: Die Bezahlung / Nichtbezahlung entscheidet, ob eine identische Tätigkeit „Arbeit“ ist oder nicht
Arbeit als bezahlte Tätigkeit / Lohnarbeit Verbreiteter Begriff, auch im Alltag
Gegen- oder komplementäre Begriffe:
Freizeit (unterteilt nochmals in Eigenarbeit und autonome Tätigkeit), Fürsorge, Hausarbeit, Ehrenamtliches Engagement / Bürger_innenarbeit – und Selbstsorge!)
Aber: Werden in Arbeitssoziologie meist nicht / kaum beachtet
Quelle: Krebs, Angelika (2002): Arbeit und Liebe. Die philosophischen Grundlagen sozialer Gerechtigkeit. Frankfurt: Suhrkamp.
Funktionen von Erwerbsarbeit
- Ökonomische Funktion
2. Soziale Funktion(en)
- Ökonomische Funktion von Erwerbsarbeit
Existenzsicherung, Einkommen
- Soziale Funktion(en)
von Erwerbstätigkeit
- Identität und Sinn
- soziale Anerkennung, gesellschaftliches Ansehen, Prestige
- Macht und Einfluss
- Soziale Kontakte
- Strukturierung des Tages / Lebens Aber auch: Stress, Belastung, Krankheit, Anerkennungsdefizite, Unsicherheit … -> Sehr stark ungleichheitsrelevant! Vgl. Marie Jahoda et al. („Arbeitslose von Marienthal“):
Marie Jahoda (Studie) unterschied... Manifeste Funktion/ Latente Funktionen von Erwerbsarbeit
Manifeste Funktion:
-Existenzsicherung
Latente Funktionen:
- Zeitstrukturierung
- Soziale Kontakte
- Status
- Identität
- Aktivierung
- Selbsttranszendenz
- gemeinsame Ziele erreichen
Abhängige Beschäftigung
- sichert die ökonomische Existenz
- unterliegt ökonomischen Kriterien
- rechtlich reguliert, v.a. durch Arbeitsvertrag, Arbeitsgesetzgebung
- findet in organisationalem Kontext statt
- i.d.R. Weisungsgebundenheit durch Arbeitgeber, Abhängigkeit, Hierarchie, Kontrolle
- i.d.R. an bestimmte Qualifikationserfordernisse gebunden und in Deutschland stark beruflich organisiert
Zentrale Begriffe
- Erwerbstätige
- Erwerbslos
- Erwerbslose + Erwerbstätige = Erwerbspersonen
- Alle anderen: Nichterwerbspersonen (z.B. Hausfrauen)
- Arbeitslose
Erwerbstätige (nach ILO-Definition):
jede Person ab 15 Jahren, die die gegen Entgelt oder im Rahmen einer selbstständigen oder mithelfenden Tätigkeit arbeitet
Erwerbslos
gelten alle Personen zwischen 15 und 74 Jahren, die nicht erwerbstätig ist und in den vier Wochen vor der Befragung aktiv nach Tätigkeit gesucht haben (und innerhalb von 2 Wochen die Arbeit aufnehmen können)
Erwerbspersonen
Erwerbslose + Erwerbstätige = Erwerbspersonen
Nichterwerbspersonen
Alle anderen: Nichterwerbspersonen (z.B. Hausfrauen)
Arbeitslose
- Arbeitslose sind Personen, die als solche amtlich registriert sind und sozialgesetzlichen Vorgaben entsprechen
- > Anzahl kann durch Sozialgesetzgebung verändert werden Mai 2018: 2.384.000, 5.3 % (https://statistik.arbeitsagentur.de/Navigation/Statistik/Statistik-nach-Themen/Arbeitsmarkt-im-Ueberblick/Arbeitsmarkt-im-Ueberblick-Nav.html)
- Können Leistungen nach SGB III aus Arbeitslosenversiche-rung (i.d.R. zwölf Monate) beziehen oder
- Leistungen nach SGB II: staatliche Hilfen für erwerbsfähige Personen (umgangssprachlich „Hartz IV“)
Arbeitslos muss nicht gleich erwerbslos sein vice versa! (z.B.: registrierte Arbeitslose, die an einer Maßnahme aktiver AMP teilnehmen, werden nicht als Arbeitslose gezählt!) Quelle: Datenreport 2018, S. 150 u.a.
„ungenutztes Arbeitskräftepotential“ in 2016:
- Erwerbslose (ca. 1,8 Millionen)
- Unterbeschäftigte: Personen, die mehr arbeiten möchten (ca. 2,6 Millionen)
- „Stille Reserve“: je nach Definition zwischen 1,0 und 7 Millionen (darunter viele „Haus“-Frauen; auch sog. „entmutigte Arbeitskräfte“ / „discouraged workers“) Quelle: Datenreport 2018, S. 158 u.a.
Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt (kleine Auswahl …)
-V.a. (aber nicht nur!) ungleiche Einkommen, Spaltung wächst
-Geschlecht: - gender wage gap - Frauen seltener ET und häufiger in Teilzeit / geringfügig - horizontale und vertikale Segregation …
Bildung: gering(er) vs. höher Qualifizierte Ursachen: Strukturwandel, Bildungsexpansion,…
- Regionale Unterschiede, v.a. auch Ost-West
- Migrationshintergrund oft: Nichtanerkennung von Abschlüssen, geringere Bildung, Diskriminierung …
-„Working poor“ / „Aufstocker“ (~1,3 Millionen)
Alter Vgl. u.a. Ludwig-Mayerhofer 2012
Veränderungen von Erwerbsarbeit
°Sektoraler Wandel, Wandel hin zu liberalen Marktwirtschaften, gesellschaftlicher Wandel führen zu Veränderungen der …
- Formen von Erwerbsarbeit (Flexibilisierung, Entgrenzung, Prekarisierung)
- Sinngehalte von Erwerbsarbeit (Subjektivierung von Arbeit)
°Ausgangspunkt: Normalarbeitsverhältnis (NAV) (Mückenberger), eingebunden in Fordistisches Arbeitsregime:
- Industrielle Massenproduktion und Massenkonsum
- Normalarbeitsverhältnis für Männer
- Geschlechterdifferente Arbeitsteilung in der Normalfamilie
- Niedrige Frauenerwerbsquote
- Kompromissorientierte Arbeitsbeziehungen
- Ausgebauter Wohlfahrtsstaat