Streitgegenstand; objektive Klageänderung; Haupt-/Hilfsvorbringen; Haupt-/Hilfsantrag Flashcards
(38 cards)
Streitgegenstand: gesetzliche Verankerung
- keine Legaldefiniton
- Begriff wird tlw. im Gesetz verwendet oder umschrieben
-> § 2 ZPO: Streitgegenstand
-> § 148 ZPO: Gegenstand des Rechtsstreits
-> auch „der klägerische Anspruch“ (§ 5, § 261 II ZPO)
Streitgegenstand: Definition
- angelehnt an § 253 II Nr. 2 ZPO (hM)
= prozessualer Anspruch
= zweigliedriger Streitgegenstandsbegriff bestehend aus
1. Klageantrag
2. Der zur Begründung des Antrags vorgetragene Lebenssachverhalt (= “ein Lebenssachverhalt, wenn es sich um ein tatsächliches Geschehen handelt, das bei natürlicher Betrachtungsweise nach der Verkehrsauffassung einen einheitlichen Vorgang darstellt”, BGH)
Streitgegenstand: Kasuistik: neue Rechnungspositionen
- idR ändert sich bei neuen Rechnungspositionen auch der zugrundeliegende Lebenssachverhalt
-> (-) aber solange sich nur die Berechnung ändert und keine neuen Rechnungspositionen enthalten
Streitgegenstand: Kasuistik: Abtretung (zunächst Vorgehen aus eigenem, dann aus abgetretenem Recht)
- anderer Lebenssachverhalt, da nicht mehr aus eigenem Recht (BGH)
Streitgegenstand: Kasuistik: Zuerst Vorgehen aus gepfändeter und überwiesener Forderung, dann aus abgetretenem Recht
- gleicher Lebenssachverhalt, da von Anfang an nicht aus eigenem Recht vorgegangen und sich lediglich der Rechtsgrund des Anspruchsübergangs ändert (BGH)
- aber Literatur: bei neuem PfÜB anstelle eines unwirksamen PfÜB liege ein neuer Lebenssachverhalt vor
Streitgegenstand: Kasuistik: Anführen anderer Kündigungsgründe (bspw. Mietvertrag: Zahlungsverzug bei Klageerhebung; während des Prozesses wird noch Eigenbedarf geltend gemacht)
- neuer Lebenssachverhalt (OLG Zweibrücken)
Streitgegenstand: Definition: Ausnahmen
- Feststellungsklage
-> ergibt sich regelmäßig bereits aus dem Antrag
-> für die Zulässigkeit der Feststellungsklage ist das streitige Rechtsverhältnis im Antrag zu umschreiben, so dass der Antrag bereits die notwendige Bestimmung des Lebenssachverhalts enthält - Unterlassungsklage
-> wird durch die konkret vorgetragenen Verletzungshandlungen bestimmt
Objektive Klageänderung: Arten
- Klageauswechslung = Änderung des klägerischen Anspruchs
- Nachträgliche objektive Klagehäufung = „Klageerweiterung“
Objektive Klageänderung: Voraussetzungen/Prüfung
- Zulässigkeit der Klageänderung ist besondere Sachurteilsvoraussetzung
-> ist Klageänderung unzulässig, ist die Klage bzgl. des neuen Antrags unzulässig
- Klageänderung
-> Änderung des Klageantrags oder
-> Änderung des Klagegrundes - Zulässigkeit kraft Gesetzes, § 264 ZPO
- Zulässigkeit durch Einwilligung, § 263 ZPO
- Zulässigkeit durch Einlassung, § 267 ZPO
- Sachdienlichkeit, § 263 ZPO
- ggf. Prüfung weiterer besonderer Sachurteilsvoraussetzungen (neuer Antrag!)
