Aufrechnung im Prozess Flashcards
(23 cards)
Aufrechnung: Terminologie
a) Hauptaufrechnung
b) Hilfsaufrechnung
c) Erklärung der Aufrechnung
d) Geltendmachung der Aufrechnung
e) Prozessaufrechnung
a) Primäraufrechnung (unbedingte Aufrechnung im Prozess)
b) Aufrechnung unter der Bedingung, dass vorrangige Verteidigungsmittel ohne Erfolg bleiben
c) Ausübung des materiell-rechtlichen Gestaltungsrechts (§ 388 I BGB), auch konkludent möglich
d) als Verteidigungsmittel im Prozess (Prozesshandlung), deren Voraussetzungen und Wirkungen sich nach Prozessrecht richten
e) = wenn Beklagter erstmals und ausschließlich die Aufrechnung im Prozess erklärt
§ 322 II ZPO: Rechtskraftwirkung
- nur, insoweit Sachentscheidung erfolgt
- geht (als Zulässigkeitsvoraussetzung) jeder Sachprüfung vor
- nicht im Urteilstenor (ergibt sich nur aus Entscheidungsgründen)
§ 322 II: Geltungsbereich
- gilt für jede Aufrechnung (Prozess- wie materiell-rechtliche Aufrechnung)
- Ausnahmecharakter - einzige Anwendung auf Kläger:
-> wenn Kläger die Aufrechnung erklärt, soweit er Schuldner derjenigen Forderung ist, die den Gegenstand des Rechtsstreits bildet und die im Wege der Aufrechnung getilgt werden soll (bspw. negative Feststellungsklage)
§ 322 II: Zulässigkeitsverneinung und Präklusion
- keine Rechtskraftwirkung, wenn
-> Zulässigkeit der Aufrechnung verneint (entweder aus prozessualen Gründen oder aus materiell-rechtlichen Gründen)
-> Zulässigkeit der Aufrechnung wird offengelassen - Beispiele
-> Aufrechnungsverbot
-> keine hinreichend bestimmte Bezeichnung der Gegenforderung (§ 253 II Nr. 2 ZPO - prozessuale Unzulässigkeit)
-> bei Verspätung:
a. Aufrechnungseinwand als solcher ist verspätet (Unzulässigkeit - keine Entscheidung in der Sache)
b. Tatsachenvortrag zur Begründung der Gegenforderung ist verspätet (Zulässigkeit - aber Entscheidung in der Sache, dann ggf. negativ wegen Unsubstantiiertheit)
§ 322 II: Rechtshängigkeit
- keine Rechtshängigkeit (e § 261 ZPO)
- § 322 II ZPO normiert eine Ausnahme von der Deckung von Rechtshängigkeit und Rechtskraft
- Gericht hat zu prüfen, ob Forderung (noch) besteht, mit der aufgerechnet werden soll und die bereits Gegenstand eines anderen Rechtsstreits ist
-> Aussetzung des zweiten Prozesses zur Vermeidung divergierender Ergebnisse
Aufrechnung als Verteidigungsmittel: Charakteristik
- kein Gegenangriff (wie Widerklage), sondern Verteidigungsmittel, da Beklagter die Klage zu Fall bringen möchte
- nur hier Möglichkeit der Abstandnahme (Einheit der mündlichen Verhandlung)
Aufrechnung als Verteidigungsmittel: Abstandnahme
- Zulässig, solange Aufrechnung
-> noch keine unmittelbare prozessgestaltende Wirkung
-> angestrebte gerichtliche Entscheidung noch nicht ergangen
und
-> keine geschützte Position der Gegenseite entstanden - Folge: kein Eintritt der materiell-rechtlichen Wirkungen
- Übergang von der Haupt- zur Hilfsaufrechnung ebenfalls möglich
(- vs. außergerichtliche Erklärung der Aufrechnung: wird dies als Tatsache vorgetragen, bleibt es bei den eingetretenen Wirkungen!)