Objektive Klageänderung: Verhältnis zur Rücknahme
- bei unzulässiger Klageänderung: neu geltend gemachter Anspruch ist durch Prozessurteil abzuweisen, alter Anspruch nach § 139 zu bestimmen, ob Kläger an ihm festhalten will oder ggf. insofern als Rücknahme, Verzicht, Erledigung oder aber als Hilfsantrag auszulegen
- bei Beschränkung des Klageantrags durch Teilrücknahme (§ 269 (analog))
-> eA: Kumulationstheorie: nach Beginn der mündlichen Verhandlung ist zusätzlich nach § 269 I Einwilligung des Gegners erforderlich
-> aA: Kumulationstheorie mit § 267 analog (rügelose Einlassung)
-> wA: Kumulationstheorie nur bei quantativer Beschränkung, nicht bei qualitativer Beschränkung (bspw. Umstellung von Leistung auf Feststellung)
-> neA (hM): Kumulationstheorie weder bei qualitativer noch quantitativer Beschränkung
pro: auch bei quantitativer Beschränkung ist nicht zu besorgen, dass - was § 269 I garantieren will - der Prozess einseitig beendet wird; vielmehr kann der Beklagten hinsichtlich des weggefallenen Teils sogar negative Feststellungswiderklage erheben
Objektive Klageänderung: Nachträgliche objektive Klagehäufung: Darstellung im Urteil
- zulässige Klageänderung:
-> im Tenor über beide Anträge entscheiden
-> im Tatbestand den ursprünglichen Antrag und die Erweiterung
(sowie ggfs. Zustimmung/ Ablehnung) aufnehmen
-> Entscheidungsgründe zu allen Anträgen - unzulässige Klageänderung
-> Abweisung der unzulässigen Erweiterung
-> (ggfs. durch Teilurteil, wenn insofern vor dem restlichen
Streitgegenstand entscheidungsreif)
Streitgegenstand: Kasuistik: cic und Vertrag
- idR beruhen cic und vertragliche Ansprüche auf unterschiedlichen Lebenssachverhalten
Streitgegenstand: Kasuistik: Übergang von einem vertraglichen Vergütungsanspruch zu einer gesetzlichen AGL (GoA; ungerechtfertigte Bereicherung)
- BGH: bei im übrigen identischem Lebenssachverhalt gleicher Streitgegenstand (keine Klageänderung)
Streitgegenstand: Grobraster zur Bestimmung eines gleichen Lebenssachverhaltes
- Verschiedene Sachverhalte nur als Varianten eines einheitlichen, sich ggf. nur fortentwickelnden Vorgangs (-> bspw. Abschlags- und Schlussrechnung)
- Haben verschiedene Sachverhalte trotz inneren Zusammenhang eigenständige Bedeutung (-> bspw. Vertrag und cic)
- Kann der Kläger die Leistung in jedem Fall nur einmal oder eventuell zweimal fordern?
Mehrfache Anspruchsbegründung: Rechtsausführungen vs. konkludenter Sachvortrag
- Rechtsausführung grds. für Gericht irrelevant, jedoch möglich, dass konkludenter Sachvortrag (und damit ggf. neuer Lebenssachverhalt/Klageänderung) darin enthalten ist
-> bspw. beruft sich Kläger zunächst auf Darlehensvertrag zur Rückzahlung, später erklärt er, der Vertrag sei in Gesellschaftsvertrag einbezogen worden und nun stütze er sich auf § 733 II BGB (Auseinandersetzung) - BGH: wegen Verschiedenheit der rechtlichen Verhältnisse kein einheitlicher Lebenssachverhalt mehr - Schildert Kläger mehrere Lebenssachverhalte, muss er, um Anforderungen des § 253 II Nr. 2 ZPO zu genügen, klarstellen, aus welchem er den prozessualen Anspruch herleitet
Mehrfache Anspruchbegründung: Hilfsvorbringen
= wenn Kläger zur Stütze ein und desselben prozessualen Anspruchs entweder im Rahmen der einschlägigen AGL hilfsweise eine Sachverhaltsvariante vorträgt oder sich hilfsweise auf Tatsachen beruft, die eine andere AGL erfüllen
- steht in der Regel unter der innerprozessualen Bedingung, dass der Kläger mit seinem Hauptvorbringen trotz Schlüssigkeit in tatsächlicher Hinsicht (!)* nicht durchdringt oder seine Feststellung wegen des Hilfsvorbringen offen bleiben kann
*= wenn das Gericht das Hauptvorbringen seiner rechtlichen Würdigung also nicht zugrunde legt (auch das dem Hauptvorbringen widersprechende Hilfsvorbringen ist zu berücksichtigen, wenn das Gericht das Hauptvorbringen nicht für erwiesen erachtet; denn es wäre widersprüchlich, würde das Gericht gleichzeitig das Hauptvorbringen als nicht erwiesen behandeln, andererseits aber doch als der Wirklichkeit entsprechend, indem es das Hilfsvorbringen wegen Verstoßes gegen die Wahrheitspflicht unbeachtet ließe, BGH)
Mehrfache Anspruchsbegründung: Hilfsweise Übernahme von gegnerischem Vortrag oder von Beweisergebnissen
- wie Hilfsvorbringen kein Verstoß gegen prozessuale Wahrheitspflicht aus § 138 I ZPO
- Vorbringen: “vorsorglich”, “jedenfalls”, “selbst wenn” -> Partei muss erkennen lassen, dass sie ihren prozessualen Anspruch nachrangig auch auf weitere Tatsachen stützen will und sie sich nicht zu ihrem eigenen Vortrag in Widerspruch setzt
- ebenso hinsichtlich der Ergebnisse einer Beweisaufnahme möglich, im Zweifel auch ohne ausdrückliche Bezugnahme
Mehrfache Anspruchsbegründung: alternative Begründung eines prozessualen Anspruchs
= Sachverhaltsvarianten werden nicht rangmäßig einander zugeordnet, sondern stehen alternativ nebeneinander
-> in den Grenzen der prozessualen Wahrheitspflicht und des einheitlichen Lebenssachverhalts zulässig
- Bsp.: Kläger erklärt, dass Ware aus Kaufvertrag geliefert wurde, es aber auch wie Beklagtenvortrag lautet genauso gut sein könne, dass Ware aus Irrtum geliefert wurde, diese aber nun weiterveräußert wurde
-> nur ein prozessualer Anspruch
-> beide Sachverhaltsvarianten müssen schlüssig sein
Mehrfache Anspruchsbegründung: “Alternativklage”
= Grenze der zulässigen Alternativbegründung ist erreicht, wenn der Kläger auch bei äußerlich einheitlichem Klageantrag durch die Klagebegründung zwei Streitgegenstände in den Rechtsstreit einführt, ohne deren Verhältnis zueinander festzulegen
=> wahlweise auf gleichrangige Streitgegenstände gestützte Alternativklage ist (im Gegensatz zur alternativen Begründung ein und desselben Streitgegenstandes) unzulässig
-> Übergang zur kumulativen Klagehäufung, § 260 ZPO
-> Übergang zu Haupt- und Hilfsantrag
-> ansonsten Verstoß gegen § 253 II Nr. 2 ZPO
Mehrfache Anspruchsbegründung: Hilfsvorbringen: Urteil
- grds. bereits vor den Anträgen bei Sachvortrag des Klägers
- bei hilfsweisem Zueigenmachen oft zweckmäßig im Zusammenhang mit Beklagtenvortrag: “Der Beklagte behauptet, … Diese Behauptung macht sich der Kläger hilfsweise zu eigen (und vertritt dazu die Ansicht, …)”
- wenn Sachvortrag des Klägers zu mehrfacher Anspruchsbegründung auslegungsbedürftig ist, dann muss Auslegung in Entscheidungsgründen (nicht bereits im TB!) erfolgen
- in Entscheidungsgründen: bei Entscheidungsunerheblichkeit können Varianten dahinstehen: “Die Klage ist begründet. Offenbleiben kann, ob das Hauptvorbringen oder das Hilfsvorbringen des Klägers zutrifft. Aus beiden Gesichtspunkten ergibt sich nämlich der Klageanspruch, wohingegen der Beklagte nur dem Hauptvorbringen, nicht aber dem Hilfsvorbringen entgegengetreten ist. (Prüfung beider Vortragsvarianten)”
Haupt- und Hilfsantrag: Begriff
= Kläger stellt mehrere Streitgegenstände in ein Eventualverhältnis, die durch die innerprozessuale Bedingung der Entscheidung über die Hauptsache bedingt sind
-> idR Bedingung: über Hilfsantrag soll nur entschieden werden, wenn Hauptantrag unzulässig oder unbegründet (jedoch Präzisierung möglich)
-> Hilfsantrag wird auflösend bedingt (!) rechtshängig, damit diesbezüglich verhandelt werden kann (wenn über Hauptantrag positiv entschieden wird und Rechtskraft eintritt, entfällt die Rechtshängigkeit ex tunc)
Haupt- und Hilfsantrag: Zulässigkeit
- Zulässig, soweit es sich um eine innerprozessuale Bedingung handelt
-> Anträge dürfen sich auch widersprechen oder gegenseitig ausschließen - Mehrere Hilfsanträge hintereinander zulässig (“weiter hilfsweise”, “äußerst hilfsweise”)
- Prozessrechtsverhältnis selbst darf nicht von Bedingung abhängig sein (!)
-> Hilfsweise Einbeziehung einer weiteren Partei
-> Hilfweises Auftreten in anderer Parteistellung (bspw. in eigenem Namen und nicht mehr als Insolvenzverwalter)
Haupt- und Hilfsantrag: Zuständigkeit
- da beide Anträge zugleich rechtshängig sind, kommt es auf den höheren Streitwert an (§ 4 ZPO: Zeitpunkt der Klageeinreichung; irrelevant, über welchen Antrag entschieden wird)
- § 261 III Nr. 2 ZPO (perpetuatio fori) jedoch auch hier
- fehlt es für den Hilfsantrag an der Rechtswegzuständigkeit, kommt eine Verweisung an das zuständige Gericht in Betracht
Haupt- und Hilfsantrag: Verhältnis zum Hilfsvorbringen
- Hilfsvorbringen bezieht sich auf denselben prozessualen Anspruch wie der Hauptvortrag (selber Streitgegenstand); Hilfsantrag führt neuen Streitgegenstand ein (damit besonderer Fall der objektiven Klagehäufung, § 260 ZPO)
-> nach § 301 I teilurteilsfähig