Aufrechnung als Verteidigungsmittel: Vorbehaltsurteil
= auflösend bedingtes Endurteil über die Klageforderung, wenn nur diese zur Entscheidung reif ist
-> Telos: Vermeidung der Verschleppung der Entscheidung wegen Gegenforderung
- BGH: Vorbehaltsurteil darf im Regelfall nicht ergehen, soweit die Gegenforderungen dazu dienen, das vertragliche Äquivalenzverhältnis herzustellen
=> Beschränkung iE auf Forderungen die nicht im Synallagma stehen
(BGH: Auch wenn eine solche Aufrechnung der gesetzlichen Regelung des § 320 Abs. 1 unterliege, könne im Regelfall ein Vorbehaltsurteil über die Werklohnforderung nicht ergehen. Denn dem Besteller stehe ein Leistungsverweigerungsrecht im Falle einer mangelhaften oder nicht fertig gestellten Leistung gemäß § 320 Abs. 1 BGB zu. Es wäre ein nicht hinnehmbares Ergebnis, wenn trotz des Leistungsverweigerungsrechts des Bestellers dem Werkunternehmer die Möglichkeit verschafft werde, mit Hilfe eines Vorbehaltsurteils seine Werklohnforderung ohne Erbringung der vertragsgerechten Gegenleistung durchzusetzen)
Aufrechnung als Verteidigungsmittel: Vorbehaltsurteil: Tenor
- Der Beklagte wird verurteilt, …
- Kosten
- Vorläufige Vollstreckbarkeit
- “Die Entscheidung über die Aufrechnung mit der im Tatbestand dieses Urteils näher bezeichneten Forderung [Charakterisierung der Forderung] bleibt vorbehalten.”
Aufrechnung als Verteidigungsmittel: Unzulässigkeit aus prozessualen Gründen
- Verstoß gegen Bestimmtheitsgrundsatz aus § 253 II Nr. 2 ZPO (da Rechtskraftwirkung aus § 322 II ZPO)
- Verstoß gegen internationale Zuständigkeit (BGH - weder sachlich noch örtlich relevant)
- Wenn Gegenforderung in einen anderen Gerichtszweig gehört, ist Geltendmachung nur zulässig, wenn die Gegenforderung unbestritten ist oder über sie bereits rechtskräftig entschieden wurde
- Gegenforderung unterfällt einer Schiedsvereinbarung
Aufrechnung als Verteidigungsmittel: Unzulässigkeit aus prozessualen Gründen: Folgen
- Prozess wird ohne Berücksichtigung der Aufrechnung entschieden
- materiell-rechtlich: Anwendung des Rechtsgedankens des § 139 BGB (Doppelnatur der Prozessaufrechnung): prozessuale Unzulässigkeit hat Ungültigkeit der materiell-rechtlichen Aufrechnungserklärung zur Folge
Aufrechnung als Verteidigungsmittel: Unzulässigkeit aus materiell-rechtlichen Gründen
- Aufrechnungserklärung
- kein Aufrechnungsverbot
=> keine Rechtskraftwirkung nach § 322 II ZPO
vs.
- Aufrechnungslage (= Begründetheit der Aufrechnung)
=> allein hier Rechtskraftwirkung nach § 322 II ZPO
Urteil: Prüfschema
- Prozessuale Zulässigkeitsvoraussetzungen (falls zu diskutieren)
- Aufrechnungserklärung
- kein materiell-rechtliches Aufrechnungsverbot
- Aufrechnungslage (= Begründetheit der Aufrechnung)
1.-3. nicht dahinstehen lassen, da nur dann Rechtskraftwirkung überhaupt in Frage kommt
Urteil: Formulierung
- Tatbestand
-> im Rahmen des Sachvortrags, nicht als Antrag
-> “Der Beklagte erklärt die Aufrechnung mit einer angeblichen Forderungen in Höhe von X. Hierzu behauptet er, …”
-> ist die Gegenforderung ihrer tatsächlichen Grundlage nach unstr. und wendet sich der Kläger nur gegen Zulässigkeit: Aufrechnung in der Geschichtserzählung + Ansicht zur Zulässigkeit in Klägervortrag - Entscheidungsgründe
-> Klageforderung (Voraussetzung für Aufrechnungslage) und Aufrechnung im Einzelnen prüfen
-> “Die Klage ist unbegründet. Die im Umfang von X bestehende Forderung des Klägers ist infolge der vom Beklagten erklärten (zulässigen) Aufrechnung erloschen.”
Urteil: Kosten und Streitwert
- kein Einfluss bei Hauptaufrechnung, da diese eine vorbehaltlose Erfüllung der Klageforderung darstellt
-> Kostenentscheidung hängt nur von der Verlustquote angesichts der Klageforderung ab
Hilfsaufrechnung: Einführung in den Prozess
- Ausdrückliche Erklärtung nicht erforderlich
- wenn Anspruchsgegner anspruchsbegründende Voraussetzungen bestreitet oder weitere Einwendungen iSd ZPO vorbringt, will er im Zweifel nur hilfsweise aufrechnen - idR soll nach dem Willen des Beklagten über die Hilfsaufrechnung nur entschieden werden, wenn feststeht, dass die Klage ansonsten Erfolg hat
Hilfsaufrechnung: Zulässigkeit
- zulässige innerprozessuale Bedingung, da die Voraussetzungen der Bedingung (Begründetheit der Klage und Scheitern vorrangiger Einwendungen) vom Gericht umfassend geprüft werden
- Übergang von Hilfsaufrechnung auf Hauptaufrechnung und umgekehrt zulässig (soweit Abstandnahme zulässig)
Hilfsaufrechnung: Wirkung
- Gericht darf über Hilfsaufrechnung nur entscheiden, wenn feststeht, dass Klageforderung entstanden ist (ggf. hierfür Beweisaufnahme erforderlich) und sonstige Einwendungen nicht greifen
-> prozessualer Vorrang der Hauptverteidigung vor der Hilfsaufrechnung - Hemmung der Verjährung in der Höhe des Betrags der Klageforderung (§ 204 I Nr. 5 ZPO)
-> nur wenn über Forderung keine Entscheidung nach § 322 II ZPO ergeht
Hilfsaufrechnung: Urteil: Tatbestand
- Auch wenn Erklärung idR unstreitig ist, sollte Hilfaufrechnung nicht in der Geschichtserzählung, sondern am nach Antrag und Hauptverteidigung (wegen Subsidiarität zu dieser) stehen
-> “Hilfsweise erklärt der Beklagte die Aufrechnung mit einer angeblichen Gegenforderung in Höhe von X. Hierzu behauptet er, …” - bei erforderlicher Auslegung der Geltendmachung der Hilfsaufrechnung:
-> wörtliche Wiedergabe der Erklärung im Tatbestand
-> Auslegung der Erklärung in den Entscheidungsgründen
Hilfsaufrechnung: Urteil: Entscheidungsgründe: Klageabweisung
- zu Beginn der Entscheidungsgründe kurze Erläuterung
- dann Klageforderung, Hauptverteidgung und Hilfsaufrechnung
-> “Die Klage ist unbegründet. Die Klageforderung ist zwar entstanden, sie ist jedoch durch die vom Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung gem. § 389 BGB erloschen.
Dem Kläger stand ursprünglich eine Forderung in Höhe von X gem. § Y zu. Denn …
Die somit entstandene Forderung ist gem. § 389 BGB infolge der vom Beklagten erklärten Hilfsaufrechnung erloschen. Denn …
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf …”
Hilfsaufrechnung: Urteil: Entscheidungsgründe: Klagestattgabe
- Auseinandersetzung mit Hilfsaufrechnung ebenfalls in den Entscheidungsgründen
- zu Beginn jedoch kürzer:
-> “Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch aus § X in Höhe von … zu. Denn …
Schließlich ist die Klageforderung nicht durch die vom Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung erloschen. Denn …”
Hilfsaufrechnung: Streitwert
- keinen Einfluss auf Zuständigkeitsstreitwert
- Gebührenstreitwert: § 45 III GKG (Kopplung an § 322 II ZPO: Wert der Gegenforderung, soweit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über sie ergeht)
Hilfsaufrechnung: Kostenentscheidung
- Soweit die Klageforderung ohne Rücksicht auf die Hilfsaufrechnung besteht, scheitert der Beklagte mit seiner Hauptverteidigung (!) -> Verlust
- Soweit die Hilfsaufrechnung durchgreift, erleidet der Kläger einen Verlust, weil die Gegenforderung trotz seines Bestreitens mit dem Erlöschen der Klageforderung ausgeglichen werden muss
- Gesamtverlustquote wird anhand des Streitwerts (§ 45 III GKG) gebildet
- Mehrere hilfsweise geltend gemachte Forderungen: Gebührenstreitwert vervielfältigt sich entsprechend der Anzahl der Forderungen, jeweils begrenzt durch die Höhe der noch verbleibenden Klageforderung (wenn also durch die erste Hilfsaufrechnung die Klageforderung von 10.000 € auf 5.000 € reduziert wird und eine zweite Hilfsaufrechnung über 6.000 € geltend gemacht wird, ist der Gebührenstreitwert: 10.000 € (Klageforderung) + 5.000 € (1. Hilfaufrechnung) + 5.000 € (2. Hilfsaufrechnung - nicht 6.000 €, da nur 5.000 € hilfsweise geltend gemacht werden, da Klageforderung durch erste Hilfsaufrechnung bereits reduziert)